„Publikationsbias“ – Versionsunterschied
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Der '''Publikationsbias''' ist die [[Verzerrung (Statistik)|statistisch verzerrte]] (engl. ''bias'' [ˈbaɪəs]) Darstellung der Datenlage in [[Fachzeitschrift|wissenschaftlichen Zeitschriften]] infolge einer bevorzugten Veröffentlichung von Studien mit „positiven“ bzw. [[Statistische Signifikanz|signifikanten]] Ergebnissen. Positive Befunde sind leichter zu [[Publikation|publizieren]] als solche mit „negativen“, also nicht-signifikanten Ergebnissen und sind zudem häufiger in [[Fachzeitschrift]]en mit hohem ''[[Impact Factor|Einflussfaktor]]'' veröffentlicht. In der [[Pharmaforschung|medizinischen Arzneimittelforschung]] ist eine weitere Ursache für den Publikationsbias die Vorselektion negativer Ergebnisse durch Pharmafirmen, von denen die meisten Studien gesponsert werden.<ref name="pmid18199864">{{cite journal |author=Turner EH, Matthews AM, Linardatos E, Tell RA, Rosenthal R |title=Selective publication of antidepressant trials and its influence on apparent efficacy |journal=N. Engl. J. Med. |volume=358 |issue=3 |pages=252–60 |year=2008 |month=January |pmid=18199864 |doi=10.1056/NEJMsa065779 }}</ref> |
Der '''Publikationsbias''' ist die [[Verzerrung (Statistik)|statistisch verzerrte]] (engl. ''bias'' [ˈbaɪəs]) Darstellung der Datenlage in [[Fachzeitschrift|wissenschaftlichen Zeitschriften]] infolge einer bevorzugten Veröffentlichung von Studien mit „positiven“ bzw. [[Statistische Signifikanz|signifikanten]] Ergebnissen. Positive Befunde sind leichter zu [[Publikation|publizieren]] als solche mit „negativen“, also nicht-signifikanten Ergebnissen und sind zudem häufiger in [[Fachzeitschrift]]en mit hohem ''[[Impact Factor|Einflussfaktor]]'' veröffentlicht. In der [[Pharmaforschung|medizinischen Arzneimittelforschung]] ist eine weitere Ursache für den Publikationsbias die Vorselektion negativer Ergebnisse durch Pharmafirmen, von denen die meisten Studien gesponsert werden.<ref name="pmid18199864">{{cite journal |author=Turner EH, Matthews AM, Linardatos E, Tell RA, Rosenthal R |title=Selective publication of antidepressant trials and its influence on apparent efficacy |journal=N. Engl. J. Med. |volume=358 |issue=3 |pages=252–60 |year=2008 |month=January |pmid=18199864 |doi=10.1056/NEJMsa065779 }}</ref> |
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Synonym zu Publikationsbias wird häufig auch der Begriff ''File Drawer Problem'' ("Schubladenproblem") verwendet, den der Psychologe [[Robert Rosenthal (Psychologe)|Robert Rosenthal]] 1979 geprägt hatte.<ref>[http://www.psychfiledrawer.org/TheFiledrawerProblem.php PsychFileDrawer: The File Drawer Problem] </ref> Damit wird das mit dem Publikationsbias verwandte Phänomen beschrieben, dass Forscher zunehmend ihre nicht signifikanten Ergebnisse erst gar nicht mehr zur Veröffentlichung einreichen, sondern gleich in der Schublade verschwinden lassen.<ref>Daniele Fanelli: ''Negative results are disappearing from most disciplines and countries''. Scientometrics, Vol. 90, Number 3 (2012), S. 891-904, DOI |
Synonym zu Publikationsbias wird häufig auch der Begriff ''File Drawer Problem'' ("Schubladenproblem") verwendet, den der Psychologe [[Robert Rosenthal (Psychologe)|Robert Rosenthal]] 1979 geprägt hatte.<ref>[http://www.psychfiledrawer.org/TheFiledrawerProblem.php PsychFileDrawer: The File Drawer Problem] </ref> Damit wird das mit dem Publikationsbias verwandte Phänomen beschrieben, dass Forscher zunehmend ihre nicht signifikanten Ergebnisse erst gar nicht mehr zur Veröffentlichung einreichen, sondern gleich in der Schublade verschwinden lassen.<ref>Daniele Fanelli: ''Negative results are disappearing from most disciplines and countries''. Scientometrics, Vol. 90, Number 3 (2012), S. 891-904, {{DOI|10.1007/s11192-011-0494-7}}; Manuela Lenzen: ''Journal zweiter Blicke. Eine Initiative fordert, mehr Experimente zu wiederholen''. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 6. Juni 2012, S. N 5</ref> |
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Aufgrund der erhöhten Häufigkeit positiver Ergebnisse kann in der Medizin etwa die Wirksamkeit von [[Therapie]]n überschätzt werden, da Studien mit nachgewiesener Wirksamkeit leichter zu publizieren sind als solche, die die Wirksamkeit nicht nachweisen können. Dies ist besonders relevant, wenn aufgrund der bereits publizierten Datenlage anhand einer [[Metaanalyse]] Therapieempfehlungen generiert werden sollen. Der Verdacht auf einen Publikationsbias kann durch das Erstellen eines [[Funnel plot|Funnel plot]]s erhärtet werden. |
Aufgrund der erhöhten Häufigkeit positiver Ergebnisse kann in der Medizin etwa die Wirksamkeit von [[Therapie]]n überschätzt werden, da Studien mit nachgewiesener Wirksamkeit leichter zu publizieren sind als solche, die die Wirksamkeit nicht nachweisen können. Dies ist besonders relevant, wenn aufgrund der bereits publizierten Datenlage anhand einer [[Metaanalyse]] Therapieempfehlungen generiert werden sollen. Der Verdacht auf einen Publikationsbias kann durch das Erstellen eines [[Funnel plot|Funnel plot]]s erhärtet werden. |
Version vom 27. Dezember 2014, 16:58 Uhr
Der Publikationsbias ist die statistisch verzerrte (engl. bias [ˈbaɪəs]) Darstellung der Datenlage in wissenschaftlichen Zeitschriften infolge einer bevorzugten Veröffentlichung von Studien mit „positiven“ bzw. signifikanten Ergebnissen. Positive Befunde sind leichter zu publizieren als solche mit „negativen“, also nicht-signifikanten Ergebnissen und sind zudem häufiger in Fachzeitschriften mit hohem Einflussfaktor veröffentlicht. In der medizinischen Arzneimittelforschung ist eine weitere Ursache für den Publikationsbias die Vorselektion negativer Ergebnisse durch Pharmafirmen, von denen die meisten Studien gesponsert werden.[1]
Synonym zu Publikationsbias wird häufig auch der Begriff File Drawer Problem ("Schubladenproblem") verwendet, den der Psychologe Robert Rosenthal 1979 geprägt hatte.[2] Damit wird das mit dem Publikationsbias verwandte Phänomen beschrieben, dass Forscher zunehmend ihre nicht signifikanten Ergebnisse erst gar nicht mehr zur Veröffentlichung einreichen, sondern gleich in der Schublade verschwinden lassen.[3]
Aufgrund der erhöhten Häufigkeit positiver Ergebnisse kann in der Medizin etwa die Wirksamkeit von Therapien überschätzt werden, da Studien mit nachgewiesener Wirksamkeit leichter zu publizieren sind als solche, die die Wirksamkeit nicht nachweisen können. Dies ist besonders relevant, wenn aufgrund der bereits publizierten Datenlage anhand einer Metaanalyse Therapieempfehlungen generiert werden sollen. Der Verdacht auf einen Publikationsbias kann durch das Erstellen eines Funnel plots erhärtet werden.
Aus den genannten Gründen verlangen mittlerweile einige der renommierten medizinischen Fachzeitschriften, dass alle durchgeführten Studien vorher bekannt gemacht werden müssen. Nur solche im Voraus publik gemachten Studien werden zur Publikation angenommen. Dies soll neben anderen Aspekten einen Überblick über die zum Thema durchgeführten Studien ermöglichen, um den Publikationsbias zumindest abschätzen zu können.
Darüber hinaus gibt es bereits Fachzeitschriften (vorrangig im Internet, s.u.), die gezielt Studien mit „negativem“, d.h. im Sinne der Fragestellung nicht signifikanten Ergebnissen publizieren. Auch die Cochrane Collaboration ist an solchen Ergebnissen sehr interessiert, um sie in ihren Analysen zu den Standards in der Medizin verwenden zu können.
Literatur
- Hans-Hermann Dubben, Hans-Peter Beck-Bornholdt, Unausgewogene Berichterstattung in der medizinischen Wissenschaft, Hamburg: Institut für Allgemeinmedizin des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf, 2004, ISBN 3-00-014238-X
- Bortz, J. & Döring, N. (2006). Forschungsmethoden und Evaluation für Human- und Sozialwissenschaftler (S. 695). Heidelberg: Springer. ISBN 3-540-33305-3
Quellen
- ↑ Turner EH, Matthews AM, Linardatos E, Tell RA, Rosenthal R: Selective publication of antidepressant trials and its influence on apparent efficacy. In: N. Engl. J. Med. 358. Jahrgang, Nr. 3, Januar 2008, S. 252–60, doi:10.1056/NEJMsa065779, PMID 18199864.
- ↑ PsychFileDrawer: The File Drawer Problem
- ↑ Daniele Fanelli: Negative results are disappearing from most disciplines and countries. Scientometrics, Vol. 90, Number 3 (2012), S. 891-904, doi:10.1007/s11192-011-0494-7; Manuela Lenzen: Journal zweiter Blicke. Eine Initiative fordert, mehr Experimente zu wiederholen. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 6. Juni 2012, S. N 5
Weblinks
- BioMed Central (BMC), London: Journal of Negative Results in Biomedicine. Von einem internationalen Wissenschaftlerteam betreutes Open access-Projekt, das unter Peer-Review die wissenschaftliche Diskussion unerwarteter, widersprüchlicher, provokativer und/oder negativer Forschungsergebnisse aus dem Bereich der Biomedizin fördern soll (zuletzt überprüft am 6. Juni 2012)
- Journal of Articles in Support of the Null Hypothesis
- CCT – Das Metaregister für klinische Studien
- Amerikanisches Verzeichnis klinischer Studien
- McGauran N, Wieseler B, Kreis J, Schüler YB, Kölsch H, Kaiser T: Reporting bias in medical research - a narrative review. In: Trials. 11. Jahrgang, 2010, S. 37, doi:10.1186/1745-6215-11-37, PMID 20388211, PMC 2867979 (freier Volltext).
- PsychFileDrawer. Archive of Replication Attempts in Experimental Psychology: von einem internationalen Wissenschaftlerteam herausgegebenes Online-Journal, das experimentalpsychologische Wiederholungsstudien unabhängig von ihrem Ausgang veröffentlicht (Zuletzt geprüft am 6. Juni 2012)
- Society of Science, Biology and Medicine, Bangalore: Journal of Contradicting Results in Science. Ein Online-Journal, das (nach vorheriger Peer-Review) originale Forschungsbeiträge veröffentlicht, die im Widerspruch zu anerkannten naturwissenschaftlichen Erkanntnissen stehen (zuletzt überprüft am 6. Juni 2012)
- The All Results Journals: von einem internationalen Wissenschaftlerteam herausgegebenes Online-Journal, das experimentelle Untersuchungen aus Chemie, Biologie, Nanotechnologie und Physik veröffentlicht, die anderweitig nicht zur Veröffentlichung angenommen wurden, weil sie erwartete Ergebnisse nicht bestätigten bzw. zu keinen verwertbaren Ergebnissen geführt haben (zuletzt überprüft am 6. Juni 2012)