„Polyarchie“ – Versionsunterschied

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Als '''Polyarchie''' ([[Altgriechische Sprache|altgr.]] {{lang|grc|πολυαρχία}} ''polyarchía'' ‚Vielherrschaft‘, von {{lang|grc|πολύς}} ''polýs'' ‚viel‘ und {{lang|grc|ἄρχειν}} ''árchein'' ‚herrschen‘) wird in der [[Politikwissenschaft]] eine [[Herrschaftsform]] bezeichnet, in der viele Zentren [[politische Macht|politischer Macht]] nebeneinander bestehen.<ref>Ulrich Weiß: ''Polyarchie.'' In: [[Dieter Nohlen]], Rainer-Olaf Schultze (Hrsg.): ''Lexikon der Politikwissenschaft. Theorien, Methoden, Begriffe.'' Bd. 2 (N–Z). 3. Auflage. Beck, München 2005, ISBN 3-406-54117-8, S. 778–779.</ref> [[Robert Alan Dahl]] hat diese traditionelle Begriffsbedeutung insofern abgewandelt, als er damit eine unvollkommene Annäherung an einen [[Demokratie|demokratischen]] [[Idealtyp]] beschreibt, welche für die [[Verfassungswirklichkeit]] in den modernen [[Repräsentative Demokratie|Repräsentativdemokratien]] kennzeichnend sei.
Als '''Polyarchie''' ([[Altgriechische Sprache|altgr.]] {{lang|grc|πολυαρχία}} ''polyarchía'' ‚Vielherrschaft‘, von {{lang|grc|πολύς}} ''polýs'' ‚viel‘ und {{lang|grc|ἄρχειν}} ''árchein'' ‚herrschen‘) wird in der [[Politikwissenschaft]] eine [[Herrschaftsform]] bezeichnet, in der viele Zentren [[politische Macht|politischer Macht]] nebeneinander bestehen.<ref>Ulrich Weiß: ''Polyarchie.'' In: [[Dieter Nohlen]], Rainer-Olaf Schultze (Hrsg.): ''Lexikon der Politikwissenschaft. Theorien, Methoden, Begriffe.'' Bd. 2 (N–Z). 3. Auflage. Beck, München 2005, ISBN 3-406-54117-8, S. 778–779.</ref> [[Robert Alan Dahl]] hat diese traditionelle Begriffsbedeutung insofern abgewandelt, als er damit eine unvollkommene Annäherung an einen [[Demokratie|demokratischen]] [[Idealtyp]] beschreibt, welche für die [[Verfassungswirklichkeit]] in den modernen [[Repräsentative Demokratie|Repräsentativdemokratien]] kennzeichnend sei.


== Konzept ==
== Das Demokratie-Konzept der Polyarchie ==
Laut Dahl zeichnen sich idealtypische Demokratien durch fünf Systemmerkmale aus: ''zielgenaue, wirksame Partizipation'', ''gleiches Wahlrecht und Stimmengleichheit insbesondere bei entscheidenden Abstimmungsstufen'', ''aufgeklärten Wissensstand'', ''finale Kontrolle der politischen Agenda durch das Volk'' und ''Inklusion aller stimmberechtigten erwachsenen Bürger''.
Laut Dahl zeichnen sich idealtypische Demokratien durch fünf Systemmerkmale aus:<ref name="Pickel162ff" />
# wirksame Partizipation,
# gleiches Wahlrecht,
# authentische, aufklärerische Willensbildung,
# Inklusion aller Erwachsenen und
# Erlangung letztendlicher Kontrolle über die Agenda der Politik seitens der Gesamtheit der Stimmberechtigten aus<ref name="Pickel162ff">{{Literatur |Autor=[[Susanne Pickel]], [[Gert Pickel]] |Titel=Politische Kultur- und Demokratieforschung – Grundbegriffe, Theorien, Methoden – eine Einführung |TitelErg=Lehrbuch |Verlag=VS Verlag für Sozialwissenschaften |Ort=Wiesbaden |Datum=2006 |Umfang=313 |ISBN=978-3-8100-3355-0 |Seiten=162–167 |Kapitel=4.2.1 Das Polyarchie-Konzept Robert Dahls}}</ref>


Demgegenüber entpuppten sich die meisten real existierenden Demokratien lediglich als Polyarchie. Kernvariablen solcher polyarchischen Demokratien sind nach Dahl zum einen die Möglichkeit aller Bürger zur [[politische Partizipation|politischen Partizipation]] und zum anderen der freie [[Wettbewerb (Wirtschaft)|Wettbewerb]] um [[politische Macht]].<ref>Robert A. Dahl: ''Vorstufen zur Demokratie-Theorie.'' Mohr, Tübingen 1976, ISBN 3-16-536791-4, S. 59–84.</ref> Diese Grundprinzipien würden garantiert durch ''Meinungsfreiheit'', ''Informations- und Pressefreiheit'', ''Organisations- und Koalitionsfreiheit zur Bildung politischer Parteien und Interessengruppen'', ''aktives Wahlrecht'', ''passives Wahlrecht für öffentliche Ämter'', ''das Recht der politischen Führer, um Unterstützung zu werben, insbesondere bei Wahlen'', ''freie und faire Wahlen'' sowie ''Institutionen, welche die Regierungspolitik von Wählerstimmen und anderen Ausdrucksformen der Bürgerpräferenzen abhängig machen''.
Demgegenüber entpuppten sich die meisten real existierenden Demokratien lediglich als Polyarchie. Kernvariablen solcher polyarchischen Demokratien sind nach Dahl zum einen die Möglichkeit aller Bürger zur [[politische Partizipation|politischen Partizipation]] und zum anderen der freie [[Wettbewerb (Wirtschaft)|Wettbewerb]] um [[politische Macht]].<ref>Robert A. Dahl: ''Vorstufen zur Demokratie-Theorie.'' Mohr, Tübingen 1976, ISBN 3-16-536791-4, S. 59–84.</ref> Diese Grundprinzipien würden garantiert durch<ref name="Pickel162ff" />
# Freiheit, Organisationen zu gründen und ihnen beizutreten,
# Meinungsfreiheit,
# aktives Wahlrecht,
# passives Wahlrecht,
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# Informationsfreiheit,
# freie und faire Wahlen sowie, dass
# Institutionen für die Politikgestaltung der Regierung der Wahl unterliegen und es andere Möglichkeiten gibt, Präferenzen auszudrücken<ref name="Pickel162ff" />


Der Demokratiebegriff in der [[Transition (Politikwissenschaft)|Transitionsforschung]] – jenem Zweig der [[Vergleichende Regierungslehre|Vergleichenden Regierungslehre]], der sich mit der [[Transformation (Politikwissenschaft)|Systemtransformation]] von [[Autokratie]]n hin zu Demokratien beschäftigt – orientiert sich weitgehend am prozedural-institutionellen Demokratiebegriff aus Sicht des Dahl′schen Polyarchie-Konzepts.
Der Demokratiebegriff in der [[Transition (Politikwissenschaft)|Transitionsforschung]] – jenem Zweig der [[Vergleichende Regierungslehre|Vergleichenden Regierungslehre]], der sich mit der [[Transformation (Politikwissenschaft)|Systemtransformation]] von [[Autokratie]]n hin zu Demokratien beschäftigt – orientiert sich weitgehend am prozedural-institutionellen Demokratiebegriff aus Sicht des Dahl′schen Polyarchie-Konzepts.

Version vom 6. Mai 2022, 19:57 Uhr

Als Polyarchie (altgr. πολυαρχία polyarchía ‚Vielherrschaft‘, von πολύς polýs ‚viel‘ und ἄρχειν árchein ‚herrschen‘) wird in der Politikwissenschaft eine Herrschaftsform bezeichnet, in der viele Zentren politischer Macht nebeneinander bestehen.[1] Robert Alan Dahl hat diese traditionelle Begriffsbedeutung insofern abgewandelt, als er damit eine unvollkommene Annäherung an einen demokratischen Idealtyp beschreibt, welche für die Verfassungswirklichkeit in den modernen Repräsentativdemokratien kennzeichnend sei.

Das Demokratie-Konzept der Polyarchie

Laut Dahl zeichnen sich idealtypische Demokratien durch fünf Systemmerkmale aus:[2]

  1. wirksame Partizipation,
  2. gleiches Wahlrecht,
  3. authentische, aufklärerische Willensbildung,
  4. Inklusion aller Erwachsenen und
  5. Erlangung letztendlicher Kontrolle über die Agenda der Politik seitens der Gesamtheit der Stimmberechtigten aus[2]

Demgegenüber entpuppten sich die meisten real existierenden Demokratien lediglich als Polyarchie. Kernvariablen solcher polyarchischen Demokratien sind nach Dahl zum einen die Möglichkeit aller Bürger zur politischen Partizipation und zum anderen der freie Wettbewerb um politische Macht.[3] Diese Grundprinzipien würden garantiert durch[2]

  1. Freiheit, Organisationen zu gründen und ihnen beizutreten,
  2. Meinungsfreiheit,
  3. aktives Wahlrecht,
  4. passives Wahlrecht,
  5. Recht politischer Führer, um Unterstützung zu werben,
  6. Informationsfreiheit,
  7. freie und faire Wahlen sowie, dass
  8. Institutionen für die Politikgestaltung der Regierung der Wahl unterliegen und es andere Möglichkeiten gibt, Präferenzen auszudrücken[2]

Der Demokratiebegriff in der Transitionsforschung – jenem Zweig der Vergleichenden Regierungslehre, der sich mit der Systemtransformation von Autokratien hin zu Demokratien beschäftigt – orientiert sich weitgehend am prozedural-institutionellen Demokratiebegriff aus Sicht des Dahl′schen Polyarchie-Konzepts.

Siehe auch

Weblinks

Wiktionary: Polyarchie – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Literatur

Einzelnachweise

  1. Ulrich Weiß: Polyarchie. In: Dieter Nohlen, Rainer-Olaf Schultze (Hrsg.): Lexikon der Politikwissenschaft. Theorien, Methoden, Begriffe. Bd. 2 (N–Z). 3. Auflage. Beck, München 2005, ISBN 3-406-54117-8, S. 778–779.
  2. a b c d Susanne Pickel, Gert Pickel: Politische Kultur- und Demokratieforschung – Grundbegriffe, Theorien, Methoden – eine Einführung. Lehrbuch. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2006, ISBN 978-3-8100-3355-0, 4.2.1 Das Polyarchie-Konzept Robert Dahls, S. 162–167 (313 S.).
  3. Robert A. Dahl: Vorstufen zur Demokratie-Theorie. Mohr, Tübingen 1976, ISBN 3-16-536791-4, S. 59–84.