Kapitalproduktivität

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Die Kapitalproduktivität (englisch capital output ratio) ist in der Volkswirtschaftslehre eine volkswirtschaftliche Kennzahl, welche die Produktivität des Produktionsfaktors Kapital anzeigt.

Die Produktivität stellt die erwirtschaftete Leistung den hierfür eingesetzten Produktionsfaktoren gegenüber.[1] Auf diese Weise lässt sich beim Faktor Arbeit die Arbeitsproduktivität, beim Boden die Bodenproduktivität und beim Kapital die Kapitalproduktivität messen.[2]

Produktionsfaktor Faktorproduktivität Faktorpreis
Arbeit Arbeitsproduktivität Arbeitseinkommen
Boden Bodenproduktivität Bodenertrag
Kapital Kapitalproduktivität Kapitalzins

Alle Teilproduktivitäten zusammen ergeben die totale Faktorproduktivität, bei welcher der technische Fortschritt berücksichtigt wird.

Die Kapitalproduktivität .ist das Verhältnis zwischen dem gesamtwirtschaftlichen Bruttoinlandsprodukt (BIP) und dem Kapitalstock :[3]

.

Da der Kapitalstock mit dem Bruttoanlagevermögen (ohne Grund und Boden) identisch ist, lässt sich die Kapitalproduktivität auch wie folgt darstellen:

.

Auch weitere Varianten der Kapitalproduktivität sind möglich.[4]

Die Beziehung zwischen Arbeitsintensität, Arbeitsproduktivität und Kapitalproduktivität ergibt sich aus folgender tautologischer Gleichung:[5]

,

wobei der Arbeitseinsatz mit berücksichtigt ist. Die Kapitalintensität betrifft das Verhältnis vom eingesetzten Kapitalstock zum Arbeitseinsatz:[6]

und gilt als Messgröße für den technischen Fortschritt, bei dem der Faktor Arbeit durch den Faktor Kapital (teilweise) ersetzt wird (Automatisierung).

Kapitalkoeffizient

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Der Kehrwert aus der Kapitalproduktivität ist der Kapitalkoeffizient :[7]

.

Der Kapitalkoeffizient ist von größerer Bedeutung als die Kapitalproduktivität[8] und sagt aus, wie viel Kapital (gemessen in Geldeinheiten) zur Produktion einer Gütereinheit (gemessen in Geldeinheiten) erforderlich ist.

Inkrementaler Kapitalkoeffizient
Inkrementaler Kapitalkoeffizient, 1960 bis 2004, USA, BRD und Japan

Um die Kapitalproduktivität oder ihren Kehrwert, den Kapitalkoeffizienten, empirisch zu ermitteln, muss der Kapitalstock bekannt sein. Da dessen Messung nicht so einfach ist, behilft man sich bisweilen mit dem inkrementalen Kapitalkoeffizienten. Als "inkrementaler Kapitalkoeffizient" (englisch incremental capital-output ratio, ICOR), wird definiert:[9]

.

Für kann die Veränderung des Bruttoinlandsprodukts vom Jahr zum Jahr verwendet werden und für die entsprechende Veränderung des Kapitalstocks, dargestellt durch die Bruttoanlageinvestitionen der Jahre bis . Streng genommen müssten die Nettoinvestitionen verwendet werden und das Nettoinlandsprodukt. Da dies jedoch an den Ergebnissen kaum etwas ändern würde, werden vereinfacht das Bruttoinlandsprodukt und die Bruttoanlageinvestitionen genommen.

Ein steigender inkrementaler Kapitalkoeffizient gibt an, dass eine immer größer werdende Erhöhung des Kapitalstocks notwendig ist, um eine bestimmte Erhöhung des BIP zu erreichen. Die Grafik gibt die Entwicklung des inkrementalen Kapitalkoeffizienten, berechnet jeweils über einen Zeitraum von 4 Jahren von (1960–1964) bis 2000–2004. Die Entwicklung ist für die Länder der Triade, also die drei größten Volkswirtschaften der Welt, die zusammen knapp die Hälfte des Welt-BIPs auf sich vereinigen, dargestellt.

Wirtschaftliche Aspekte

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Das BIP zu Marktpreisen betrug im Jahre 2001 in Deutschland 1.980 Mrd. Euro, der Kapitalstock 10.222 Mrd. Euro, woraus sich anhand der Gleichung eine Kapitalproduktivität von 0,1937 ergibt. Das bedeutet, dass mit dem Kapitaleinsatz von 1 Mrd. Euro ein Beitrag zum BIP von 193,7 Mio. Euro geleistet wurde.[10] Entsprechend betrug der Kapitalkoeffizient 5,16, so dass zur Erbringung des BIP ein fünfmal höherer Kapitalstock verwendet wurde.

Bei niedriger Kapitalproduktivität neigen die Unternehmen nicht zu Investitionen, so dass durch rückläufige Investitionsgüternachfrage ein vorhandenes Wirtschaftswachstum abgeschwächt wird und in eine Depression führen kann.[11] Umgekehrt bringt eine hohe Kapitalproduktivität Expansion mit hohen Investitionen und steigender Güternachfrage. Je mehr Kapital in den Produktionsprozess eingebracht ist, desto geringer wird jedoch die Grenzproduktivität des Faktors Kapital. Diese Grenzproduktivität gibt den Zuwachs des BIP an, der auf den Einsatz einer zusätzlichen Einheit des Faktors Kapital zurückzuführen ist. Die Grenzproduktivität des Kapitals ist mithin die marginale Veränderung der Kapitalproduktivität. In der Grenzproduktivitätstheorie der Verteilung ist das Grenzprodukt des Kapitals im Marktgleichgewicht mit dem Realzins identisch. Gewinnmaximierung liegt in diesem Zusammenhang vor, wenn die reale Grenzproduktivität des Kapitals gleich dem realen Faktorpreis des Kapitals (Kapitalzins) ist.[12]

Sinkt die Kapitalproduktivität, wurde im Zeitablauf vermehrt Kapital für die gleiche Produktionsmenge an Gütern und Dienstleistungen eingesetzt, so dass der Faktor Arbeit durch größeren Kapitaleinsatz substituiert wurde[13] (wie bei der Automatisierung) und umgekehrt. Bei wachsender Kapitalproduktivität entstehen übermäßige investive Einkommen, in Zeiten der sinkenden Kapitalproduktivität setzen sich meist übermäßige konsumtive Einkommen und ungenügende Gewinne durch.[14]

Alle Gleichungen zeigen, dass die Kapitalproduktivität durch Gegenüberstellung einer Stromgröße mit einer Bestandsgröße errechnet wird. Die Höhe der Kapitalproduktivität ist damit mathematisch abhängig von der Größe des Zeitraums, für den sie gemessen werden soll. Weitere Einflussfaktoren sind die zu einer Verringerung der Kapitalproduktivität führende Substitution (durch Arbeitsproduktivität) und der zu einer Erhöhung beitragende technische Fortschritt; auch der Auslastungsgrad wirkt auf die Kapitalproduktivität ein.[15]

Die Kapitalproduktivität definiert als (Brutto-)Inlandsprodukt im Verhältnis zum Kapitalstock (Kapitaleinsatz) stellt eine Art Obergrenze für die gesamtwirtschaftliche Rentabilität (Profitrate) dar. Das Inlandsprodukt setzt sich zusammen (bis auf einige grenzüberschreitende Einkommensströme) aus den Gewinn- und den Lohneinkommen. Die Gewinneinkommen im Verhältnis zum Kapitalstock können als gesamtwirtschaftliche Rentabilität (Profitrate) verstanden werden. Wenn nun die Kapitalproduktivität abnimmt, dann kann diese Rentabilität nur aufrechterhalten werden, indem gleichzeitig der Anteil der Lohneinkommen am Inlandsprodukt (Lohnquote) zurückgedrängt wird. Wünschenswert ist also eine stabile Kapitalproduktivität, da andernfalls Verteilungskonflikte entstehen könnten. Dabei ist noch zu berücksichtigen, dass der Kapitaleinsatz nicht nur aus dem Wert des Kapitalstocks besteht, sondern auch Vorleistungen, Kassenhaltung usw. zu berücksichtigen sind. Außerdem können Steuernachlässe für die Unternehmen die Rentabilität nach Steuern auch stabilisieren. Alle diese Maßnahmen enden, wenn der Trend sinkender Kapitalproduktivität anhält.

Einzelnachweise

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  1. Raimund Bleischwitz, Ressourcenproduktivität, 1998, S. 53
  2. Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialkybernetik/Wissenschaftliche Jahrestagung (Hrsg.), Betriebswirtschaftliche Systemforschung und ökonomische Kybernetik, 1987, S. 124
  3. Reinhold Sellien/Helmut Sellien, Gablers Wirtschafts-Lexikon, Band 1, 1988, Sp. 2763
  4. Rolf-Dieter Pfister/Marisa D. Pfister, Value-oriented Leadership in Organizations auf Basis des ganzheitlichen Value Management-Ansatzes nach EN 12973 (VoLiO), Band 1, 2015, S. 520
  5. Reinhold Sellien/Helmut Sellien, Gablers Wirtschafts-Lexikon, Band 1, 1988, Sp. 2941
  6. Hanns Wienold/Otthein Rammstedt/Rüdiger Lautmann/Werner Fuchs-Heinritz, Lexikon zur Soziologie, 1994, S. 329
  7. Reinhold Sellien/Helmut Sellien, Gablers Wirtschafts-Lexikon, Band 1, 1988, Sp. 2759
  8. Reinhold Sellien/Helmut Sellien, Gablers Wirtschafts-Lexikon, Band 3, 1988, Sp. 2328
  9. Reinhard Blum, Der Kapitalkoeffizient als Instrument der empirischen Wirtschaftsforschung 1851 bis 1965, 1999, S. 1 ff.
  10. Adam Reining, Lexikon der Außenwirtschaft, 2003, S. 252
  11. Wolfgang Cezanne, Allgemeine Volkswirtschaftslehre, 2005, S. 507
  12. Wolfgang Cezanne, Allgemeine Volkswirtschaftslehre, 2005, S. 192
  13. Dieter Brümmerhoff/Heinrich Lützel, Lexikon der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen, 2002, S. 216
  14. Ota Sik, Ein Wirtschaftssystem der Zukunft, 1985, S. 103
  15. Udo Einhoff, Investitionen und Kapazitätseffekte in einzelnen Sparten der westdeutschen Textilindustrie, 1975, S. 35