„Corium (Reaktortechnik)“ – Versionsunterschied

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Die thermische Zersetzung von Beton ergibt Wasserdampf und [[Kohlendioxid]], diese können weiter mit den Metallen in der Schmelze reagieren, indem sie sie oxidieren und dabei zu Wasserstoff und [[Kohlenmonoxid]] redziert werden. Die Zersetzung des Betons und die Verflüchtigung seiner alkalischen Bestandteile sind [[endotherm]]e Vorgänge. Die während dieser Phase freigesetzten Aerosole basieren hauptsächlich auf Siliziumverbindungen, die aus dem Beton stammen. Sonstige flüchtige Elemente wie z.B. Caesium können in nichtflüchtigen unlöslichen [[Silikate]]n gebunden werden.<ref name="radiochemreact"/>
Die thermische Zersetzung von Beton ergibt Wasserdampf und [[Kohlendioxid]], diese können weiter mit den Metallen in der Schmelze reagieren, indem sie sie oxidieren und dabei zu Wasserstoff und [[Kohlenmonoxid]] redziert werden. Die Zersetzung des Betons und die Verflüchtigung seiner alkalischen Bestandteile sind [[endotherm]]e Vorgänge. Die während dieser Phase freigesetzten Aerosole basieren hauptsächlich auf Siliziumverbindungen, die aus dem Beton stammen. Sonstige flüchtige Elemente wie z.B. Caesium können in nichtflüchtigen unlöslichen [[Silikate]]n gebunden werden.<ref name="radiochemreact"/>


Zwischen dem Beton und der Coriumschmelze können mehrere Reaktionen stattfinden. Freies und chemisch gebundenes Wasser wird aus dem beton als Dampf freigesetzt. [[Kalziumkarbonat]] zersetzt sich und erzeugt dabei Kohlendioxid und [[Kalziumoxid]]. Wasser und Kohlendioxid durchdringen die Coriummasse, oxidieren dabei [[exotherm]] die die darin enthaltenen nichtoxidierten Metalle und erzeugen [[Wasserstoff]]gas und Kohlenmonoxid. Es können große Mengen von Wasserstoff entstehen. Kalziumoxid, [[Siliziumdioxid]] und [[Silikate]] schmelzen und werden mit dem Corium vermischt. Die Oxidphase, in der die nichtflüchtigen Spaltprodukte angereichert sind, kann bei Temperaturen von 1300–1500&nbsp;°C für eine beträchtliche Zeit stabil bleiben. Eine möglicherweise vorhandene Schicht von dichterem geschmolzenem Metall, die weniger Radioisotope enthält ([[Ruthenium|Ru]], [[Technetium|Tc]], [[Palladium|Pd]]..., zu Beginn aus geschmolzenem Zirkalloy, Eisen, Chrom, Nickel, Mangan, Silber und anderen Konstruktionsmaterialien und metallischen Spaltprodukten, und [[Tellur]], das als [[Telluride|Zirconiumtellurid]] gebunden ist) als die Oxidschicht (in der sich [[Strontium|Sr]], [[Barium|Ba]], [[Lanthan|La]], [[Antimon|Sb]], [[Zinn|Sn]], [[Niob|Nb]], [[Molybdän|Mo]] und andere Stoffe konzentrieren, und die zu Beginn hauptsächlich aus Zirkoniumdioxid und Urandioxid besteht, möglicherweise mit Eisenoxid und Boroxiden) kann zwischen den Oxiden und dem darunterliegenden Beton eine Trennschicht bilden, die das Eindringen des Coriums verlangsamt und im Laufe einiger Stunden fest wird. Während die Wärme in der Oxidschicht hauptsächlich durch Zerfallswärme entsteht, wird sie in der Metallschicht hauptsächlich durch die exotherme Reaktion mit dem Wasser erzeugt, das aus dem Beton kommt. Die Zersetzung des Betons und die Verflüchtigung der Alkalimetallverbindungen verbraucht bedeutende Wärmemengen.<ref name="radiochemreact"/> Die Erosion der Beton-Grundplatte geht ungefähr eine Stunde rasch voran und schreitet fort bis in etwa einen Meter Tiefe. Dann verlangsamt sie sich auf einige Zentimeter pro Stunde und kommt ganz zum Stillstand, sobald die Schmelze unter die Zersetzungstemperatur des Betons (etwa 1100&nbsp;°C) abkühlt. Vollständiges Durchschmelzen kann innerhalb einiger Tage auch durch mehrere Meter beton erfolgen. Das Corium dringt dann mehrere Meter in den darunterliegenden Boden ein, kühlt ab und verfestigt sich.<ref name="google1"/> Während Corium und Beton miteinander wechselwirken, können sehr hohe Temperaturen erreicht werden. Weniger flüchtige Aerosole von Ba, [[Cer|Ce]], La, Sr und anderen Spaltprodukten werden während dieser Phase gebildet und in den [[Sicherheitsbehälter]] eingebracht, während die meisten der vorher entstandenen Aerosole sich schon niedergeschlagen haben. Mit fortschreitender Zersetzung des Zirconiumtellurids wird Tellur freigesetzt. Gasblasen, die sich durch die Schmelze bewegen, verstärken die Aerosolbildung.<ref name="radiochemreact"/>
Zwischen dem Beton und der Coriumschmelze können mehrere Reaktionen stattfinden. Freies und chemisch gebundenes Wasser wird aus dem beton als Dampf freigesetzt. [[Kalziumkarbonat]] zersetzt sich und erzeugt dabei Kohlendioxid und [[Kalziumoxid]]. Wasser und Kohlendioxid durchdringen die Coriummasse, oxidieren dabei [[exotherm]] die die darin enthaltenen nichtoxidierten Metalle und erzeugen [[Wasserstoff]]gas und Kohlenmonoxid. Es können große Mengen von Wasserstoff entstehen. (--Wird fortgesetzt.--)

Die Thermohydraulik der Corium-Beton-Wechselwirkungen (CCI oder auch MCCI, ''molten core-concrete interactions'') ist hinreichend verstanden.<ref>{{cite book|url=http://books.google.com/?id=LvyYyTzQ-TwC&pg=PA33&dq=corium+reactor&cd=54#v=onepage&q= |title=Safety research needs for Russian-designed reactors|page=33|publisher=OECD Publishing|year=1998 |isbn=9264156690}}</ref> Die Dynamik der Bewegung des Coriums innerhalb und außerhalb des Reaktorgefäßes ist jedoch hoch komplex, und die möglichen Szenarien sind zahlreich. Langsames Tropfen der Schmelze in ein darunterliegendes Wasserbad kann zu vollständigem Abkühlen führen, während rascher Kontakt einer großen Masse von Corium mit Wasser zu einer zerstörerischen Dampfexplosion führen kann. Das Reaktorgefäß kann das Corium vollständig zurückhalten, es können aber auch der Reaktorboden oder einige der sich darin befindenden Instumentenbohrungen durchgeschmolzen werden.<ref>{{cite book|url=http://books.google.com/?id=m9hSAGVgsZwC&pg=PA61&dq=corium+reactor&cd=60#v=onepage&q=corium%20reactor |title=Nuclear safety research in OECD countries: areas of agreement, areas for further action, increasing need for collaboration|page=61|publisher=OECD Publishing |year=1996 |isbn=9264153365}}</ref>

Die thermische Belastung, die das Corium für den Boden unter dem Reaktorgefäß darstellt, kann durch ein im Beton eingebettetes Gitter aus [[Faseroptische Temperaturmessung|faseroptischen Sensoren]] überwacht werden. Dazu werden reine [[Quarzglas]]-Fasern benötigt, weil sie stärkerer Strahlenbelastung standhalten.<ref>{{cite book|url=http://books.google.com/?id=MglgfUoBMpMC&pg=PA559&dq=corium+silicate&cd=41#v=onepage&q= |title=Handbook of optical fibre sensing technology|page=559|author=José Miguel López-Higuera|publisher=Wiley and Sons |year=2002 |isbn=0471820539}}</ref>

Bei einigen Konstruktionen von Reaktorgebäuden, z.B. beim [[Europäischer Druckwasserreaktor|Europäischen Druckwasserreaktor]], sind [[Core-Catcher]] vorgesehen, eigene Bereiche für die Ausbreitung des Coriums, wo die Schmelze sich absetzen kann, ohne mit Wasser in Berührung zu kommen und ohne in größerem Maße mit Beton zu reagieren.<ref>{{cite book|url=http://books.google.com/?id=_QKIfz2toMEC&pg=PA53&dq=corium+reactor&cd=22#v=onepage&q=corium%20reactor |title=Preparing the ground for renewal of nuclear power|author=Behram Kurşunoğlu, Stephan L. Mintz, Arnold Perlmutter|page=53|publisher=Springer |year=1999 |isbn=0306462028}}</ref> Erst dann, wenn sich auf der Schmelze eine Kruste gebildet hat, können begrenzte Mengen von Wasser zugeführt werden, um die Masse abzukühlen.<ref name="google2"/>

Werkstoffe auf der Grundlage von [[Titan(IV)-oxid]] und [[Neodym(III)-oxid]] scheinen gegen Corium beständiger zu sein als Beton.<ref>{{cite journal|url=http://www.springerlink.com/content/j9w822557825615m/ |title=Optimization of the Materials Composition in External Core Catchers for Nuclear Reactors |journal=Atomic Energy|year=2002 |volume=93|page=872|doi=10.1023/A:1022451520006|last1=Mineev|first1=V. N.|last2=Akopov|first2=F. A.|last3=Vlasov|first3=A. S.|last4=Zeigarnik|first4=Yu. A.|last5=Traktuev|first5=O. M.}}</ref>

Die Ablagerung von Corium auf der Innenfläche des [[Sicherheitsbehälter]]s, z.B. durch Austritt unter Hochdruck aus dem Reaktordruckbehälter, kann durch Erwärmen (''direct containment heating'', DCH) zum Versagen des Sicherheitsbehälters führen.

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== Weblinks ==
== Weblinks ==

Version vom 19. März 2011, 02:20 Uhr

Als Corium wird das geschmolzene Material bezeichnet, das in einem Kernreaktor bei einer Kernschmelze entsteht, der schwersten Art von Reaktorunfällen. Es ist eine lavaartige Mischung aus Kernbrennstoff, Steuerstäben und den Werkstoffen der betroffenen Teile des Reaktors, ihren chemischen Reaktionsprodukten mit Luft, Wasser und Dampf, sowie, falls das Reaktorgefäß durchbrochen wird, geschmolzenem Beton vom Boden der Reaktorhalle.

Bei dem Unfall im Kernkraftwerk Three Mile Island und der Katastrophe von Tschernobyl kam es zur Bildung von Corium.

Bei einigen Reaktortypen ist ein Core-Catcher zum Auffang des Coriums vorgesehen.

Zusammensetzung und Entstehung

Die Wärme, die zum Schmelzen des Reaktors führt, kann aus der nuklearen Kettenreaktion stammen, aber die Zerfallswärme der Spaltprodukte in den Brennstäben ist die hauptsächliche Wärmequelle. Die Wärmeentstehung durch Zerfall fällt exponentiell ab, da die kurzlebigen Isotope den größten Anteil an der Aktivität haben. Eine weitere Wärmequelle ist die chemische Reaktion der heißen Metalle mit Luftsauerstoff oder Dampf.

Die Kettenreaktion und damit verbundene erhöhte Wärmeproduktion kann in Teilen des Coriums weiter fortschreiten, wenn örtlich eine kritische Masse erreicht wird. Festgestellt werden kann dies dadurch, dass noch lange nach der Kernschmelze kurzlebige Spaltprodukte in zu großen Mengen vorhanden sind, als dass sie noch aus der kontrollierten Kettenreaktion vor der Kernschmelze stammen könnten. Da bei der Kettenreaktion große Wärmemengen und frische radioaktive Spaltprodukte entstehen, ist dieser Vorgang sehr unerwünscht.

Die Temperatur des Coriums hängt ab, 1) von der Dynamik seiner inneren Wärmeerzeugung – der Menge an Isotopen, die Zerfallswärme erzeugen und ihrer Verdünnung durch andere geschmolzene Materialien – sowie 2) von seinen Wärmeverlusten – der physischen Anordnung und der Wärmeabgabe an die Umgebung. Eine kompakte Masse wird weniger Wärme verlieren als eine dünn ausgebreitete Schicht. Corium von genügend hoher Temperatur kann Beton schmelzen. Eine festgewordene Coriummasse kann von selbst wieder schmelzen, wenn ihre Wärmeverluste abnehmen, zum Beispiel weil sie mit wärmeisolierenden Trümmern bedeckt wird, oder wenn das Wasser, von dem sie gekühlt wurde, verdampft ist.

Auf der Coriummasse können sich Krusten bilden, die wärmeisolierend wirken. Die Wärmeverteilung in der Coriummasse wird beeinflusst durch das unterschiedliche Wärmeleitfähigkeit von geschmolzenen Oxiden und Metallen. Durch Konvektion in der flüssigen Phase wird der Wärmetransport bedeutend erhöht.[1]

Der geschmolzene Reaktorkern setzt flüchtige Verbindungen frei. Diese können gasförmig bleiben, wie etwa molekulares Iod oder Edelgase, oder zu Aerosolpartkeln kondensieren, wenn sie die Hochtemperaturregion verlassen. Ein hoher Anteil der Aerosolpartikel stammt aus dem Material der Steuerstäbe. Die gasförmigen Verbindungen können von der Oberfläche der Aerosolpartikel adsobiert werden.

Zusammensetzung und Reaktionen des Coriums

Die Zusammensetzung des Coriums hängt vom Reaktortyp ab, insbesondere von den Materialien, die für die Steuerstäbe und als Kühlmittel verwendet werden. Es gibt Unterschiede zwischen dem in Druckwasserreaktoren und Siedewasserreaktoren gebildeten Corium.

Bei Kontakt mit Wasser bildet das Borkarbid aus den Steuerstäben des Siedewaserreaktors zunächst Boroxid und Methan, dann Borsäure. Bor kann auch aus der Borsäure in einem Notfallkühlmittel zu diesen Reaktionen hinzukommen.

Zirconium aus Zirkalloy, zusammen mit einigen anderen Metallen, reagiert mit Wasser und erzeugt Zirconiumdioxid und Wasserstoff. Die Produktion von Wasserstoff ist bei Reaktorunfällen eine große Gefahrenquelle.

Das Verhältnis zwischen oxidierenden und reduzierenden Atmosphären und das Verhältnis zwischen Wasser und Wasserstoff beeinflusst die Bildung chemischer Verbindungen. Unterschiede in der Flüchtigkeit der Reaktorkernmaterialien beeinflusst die Rate der freigesetzten Elemente. Zum Beispiel setzt die Silber-Indium-Cadmium-Legierung von Steuerstäben in einer inerten Atmosphäre fast nur Cadmium frei. Im Beisein von Wasser dagegen bildet das Indium flüchtiges Indium(I)-Oxid und Indium(I)-Hydroxid, welches verdampft und ein Aerosol aus Indium(III)-oxid bildet. In einer wasserstoffreichen Atmosphäre wird die Oxidation des Indiums verhindert, wodurch weniger Indium freigestzt wird.

Caesium und Iod aus den Spaltprodukten reagieren zu flüchtigem Caesiumiodid, das als Aerosol kondensiert.[2]

Während einer Kernschmelze steigt die Temperatur der Brennstäbe an und sie beginnen sich zu verformen, im Fall von Zirkalloy oberhalb 700–900 °C. Wenn der Druck im Reaktor niedrig ist, zerreißt der Druck im Inneren der Brennstäbe ihre Brennstabhüllen. Ist der Druck im Reaktor hoch, so presst er die Brennstabhüllen auf die Brennstoffpellets und ruft dadurch die Entstehung von Urandioxid-Zirconium-Eutektikum hervor, das eine Schmelztemperatur von 1200–1400 °C. hat. Zwischen Dampf und Zirconium läuft eine exotherme Reaktion ab, die soviel Wärme erzeugen kann, daß sie sich auch ohne den Beitrag der Zerfallswärme sebst erhält. Wasserstoff wird (bei Normaltemperatur und Normaldruck) mit einer Rate von etwa 0,5 m3 pro kg Zircalloy freigesetzt. In den Reaktorwerkstoffen kann es zur Wasserstoffversprödung kommen. Aus den beschädigten Brennstäben werden flüchtige Spaltprodukte freigesetzt. Zwischen 1300–1500 °C schmilzt die Silber-Cadmium-Indium-Legierung der Steuerstäbe zusammen mit ihrer Umhüllung und flüchtige Metalle verdampfen. Bei 1800 °C beginnen die Oxide der Umhüllung zu schmelzen und zu fließen. Bei 2700–2800 °C schmilzt das Uranoxid selbst und die Geometrie des Reaktorkerns bricht zusammen. Das kann bei niedrigeren Temperaturen eintreten, wenn sich eine eutektische Uranoxid-Zirkonium-Verbindung bildet. Nun ist das Corium so gut wie frei von flüchtigen Bestandteilen, die nicht chemisch gebunden sind, wodurch die Wärmeproduktion um etwa 25% sinkt,[1] da die flüchtigen Isotope sich nun andernorts befinden.[3]

Die Temperatur von Corium kann in den ersten Stunden nach der Kernschmelze 2400 °C betragen und über 2800 °C erreichen. Eine große Wärmemenge kann durch die Reaktion von Metallen im Corium (besonders Zirconium) mit Wasser entstehen. Wenn die Coriummasse mit Wasser überspült wird oder wenn geschmolzene Coriummasse in einen Wasserbehälter fällt, kann das zu einem weiteren Temperaturanstieg und zur Produktion großer Mengen von Wasserstoff führen, die wiederum einen Druckanstieg im Reaktorbehälter zur Folge haben. Die Dampfexplosion, die ein solcher plötzlicher Kontakt von Corium und Wasser hervorruft, kann die Materialien auseinandersprengen, wobei sich Projektile bilden können, die den Behälter durch ihren Aufschlag beschädigen. Weitere Druckausschläge können durch die Verbrennung des freigesetzten Wasserstoffs entstehen. Die Detonationsgefahr kann durch Anwendung katalytischer Rekombinatoren gemildert werden.[4]

Durchbrechen des Reaktordruckbehälters

Ohne genügende Kühlung überhitzt sich das Reaktorinnere, es verformt sich infolge der thermischen Ausdehnung der Bestandteile, und es kommt zum Zusammenbruch, sobald die Temperatur den Schmelzpunkt der Werkstoffe erreicht. Die Schmelze sammelt sich nun am Boden des Reaktordruckbehälters. Wird sie hinreichend gekühlt, kann sie erstarren und die Ausbreitung des Schadens bleibt auf den Reaktor begrenzt. Das Corium kann sich jedoch auch durch den Reaktordruckbehälter hindurchschmelzen und ausfließen oder durch den Druck im Reaktorinneren als geschmozener Strom ausgestoßen werden. Das Versagen des Reaktors kann durch die Überhitzung seines Bodens durch die Coriumschmelze verursacht werden, die zunächst zum Kriechbruch und dann zum Durchbrechen des Behälters führt. Ein hoher Kühlwasserstand über der Coriumschicht kann es ermöglichen, dass sich ein thermisches Gleichgewicht unterhalb der Kriechtemperatur des Metalls einstellt, ohne dass der Reaktordruckbehälter bricht.[5]

Wird der Behälter genügend gekühlt, kann sich zwischen der Schmelze und der Reaktorwand eine Kruste bilden. Die Schicht aus geschmolzenem Stahl oben auf dem Oxid erzeugt eine Zone mit erhöhter Wärmeleitung zur Reaktorwand.[1] Dieser Zustand, der als "Heißmesser" ("heat knife") bezeichnet wird, erhöht die Wahrscheinlichkeit dafür, daß an der Seitenwand des Reaktordruckbehälters eine lokale Erweichung stattfindet und daraufhin Corium austritt.

Herrscht im Reaktordruckbehälter hoher Druck, dann kann die Coriummasse beim Durchbrechen des Behälterbodens hinausgedrückt werden. In der ersten Phase wird nur die Schmelze selbst ausgestoßen. Danach bildet sich eine Kuhle in der Mitte der Öffnung und zusammen mit der Schmelze wird Gas ausgestoßen, wodurch der Druck im Reaktor rasch abnimmt. Die hohe Temperatur der Schmelze bewirkt auch eine rasche Erosion und Vergrößerung der Öffnung. Wenn ein Loch im Boden des Behälters ist, kann nahezu alles Corium ausgestoßen werden. Ein Loch in der Seitenwand des Behälters kann dazu führen, dass das Coriums nur teilweise austritt und ein Teil davon im Reaktorinneren zurückbleibt.[6] Das Durchschmelzen des Reaktorgefäßes kann zwischen einigen zehn Minuten bis zu mehreren Stunden dauern.

Nach dem Durchbrechen des Reaktordruckgefäßes bestimmen die Bedingungen im Reaktorraum unterhalb des Kerns, was für Gase erzeugt werden. Wenn Wasser vorhanden ist, werden Dampf und Wasserstoff erzeugt. Trockener Beton führt zur Entstehung von Kohlendioxid und kleineren Mengen von Dampf.[7]

Wechselwirkungen zwischen Corium und Beton

Die thermische Zersetzung von Beton ergibt Wasserdampf und Kohlendioxid, diese können weiter mit den Metallen in der Schmelze reagieren, indem sie sie oxidieren und dabei zu Wasserstoff und Kohlenmonoxid redziert werden. Die Zersetzung des Betons und die Verflüchtigung seiner alkalischen Bestandteile sind endotherme Vorgänge. Die während dieser Phase freigesetzten Aerosole basieren hauptsächlich auf Siliziumverbindungen, die aus dem Beton stammen. Sonstige flüchtige Elemente wie z.B. Caesium können in nichtflüchtigen unlöslichen Silikaten gebunden werden.[2]

Zwischen dem Beton und der Coriumschmelze können mehrere Reaktionen stattfinden. Freies und chemisch gebundenes Wasser wird aus dem beton als Dampf freigesetzt. Kalziumkarbonat zersetzt sich und erzeugt dabei Kohlendioxid und Kalziumoxid. Wasser und Kohlendioxid durchdringen die Coriummasse, oxidieren dabei exotherm die die darin enthaltenen nichtoxidierten Metalle und erzeugen Wasserstoffgas und Kohlenmonoxid. Es können große Mengen von Wasserstoff entstehen. Kalziumoxid, Siliziumdioxid und Silikate schmelzen und werden mit dem Corium vermischt. Die Oxidphase, in der die nichtflüchtigen Spaltprodukte angereichert sind, kann bei Temperaturen von 1300–1500 °C für eine beträchtliche Zeit stabil bleiben. Eine möglicherweise vorhandene Schicht von dichterem geschmolzenem Metall, die weniger Radioisotope enthält (Ru, Tc, Pd..., zu Beginn aus geschmolzenem Zirkalloy, Eisen, Chrom, Nickel, Mangan, Silber und anderen Konstruktionsmaterialien und metallischen Spaltprodukten, und Tellur, das als Zirconiumtellurid gebunden ist) als die Oxidschicht (in der sich Sr, Ba, La, Sb, Sn, Nb, Mo und andere Stoffe konzentrieren, und die zu Beginn hauptsächlich aus Zirkoniumdioxid und Urandioxid besteht, möglicherweise mit Eisenoxid und Boroxiden) kann zwischen den Oxiden und dem darunterliegenden Beton eine Trennschicht bilden, die das Eindringen des Coriums verlangsamt und im Laufe einiger Stunden fest wird. Während die Wärme in der Oxidschicht hauptsächlich durch Zerfallswärme entsteht, wird sie in der Metallschicht hauptsächlich durch die exotherme Reaktion mit dem Wasser erzeugt, das aus dem Beton kommt. Die Zersetzung des Betons und die Verflüchtigung der Alkalimetallverbindungen verbraucht bedeutende Wärmemengen.[2] Die Erosion der Beton-Grundplatte geht ungefähr eine Stunde rasch voran und schreitet fort bis in etwa einen Meter Tiefe. Dann verlangsamt sie sich auf einige Zentimeter pro Stunde und kommt ganz zum Stillstand, sobald die Schmelze unter die Zersetzungstemperatur des Betons (etwa 1100 °C) abkühlt. Vollständiges Durchschmelzen kann innerhalb einiger Tage auch durch mehrere Meter beton erfolgen. Das Corium dringt dann mehrere Meter in den darunterliegenden Boden ein, kühlt ab und verfestigt sich.[3] Während Corium und Beton miteinander wechselwirken, können sehr hohe Temperaturen erreicht werden. Weniger flüchtige Aerosole von Ba, Ce, La, Sr und anderen Spaltprodukten werden während dieser Phase gebildet und in den Sicherheitsbehälter eingebracht, während die meisten der vorher entstandenen Aerosole sich schon niedergeschlagen haben. Mit fortschreitender Zersetzung des Zirconiumtellurids wird Tellur freigesetzt. Gasblasen, die sich durch die Schmelze bewegen, verstärken die Aerosolbildung.[2]

Die Thermohydraulik der Corium-Beton-Wechselwirkungen (CCI oder auch MCCI, molten core-concrete interactions) ist hinreichend verstanden.[8] Die Dynamik der Bewegung des Coriums innerhalb und außerhalb des Reaktorgefäßes ist jedoch hoch komplex, und die möglichen Szenarien sind zahlreich. Langsames Tropfen der Schmelze in ein darunterliegendes Wasserbad kann zu vollständigem Abkühlen führen, während rascher Kontakt einer großen Masse von Corium mit Wasser zu einer zerstörerischen Dampfexplosion führen kann. Das Reaktorgefäß kann das Corium vollständig zurückhalten, es können aber auch der Reaktorboden oder einige der sich darin befindenden Instumentenbohrungen durchgeschmolzen werden.[9]

Die thermische Belastung, die das Corium für den Boden unter dem Reaktorgefäß darstellt, kann durch ein im Beton eingebettetes Gitter aus faseroptischen Sensoren überwacht werden. Dazu werden reine Quarzglas-Fasern benötigt, weil sie stärkerer Strahlenbelastung standhalten.[10]

Bei einigen Konstruktionen von Reaktorgebäuden, z.B. beim Europäischen Druckwasserreaktor, sind Core-Catcher vorgesehen, eigene Bereiche für die Ausbreitung des Coriums, wo die Schmelze sich absetzen kann, ohne mit Wasser in Berührung zu kommen und ohne in größerem Maße mit Beton zu reagieren.[11] Erst dann, wenn sich auf der Schmelze eine Kruste gebildet hat, können begrenzte Mengen von Wasser zugeführt werden, um die Masse abzukühlen.[4]

Werkstoffe auf der Grundlage von Titan(IV)-oxid und Neodym(III)-oxid scheinen gegen Corium beständiger zu sein als Beton.[12]

Die Ablagerung von Corium auf der Innenfläche des Sicherheitsbehälters, z.B. durch Austritt unter Hochdruck aus dem Reaktordruckbehälter, kann durch Erwärmen (direct containment heating, DCH) zum Versagen des Sicherheitsbehälters führen.

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Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b c Nikolay I. Kolev: Multiphase Flow Dynamics 4: Nuclear Thermal Hydraulics, Volume 4. Springer, 2009, ISBN 3-540-92917-7, S. 501 (google.com).
  2. a b c d Karl-Heinz Neeb: The radiochemistry of nuclear power plants with light water reactors. Walter de Gruyter, 1997, ISBN 3-11-013242-7, S. 495 (google.com).
  3. a b Jacques Libmann: Elements of nuclear safety. L'Editeur : EDP Sciences, 1996, ISBN 2-86883-286-5, S. 194 (google.com).
  4. a b Janet Wood, Institution of Engineering and Technology: Nuclear power. IET, 2007, ISBN 0-86341-668-3, S. 162 (google.com).
  5. V. L. Danilov et al.: Ageing of materials and methods for the assessment of lifetimes of engineering plant: CAPE '97 : proceedings of the Fourth International Colloquium on Ageing of Materials and Methods for the Assessment of Lifetimes of Engineering Plant, Cape Town, South Africa, 21–25 April 1997. Hrsg.: R. K. Penny. Taylor & Francis, 1997, ISBN 90-5410-874-6, S. 107 (google.com).
  6. George A. Greene: Heat transfer in nuclear reactor safety. Academic Press, 1997, ISBN 0-12-020029-5, S. 248 (google.com).
  7. P. B. Abramson, International Center for Heat and Mass Transfer: Guidebook to light water reactor safety analysis. CRC Press, 1985, ISBN 0-89116-262-3, S. 379 (google.com).
  8. Safety research needs for Russian-designed reactors. OECD Publishing, 1998, ISBN 92-64-15669-0, S. 33 (google.com).
  9. Nuclear safety research in OECD countries: areas of agreement, areas for further action, increasing need for collaboration. OECD Publishing, 1996, ISBN 92-64-15336-5, S. 61 (google.com).
  10. José Miguel López-Higuera: Handbook of optical fibre sensing technology. Wiley and Sons, 2002, ISBN 0-471-82053-9, S. 559 (google.com).
  11. Behram Kurşunoğlu, Stephan L. Mintz, Arnold Perlmutter: Preparing the ground for renewal of nuclear power. Springer, 1999, ISBN 0-306-46202-8, S. 53 (google.com).
  12. V. N. Mineev, F. A. Akopov, A. S. Vlasov, Yu. A. Zeigarnik, O. M. Traktuev: Optimization of the Materials Composition in External Core Catchers for Nuclear Reactors. In: Atomic Energy. 93. Jahrgang, 2002, S. 872, doi:10.1023/A:1022451520006 (springerlink.com).