Rüdiger Schmitt (Genetiker)

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Rüdiger Schmitt

Rüdiger Schmitt (* 25. Mai 1936 in Münster) ist ein deutscher Genetiker und Molekularbiologe. Er ist emeritierter Professor an der Universität Regensburg. Forschungsarbeiten von Schmitt betreffen Fragen der übertragbaren Antibiotikaresistenz bei Enterobakterien, der gerichteten Bewegung (Chemotaxis) von symbiontischen Bodenbakterien (Rhizobiaceae) und der Zelldifferenzierung bei der Grünalge Volvox carteri.

Schmitt studierte von 1955 bis 1961 Chemie, Physik und Physiologie an der TU Berlin und der TU Braunschweig. Er promovierte 1963 in Organischer Chemie an der TU Braunschweig bei Hans Herloff Inhoffen. Von 1964 bis 1966 war er Postdoktorand in Stanford, California, USA am Syntex Institute for Molecular Biology unter dem Mentorat von Joshua Lederberg und Carl Djerassi. 1966 ging er für zwei Jahre als wissenschaftlicher Mitarbeiter an die National Institutes of Health (NIH) in Bethesda, Maryland USA. 1969 habilitierte er sich an der Universität Erlangen. Bis 1974 war er dort am Institut für Mikrobiologie als Privatdozent für Molekulargenetik tätig.

Von 1974 bis 2004 war Schmitt Ordinarius für Genetik an der Universität Regensburg. Als Prorektor schloss er internationale Partnerschaften mit der Washington University (St. Louis, USA), der Karls-Universität (Prag), der Kanazawa-Universität (Japan) und der Lomonossow-Universität (Moskau). Schmitt war Gastwissenschaftler an den Universitäten Genf, Edinburgh, Bristol, der Washington University (St. Louis) und der Harvard University. Als UNESCO Invited Lecturer hielt er 1987 Vorlesungen am Institute of Nutritional Resources in Beijing, China. Von 1982 bis 2004 war er Vertrauensdozent der Studienstiftung des deutschen Volkes.[1] Er war Mitherausgeber des Journal of Bacteriology (1982 bis 1989). Schmitt ist ein Enkel von Anton Rheinländer.

Forschungsergebnisse

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Der medizinische Einsatz wirksamer Antibiotika wird durch die rapide Verbreitung von Resistenzen zusehends eingeschränkt. Ursache sind Resistenzgene, die mittels kleiner Extrachromosomen (Plasmide) und springender Gene (Transposons) höchst effektiv zwischen Bakterien ausgetauscht werden.[2] Das weltweit bei Coli-Bakterien auftretende Transposon Tn1721 überträgt eine Tetracyclin-Resistenz-Determinante TetR, die auf steigende Mengen des Antibiotikums mit erhöhter Resistenz reagiert.[3] Schmitt konnte diese Anpassung auf die rekombinante Amplifikation der TetR Gene zurückführen.[4][5] Molekulare Details der Tn1721-vermittelten Verbreitung des TetR-Genclusters wurden aufgeklärt.[6]

Symbiontische Bodenbakterien (Rhizobiaceae) schwimmen, angelockt durch Wurzelexudate, mittels rotierender Geißeln in einer Suchbewegung zur Wirtspflanze (Chemotaxis) und infizieren die feinen Wurzelhärchen. Schmitt zeigte, dass Rhizobien mit speziellen ans Bodenmilieu angepassten ‚komplexen‘ Geißeln schwimmen.[7] Diese rotieren ausschließlich im Uhrzeigersinn (anders als beim gut untersuchten E. coli-Paradigma).[8] Die Schwimmrichtung wird durch Variation der Rotationsgeschwindigkeit einzelner Geißeln bestimmt (etwa so wie Raupenfahrzeuge durch das Anstellen einer Kette).[9][10] Der Motor an der Basis rotierender Geißeln ist eine einzigartige Nanomaschine, deren Antrieb durch einen Protonengradienten Forschern noch Rätsel aufgibt. In seinem Modell des rotierenden Geißelmotors formulierte Schmitt ein schlüssiges Konzept für die ungelöste Umwandlung protonmotorischer Kraft in Drehmoment.[11]

Zusammen mit David L. Kirk (St. Louis) untersuchte Schmitt das genetische Programm für die Zelldifferenzierung der grünen Kugelalge Volvox carteri, eines der einfachsten Modelle für die ‚Arbeitsteilung‘ zwischen sterblichen Somazellen und unsterblichen Keimzellen.[12] Mit eigens angepassten Techniken der Transposon-Mutagenese und der Transformation charakterisierten sie ein zentrales Regulatorgen (reg A), das die Photosynthese in Somazellen drosselt und so deren Alterung und Tod programmiert.[13][14][15][16] Programmierte Zellalterung und Zelltod wurden damit – erstmals bei einem grünen Organismus – auf eine genetische Blockade der Photosynthese zurückgeführt.[17][18] Angesichts rasanter Fortschritte in der genetischen und biomedizinischen Forschung, engagierte sich Schmitt seit Mitte der 1980er Jahre in gesellschaftspolitischen Fragen zur Verantwortung des Naturwissenschaftlers.[19][20]

Mitgliedschaften in internationalen wissenschaftlichen Vereinigungen

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  • American Society of Bacteriology (ASM)
  • Genetics Society of America (GSA)
  • Society of General Microbiology (SGM)
  • Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh)
  • Gesellschaft für Biochemie und Molekularbiologie (GBM)
  • Gesellschaft für Genetik (GfG)
  • Vereinigung für Allgemeine und Angewandte Mikrobiologie (VAAM)
  • Verband Biologie, Biowissenschaften und Biomedizin in Deutschland (VBIO)
  • Robert-Koch-Stiftung e. V.

Ehrungen und Auszeichnungen

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  • 1959–1963 Stipendiat der Studienstiftung des deutschen Volkes
  • 1999 Luigi Pravasoli Award der Phycological Society of America[21]

Einzelnachweise

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  1. R. Schmitt Lebenslauf
  2. R. Schmitt. Bakterielle Antibiotika-Resistenzen und ihre Verbreitung durch Plasmide und „springende Gene“. Naturwissenschaftliche Rundschau 35: 139–147 (1982).
  3. R. Schmitt, E. Bernhardt & R. Mattes. Characterization of Tn1721, a new transposon containing tetracycline resistance genes capable of amplification. Molecular and General Genetics 172: 53–65 (1979).
  4. R. Schmitt, J. Altenbuchner, K. Wiebauer, W. Arnold, A. Pühler & F. Schöffl. Basis of transposition and gene amplification by Tn1721 and related tetracycline resistance transposons. In: Movable Genetic Elements. Cold Spring Harbor Symposium of Quantitative Biology 45: 59–63 (1981)
  5. K. Wiebauer, S. Schraml, S.W. Shales & R. Schmitt. Tetracycline resistance transposon Tn1721: recA-dependent gene amplification and expression of tetracycline resistance. Journal of Bacteriology 147: 851–859 (1981).
  6. P. Rogowsky, S.E. Halford & R. Schmitt. Definition of three resolvase binding sites at the res loci of Tn21 and Tn1721. EMBO Journal 4: 2135–2141 (1985).
  7. R. Götz, N. Limmer, K. Ober & R. Schmitt. Motility and chemotaxis in two strains of Rhizobium with complex flagella. Journal of General Microbiology 128: 789–798 (1982).
  8. R. Götz & R. Schmitt. Rhizobium meliloti swims by unidirectional intermittent rotation of right-handed flagellar helices. Journal of Bacteriology 169: 3146–3150 (1987).
  9. U. Attmannspacher, B. Scharf & R. Schmitt Control of speed modulation (chemokinesis) in the unidirectional rotary motor of Sinorhizobium meliloti. Molecular Microbiology 56: 708–718 (2005).
  10. R. Schmitt. Sinorhizobial chemotaxis: A departure from the enterobacterial paradigm. Microbiology 148: 627–631 (2002).
  11. R. Schmitt. Helix rotation model of the flagellar rotary motor. Biophysical Journal 85: 843–852 (2003)
  12. R. Schmitt. Differentiation of germinal and somatic cells in Volvox carteri. Current Opinion in Microbiology 6: 608–613 (2003).
  13. M. Miller, R. Schmitt& D.L. Kirk. Jordan, an active Volvox transposable element similar to higher plants. The Plant Cell 15: 1125–1138 (1993)
  14. B. Schiedlmeier, R. Schmitt, W. Müller, M. M. Kirk, H. Gruber, W. Mages & D. L. Kirk. Nuclear transformation of Volvox carteri. Proceedings of the National Academy of Sciences (USA) 91: 5080–5084 (1994)
  15. M.M. Kirk, K. Stark, S.M. Miller, W. Müller, B.E. Taillon, H. Gruber, R. Schmitt & D.L. Kirk. regA, a Volvox gene that plays a central role in germ-soma differentiation, encodes a novel regulatory protein. Development 126: 639–647 (1999).
  16. K. Stark, D.L. Kirk & R. Schmitt.Two enhancers and one silencer of regA control germ-soma differentiation in Volvox carteri. Genes and Development 15: 1449–1460 (2001).
  17. M. Meißner, K. Stark, B. Cresnar, D.L. Kirk & R. Schmitt. Volvox germ-line genes that are putative targets of RegA repression encode chloroplast proteins. Current Genetics 36: 363–370 (1999).
  18. K. Stark & R. Schmitt. Genetic Control of Germ-Soma-Differentiation in Volvox carteri. Protist 153: 99–107 (2002).
  19. Rüdiger Schmitt, Helmut Altner & Dietrich Burkhardt (Hrsg.). Wissenschaft ohne Grenzen? – Geistes- und Naturwissenschaftler stellen sich der Verantwortungsfrage. MZ-Verlag, Regensburg (1991).
  20. R. Schmitt. Forschung mit menschlichen Stammzellen. Die Stammzell-Debatte in Deutschland. In: Glaube und Denken. Jahrbuch der Karl-Heim-Gesellschaft (Martin Rothgangel & Ulrich Beuttler, Hrsg.). Verlag Peter Lang, Frankfurt a. M. 23. Jahrgang: 147–162 (2010).
  21. Phycological Society of America: Recipients