Normaler Raum

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Hinweis: Es gibt in der Standardliteratur keine einheitliche Auffassung hinsichtlich der Begriffe normaler Raum und T4-Raum; vielmehr herrscht Uneinheitlichkeit.[1][2] In diesem Artikel gilt die Auffassung, dass ein T4-Raum ein normaler Hausdorff-Raum ist, während ein normaler Raum nicht notwendig hausdorffsch zu sein hat.

Graphische Darstellung eines normalen Raumes

Ein normaler Raum ist ein topologischer Raum, in dem zwei beliebige disjunkte abgeschlossene Mengen disjunkte Umgebungen haben. Kürzer: Abgeschlossene Mengen E, F werden durch Umgebungen U, V getrennt.

Diese Eigenschaft ist zum Beispiel Grundlage des Lemmas von Urysohn oder des Fortsetzungssatzes von Tietze. Der Begriff geht zurück auf Heinrich Tietze 1923,[3] seine ganze Tragweite wurde von Urysohn bei seinen Arbeiten über die Fortsetzung von Funktionen erkannt.[4]

Normalität vererbt sich nicht notwendig auf alle Teilräume.

Ein gängiges Verfahren zur Untersuchung eines Objektes einer mathematischen Kategorie ist es, die Menge der strukturerhaltenden Funktionen in besonders gut verstandene Vertreter der Kategorie zu untersuchen. In vielen Fällen kann man auf diesem Weg auch Erkenntnisse über das zu untersuchende Objekt selbst gewinnen. In der Linearen Algebra untersucht man zum Beispiel die Menge der linearen Abbildungen von einem beliebigen Vektorraum in den Grundkörper und bezeichnet diese als den Dualraum. In der Topologie bieten sich als Modellräume die topologischen Räume und an.

Bezogen auf die Stetigkeit kann dieses Vorgehen aber nur sinnvoll sein, wenn man an den zu untersuchenden Raum noch zusätzliche Bedingungen stellt. Auf einem Raum mit der trivialen Topologie etwa ist jede stetige komplexwertige Funktion bereits konstant (das gilt sogar für jede stetige Funktion, deren Zielmenge ein Kolmogoroff-Raum ist).

Wenn man einen topologischen Raum dadurch verstehen will, dass man die stetigen Funktionen von ihm in einen der Modellräume untersucht, so sollte die Menge dieser Funktionen wenigstens punktetrennend sein. Dies führt auf die Definition eines vollständigen Hausdorff-Raums. Dieser wird gerade über die Existenz einer ausreichenden Menge von stetigen Funktionen definiert.

Wünschenswert wäre es natürlich, ein elementares topologisches Kriterium zu besitzen, das diese Existenz sichert. Hier bieten sich Hausdorff-Räume an, die normal oder lokalkompakt sind. Ein Großteil der in der Mathematik untersuchten topologischen Räume fällt zumindest in eine der beiden Kategorien. Das Lemma von Urysohn stellt für diese beiden Klassen von Räumen (unter anderem) sicher, dass sie vollständige Hausdorff-Räume sind.

Tatsächlich zeigt der allgemeinere Fortsetzungssatz von Tietze, dass sich in solchen Räumen stetige Funktionen in einen der Modellräume, die nur auf einer abgeschlossenen (bei normalen Räumen) bzw. kompakten (bei lokalkompakten Räumen) Teilmenge definiert sind, zu stetigen Funktionen vom ganzen Raum in den Modellraum fortsetzen lassen. Im zweiten Fall kann dabei die Fortsetzung so gewählt werden, dass sie weiterhin kompakten Träger besitzt.

Formale Definition des normalen Raumes und des T4-Raumes (normaler Hausdorff-Raum)

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Zu beachten ist, dass die Definition in der Literatur uneinheitlich ist, hier wird für einen normalen Raum nicht die Eigenschaft hausdorffsch gefordert, für einen T4-Raum jedoch schon.

Sei ein topologischer Raum. heißt normal, falls es zu je zwei abgeschlossenen Teilmengen , mit Umgebungen , sowie von E und F gibt mit .

Ein normaler Raum, der zusätzlich die Trennungseigenschaft T2 erfüllt, also ein normaler Hausdorff-Raum ist, wird als T4-Raum bezeichnet.

Viele Autoren verwenden die Begriffe anders: Sie setzen für einen normalen Raum automatisch hausdorffsch voraus (d. h. T2-Raum) und verstehen unter T4-Räumen die in diesem Artikel unter "normal" beschriebene Raumklasse, es entfällt also die Forderung, dass T4-Räume hausdorffsch sind. Die meisten in den Anwendungen auftretenden normalen Räume sind T2-Räume.

Vererbungseigenschaften

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  • Ein abgeschlossener Unterraum eines normalen Raumes ist wieder ein normaler Raum. Allgemeiner gilt dies sogar noch, wenn der Unterraum eines normalen Raumes eine Vereinigung abzählbar vieler abgeschlossener Mengen ist.[5]
  • Beliebige Unterräume eines normalen Raumes sind im Allgemeinen nicht normal, wie man etwa an einem beliebigen vollständig regulären Raum, der nicht normal ist, etwa der Sorgenfrey-Ebene oder dem Niemytzki-Raum, eingebettet in seine Stone-Čech-Kompaktifizierung sieht, denn letztere ist als kompakter Hausdorff-Raum normal.
  • Produkte normaler Räume sind im Allgemeinen nicht normal, wie das Beispiel der Sorgenfrey-Ebene als Produkt der normalen Sorgenfrey-Gerade zeigt. Das erste Beispiel eines normalen Raumes, dessen Produkt mit einem metrischen Raum nicht wieder normal ist, ist die Michael-Gerade.

Fortsetzung stetiger Funktionen

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Ein topologischer Raum ist genau dann ein normaler Raum, wenn jede auf einer abgeschlossenen Teilmenge stetige, reellwertige Funktion zu einer auf dem ganzen Raum stetigen, reellwertigen Funktion fortgesetzt werden kann.

Lemma von Urysohn

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Ein topologischer Raum ist genau dann ein normaler Raum, wenn es zu je zwei disjunkten, abgeschlossenen Mengen eine stetige Funktion gibt mit und .

Abgeschlossene Umgebungen

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Eine einfache Umformulierung der Definitionen liefert:

Ein topologischer Raum ist genau dann normal, wenn es zu jeder Umgebung einer abgeschlossenen Menge eine offene Menge gibt, für die gilt:

Das bedeutet, dass für jede abgeschlossene Menge die abgeschlossenen Umgebungen eine Umgebungsbasis bilden.

Zerlegung der Eins

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Ein normaler Raum ermöglicht eine Zerlegung der Eins für jede lokal endliche offene Überdeckung.

Ein T1-Raum ist genau dann normal, wenn jede offene, lokalendliche Überdeckung eine Schrumpfung besitzt, das heißt, es gibt eine offene Überdeckung mit für alle .[6]

Spezialisierungen

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Der Begriff des normalen Raumes kann auf mehrere Weisen verschärft werden:

  • Ein normaler Raum heißt vollständig normal, wenn es zu je zwei Mengen mit disjunkte offene Mengen und gibt mit und . Hier liegt also eine stärkere Trennungseigenschaft vor. In solchen Räumen sind alle Unterräume, nicht nur die abgeschlossenen, normal. Die Tichonow-Planke ist ein nicht-normaler Unterraum eines Kompaktums, letzteres ist daher normal, aber nicht vollständig normal.
  • Ein normaler Raum heißt perfekt normal, wenn es zu je zwei disjunkten abgeschlossenen Mengen eine stetige Funktion gibt mit und . In solchen Räumen gilt also eine stärkere Version des Urysohnschen Lemmas. Die Einpunktkompaktifizierung der Tichonow-Planke ist nicht perfekt normal, da der unendlich ferne Punkt keine -Menge ist und daher nicht Nullstellengebilde einer stetigen, reellwertigen Funktion sein kann.
  • Ein normaler Raum heißt total normal, falls es zu jeder offenen Menge eine offene Überdeckung gibt, so dass:
    • Jedes ist eine -Menge, das heißt eine abzählbare Vereinigung abgeschlossener Mengen; und
    • ist lokalendlich auf , d. h., zu jedem gibt es eine Umgebung , die mit nur endlich vielen der einen nichtleeren Schnitt hat.
Solche Räume spielen in der Dimensionstheorie eine Rolle. Perfekt normale Räume sind total normal.
  • Boto von Querenburg: Mengentheoretische Topologie (= Springer-Lehrbuch). 3. neu bearbeitete und erweiterte Auflage. Springer Verlag, Berlin (u. a.) 2001, ISBN 3-540-67790-9.
  • Egbert Harzheim, Helmut Ratschek: Einführung in die Allgemeine Topologie (= Die Mathematik. Einführungen in Gegenstand und Ergebnisse ihrer Teilgebiete und Nachbarwissenschaften). Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1978, ISBN 3-534-06355-4. MR0380697
  • Horst Schubert: Topologie (= Mathematische Leitfäden). 4. Auflage. B. G. Teubner Verlag, Stuttgart 1975, ISBN 3-519-12200-6 (MR0423277).
  • Stephen Willard: General Topology. Addison-Wesley, Reading MA u. a. 1970 (MR0264581).

Einzelnachweise

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  1. Stephen Willard: General Topology. Addison-Wesley, Reading MA u. a. 1970, S. 99 (MR0264581).
  2. Schubert (S. 77) etwa nennt einen normalen Raum einen solchen, der im hier vorliegenden Artikel als T4-Raum bezeichnet wird.
  3. Heinrich Tietze: Beiträge zur allgemeinen Topologie I. Axiome für verschiedene Fassungen des Umgebungsbegriffs. In: Mathematische Annalen. 88, 1923, ISSN 0025-5831, S. 290–312.
  4. N. Bourbaki: Éléments d’histoire des mathématiques. Springer, Berlin u. a. 2007, ISBN 978-3-540-33938-0, S. 205.
  5. René Bartsch: Allgemeine Topologie. Walter de Gruyter GmbH & Co KG, 2015, ISBN 978-3-11-040618-4, S. 124, Lemma 4.4.13.
  6. Karl Peter Grotemeyer: Topologie, Bibliographisches Institut Mannheim (1969), ISBN 3-411-00836-9, Satz 43.