„Normalglühen“ – Versionsunterschied

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'''Normalglühen''', ''Normalisieren'' oder ''Rückfeinen'' ist ein [[Wärmebehandlung]]sverfahren für [[Stahl]]. Es erfolgt bei einer [[Temperatur]] knapp oberhalb des oberen Umwandlungspunkts (maximal 950 °C) A<sub>c3</sub> (bei übereutektoiden Stählen oberhalb des unteren Umwandlungspunkts A<sub>c1</sub>) mit nachfolgendem [[Abkühlung|Abkühlen]] an ruhender [[Atmosphäre (Technik)|Atmosphäre]].<ref>{{Literatur |Autor=Hubert Gräfen |Titel=Lexikon Werkstofftechnik |Hrsg=Prof. Dr. rer. nat. Dr.-Ing. E. h. Hubert Grafen |Sammelwerk= |Band= |Nummer= |Auflage= |Verlag=VDI |Ort=Düsseldorf |Datum=1993 |ISBN= |Seiten=703}}</ref>
'''Normalglühen''', ''Normalisieren'' oder ''Rückfeinen'' ist ein [[Wärmebehandlung]]sverfahren für [[Stahl]]. Normalglühen besteht aus [[Austenit (Gefügebestandteil)|Austenitisieren]] und nachfolgendem [[Abkühlung|Abkühlen]] an ruhender Luft. Im Allgemeinen sollen durch Normalglühen [[Gefüge (Werkstoffkunde)|Gefügeungleichmäßigkeiten]] beseitigt und ein [[Kristallit|feinkörniges]], gleichmäßiges Gefüge mit reproduzierbaren Festigkeits- und Verformbarkeitseigenschaften erreicht werden. Nach [[DIN 8580]] zählt Glühen zu den [[Fertigungsverfahren]] durch Änderung der Stoffeigenschaft.<ref name=":0">{{Literatur |Autor=Wolfgang Weißbach |Titel=Werkstoffkunde: Strukturen, Eigenschaften, Prüfung |Hrsg= |Sammelwerk= |Band= |Nummer= |Auflage=18 |Verlag=Vieweg + Teubner |Ort=Wiesbaden |Datum=2012 |ISBN=978-3-8348-1587-3 |Seiten=}}</ref><ref>{{Literatur |Autor=Hubert Gräfen |Titel=Lexikon Werkstofftechnik |Hrsg=Prof. Dr. rer. nat. Dr.-Ing. E. h. Hubert Grafen |Sammelwerk= |Band= |Nummer= |Auflage= |Verlag=VDI |Ort=Düsseldorf |Datum=1993 |ISBN= |Seiten=703}}</ref>


== Verfahren ==
Oberhalb dieser Umwandlungspunkte wird das Gefüge vollständig [[Austenit (Gefügebestandteil)|austenitisiert]]. Beim Abkühlen erfolgt eine vom Ausgangszustand weitgehend unabhängige Rückumwandlung zu einem ''normalen'' Gefüge (im Sinne des [[Eisen-Kohlenstoff-Diagramm]]s), in der Regel je nach [[Kohlenstoff]]gehalt bestehend aus [[Ferrit (Gefügebestandteil)|Ferrit]], [[Perlit (Stahl)|Perlit]] und/oder [[Zementit]]. Die Abkühlung an ruhender Atmosphäre gewährleistet weiterhin eine [[Kornfeinung]], d.&nbsp;h. Bildung eines feinen Gefüges. Führt die Abkühlung zu [[Bainit]] oder [[Martensit]], wird das Verfahren „Lufthärten“ genannt.
Untereutektoide Stähle (<0,8 % Kohlenstoffanteil) werden zuerst langsam bis ca. 600 °C erwärmt. Anschließend wird der Stahl schneller auf ~30 bis 50 [[Kelvin|K]] oberhalb des oberen Umwandlungspunkts A<sub>c3</sub> erwärmt.<ref name=":0" /> Übereutektoide Stähle werden dicht über dem unteren Umwandlungspunkt von A<sub>c1</sub> aufgeheizt, um die Bildung von Schalenzementit zu verhindern.


Das Werkstück wird bei dieser Temperatur gehalten, bis das Gefüge vollständig [[Austenit (Gefügebestandteil)|austenitisiert]] ist. Die Temperatur sollte dabei unter 1000 °C bleiben, da längeres Verweilen bei dieser Temperatur zu grobem Korn führt.<ref name=":0" />
Man unterscheidet das Normalglühen von untereutektoiden und übereutektoiden Stählen:
* Untereutektoide Stähle (<0,8 % Kohlenstoffanteil) werden ~30 bis 50 [[Kelvin|K]] über dem oberen Umwandlungspunkt A3 aufgewärmt und langsam abgekühlt. So entsteht ein ferritisch-perlitisches Gefüge.
* Übereutektoide Stähle werden dicht über dem unteren Umwandlungspunkt von A1 aufgeheizt (Verhinderung von Schalenzementit = Segregat - Sekundärzementit) und langsam abgekühlt. So entsteht ein perlitisch-zementitisches Gefüge.


Anschließend wird das Werkstück schnell bis A<sub>R1</sub> abgekühlt, um weiteres Kornwachstum zu verhindern. Danach folgt die Abkühlung an ruhender Luft. Legierte Stähle müssen langsam abkühlen, damit sie nicht aufhärten.<ref name=":0" />
Im Allgemeinen sollen mit dem Normalglühen Gefügeungleichmäßigkeiten beseitigt werden und es kann gezielt ein feinkörniges, gleichmäßiges Gefüge mit optimalen Festigkeits- und Verformbarkeitseigenschaften erreicht werden.


Beim Abkühlen erfolgt eine vom Ausgangszustand weitgehend unabhängige Rückumwandlung zu einem ''normalen'' Gefüge (im Sinne des [[Eisen-Kohlenstoff-Diagramm]]s). Das entstehende Gefüge ist abhängig vom [[Kohlenstoff]]gehalt: Bei untereutektoiden Stählen entsteht [[Ferrit (Gefügebestandteil)|Ferrit]] und [[Perlit (Stahl)|Perlit]], bei übereutektoiden Stählen Perlit und [[Zementit]].<ref name=":0" /> Die Abkühlung an ruhender Atmosphäre gewährleistet weiterhin eine [[Kornfeinung]], d.&nbsp;h. Bildung eines feinen Gefüges. Führt die Abkühlung zu [[Bainit]] oder [[Martensit]], wird das Verfahren „Lufthärten“ genannt.
Von größter Wichtigkeit ist das Normalglühen beispielsweise bei Stahlgussstücken oder bei Schweißkonstruktionen (Kornfeinung). Nach DIN 8580 zählt Glühen zu den [[Fertigungsverfahren]] durch Änderung der Stoffeigenschaft.


== Anwendungen ==
Nicht möglich hingegen ist es bei umwandlungsfreien Stählen. Dies sind beispielsweise ferritische oder austenitische nicht rostende Stähle, die keine α-γ-α-Umwandlung durchführen.
Von großer Wichtigkeit ist das Normalglühen bei [[Stahlguss|Stahlgussstücken]], [[Schweißen|Schweißkonstruktionen]] oder [[Schmieden|Schmiedeteilen]]. Durch die unkontrollierte Abkühlung entstehen ungleiche Korngrößen und Kornformen. Langsames Abkühlen an der Luft kann zu unerwünschtem Kornwachstum führen.<ref name=":0" />

Höherfeste Stähle werden ''normalisierend'' [[Walzen|gewalzt]]. Der letzte Walzstich wird im Austenitbereich ausgeführt. Anschließend wird der Werkstoff wie beim Normalglühen abgekühlt.<ref name=":0" />

Nicht möglich hingegen ist Normalglühen bei umwandlungsfreie, ferritische oder austenitische Stähle, da sie keine α-γ-α-Umwandlung durchführen.<ref name=":0" />


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==

Version vom 6. August 2020, 22:43 Uhr

Normalglühen, Normalisieren oder Rückfeinen ist ein Wärmebehandlungsverfahren für Stahl. Normalglühen besteht aus Austenitisieren und nachfolgendem Abkühlen an ruhender Luft. Im Allgemeinen sollen durch Normalglühen Gefügeungleichmäßigkeiten beseitigt und ein feinkörniges, gleichmäßiges Gefüge mit reproduzierbaren Festigkeits- und Verformbarkeitseigenschaften erreicht werden. Nach DIN 8580 zählt Glühen zu den Fertigungsverfahren durch Änderung der Stoffeigenschaft.[1][2]

Verfahren

Untereutektoide Stähle (<0,8 % Kohlenstoffanteil) werden zuerst langsam bis ca. 600 °C erwärmt. Anschließend wird der Stahl schneller auf ~30 bis 50 K oberhalb des oberen Umwandlungspunkts Ac3 erwärmt.[1] Übereutektoide Stähle werden dicht über dem unteren Umwandlungspunkt von Ac1 aufgeheizt, um die Bildung von Schalenzementit zu verhindern.

Das Werkstück wird bei dieser Temperatur gehalten, bis das Gefüge vollständig austenitisiert ist. Die Temperatur sollte dabei unter 1000 °C bleiben, da längeres Verweilen bei dieser Temperatur zu grobem Korn führt.[1]

Anschließend wird das Werkstück schnell bis AR1 abgekühlt, um weiteres Kornwachstum zu verhindern. Danach folgt die Abkühlung an ruhender Luft. Legierte Stähle müssen langsam abkühlen, damit sie nicht aufhärten.[1]

Beim Abkühlen erfolgt eine vom Ausgangszustand weitgehend unabhängige Rückumwandlung zu einem normalen Gefüge (im Sinne des Eisen-Kohlenstoff-Diagramms). Das entstehende Gefüge ist abhängig vom Kohlenstoffgehalt: Bei untereutektoiden Stählen entsteht Ferrit und Perlit, bei übereutektoiden Stählen Perlit und Zementit.[1] Die Abkühlung an ruhender Atmosphäre gewährleistet weiterhin eine Kornfeinung, d. h. Bildung eines feinen Gefüges. Führt die Abkühlung zu Bainit oder Martensit, wird das Verfahren „Lufthärten“ genannt.

Anwendungen

Von großer Wichtigkeit ist das Normalglühen bei Stahlgussstücken, Schweißkonstruktionen oder Schmiedeteilen. Durch die unkontrollierte Abkühlung entstehen ungleiche Korngrößen und Kornformen. Langsames Abkühlen an der Luft kann zu unerwünschtem Kornwachstum führen.[1]

Höherfeste Stähle werden normalisierend gewalzt. Der letzte Walzstich wird im Austenitbereich ausgeführt. Anschließend wird der Werkstoff wie beim Normalglühen abgekühlt.[1]

Nicht möglich hingegen ist Normalglühen bei umwandlungsfreie, ferritische oder austenitische Stähle, da sie keine α-γ-α-Umwandlung durchführen.[1]

Einzelnachweise

  1. a b c d e f g h Wolfgang Weißbach: Werkstoffkunde: Strukturen, Eigenschaften, Prüfung. 18. Auflage. Vieweg + Teubner, Wiesbaden 2012, ISBN 978-3-8348-1587-3.
  2. Hubert Gräfen: Lexikon Werkstofftechnik. Hrsg.: Prof. Dr. rer. nat. Dr.-Ing. E. h. Hubert Grafen. VDI, Düsseldorf 1993, S. 703.