Diskussion:Provinzialisierung

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Letzter Kommentar: vor 1 Jahr von Tolanor in Abschnitt Weitere Begriffsbedeutungen
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Weitere Begriffsbedeutungen

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Der Begriff scheint auch in der provinzialrömischen Archäologie eine Rolle zu spielen (vgl. z.B. Verwendung bei Augusteische Germanenkriege). Und vor allem müsste man die postkoloniale Debatte um Provincializing Europe hinzufügen (Dipesh Chakrabarty mit ganzem Rattenschwanz an Debatten). --Tolanor 03:02, 22. Feb. 2023 (CET)Beantworten

@Hans-Jürgen Hübner, Bernd Preiss: Vielleicht könnt ihr etwas dazu sagen, ob es sich in der provinzialrömischen Archäologie um einen etablierten Begriff handelt, über den man ggf. einen Artikel schreiben könnte? Ich denke über eine BKL nach. --Tolanor 03:05, 22. Feb. 2023 (CET)Beantworten
Dieser Artikel scheint mir doch noch höchst unausgegoren, wenn nicht TF zu sein. In römischer Zeit hatte die Umwandlung eines Gebietes in eine Provinz eine gänzlich andere Bedeutung, als sie diesem Artikel zugrundeliegt. Das Verb Provinzialisierung taucht auch dort in der Literatur gelegentlich auf, meint dabei wohl den Vorgang der politischen und administrativen Durchdringung und Umwandlung im Sinne der Bildung einer neuen Provinz. Im Zusammenhang mit dem freien Germanien etwa wird diese Frage schon lange diskutiert. Ursprünglich meinte provincia allerdings den räumlichen und sachlichen Geschäftskreis eines Magistraten. Man müsste hier also auch noch zeitlich differenzieren. Sieht mir eher nach einer undankbaren Aufgabe aus, dazu für einen nur im konkreten Zusammenhang eine einigermaßen scharf umgrenzte Bedeutung tragenden Begriff. Kurz, der Begriff wird benutzt, doch eine Etablierung im Sinne einer klaren Definition außerhalb eines ganz konkreten Zusammenhanges sehe ich (noch) nicht. --Hans-Jürgen Hübner (Diskussion) 09:44, 22. Feb. 2023 (CET)Beantworten
ich muss gestehen, dass ich mich bei der Verwendung von solchen Begriffen vor allem davon leiten lasse, ob er in Verwendung ist (das ist er, s.o.) und ob er die Sache verständlich beschreibt (das tut er, finde ich). Die Überführung von unterworfenen Gebieten war ein mitunter Jahrzehnte andauernder Vorgang, der mit "Provinzschaffungsprozess" o.ä. nicht lesbarer wird. Zufälligerweise schreibe ich gerade etwas, wo das eine Rolle spielt, ich hänge es mal als Input dran, ist vielleicht für den germanischen "provinzialrömischen" Bereich hilfreich. Ich denke, die Sache an sich ist allemal einen Wikipedia-Beitrag wert.

Die Einrichtung einer Provinz

Eine regelrechte römische provincia war weit mehr als nur unterworfenes Gebiet. Verwaltungsgrenzen waren zu ziehen, Register aller Gemeinwesen anzulegen, Straßen zu bauen und vieles mehr. Im Wesentlichen warteten auf die Römer fünf Bereiche, deren Aufgaben erfolgreich abzuschließen waren:

1. Militär

Die Unterlegenen wurden entwaffnet, Stämme oder Volksgruppen, die sich als besonders renitent erwiesen hatten, deportiert, so zum Beispiel 8 v. Chr. ein Teil der Sugambrer. Rekrutierungen – sei es mit Zwang oder ohne – schwächten das Kriegerpotenzial der Unterworfenen und verstärkten zugleich das römische Heer. Stützpunkte mit ständigen Garnisonen überwachten den Frieden. Später dienten Ansiedlungen ausgeschiedener Legionäre als „Vorposten der römischen Zivilisation“.* Diese Veteranenkolonien stellten zugleich Eingreifreserven.

2. Politik und Verwaltung

Ein Großteil der Herrschaftsaufgaben wurde an einheimische Eliten delegiert. Die Römer privilegierten oder diskriminierten Personengruppen und Einzelpersonen je nach deren Kooperationsbereitschaft und schuffen damit ein effektives Druck- und Steuerungsmittel. Schwächere Parteien strebten ganz gezielt nach römischer Unterstützung und zogen Rom immer tiefer in die Stammesinterna hinein. Damit forcierten die Untertanen die fremde Herrschaftsbildung selbst – ein bekannter Effekt bei Provinzialherrschaften, die sich auf lokale Eliten stützten. Ein wesentlicher Anreiz für Kooperationsbereitschaft war des römische Bürgerrecht. Treue Dienste, auch in den Hilfstruppen, wurden damit belohnt.

3. Recht

Ganz selbstverständlich brachten die Römer ihre Rechtsprechung mit. Wenn Florus schreibt, dass Provinzen mit Hilfe des Rechts behauptet würden, dann geht er davon aus, dass sich die Unterworfenen bereitwillig fügten, wenn sie nur nach römischem Recht regiert würden. Unzufriedenheit entstünde nur durch unfähige oder korrupte Statthalter. Solche Vorstellungen sind gewiss anfechtbar, doch tatsächlich erwuchsen aus Unterwerfungsverträgen, Annexionen oder Tributerhebungen komplexe rechtliche Konsequenzen, deren geordnete Handhabung unabdingbar für beide Seiten war. Trat ein Statthalter seine (meist dreijährige) Amtszeit an, veröffentlichte er ein Edikt mit den Grundsätzen und Verfahrensformen seiner Rechtsgewährung, das so genannte Provinzialedikt. Dieses Vorgehen war dem eines neu gewählten Prätors in Rom nicht unähnlich. Das Gericht des Statthalters war das tribunal.

4. Steuern

Die Provinzen mussten für den Etat der stationierten Truppen selbst aufkommen. Tacitus legt einem römischen Kommandeur eine einfache Gleichung in den Mund: Es gebe keine Ruhe unter den Völkern ohne Waffengewalt, keine Waffengewalt ohne Soldzahlung, keine Soldzahlung ohne Tribute (Tac. Hist. 4,71,1). Die Alternativen »Geld oder Krieg« erinnern angesichts der römischen Militärdominanz an Schutzgelderpressung. Auch alle anderen Staatskosten mussten letztlich die Provinzen tragen – die römischen Bürger zahlten seit 167 v. Chr. keine Steuern mehr. Das römische Heer verschlang zwei Drittel der römischen Einnahmen. Hinzu kamen die Kosten für Administration, Repräsentation, öffentliche Bauten oder Geldgeschenke an Soldaten (donativa) und Bürger (congiaria). Seit 58 v. Chr. wurde das stadtrömische Volk mit kostenlosem Getreide versorgt. Auch diese Lieferungen wollten finanziert sein.

Ein großer Teil der Steuern, gerade im Norden, wurde in Naturalien entrichtet. Aufzubauen war deshalb eine gewinnbringende Landwirtschaft, die überdies eine steigende Zahl an zivilien und militärischen Bewohnern zu ernähren hatte. Wie effektiv die Kultivierung in Angriff genommen wurde, zeigt das Rheinland: Das römerzeitliche Wald-Acker-Verhältnis wurde erst wieder um 1800 erreicht.* Die rechtliche Grundlage für Tributerhebungen und Besteuerung schuf das Siegerrecht in zweifacher Hinsicht: Zum einen führte Rom nach eigenem Selbstverständnis nur bella iusta, „gerechte Kriege“. Tribute galten als „Preis des Sieges und Strafe für den Krieg“ (Cic. Verr. 2,3,1). Zum anderen kannte das römische Recht den Unterschied zwischen Eigentum (dominium) und Besitz (possessio). Eigentümer eines eroberten Landes wurde das Imperium, das nun von den eingeborenen Besitzern Steuern einfordern durfte.

5. Zentren

Schließlich mussten städtische Zentren geschaffen werden, in denen die Verwaltungen residierten. Angeführt von lokalen Führungsschichten dominierten diese civitates das Umland. Die Metropolen hatten auch eine beträchtliche kulturelle und religiöse Dimension. In Köln entstand die ara Ubiorum, der Altar der Ubier, das Zentralheiligtum für Germanien. In Lyon hatte man 12 v. Chr. für Gallien die ara Romae et Augusti geweiht. Eine ganz wesentliche Rolle spielte der Kaiserkult.*

Regelmäßig einberufene Landtage praktizierten den Kaiserkult und ehrten scheidende Statthalter. Allerdings konnten sie auch deren gerichtliche Verfolgung erwirken. Mit ihrer bedingungslosen Ergebenheit gegenüber dem Kaiser und ihrem bedingten Respekt vor dem Statthalter waren die Landtage ein Instrument, um Unzufriedenheit mit der römischen Herrschaft auf einzelne Amtsträger zu projizieren und von Kaiser und Reich abzulenken. Überdies dienten die Landtage der Disziplinierung. Drusus rief 12 v. Chr. einen Landtag nach Lyon ein, als in Gallien Unruhen drohten. Die Versammlung war ein Pflichttermin, aufrührerische Fürsten wurden auf diese Weise von ihren Kriegern getrennt und in die Hand Roms gegeben.

Faktor Zeit

Die Erledigung all dieser Pronzialisierungsaufgaben brauchte seine Zeit. In ursprünglich wenig erschlossenen Gebieten dauerte es mehrere Generationen, bis die Römer in einem formalen Rechtsakt verkünden konnten: Das Gebiet sei in provinciarum formam redacta, „in die Gestalt einer Provinz überführt“. In Germanien mussten praktisch alle Voraussetzungen von Grund auf geschaffen werden. (nicht signierter Beitrag von Bernd Preiss (Diskussion | Beiträge) 12:32, 22. Feb. 2023 (CET))Beantworten

Hi @Bernd Preiss: Das sieht doch super aus. Ich finde, Du solltest den obenliegenden Abschnitt, mit Anmerkungen ausgestattet, einfach bei Römische Provinz einbauen. Von Provinzialisierung aus sollten wir dann darauf verweisen. Derweil sollten wir mal herauszufinden versuchen, ob der umseitig beschriebene Vorgang überhaupt wirklich als "Provinzialisierung" bezeichnet wird. Ggf. sollten wir den umseitigen Artikel durch eine Begriffsklärungsseite oder einen kurzen Begriffserklärungsartikel ersetzen. --Tolanor 22:13, 22. Feb. 2023 (CET)Beantworten
Ich habe den Artikel jetzt komplett überarbeitet. Ich konnte die ursprünglich gemachte Definition nirgendwo verwendet finden und habe stattdessen versucht, die verschiedenen Begriffsverwendungen zu beschreiben. Die Fragen zur römischen Provinzialisierung sollten wie gesagt m. E. in Römische Provinz eingearbeitet werden. Was denkt ihr über den neuen Artikelstand? Viele Grüße, --Tolanor 06:53, 24. Feb. 2023 (CET)Beantworten