Impliziter Assoziationstest

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Beispiel eines klassischen Geschlechts-IATs. Die grünen Wörter stehen für die Belegung der Reaktionstasten.

Der Implizite Assoziationstest (kurz: IAT) ist ein Messverfahren in der Sozialpsychologie. Er wird verwendet, um die Stärke der Assoziationen zwischen einzelnen Elementen des Gedächtnisses zu messen. Das implizite Verfahren geht auf Greenwald, McGhee und Schwartz (1998) zurück.

Der IAT wird am Computer durchgeführt und basiert auf der Idee, dass es Personen leichter fällt, auf assoziierte Konzepte mit derselben Antworttaste, anstatt mit einer entgegengesetzten Antworttaste zu reagieren.[1] Der IAT wird hauptsächlich zur impliziten Messung von Einstellungen gegenüber Objekten des Selbstwerts (self-esteem), der Identität (self-identity) und der Stereotype verwendet, ist jedoch, theoretisch betrachtet, auf jegliche Gedächtnisinhalte anwendbar, sofern sie im Gedächtnis in perzeptuellem (visuellem) oder semantischem Format gespeichert sind.

Theoretischer Hintergrund

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Dem IAT liegt die Annahme zugrunde, dass Informationen im Gedächtnis mittels eines assoziativen Netzwerks (Collins & Loftus, 1975) organisiert sind. Werden Knoten des Netzwerks bspw. durch perzeptuelle Informationen aktiviert, breitet sich die Aktivierung innerhalb des Netzwerks aus, assoziierte Knoten werden somit ebenfalls aktiviert.[2] Meyer & Schvaneveldt (1971) konnten zeigen, dass Personen beispielsweise schneller auf das Wort Krankenschwester reagieren, wenn kurz vorher das Wort Doktor präsentiert wurde, und langsamer, wenn vorher bspw. das Wort Baum präsentiert wurde. Erklärt wird dies durch die Aktivierungsausbreitung mittels der assoziativen Verbindung von Krankenschwester und Doktor.[3] Diesen Effekt nennt man semantisches Priming.

Fazio et al. (1986) konnten zeigen, dass Personen bei Kategorisierungsaufgaben schneller reagieren, wenn vor dem zu bewertenden Wort den Personen ein Wort präsentiert wurde, das die gleiche Valenz (d. h. den affektiven Wert, z. B. positiv oder negativ) aufweist. Diesen Effekt nennt man affektives Priming. Er wird als Beleg für automatische Bewertung von Einstellungsobjekten betrachtet.[4] Auf den IAT bezogen bedeutet dies, dass Personen dann schneller reagieren, wenn Beurteilungsobjekt und evaluativer Wert der Kategorie auf derselben Antworttaste liegen, da das Einstellungsobjekt die assoziierte Valenzkategorie mittels assoziativer Verbindungen mitaktiviert.

Beim IAT sollen die Personen mittels Tastendruck Reize kategorisieren, die entweder eine bestimmte Eigenschaft aufweisen (bspw. positive oder negative Wörter) oder einem von zwei Zielkonzepten angehören, die sich nicht überlappen (bspw. weibliche oder männliche Namen). Der IAT besteht aus fünf Phasen, die im Folgenden am Beispiel des Geschlechts-IATs näher beschrieben werden.

Standardprozedur

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Die ersten beiden Phasen werden zur Einübung der Kategorisierungsaufgabe genutzt. In der ersten Phase werden den Personen Wörter präsentiert, die sie mittels Tastendruck als positiv oder negativ kategorisieren sollen.

In der zweiten Phase sollen die Personen Vornamen nach männlich oder weiblich kategorisieren.

In der dritten Phase werden nun die Aufgaben aus den ersten beiden Phasen kombiniert, und die Antworttasten sind doppelt belegt. Auf positive Wörter und männliche Namen sollen die Personen mit der linken Taste reagieren, auf negative Wörter und weibliche Namen mit der rechten Taste.

In der vierten Phase wird die Tastenkombination bezüglich der Zielkonzepte vertauscht, die Personen sollen nun mit der linken Taste auf weibliche Namen reagieren und mit der rechten Taste auf männliche Namen.

Die fünfte Phase gleicht der dritten Phase, mit dem Unterschied, dass nun die Personen auf positive Wörter und weibliche Namen mit der linken Taste reagieren sollen und auf negative Wörter und männliche Namen mit der rechten Taste.

Die Auswertung erfolgt durch den Vergleich der Reaktionszeiten in der dritten Phase mit denen in der fünften Phase. Personen reagieren in der Phase durchschnittlich schneller, die für sie eine kompatible Tastenzuordnung aufweist (bspw. positiv und weibliche Namen). Der IAT-Effekt wird als Maß der Stärke assoziativer Verknüpfungen zwischen den Zielkonzepten und den Attributausprägungen interpretiert.[1]

Probleme mit dem IAT

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Da der IAT-Effekt ein relatives Maß ist, lässt sich nicht genau bestimmen, wie er zustande kommt. Unterschiedliche Muster von Assoziationen können prinzipiell zum gleichen IAT-Effekt führen. Mierke & Klauer (2003) fanden zudem Hinweise, dass der IAT-Effekt auch ohne das Vorliegen von Assoziationen auftreten kann: „Wenn assoziative Verknüpfungen nur hinreichend, nicht aber notwendig für das Auftreten der Effekte sind, kann nicht vom Auftreten eines IAT-Effekts auf das Vorliegen bestimmter Assoziationen geschlossen werden“.[5]

Ein weiteres Problem stellt die zu geringe Retest-Reliabilität dar, auch wenn die interne Konsistenz zum Teil ausreichend ist. Dies ist deshalb als problematisch zu sehen, weil semantische Netzwerke über einen gewissen Zeitraum zumindest relativ stabil sein müssten, auch wenn sie grundsätzlich veränderbar sind. Deshalb sind differentielle Aussagen (also über Persönlichkeitsunterschiede) mit Vorsicht zu genießen. Die unterschiedlichen Test-Resultate bei ein und derselben Person werden mit der Mehrdimensionalität der sozialen Identität, der Selbst-Stereotypisierung und der Selbstkategorisierung dieser Person erklärt. Aufgrund dessen lassen sich auch verschiedene Assoziationstärken durch Aktivierung verschiedener Selbstkonzepte willentlich ändern oder beeinflussen.[6]

Weiterhin kann die Grundannahme des IAT, dass nämlich eine Assoziation zwischen kognitiven Konzepten die Basis für die Varianz der Reaktionszeit darstellt, hinterfragt werden. So können nämlich Figur-Grund-Asymmetrien und die daraus resultierenden Salienz-Unterschiede die Ergebnisse des IAT gleichermaßen erklären.[7]

Der Zusammenhang zwischen expliziter und impliziter Assoziation ist bislang wenig erforscht.[8]

Die Verfälschbarkeit von IATs zeigt zudem, dass IATs nicht ausschließlich implizite Assoziationen messen, sondern dass IAT-Ergebnisse in gewissem Umfang beeinflussbar und verfälschbar sind.[9][10]

Auch aufgrund der angesprochenen Probleme von IATs stehen mittlerweile neben den traditionellem IAT-Effekt (i. d. R. D measures)[11][12] komplexere Algorithmen zur Auswertung von IATs zur Verfügung, welche verschiedene Varianzquellen von IAT-Effekten unterscheidbar machen (z. B. Diffusionsmodell, Quad-Modell[13] und ReAL-Modell[14]). Diffusionsmodellanalysen ermöglichen es bspw., drei separate IAT-Effekte (statt einem globalen IAT-Effekt) zu ermitteln, welche zu unterschiedlichen Anteilen Konstruktvarianz, Methodenvarianz und Fälschungsvarianz enthalten und als IATv, IATa und IATt0 bezeichnet werden.[15][16][17][18]

Single-Target IAT

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Um die Relativität des IAT-Effekts zu umgehen und ein absolutes Maß der Bewertung einzelner Kategorien zu erhalten, wird beim Single-Target IAT (Wigboldus, 2003) pro Phase immer nur ein Zielkonzept präsentiert.[19] Wie beim klassischen IAT werden den Personen in der ersten Phase positive und negative Wörter präsentiert, die sie mittels Tastendruck als positiv oder negativ klassifizieren sollen. Im Gegensatz zum IAT ist in den nachfolgenden Phasen immer nur eine Antworttaste doppelt belegt. Im Falle des Gender-IATs werden die Personen gebeten, in der zweiten Phase auf positive Wörter mit der linken Taste zu reagieren und auf negative Wörter und Männernamen mit der rechten Taste. In der dritten Phase wird die Doppelbelegung der Tasten umgedreht: Die Personen werden gebeten, mit der linken Taste auf positive Wörter und Männernamen zu reagieren und auf negative Wörter mit der rechten Taste. Beide Phasen werden wiederholt, mit dem Unterschied, dass Frauen- statt Männernamen verwendet werden.

Extrinsisch-affektive Simon-Task (EAST)

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Beispiel einer Geschlechts-EAST. Die farbigen Wörter am unteren Bildschirmrand stehen für die Belegung der Reaktionstasten.

Die extrinsisch-affektive Simon-Aufgabe (De Houwer, 2003) basiert auf einer Kombination von IAT-Elementen mit dem affektiven Simon-Effekt. Wie beim IAT werden zwei Zielkonzepte genutzt. Die Aufgabe der Personen besteht darin, auf farbige Reize (meist Wörter) mit einer von zwei Tasten zu reagieren, die jeweils doppelt belegt sind (Reizfarbe und Valenz). Die Personen werden beispielsweise gebeten, auf positive, weiße Wörter mit der linken Taste zu reagieren, auf negative weiße Wörter mit der rechten Taste. Zudem sollen sie zusätzlich mit der linken Antworttaste auf bspw. blaue Wörter (die inhaltlich dem einen Zielkonzept entsprechen) reagieren, auf bspw. gelbe Wörter (die inhaltlich dem anderen Zielkonzept entsprechen) mit der rechten Antworttaste. Die Personen klassifizieren die Reize für gewöhnlich dann schneller, wenn die Valenz, die durch Verarbeitung des Reizinhalts mitaktiviert wird, und die Reizfarbe auf derselben Antworttaste liegen. Im obigen Beispiel würde man erwarten, dass die Personen auf positive blaue Wörter schneller reagieren als auf positive gelbe Wörter, da auf positiv und blau mit derselben Antworttaste reagiert werden soll.

Go/No-go Association Task (GNAT)

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Bei der Go/No-go-Assoziationsaufgabe (GNAT) von Nosek und Banaji (2001) wird im Gegensatz zum klassischen IAT nur ein Zielkonzept genutzt. Damit wird das Problem der Relativität der IAT-Ergebnisse umgangen. Aufgabe der Person ist es, auf bestimmte Reize zu reagieren (go), auf andere jedoch nicht (no-go). Der Person werden nacheinander positive, negative und Reize des Zielkonzepts präsentiert. In einem Durchgang soll die Person auf positive Reize und Reize des Zielkonzepts reagieren, in einem anderen Durchgang auf negative Reize und Reize des Zielkonzepts. Auf die verbleibenden Reize (je nach Durchgang entweder negativ oder positiv) soll nicht reagiert werden. Die Personen reagieren in der Regel in dem Durchgang, der kompatibel zu ihrer Evaluation des Zielkonzepts ist, schneller als im anderen Durchgang.

  • M. R. Banaji, A. G. Greenwald (2015). Vor-Urteile – wie unser Verhalten unbewusst gesteuert wird und was wir dagegen tun können. München, dtv.
  • J. De Houwer (2003). The extrinsic affective Simon task. Experimental Psychology, 50, 77–85.
  • B. Gawronski, F. R. Conrey (2004). Der implizite Assoziationstest als Maß automatisch aktivierter Assoziationen: Reichweite und Grenzen. Psychologische Rundschau, 55(3), S. 118–126.
  • A. G. Greenwald, D. E. McGhee, J. L. L. Schwartz (1998). Measuring individual differences in implicit cognition: The implicit association test (PDF; 513 kB). Journal of Personality and Social Psychology, 74, 1464–1480.
  • W. Kroeber-Riel, P. Weinberg, A. Gröppel-Klein (2008). Konsumentenverhalten (9. Aufl.) München: Vahlen.
  • K. A. Lane, M. R. Banaji, B. A. Nosek, A. G. Greenwald (2007). Understanding and using the Implicit Association Test: IV. What we know (so far). In B. Wittenbrink & N. S. Schwarz (Eds.). Implicit measures of attitudes: Procedures and controversies (pp. 59–102). New York: Guilford Press.
  • B. A. Nosek, M. R. Banaji (2001). The Go/No-go Association Task (PDF; 345 kB). Social Cognition, 19, 625–666.
  • J. Röhner. (2014). Faking the Implicit Association Test (IAT): Predictors, processes, and detection. Dissertation. TU Chemnitz. https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:bsz:ch1-qucosa-133049
  • J. Röhner, M. Schröder-Abé & A. Schütz (2011). Exaggeration is harder than understatement, but practice makes perfect! Faking success in the IAT. Experimental Psychology, 58, 464-472. doi:10.1027/1618-3169/a000114
  • J. Röhner & A. Schütz (2019). Impliziter Assoziationstest (IAT). In M. Wirtz, Dorsch – Lexikon der Psychologie (19. überarbeitete Auflage, S. 813). Göttingen: Hogrefe. doi:10.1024/85914-000

Einzelnachweise

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  1. a b Mierke, J. (2004): Kognitive Prozesse bei der indirekten Messung von Einstellungen mit dem Impliziten Assoziationstest. Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde, (PDF).
  2. Collins, A. M., & Loftus, E. F. (1975). A spreading-activation theory of semantic processing. Psychological Review, 82, 407–428. doi:10.1037/0033-295X.82.6.407
  3. Meyer, D. E. & Schvaneveldt, R. W. (1971). Facilitation in recognizing pairs of words: Evidence of a dependence between retrieval operations. Journal of Experimental Psychology, 90, 227–234. doi:10.1037/h0031564
  4. Fazio, R. H., Sanbonmatsu, D. M., Powell, M. C. & Kardes, F. R. (1986). On the automatic activation of attitudes. Journal of Personality and Social Psychology, 50, 229–238.
  5. Mierke, J. & Klauer, K. C. (2003). Method-specific variance in the Implicit Association Test. Journal of Personality and Social Psychology, 85, 1180–1192.
  6. Cordelia Fine: Die Geschlechterlüge. Klett-Cotta, 2012, ISBN 978-3-608-10274-1 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche). Teil 1, Kapitel 1
  7. Rothermund, K., & Wentura, D. (2004): Underlying processes in the Implicit Association Test: Dissociating salience from associations. Journal of Experimental Psychology: General, 133, 139-165. (PDF; 232 kB)
  8. Cordelia Fine: Die Geschlechterlüge. Klett-Cotta, 2012, ISBN 978-3-608-10274-1 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche). S. 38
  9. Röhner, J., Schröder-Abé, M., & Schütz, A. (2013). What do fakers actually do to fake the IAT? An investigation of faking strategies under different faking conditions. Journal of Research in Personality, 47, 330-338. doi:10.1016/j.jrp.2013.02.009
  10. Röhner, J., Holden, R. R., & Schütz, A. (2022). IAT faking indices revisited: Aspects of replicability and differential validity. Behavior Research Methods. Advance online publication. doi:10.3758/s13428-022-01845-0
  11. Greenwald, A., Nosek, B. & Banaji, M. (2003). Understanding and using the Implicit Association Test: I. An improved scoring algorithm. Journal of Personality and Social Psychology, 85, 197-216. doi:10.1037/0022-3514.85.2.197
  12. Röhner, J., & Thoss, P. J. (2019). A tutorial on how to compute traditional IAT effects with R. The Quantitative Methods for Psychology, 15, 134-147. doi:10.20982/tqmp.15.2.p134
  13. Conrey, F. R., Sherman, J. W., Gawronski, B., Hugenberg, K., & Groom, C. J. (2005). Separating multiple processes in implicit social cognition: the quad model of implicit task performance. Journal of personality and social psychology, 89(4), 469–487. doi:10.1037/0022-3514.89.4.469
  14. Meissner, F., & Rothermund, K. (2013). Estimating the contributions of associations and recoding in the Implicit Association Test: the ReAL model for the IAT. Journal of personality and social psychology, 104(1), 45–69. doi:10.1037/a0030734.
  15. Röhner, J., & Ewers, T. (2016a). How to analyze (faked) Implicit Association Test data by applying diffusion model analyses with the fast-dm software: A companion to Röhner & Ewers (2016). The Quantitative Methods for Psychology, 12, 220-231. doi:10.20982/tqmp.12.3.p220
  16. Röhner, J., & Ewers, T. (2016b). Trying to separate the wheat from the chaff: Construct- and faking-related variance on the Implicit Association Test (IAT). Behavior Research Methods, 48, 243-258. doi:10.3758/s13428-015-0568-1
  17. Röhner, J., & Thoss, P. J. (2018). EZ: An easy way to conduct a more fine-grained analysis of faked and nonfaked Implicit Association Test (IAT) data. The Quantitative Methods for Psychology, 14, 17-37. doi:10.20982/tqmp.14.1.p017
  18. Röhner, J., & Lai, C. K. (2021). A diffusion model approach for understanding the impact of 17 interventions on the race Implicit Association Test. Personality and Social Psychology Bulletin, 47, 1374-1389. doi:10.1177/0146167220974489
  19. Wigboldus, D. (2003). Single target implicit association tests. Paper presented at the 3rd Workshop on Implicit Diagnostics, Bonn, Germany.