Auswahlregel

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Als Auswahlregel bezeichnet man in der Quantenmechanik eine Regel, die darüber Auskunft gibt, ob ein Übergang zwischen zwei Zuständen eines gegebenen Systems (beispielsweise Atomhülle, Atomkern oder Schwingungszustand) durch Emission oder Absorption von elektromagnetischer Strahlung möglich ist. Wenn von „verbotenen“ Übergängen gesprochen wird, sind diese Verbote häufig durch verschiedene Effekte „aufgeweicht“ und die jeweiligen Übergänge können trotzdem beobachtet werden; die Übergangswahrscheinlichkeit ist jedoch meist sehr klein. Die Regeln können, bei vorgegebener Multipolordnung, über die Berechnung der Übergangsmatrixelemente gemäß Fermis Goldener Regel theoretisch begründet werden.

Auswahlregeln für elektrische Dipolstrahlung

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Elektronische Übergänge in den Orbitalen geschehen vornehmlich durch elektrische Dipolstrahlung. Für Einelektronenübergänge gelten, bei Vernachlässigung des Elektronenspins, folgende Auswahlregeln:

Dabei bezeichnet die Bahndrehimpulsquantenzahl, die magnetische Bahndrehimpulsquantenzahl des Systems. Die erste Auswahlregel lässt sich dadurch verstehen, dass durch die Emission, bzw. Absorption eines Photons beispielsweise von einer Atomhülle immer auch ein Drehimpuls übertragen werden muss, da das Photon als Boson selbst einen Spin besitzt und Drehimpulserhaltung gelten muss. Hierbei muss jedoch beachtet werden, dass ein direkter Übertrag eines Bahndrehimpulses vom Photon auf das Elektron aufgrund der unterschiedlichen Größenordnungen von Wellenlängen im optischen Bereich im Vergleich zu atomaren oder molekularen Radien ziemlich unwahrscheinlich ist.[1] Bei elektrischen Dipolübergängen findet die Absorption bzw. Emission eines Photons ohne Bahndrehimpulsübertragung statt.[2]

Auswahlregeln für beliebige Multipolstrahlung

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Für beliebige Multipolübergänge (im Folgenden Ek beziehungsweise Mk für elektrische beziehungsweise magnetische -Strahlung, also z. B. E1 für elektrische Dipolstrahlung, E2 für elektrische Quadrupolstrahlung, M3 für magnetische Oktupolstrahlung usw.) gelten die folgenden Auswahlregeln:

für Ek,
für Mk.

und bezeichnen dabei den Gesamtdrehimpuls der beteiligten Zustände des Systems und beziehungsweise die Parität des Ausgangs- beziehungsweise Endzustandes. k bezeichnet den (ganzzahligen) Drehimpuls des Strahlungsfeldes.

Die Auswahlregeln, nach denen ein Übergang als erlaubt oder verboten charakterisiert wird, werden aus den Übergangsmatrixelementen

hergeleitet. Dabei ist der Übergangsmoment-Operator, der Ausgangszustand und der Endzustand.

Ein Übergang ist verboten, wenn das Übergangsmatrixelement verschwindet, sonst ist er erlaubt. Der genaue Wert ist häufig uninteressant, da die Auswahlregeln durch Betrachtung höherer Ordnungen des Übergangsoperators abgeschwächt werden.

Das Übergangsmatrixelement kann für idealisierte Modelle wie den harmonischen Oszillator, den starren Rotator sowie das Wasserstoffatom durch einfache Symmetriebetrachtungen gelöst werden.

Für ein Einelektronensystem z. B. ist das Übergangsmatrixelement gegeben durch das Integral über die Ortswellenfunktionen des Elektrons nach dem Übergang , dem Übergangsmomentoperators und der Ausgangsortswellenfunktion des Elektrons

Das Produkt muss gerade Symmetrie aufweisen, denn bei ungerader Symmetrie verschwindet das Integral und der Übergang ist nicht erlaubt. Die Symmetrie von ist das direkte Produkt der Symmetrien der drei Komponenten (siehe auch: Charaktertafel).

Symmetrie des Übergangsmomentoperators[3]
Übergang µ transformiert wie Bemerkung
elektrischer Dipol x, y, z optische Spektren
elektrischer Quadrupol x2, y2, z2, xy, xz, yz Zwangsbedingung x2 + y2 + z2 = 0
elektrische Polarisierbarkeit x2, y2, z2, xy, xz, yz Raman-Spektren
magnetischer Dipol Rx, Ry, Rz optische Spektren (schwach)

Rx, Ry bzw. Rz bedeuten Rotationen um die x-, y- bzw. z-Richtung.

Im Folgenden werden für wasserstoffähnliche Atome die Auswahlregeln für die niedrigsten Ordnungen der Multipolstrahlung angegeben. Dabei ist

  • die Gesamtdrehimpulsquantenzahl,
  • die Gesamtbahndrehimpulsquantenzahl,
  • die Gesamtspinquantenzahl und
  • die gesamtmagnetische Quantenzahl,
  • die Bahndrehimpulsquantenzahl.
Elektrischer Dipol (E1) Magnetischer Dipol (M1) Elektrischer Quadrupol (E2) Magnetischer Quadrupol (M2) Elektrischer Oktupol (E3) Magnetischer Oktupol (M3)
(1)
(2)
(3)
(4) , beliebig , beliebig , beliebig , beliebig , beliebig
(5) Wenn Wenn Wenn Wenn
(6) Wenn Wenn Wenn Wenn Wenn

Zu (2): Die Größe gibt Auskunft über die Polarisation der EM-Strahlung. bedeutet linear polarisiertes Licht, bedeutet zirkular polarisiertes Licht.

Bei (3) wird die Parität betrachtet, also das Verhalten der Wellenfunktion bei räumlichen Spiegelungen .

Bei Einelektronensystemen gilt (4) ohne Ausnahme. Für Mehrelektronensysteme betrachte (5) bzw. (6).

Für nur leichte Atome gilt (5) streng; bedeutet, dass Übergänge vom Singulett ins Triplettsystem nicht erlaubt sind, da die Spin-Bahn-Kopplung klein ist (nur dann kann man die Wellenfunktion als Produkt aus Orts- und Spinfunktion schreiben).

Für schwere Atome mit großer Spin-Bahn-Kopplung gibt es Interkombination (6), d. h. Übergänge zwischen verschiedenen Multiplettsystemen. Die Übergangswahrscheinlichkeit ist jedoch wesentlich geringer als bei (5).

Quantenmechanische Betrachtung

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Analyse des Hamiltonoperators

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Für ein Teilchen mit der Ladung im elektromagnetischen Feld ist der Hamiltonoperator (SI-Einheiten) gegeben durch:

,

wobei die Masse des Teilchens, der Impulsoperator, der Vektorpotentialoperator, das elektrostatische Potential sind.

Mit der Vertauschungsrelation von und  :

,

und der Coulomb-Eichung:

,

gilt:

.

Außerdem soll das Feld nicht extrem stark sein, sodass gilt und der quadratische Term in vernachlässigt werden kann.

Somit ist der genäherte Hamiltonoperator gleich

,

wobei einer zeitabhängigen periodischen Störung entspricht, die Übergänge der elektronischen Zustände des Atoms bzw. Moleküls induzieren kann.

Vektorpotential des elektromagnetischen Feldes

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Das eingestrahlte Feld sei nun eine ebene Welle, z. B. klassisch

Der Einheitsvektor gibt die Richtung des Vektorpotentials, also somit die Polarisation, an. ist die Kreisfrequenz und der Wellenvektor der elektromagnetischen Strahlung. Diese Betrachtung würde für stimulierte Emission und Absorption ausreichen.

Quantenmechanisch

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Um den Effekt der spontanen Emission erklären zu können, muss man das EM-Feld allerdings quantisiert betrachten. Die obige Störung führt zur Emission oder Absorption von Photonen der Energie ; d. h. dem EM-Feld werden Energienquanten der Größe hinzugefügt oder abgezogen.

Nun postulieren wir, dass das Vakuum eine unendliche Zahl harmonischer Oszillatoren enthält, nämlich für jede beliebige Wellenzahl (bzw. Frequenz) einen, da genau der harmonische Oszillator äquidistante Energiesprünge besitzt ( und zwischen zwei benachbarten Energieniveaus). Die Zahl der Photonen in einem Volumen entspricht nun der Quantenzahl des harmonischen Oszillators.

In der quantisierten Form ist ein Operator der Anteile der bosonischen Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren hat.

Der erste Term beschreibt die Absorption eines Photons durch das Atom (dem EM-Feld wird also ein Photon und die Energie entzogen – Vernichtung) und der zweite Term beschreibt die Emission eines Photons durch das Atom (dem EM-Feld wird ein Photon und die Energie hinzugefügt – Erzeugung).

Im quantisierten Fall ist die Energie der Oszillatoren niemals Null (minimal für ) und somit ist auch das Störfeld niemals Null – es kann also spontane Emission stattfinden – denn es gilt für :

Übergangsraten

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Die obigen Störoperatoren sind periodisch in der Zeit wegen der Faktoren . Nach Fermis goldener Regel ist die Übergangsrate (= Übergangswahrscheinlichkeit pro Zeit) von Zustand zum Zustand gleich:

Speziell für die spontane Emission erhält man:

Die Matrixelemente sind also die entscheidende Größe wie wahrscheinlich ein Übergang stattfindet.

Die Dipolnäherung ist eine Näherungsmethode aus der Quantenoptik. Man kann die Exponentialfunktion in eine Reihe entwickeln:

Für wasserstoffähnliche Atome lassen sich Wellenzahl und Radius größenordnungsmäßig wie folgt abschätzen – für setze die Grundzustandsenergie ein, für den Bohrschen Radius; ist die Feinstrukturkonstante:

Für kann man die Reihe nach dem ersten Glied abbrechen:

Auf Atomkern und Elektronen wirkt also näherungsweise das gleiche Potential. Dies ist die elektrische Dipolnäherung. Sie ist dann gerechtfertigt, wenn die Variation des Potentials auf Größenordnungen des Atoms vernachlässigt werden kann. Anschaulich bedeutet dies, dass die Wellenlänge der Strahlung deutlich größer sein muss als die Ausmaße des Atoms.[4][5]

Der ungestörte Hamiltonoperator (ohne Spin-Bahn-Kopplung) hat die Form ; es gelten die Kommutatoren: und . Somit lässt sich der Impulsoperator durch einen Kommutator ausdrücken:

Der Vektor im Matrixelement erklärt die Bezeichnung elektrischer Dipol-Übergang. Das elektrische Dipolmoment enthält nämlich ebenso genau die erste Potenz des Ortsvektors.

Nun müssen die Matrixelemente analysiert werden. Deren Größe ist ein Maß für die Wahrscheinlichkeit des Übergangs . Verschwindet das Matrixelement ist (zumindest in der Dipolnäherung) der Übergang mittels Einphotonenprozess nicht möglich.

Berücksichtigt man den nächsten Term der Entwicklung, erhält man elektrische Quadrupol- und magnetische Dipolübergänge.

Einzelnachweise

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  1. Peter Zimmermann: Einführung in die Atom- und Molekülphysik Akademische Verlagsgesellschaft, Wiesbaden 1978, ISBN 3-400-00400-6, S. 55–56
  2. Kapitel 4 des Skriptums zur Vorlesung Einführung in die Kern- und Elementarteilchenphysik im WS 2007/08 von Prof. Dr. Hermann Kolanosk, S. 78 Deutsches Elektronen-Synchrotron, Forschungszentrum der Helmholtz-Gemeinschaft. Abgerufen am 3. Dezember 2018.
  3. J.A. Salthouse, Ware, M.J.: Point group character tables and related data. Cambridge University Press, 1972, ISBN 0-521-08139-4 (englisch).
  4. Pierre Meystre, Murray Sargent: Element of Quantum Optics. 4. Auflage. Springer, Berlin/Heidelberg/New York 2007, ISBN 978-3-540-74209-8, S. 74 (englisch).
  5. Christopher C. Gerry, Peter L. Knight: Introductory Quantum Optics. 3. Auflage. Cambridge University Press, Cambridge 2008, ISBN 978-0-521-52735-4, S. 76 (englisch).