St. Lorenz (Lübeck)

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St. Lorenz, Südseite
Christusfigur von Hans Schwegerle 1908
Opferung Isaaks von Jakob Jordaens

St. Lorenz ist eine evangelische Kirche in der Hansestadt Lübeck. Die Kirche liegt am Steinrader Weg in unmittelbarer Nähe nördlich des Hauptbahnhofs.

Bis 2021 gehörte die Kirche zur Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde St. Lorenz. Nach Zusammenschluss der Lübecker Kirchengemeinden Bugenhagen, Friedrich von Bodelschwingh, Paul Gerhardt, St. Lorenz und St. Markus zum 1. Januar 2022[1] ist die Kirche ein Gotteshaus der neuen Ev.-Luth. Laurentius-Kirchengemeinde Lübeck.[2]

Die ursprüngliche St.-Lorenz-Kirche war die Kirche des ersten außerhalb der Stadtmauern gelegenen Kirchspiels, das 1669 eingerichtet wurde. Die schlichte Saalkirche besaß einen Dachreiter und eine barocke Innenausstattung. Die Kanzel wurde 1899 in die Katharinenkirche versetzt, der Altar von 1674 kam in die Georgskapelle in Schwartau. Der von der Innenausstattung erhaltene Taufengel Dietrich Jürgen Boys wird heute die Taufschale für die Taufe haltend herabgelassen.

Eine der treibenden Kräfte für den Bau einer neuen Kirche war Johannes Bernhard. Der Hauptpastor argumentierte mit der am Ende des 19. Jahrhunderts enorm gestiegenen Wohnbevölkerung, die den Neubau erzwang. Die alte Kirche wurde abgerissen und an ihrer Stelle unter dem städtischen Baudirektor Gustav Schaumann durch den Architekten und Baumeister Ernst Carl Conrad Heidenreich ein neugotischer Bau errichtet, der am 6. Mai 1900 eingeweiht wurde.[3] Gleichzeitig entstand nur wenige Straßen weiter nördlich die Matthäikirche. Der Neubau erhielt eine neugotische Ausstattung, wobei die Kanzel und der Altar von der Firma Gustav Kuntzsch, Wernigerode, angefertigt wurden.

Dem Künstlersinn und der Freigiebigkeit von Herrmann Paulig ist es zu danken, dass die Außenfassade 1908 um eine von dem aus Lübeck stammenden Bildhauer Hans Schwegerle aus Muschelkalk angefertigten 2,20 m hohe Statue bereichert wurde. Ursprünglich hatte man vor, dem alten Namen der Kirche zu Ehren, eine Statue des heiligen Lorenz aufzustellen. Schließlich entschied man sich aber für eine Christus-Statue. Der Heiland steht so da, als ob er sagen wolle: „Um was ihr bitten werdet in meinem Namen, das will ich tun, auf dass der Vater geehret werde in dem Sohne.“ (Joh. 14.13) Dem Museum seiner Vaterstadt schenkte der Künstler eine kleinere Version der Statue.[4][5] Alfred Stülcken taufte in dieser Kirche am 26. Februar 1914 Herbert Frahm. Frahm ist heute eher unter seinem Pseudonym, Willy Brandt, bekannt.

1939, während der Amtszeit des radikal deutsch-christlichen Pastors Gerhard K. Schmidt,[6] wurde die Kirche umgestaltet. Dabei verschwand die neugotische Kanzel; der Altar kam auf den Dachboden und wurde durch Otto Flaths Christus durch die Fülle des Lebens schreitend ersetzt. 1999 wurde der neugotische Altar wieder aufgestellt, und die Flath-Skulptur rückte dafür an die Seite.

Ein barockes Gemälde auf der Empore, das die Bindung Isaaks darstellt, wurde 2001 durch einen Lübecker Kunsthistoriker als Werk aus der Werkstatt des Rubensschülers Jakob Jordaens identifiziert.[7]

Nach seiner Wahl in dem Senat (1901) schenkte Emil Possehl diesem das auf einer Wanderausstellung in St. Katharinen ausgestellte Gemälde „Die Seeschlacht bei Gotland“ von Hans Bohrdt und seiner Kirchengemeinde eine neue Orgel.[8]

Der Orgelbauer Sauer installierte eine dreimanualige Orgel, die am 28. Dezember 1921[9] bei einem Feuer durch einen Kurzschluss verbrannte; sie wurde durch ein Instrument der Firma P. Furtwängler & Hammer ersetzt.

In den Jahren 1993–1994 wurde dieses Instrument durch die Orgelbaufirma Lobback (Neuendeich) restauriert. Die Orgel hat 30 Register und 2 Transmissionen auf drei Manualen und Pedal. Die Trakturen sind elektropneumatisch.[10]

I Hauptwerk C–

1. Bordun 16′
2. Prinzipal 8′
3. Dolce 8′
4. Octave 4′
5. Gemshorn 4′
6. Quinte 223
7. Octave 2′
8. Rauschpfeife II
9. Mixtur V
10. Trompete 8′
II Oberwerk C–
11. Gedackt 8′
12. Quintade 8′
13. Prinzipal 4′
14. Rohrflöte 4′
15. Flöte 2′
16. Scharf III
17. Sesquialtera II 223
III Schwellwerk C–
18. Salicional 8′
19. Holzflöte 8′
20. Fugara 4′
21. Geigenprinzipal 4′
22. Spitzflöte 2′
23. Quinte 113
24. Cornett III-IV
25. Oboe 8′
Pedal C–
26. Prinzipal 16′
27. Subbass 16′
28. Oktavbass 8′
29. Flöte (Nr. 3) 8′
30. Flöte (Nr. 5) 4′
31. Nachthorn 2′
32. Posaune 16′
  • Koppeln: II/I, III/I, III/II, I/P, II/P, III/P
  • Spielhilfen: Handregister, drei freie Kombinationen, zwei zusätzliche Pedalkombinationen, Tutti, Absteller.

Im Turm befindet sich ein dreistimmiges historisches Geläut, welches aus zwei Leihglocken und der kleinen vom alten Geläut übrig gebliebenen Glocke besteht. Beim Abbruch der alten Kirche im Jahr 1899 wurden die alten Glocken eingeschmolzen, sie waren vom Bochumer Verein gegossen worden und hatten die Schlagtöne (a1-c2). Für die neue Kirche wurden dann im Jahr 1925 drei neue Glocken von den Gebrüdern Ohlsson in Lübeck gegossen. In den Kriegen wurden die zwei größeren Glocken zu Rüstungszwecken eingeschmolzen, nur die kleinste Glocke überstand den Weltkrieg. Nach dem Krieg bekam die Kirche dann zwei Leihglocken vom Hamburger Glockenfriedhof aus Danzig. Seitdem erklingt vom Turm der St. Lorenzkirche ein dreistimmiges Geläut, welches in der Hansestadt durchaus zu den interessanten Geläuten zählt.[11]

Nr. Schlagton Durchmesser

(mm)

Gießer, Gussort Gussjahr
1 d1 1322 Johann Gottfried Anthonÿ, Danzig 1783
2 f1 1150 Michael Wittwerck, Danzig 1732
3 a1 943 M & O Ohlsson, Lübeck 1925
Glockenturm

Der St.-Lorenz-Friedhof ist älter als die Kirche und wurde 1597 aufgrund einer Pest-Epidemie angelegt, in der mit 7000 bis 8000 Toten etwa ein Drittel der damaligen Stadtbevölkerung verstarb.[12] Die Einweihung erfolgte am 10. August, dem Tag des heiligen Laurentius von Rom, der so zum Namensgeber erst des Friedhofs, dann der Kirche und heute auch zwei Lübecker Stadtteilen wurde. Zunächst als Pest- und Armenfriedhof benutzt, wurde er im späten 18. Jahrhundert das Zentrum einer Friedhofs-Reformbewegung, als sich hier demonstrativ einige wohlhabende Bürger Grabstellen kauften, als erster Friedrich Bernhard von Wickede, der 1786 seine Frau Auguste hier beisetzen ließ,[13] dann der spätere Bürgermeister Christian Adolph Overbeck, der hier 1797 seine Mutter bestatten ließ, sowie der Arzt Johann Julius Walbaum, wie Overbeck einer der Mitbegründer der Gesellschaft zur Beförderung gemeinnütziger Tätigkeit, der hier 1799 begraben wurde. Es setzte ein Wettbewerb bezüglich der Gestaltung der klassizistischen Grabmale[14] ein, die sogar von den Brüdern Heyd aus Kassel herangeschafft wurden.[15] Im 19. Jahrhundert folgten weitere Angehörige von Familien des Lübecker Patriziats,[16] aber auch der Prediger Johannes Geibel, die mit dem Lübecker Marzipan verbundene Familie Niederegger deren Grabsteine ab dem dritten in der Firmenschrift ausgeführt sind und der Industrielle Karl Martin Schetelig. Ältestes Erinnerungsmal auf dem Friedhof ist das freistehende Pestkreuz von 1598 aus gotländischem Kalkstein.[17]

1906 kam der damals voll belegte Friedhof in städtische Verwaltung. Er steht seit 1977 gemeinsam mit der Kirche unter Denkmalschutz. Seit dem 1. Januar 2008 wird der Friedhof wieder von der Kirchengemeinde selbst verwaltet.

  • Landesamt für Denkmalpflege Schleswig-Holstein, Amt für Denkmalpflege der Hansestadt Lübeck, Hartwig Beseler (Hrsg.): Kunsttopographie Schleswig-Holstein (= Die Kunstdenkmäler des Landes Schleswig-Holstein). Wachholtz, Neumünster 1974.
  • Sylvina Zander: „Mögten wir doch einen ländlichen Gottesacker haben!“. Die „Gemeinnützige“ und die Vision einer neuen Begräbniskultur um 1800. In: Der Wagen 2006, S. 273–288.
Commons: St. Lorenz, Lübeck – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Anordnung über die Aufhebung der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde Bugenhagen in Lübeck, der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde Friedrich von Bodelschwingh in Lübeck, der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde Paul Gerhardt Lübeck, der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde St. Lorenz in Lübeck und der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde St. Markus in Lübeck sowie die Neubildung der Evangelisch-Lutherischen Laurentius-Kirchengemeinde Lübeck Vom 6. Oktober 2021. In: Kirchliches Amtsblatt der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland, 10. Jahrgang 2021, Ausgabe 10.
  2. Ev.-Luth. Laurentius-Kirchengemeinde Lübeck, Orte, Kirchen. Abgerufen am 9. April 2024.
  3. Der Bau der neuen Kirche des Stadtteils St. Lorenz war in erster Linie dem Einsatz von Zeit, Geld und Einfluss des Senators Friedrich Heinrich Bertling zu verdanken.
  4. Hans Schwegerle's Christus an der St. Lorenz-Kirche. In: Vaterstädtische Blätter, ZDB-ID 2933717-3, Jahrgang 1908, Nr. 10, Ausgabe vom 8. März 1908, Online-Ausgabe Archiv der Hansestadt Lübeck.
  5. Heinz Röhl: Hans Schwegerle – Bildhauer und Medailleur, in: Der Wagen 200, S. 215–234, hier S. 220
  6. Hansjörg Buss: Entjudete Theologie – der Lübecker Pastor Gerhard K. Schmidt und das Eisenacher Institut. In: Annette Göhres (Hrsg.): Kirche, Christen, Juden in Nordelbien 1933–1945. Die Ausstellung im Landeshaus (= Schriftenreihe des Schleswig-Holsteinischen Landtages. 7). Schleswig-Holsteinischer Landtag, Kiel 2006, S. 117 (Digitalisat (Memento vom 12. Oktober 2007 im Internet Archive))
  7. Heike Vowinkel: Barock-Schatz in Lübecker Lorenzkirche entdeckt. In: welt.de. 8. September 2001, abgerufen am 7. Oktober 2018.
  8. Jan-Jasper Fast: Vom Handwerker zum Unternehmer. Die Lübecker Familie Possehl. Schmidt-Römhild, Lübeck 2000, ISBN 3-7950-0471-3, S. 123.
  9. Chronik. In: Vaterstädtische Blätter, Jahrgang 1921/22, Nr. 8, Ausgabe vom 15. Januar 1922, S. 32.
  10. Informationen zur Orgel in der St.-Lorenz-Kirche Lübeck
  11. Theodor Hach: Lübecker Glockenkunde (= Veröffentlichungen zur Geschichte der Freien und Hansestadt Lübeck. Band 2). M. Schmidt, Lübeck 1913 (Volltext in der Google-Buchsuche).
  12. Hansestadt Lübeck - Der Friedhofswegweiser. Diesseits und Jenseits. Verlagsgesellschaft Der Friedhofswegweiser UG (haftungsbeschränkt), September 2019, S. 12, abgerufen am 26. Mai 2021.
  13. Ihr Grabstein ist erhalten, wurde aber später auf den Vorwerker Friedhof versetzt
  14. Auffallend der abgebrochene Säulenstumpf des Grabmals Rechlin von 1798
  15. Figürliches Grabmal für Meder (†1798) mit trauerndem Genius von Ludwig Daniel Heyd
  16. Behn 1804, Plessing 1810, Jenisch 1832
  17. Inschrift: ANO 1597 AUF DEN / TAGK LAURENTZIUS / HEBBEN DISSE NACH / FOLGENDE VORSTENDE / UTH HETE DES ERBAREN / RADES DIESEN KARKHOFF ANGEFANGE GOTT ZU EHREN / UND DEN ARMEN THOM BESTE . A 1598 HEBBE DE VORSTENDE / DAT HUS BY DEN GARDEN BOWEN LATEN HINRICH MEIER / JACOB GRANEKOW HANS GLANDORP HINRICH BILDERBECK

Koordinaten: 53° 52′ 7″ N, 10° 40′ 10,4″ O