Die Fälschung der Welt

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Der Roman Die Fälschung der Welt des amerikanischen Autors William Gaddis erschien 1955 unter dem amerikanischen Titel The Recognitions und blieb zunächst nach dem Verriss durch die Kritik auch vom Publikum unbeachtet. Durch eine kleine Fangemeinde blieb dennoch ein Interesse an dem außerordentlich komplexen Roman wach. 1976 erhielt Gaddis für seinen Roman JR den National Book Award, wonach auch das Interesse an dem monumentalen Erstlingswerk wuchs.

Der Roman untersucht das Thema Fälschungen auf einer breiten Ebene: Falsche Geldscheine, gefälschte Gemälde und vorgetäuschte Gefühle bestimmen sowohl die Welt der calvinistischen Puritaner als auch der New Yorker Szene.

Inhalt

Held des Romans ist Wyatt Gwyon, der Sohn eines Priesters, der ein Talent für die Malerei entwickelt. Die strenggläubige Tante May, die die Erziehung des Jungen zunächst in Händen hat, verfolgt jedes Zeichen dieses Talents mit bitterer Strenge im Sinne eines archaischen Bilderverbots, das an entsprechende Formulierungen im konservativen Islam erinnert: Wer Abbilder schafft, begibt sich in Konkurrenz zum Schöpfergott und wird dafür streng bestraft. So malt der Junge heimlich, vergräbt die vollendeten Bilder heimlich im Garten. Die detailgenaue Schilderung der Bitterkeit und des Sadismus, mit der die streng religiöse Tante den Jungen erzieht, wird zu einer Anklage gegen den rigiden Protestantismus calvinistischer Prägung in den USA.

Beim Vater Wyatts führt die Religiosität in immer absurdere Regionen von Mystik, Alchemie und Naturreligion. Als der Sohn schwer erkrankt und der Vater sieht, dass die Mediziner ihn nur noch als Versuchskaninchen missbrauchen, rettet er ihn in einer schamanischen Zeremonie unter Opferung eines Affen, den er von einer Reise aus Gibraltar mitgebracht hat. Nach dem Tode der Tante May leben Vater und der sich weitgehend selbst überlassene Sohn mit einer verwirrten Haushälterin im Pfarrhaus. Der Sohn gibt aber alle Pläne auf, das von Generation zu Generation weitergegebene Pfarramt zu übernehmen. Ende der 30er Jahre studiert er zunächst im NS-regierten München Malerei und siedelt dann nach Paris über, wo er heiratet.

Aus Not und Misserfolg entwickelt sich Wyatt zum genialen Fälscher, der nicht konkrete Gemälde alter Meister kopiert, sondern so perfekt neue in ihrem Stil erstellt, dass sie als lang verlorene Originale von der Kunstwelt akzeptiert werden. In Wyatts Umfeld entwickelt Gaddis eindrucksvolle und kritische Bilder von der amerikanischen Szene in Paris, der ausgeflippten Welt der Künstler und Kleinkriminellen in New York und immer wieder der bigotten Kleinstadtwelt der Puritaner in den USA.

Wyatts Vater entwickelt gleichzeitig immer absurdere Ideen, zeigt sich beeindruckt vom Wunderglauben der Katholiken in Spanien, interessiert sich für Mithraismus und andere abseitige religiöse Strömungen. Seine früh auf einer Europareise verstorbene Frau Camilla liegt in Spanien begraben. Nach dem Tod hatte Wyatts Vater sich als Gast in ein Kloster zurückgezogen. Immer stärker verstellt sich dem Vater der Weg zur Realität, bis er schließlich in der Psychiatrie landet.

Eine wichtige Nebenfigur ist Otto, ein Verehrer Wyatts, der sich aus zusammengesuchten Zitaten vor allem Wyatts eine irreale Existenz konstruiert. Das Scheitern dieses Lebenskonzepts treibt zum Teil absurde Blüten, etwa als Otto einen gebrochenen Arm vortäuscht, angebliche Folge der Teilnahme an einer Revolution in Lateinamerika, und diese vorgetäuschte Verletzung zur Behinderung seiner Pläne wird. Dennoch wird er zum Liebhaber von Wyatts Frau Esther, die frustriert über Wyatts Kontaktunfähigkeit einen Tröster sucht, der sich wirklich für sie interessiert. Eine andere Figur ist die drogensüchtige Dichterin Esme, die nach einer Affäre mit Otto Wyatt Modell steht und sich in ihn verliebt und nach einer Serie absurder Verwicklungen als Nonne in Europa endet.

Wyatt erlebt seine Fälschungen als künstlerische Leistungen, er verfolgt keine finanziellen Interessen. Vielmehr will er sich abgrenzen vom Kunstbetrieb seiner Zeit, der ausschließlich Originalität schätzt, gleichgültig wie sinnlos ihre Produkte sind. Ihn faszinieren seit seiner Jugend Technik und Stil der alten Meister. Durch Recktall Brown, einen skrupellosen Kunsthändler, wird er dennoch immer tiefer in kriminelle Geschäfte verwickelt, bis es keinen Ausweg mehr gibt.

Literatur

Weblinks