Godart Wigerinck

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Grabplatte des Godhart Wigerinck

Godhard Wigerinck[1], auch Wiggeringk, Wiggering und in oberdeutschen Quellen Gothard Wagenring[2] (* in Westfalen; † 24. April 1518 in Lübeck) war ein Lübecker Fernhandelskaufmann, Bankier und Mäzen.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Godhard Wigerinck stammte aus Westfalen, vermutlich aus Ahaus. Er hatte drei Brüder Stephan († 1513), Georg und Johannes († 1530), die als Mönche und Kunsthandwerker in der Abtei Marienmünster bei Höxter lebten, weswegen er dieses Kloster in seinem Testament 1511 reich bedachte.[3]

Kaufmann[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Erstmals in Lübecker Urkunden erwähnt ist er 1492/93, als er Mitglied in der Leonhardsbruderschaft und der Antoniusbruderschaft wurde. Die Mitgliedschaft in beiden Bruderschaften belegt, dass er damals bereits ein wohlhabendert Kaufmann war, der seine Geschäfte vor allem mit Süddeutschland und Italien führte.[4] In den Lübecker Pfundzollbüchern erscheint er als Livland- und Schonenhändler. Im Wesentlichen richteten sich Wigerincks Interessen auf den Ankauf von Kupfer und Metallwaren und deren Vertrieb im Ostseegebiet; er handelte aber auch mit aus Italien kommenden Gewürzen und Stoffen sowie mit Wachs.

Mit Nikolaus Lüdinghusen und dem Nürnberger Jörg Baier führte er eine Handelsgesellschaft. Vor allem aber stand er unternehmerisch den Fugger in Augsburg nahe und förderte deren Lübecker Niederlassung. Spätestens ab 1504 leitete er die „Fuggerfiliale in Lübeck“ und nahm als „Verbindungsmann der Nürnberger Fugger-Gesellschaft in Lübeck offenbar eine Schlüsselstellung im Geld- und Wechselverkehr von Skandinavien bis Rom“ ein, wie sich u. a. mit dem Römischen Notizbuch des Lübecker Klerikers Thomas Giese belegen lässt. Dazu gehörte auch die Überweisung von Ablassgeldern.[5]

Die Fugger, die den Kupferhandel der Hanse mit schwedischem Kupfer im Ostseeraum mit preiswerterem ungarischen Kupfer störten, wurden von Lübeck mit diplomatischen Mitteln international und auf Reichsebene bekämpft. Im Dänisch-Hanseatischer Krieg (1509–1512) wurde im August 1511 bei einem Angriff auf die gegnerische Flotte vor Danzig ein niederländischer Umlandfahrer mit einer Kupferladung der Fugger im Werte von 9000 Mark Lübisch von Lübeck beschlagnahmt und musste durch die Fugger für 8000 Mark Lübisch zurück erworben werden. Dies führte zur Einschaltung des Kaisers Maximilian I. auf Seiten der ihm verbundenen Fugger und die Lübecker konnten sich nur mit dem Vorschlag, das in ihren Augen rechtswidrige Handelsmonopol der Fugger vor dem Reichstag zu verhandeln, ohne Gesichtsverlust aus der Affäre ziehen.[6] Eine Reise des Ratssekretärs Henning Osthusen nach Augsburg spiegelt sich in Wigerincks Büchern wider.[7] In seinen Abrechnungen mit der Reichsstadt Nürnberg findet auch die Schedelsche Weltchronik ihren Niederschlag.[8]

Soziales Netzwerk[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wie der ebenfalls zugewanderte Mathias Mulich war auch Wigerinck geschäftlich, freundschaftlich und familiär eng vernetzt in den Kreisen der Lübecker Kaufmanns- und Ratsfamilien. Seine vier Ehefrauen stammten aus angesehenen und wohlhabenden Lübecker Familien, zwei von ihnen, Anna Claholt und Anna Dives, hatten sogar nahe Verwandte im Rat sitzen. Über Anna Claholt war er mit dem späteren Bürgermeister Gotthard III. von Hoeveln verschwägert. Mit den angeheirateten Verwandten blieb er auch nach dem Tod der Frauen eng verbunden.

Außer in den beiden bereits erwähnten Bruderschaften wurde er vor 1500 in die Korporation der Schonenfahrer und in die Greveradenkompanie aufgenommen. In seinen letzten Lebensjahren war er Vorsteher der Leonhardsbruderschaft. Sein Ansehen zeigt sich auch darin, dass er häufig als Bürge, Nachlassverwalter und Testamentsvollstrecker für andere Kaufleute im Lübecker Niederstadtbuch und den Ratsurteilen erscheint. So wird 1504 Wigerinck urkundlich erwähnt im Zusammenhang mit einer Urkunde, in der er, wie auch der spätere Ratsherr Moritz Loff, die auswärtigen Testamentsvollstrecker des Adolf Greverade vollmachtlich in Zusammenhang mit der Stiftung der Vikarie im Lübecker Dom vertrat, die zur Ausstattung der Seitenkapelle des Doms mit dem Retabel Hans Memlings führte.[9] Er war aber weder Mitglied in die Zirkelgesellschaft noch im Lübecker Rat.

Familie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wigerinck war viermal verheiratet:

  • Anna, geb. Prume († 4. Juli 1497),
  • Anna, geb. Claholt († 14. Januar 1510), Tochter des Ratsherrn Hermann Claholt,
  • Anna, geb. Dives († 3. Juli 1511), eine Verwandte des Bürgermeisters David Divessen,
  • Anna, geb. Kindt, die ihn überlebte.

Aus seiner zweiten Ehe mit Anna, geb. Claholt († 14. Januar 1510), Tochter des Ratsherrn Hermann Claholt hatte er mindestens acht überlebende Kinder, darunter:[10]

  • als ältesten Sohn Johann Wigerinck, der das Unternehmen weiterführte,
  • Hermen Wiggerinck, der 1530 Mitglied der Greveradenkompanie wurde, vor 1531 als Kaufmann nach Danzig übersiedelte und Mitbruder an der Christopherbank im Artushof Danzig wurde, aber spätestens 1544 wieder Lübecker Bürger war,
  • Godert Wiggerinck d. J. († 2. September 1550), der in Lübeck blieb und ebenfalls Mitglied der Greveradenkompanie war, sowie
  • den studierten Juristen und Domherrn Hieronymus Wigerinck († 1549), der „durch unordentliches Leben“ auffällig wurde,[11]
  • Kunneke, die in die Familie seines Geschäftspartners Nikolaus Lüdinghausen einheiratete, und
  • Gertrud, die Nonne im Johanniskloster wurde, dem Wigerinck in seinem Testament erhebliche Mengen von Reis, Zucker und Gewürzen versprach.[12]

Insgesamt soll er zwölf Kinder gehabt haben.[13]

Grabplatte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Grabplatte Wigerincks stellt als bronzene Grabplatte aus der Nürnberger Werkstatt Peter Vischers des Älteren eine Besonderheit für Lübeck dar, die einerseits Wigerincks gute Beziehungen nach Nürnberg, aber auch seinen Reichtum im Vergleich zu anderen Kaufleuten Lübecks in dieser Zeit herausstellt.[14] Es ist das erste Kunstwerk im Stil der Renaissance in Lübeck. Sie ist als Wappengrabplatte gearbeitet und zeigt zentral das Wappen Wigerincks (ein von drei Ringen begleiteter eingebogener Sparren) und in den Ecken die Wappen seiner vier Ehefrauen und die Todesdaten der ersten drei von ihnen: Anna, geb. Prume († 4. Juli 1497), Anna, geb. Claholt († 14. Januar 1510), Anna, geb. Dives († 3. Juli 1511). Die vierte Wappenkartusche von Anna, geb. Kindt, ist unausgefüllt. Die Grabplatte muss daher noch zu ihren Lebzeiten angefertigt worden sein. Die Grabplatte hat eine lateinische Inschrift.[15]

Geistliche Stiftungen und Testament[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Gestühlwange mit dem Wappen des Godart Wigerinck

Wigerinck tätigte zahlreiche Stiftungen vor allem für Lübecker Kirchen. So spendete er der Lübecker Marienkirche kostbare Antependien und Messgewänder.[16] Noch zu Lebzeiten kümmerte er sich um die Wiederherstellung des bei einem Brand 1508 zerstörten Lettners der Marienkirche. Er stiftete die nördliche Hälfte, deren Schnitzarbeiten und Gemälde mit seinem Wappen und denen seiner vier Frauen geschmückt war. Die andere Hälfte übernahm der ebenfalls im Handel mit Oberdeutschland tätige Ratsherr Johann Salige.[17] Die Ausführung der Schnitzarbeiten besorgte der Lübecker Bildschnitzer Benedikt Dreyer, die Gemälde stammten vermutlich von Jacob van Utrecht. Der Lettner verbrannte beim Luftangriff auf Lübeck 1942. Wigerinck erlebte die Fertigstellung des Lettners nicht mehr. Unmittelbar daneben befand sich seine Grabplatte.

Als Mitglied der Marienbruderschaft lag Wigerinck die feierliche Ausgestaltung der Marientiden und der Kapelle am Herzen. Er und seine Ehefrauen erscheinen regelmäßig in den Spenderlisten. In seinem Testament vergab er für die Marientiden- oder Sängerkapelle ein Legat von 300 Mark – die höchste Summe, die der Kapelle je von einer Einzelperson vermacht wurde.[18] Davon finanzierten seine Nachlassverwalter zusammen mit dem ebenfalls aus Westphalen stammenden Rumbolt Frese eine Seite des Gestühls der Marientidenkapelle. Zwei Wangen mit Wigerincks Wappen sind in der Kirche erhalten.

Sein Testament, das er nach dem Tod seiner dritten Ehefrau 1511 erstellte, enthielt neben der Stiftung für die Marientidekapelle weitere Legate ad pias causas. So bedachte er das Birgittenkloster bei Mölln mit 100 Gulden „für eine ewige Memorie“ für Wigerinck, seine verstorbenen Ehefrauen und Kinder. Das noch im Bau befindliche St.-Annen-Kloster erhielt die gleiche Summe, 300 Mark, was genau dem Betrag entsprach, mit dem eine Novizin im Kloster eingekauft wurde. Kurz vor seinem Tod verdoppelte er die Spende. Heinrich Dormeier vermutete, dass er plante, gleich zwei unverheiratete Töchter in dem neuen Kloster unterzubringen.[19] Daneben bedachte er die Armen, Bruderschaften, Siechenhäuser und Klöster. Bei letzteren bevorzugte er solche, die sich der Bursfelder und anderen klösterlichen Reformbewegungen zugewandt hatten. Genauso großzügig wie das Möllner Birgittenkloster wurden die Klöster Marienmünster und Gehrden mit Legaten versehen, in denen Verwandte von ihm lebten, die für sein und seiner Familie Seelenheil beten sollten.[20] Wigerincks Testament zeigt, dass er wie viele seiner Zeitgenossen große Angst vor der Pest hatte. So stiftete er eine Vikarie für eine neugegründete Bruderschaft des bis dahin in Lübeck eher unbekannten Pestheiligen Rochus, den auch eine Figur am von ihm gestifteten Lettner darstellte. Möglicherweise waren eine oder sogar mehrere seiner Frauen an dieser Seuche gestorben.[21] Die Vikarie erhielt sein Schwager Hermann Claholt d. J.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Gustav Schaumann, Friedrich Bruns (Bearbeiter): Die Bau- und Kunstdenkmäler der Freien und Hansestadt Lübeck. Hrsg. von der Baudeputation. Band 2, Teil 2: Die Marienkirche. Nöhring, Lübeck 1906, S. 391–394 (Digitalisat).
  • Philippe Dollinger: Die Hanse (Originaltitel: La Hanse übersetzt von Marga und Hans Krabusch), 5. Auflage, Kröner, Stuttgart 1998, ISBN 3-520-37105-7
  • Klaus Krüger: Corpus der mittelalterlichen Grabdenkmäler in Lübeck, Schleswig, Holstein und Lauenburg 1100-1600, Jan Thorbeke Verlag, Stuttgart 1999, S. 927/928 ISBN 3-7995-5940-X
  • Adolf Clasen: Verkannte Schätze – Lübecks lateinische Inschriften im Original und auf Deutsch. Lübeck 2002, S. 52 ff. ISBN 3795004756
  • Uwe Albrecht, Jörg Rosenfeld, Christiane Saumweber: Corpus der Mittelalterlichen Holzskulptur und Tafelmalerei in Schleswig-Holstein, Band I: Hansestadt Lübeck, St. Annen-Museum. Ludwig, Kiel 2005, ISBN 3933598753
  • Heinrich Dormeier: Der Großkaufmann und Bankier Godert Wiggerinck († 1518 April 24). In: ZVLGA 85 (2005), S. 93–165 (Digitalisat).
  • Heinrich Dormeier: Wirtschaftlicher Erfolg, Laienfrömmigkeit und Kunst in Lübeck um 1500. Die Stiftungen des Bankiers und Großkaufmanns Godert Wiggerinck. In: Enno Bünz / Klaus-Joachim Lorenzen-Schmidt (Hg.): Klerus, Kirche und Frömmigkeit im spätmittelalterlichen Schleswig-Holstein, Neumünster 2006, S. 274–297 (Digitalisat)
  • Tamara Thiesen: Benedikt Dreyer – Das Werk des spätgotischen Bildschnitzers. Kiel 2007, S. 73–86 (Die beiden Stifter Johann (Hans) Salige und Godart Wigerinck) ISBN 978-3-937719-57-3

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Godart Wigerinck – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Schreibweise auf seiner Grabplatte in der Lübecker Marienkirche
  2. Max Jansen: Jakob Fugger der Reiche: Studien und Quellen I. Berlin: Duncker & Humblot 1910, S. 147
  3. Heinrich Dormeier: Der Großkaufmann und Bankier Godert Wiggerinck († 1518 April 24). In: ZVLGA 85 (2005), S. 93–165; S. 148f.
  4. Heinrich Dormeier: Der Großkaufmann und Bankier Godert Wiggerinck († 1518 April 24). In: ZVLGA 85 (2005), S. 93–165; S. 98f.
  5. Heinrich Dormeier: Der Großkaufmann und Bankier Godert Wiggerinck († 1518 April 24). In: ZVLGA 85 (2005), S. 93–165; S. 105–107.
  6. Nach Dollinger
  7. BuK II, S. 394
  8. BuK II, S. 391 ff.
  9. Johannes Baltzer, Friedrich Bruns: Die Bau- und Kunstdenkmäler der Freien und Hansestadt Lübeck. Herausgegeben von der Baubehörde. Band III: Kirche zu Alt-Lübeck. Dom. Jakobikirche. Ägidienkirche. Verlag von Bernhard Nöhring, Lübeck 1920, S. 144. (Unveränderter Nachdruck 2001: ISBN 3-89557-167-9)
  10. Über die Kinder aus der Ehe mit Anna Claholt siehe: Heinrich Dormeier: Der Großkaufmann und Bankier Godert Wiggerinck († 1518 April 24). In: ZVLGA 85 (2005), S. 93–165; S. 155f.
  11. Wolfgang Prange: Magd - Köchin - Haushälterin. Frauen bei Geistlichen am Ende des Mittelalters. In: Bischof und Domkapitel zu Lübeck: Hochstift, Fürstentum und Landesteil 1160–1937. Schmidt-Römhild, Lübeck 2014, ISBN 978-3-7950-5215-7, S. 271–288, hier S. 279, sieh auch das verzeichnis der Domherren ebed., S. 345 Nr. 20
  12. Heinrich Dormeier: Der Großkaufmann und Bankier Godert Wiggerinck († 1518 April 24). In: ZVLGA 85 (2005), S. 93–165; S. 146.
  13. Christiane Schuchard, Knut Schulz: Thomas Giese aus Lübeck und sein römisches Notizbuch der Jahre 1507 bis 1526, Schmidt-Römhild, Lübeck 2003, S. 15 ff.
  14. BuK II (Lit.)
  15. Text mit Erläuterung und Übersetzung bei: Adolf Clasen: Verkannte Schätze - Lübecks lateinische Inschriften im Original und auf Deutsch. Lübeck 2002, S. 52 f. ISBN 3795004756
  16. Heinrich Dormeier: Der Großkaufmann und Bankier Godert Wiggerinck († 1518 April 24). In: ZVLGA 85 (2005), S. 93–165; S. 124.
  17. BuK II, S. 188 ff
  18. Heinrich Dormeier: Der Großkaufmann und Bankier Godert Wiggerinck († 1518 April 24). In: ZVLGA 85 (2005), S. 93–165; S. 142.
  19. Heinrich Dormeyer: Gründung und Frühgeschichte des Lübecker St. Annenklosters im Spiegel der testamentarischen Überlieferung. ZVLGA 2011, S. 29–69; S. 36f und 54f.
  20. Heinrich Dormeier: Der Großkaufmann und Bankier Godert Wiggerinck († 1518 April 24). In: ZVLGA 85 (2005), S. 93–165; S. 151.
  21. Heinrich Dormeier: Der Großkaufmann und Bankier Godert Wiggerinck († 1518 April 24). In: ZVLGA 85 (2005), S. 93–165; S. 153f.