Königstor (Stuttgart)

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Königstor von Nordosten (stadtauswärts), um 1840.

Das Königstor ist das zuletzt gebaute Stuttgarter Stadttor, das jedoch ebenso wie alle anderen heute verschwunden ist. Das klassizistische Bauwerk wurde 1809 von Leopold Retti und Nikolaus Friedrich von Thouret unter König Friedrich erbaut und bildete nach seiner Einweihung 1810 den Abschluss der unteren Königstraße, die dann ab 1917 vor dem Turm des neuen Hauptbahnhofs endete. Der sperrige Torbau, der nach dem Bau des Hauptbahnhofs als Verkehrshindernis empfunden wurde, fiel 1922 dem Abbruch zum Opfer. Wenige Überreste des Tors befinden sich am Mittelaufgang des Hauptbahnhofs bzw. im Städtischen Lapidarium Stuttgart.

Nachdem der württembergische Herzog und Kurfürst Friedrich 1806 die Königswürde angenommen hatte, ließ er in den kommenden Jahren die untere Königstraße anlegen. Den krönenden Abschluss der Straße sollte das Königstor bilden. Die Königstraße war „mit dem abschließenden Königstor der wichtigste Ein- und Ausgang der Stadt in nördlicher Richtung und deshalb immer von einem lebhaften Durchgangsverkehr durchflutet.“[1] Das Tor war dem langgestreckten Königlichen Marstall und dem Privathaus des königlichen Hofbaumeisters Nikolaus Friedrich von Thouret unmittelbar benachbart, die beide am Ende der unteren Königstraße lagen.[2] Das Königstor öffnete sich stadtauswärts in den Schlossgarten und zur Ludwigsburger Straße (in Richtung der heutigen Heilbronner Straße). Vor dem Tor befand sich „wie bei allen von Thouret geplanten Stadttoren ein schön angelegter, mit Bäumen umsäumter. großer, runder Platz“.[3]

Blick auf die untere Königstraße.
Links: Kleines Theater (heute Königsbau)
Mitte: Königstor, rechts: Kriegsministerium.
Lageplan
Triumphbogen im Vergleich[4]
Triumphbogen Stadt Höhe in
Meter
Breite in
Meter
Konstantinsbogen Rom 21 26
Septimius-Severus-Bogen  Rom 21 23
Brandenburger Tor Berlin 26 65,5
Arc de Triomphe Paris 50 15
Königstor Stuttgart  12 9 / 20[5]

Das imposante, etwa 12 Meter hohe und 9,20 Meter breite Königstor[6] wurde nach Art eines römischen Triumphbogens im klassizistischen Stil errichtet. Es war etwas mehr als halb so hoch wie seine berühmten römischen Vorbilder (Konstantinsbogen, Septimius-Severus-Bogen). Anders als die römischen Vorbilder oder die europäischen Nachbauten fehlten dem Königstor die sonst oft vorhandenen seitlichen Durchfahrten, stattdessen wurde es von zwei niedrigen Wachhäusern flankiert, so dass sich eine Gesamtbreite der Anlage von 19,90 Meter ergab.[7]

Die 5,60 Meter breite, etwa 7 Meter hohe und 8,70 Meter tiefe bogenförmige Durchfahrt[8] war breit genug, um auch herrschaftlichen Gespannen ein bequemes Durchkommen zu ermöglichen. Allerdings musste dazu die „Tordurchfahrt von ursprünglich 14 auf 20 Fuß verbreitert“[9] werden. „Die dadurch bedingte Hüftschwäche des Bogens war schon den Zeitgenossen aufgestoßen: »eigentlich hat es das Aussehen eines Gartentores erhalten«, schreibt 1818 der ehemalige Karlsschullehrer Jakob Friedrich Rösch.“[10]

Mitte: Königstor von Nordosten (stadtauswärts), links: Marstall, rechts: Thourets Haus (um 1820, 1830, 1840).

Der Torbau endete in einem von Gesimsen eingerahmten Dreiecksgiebel. Die Innenseite (stadteinwärts) schmückten die überkronten, mit einem Lorbeerkranz umrahmten Initialen FR (Fredericus Rex) von König Friedrich, die Außenseite der von Lorbeerzweigen flankierte königliche Wappenschild. Das von einem Wappenmantel umhüllte Wappen zeigte entsprechend den württembergischen Wappentieren Hirsch und Löwe im linken Feld drei Hirschstangen, im rechten drei Löwen. Es wurde von der Königskrone bekrönt und von Löwe und Hirsch als Schildhalter gestützt. Der Wappenschild reichte bis zu dem darunterliegenden Fries hinab, der die Inschrift KÖNIGSTHOR MDCCCX trug. Der Giebel wurde an den Seiten scheinbar von zwei ionischen Blendsäulen gestützt.

Das Mauerwerk der Torbaufassaden war durch Bandrustika strukturiert, die teilweise in den ebenfalls rustizierten Bogen einmündete. Der Bogen endete in einem großen, einfachen Schlussstein. Im Innern bildete eine „schöne Kassettendecke[11] den Abschluss des Bogens. Die vier Dachecken wurden von Trophäen besetzt, stadteinwärts von zwei Löwentrophäen vom Äußeren Eßlinger Tor[12] und stadtauswärts von zwei Waffentrophäen, von denen sich eine im Städtischen Lapidarium Stuttgart erhalten hat.

Nach Thourets Entwurf wurden die beiden seitlichen Wachhäuser gebaut, ebenso der „Anschluß der Stadtmauer zwischen dem Thouretschen Haus bzw. dem Marstallgebäude beiderseits des Königstors“.[13] Sie waren 5,35 Meter breit, 13,60 Meter tief und etwa 5 Meter hoch.[14] Die giebelständigen, mit Satteldach gedeckten Wachhäuser „duckten“ sich neben dem mehr als doppelt so hohen Torbau, überragten ihn aber stadteinwärts in der Länge. Sie enthielten Räumlichkeiten für einen Wachoffizier, den Torschreiber und den Torwart.

Zwischen 1350 und 1810 wurden in Stuttgart 43 Stadttore und Stadttürme zur Stadtbefestigung gebaut. Das älteste Stadttor war das Innere Esslinger Tor von 1350. Das zuletzt erbaute Tor war das Königstor von 1810.[15]

Nachdem König Friedrich 1806 den Ausbau der Königstraße eingeleitet hatte, erließ er 1807 ein Dekret, nach dem das Äußere Eßlinger Tor abgebrochen und an das Ende der unteren Königstraße versetzt werden sollte. Thourets völlig neuer Entwurf[16] für das neu zu bauende Königstor wurde vom König verworfen. Nach Paul Faerber wurde der realisierte Entwurf fälschlich Thouret zugeschrieben, dürfte aber tatsächlich auf Leopold Retti, den Erbauer des Neuen Schlosses zurückgehen, während Thouret die Durchführung des Baus übernahm, jedoch nicht ohne an Rettis Plänen Änderungen und Ergänzungen vorzunehmen. Das neue Tor hat Ähnlichkeit mit dem Steinbau des Büchsentors, das 1575 erbaut und 1748 in Stein neu aufgerichtet wurde.[17] Der Bau des Königstors wurde erst 1809 begonnen und 1810 eingeweiht.[18]

Das Königstor galt auch als „Erinnerungsmal an die Freiheitskriege, denn am 13. Juli 1814 hielt Kronprinz Wilhelm, der spätere König Wilhelm I., der die württembergischen Truppen siegreich gegen Napoleon geführt hatte, seinen Einzug durch das mit einem riesigen Blumengewinde » SALVE« geschmückte Tor“.[19]

1861 erwies sich die Durchfahrt des Königstors trotz der vorsorglichen Verbreiterung während des Aufbaus doch als zu schmal, als es galt, zwei Schwerlastwagen mit den zwei in Wasseralfingen gegossenen Brunnenschalen für die Schloßplatzspringbrunnen in die Stadt zu transportieren. In der allgemeinen Verzweiflung hatte jemand die glückliche Idee, vorübergehend eines der beiden Wachhäuser abzubrechen, um die Schwerlastwagen durchzulassen.[20]

Der sperrige Torbau samt den Wachhäusern, der seit der Erbauung des Hauptbahnhofs 1917 „wie ein Spielzeug vor dem mächtigen Bahnhofsneubau“[21] wirkte und nunmehr als Verkehrshindernis empfunden wurde, sollte 1922 abgebrochen werden. Um „das baukünstlerisch und geschichtlich wertvolle Baudenkmal im ganzen zu retten“,[22] schlossen sich die Stadt Stuttgart, das Landesamt für Denkmalpflege und eine „Bürgerinitiative“ zur Finanzierung des Wiederaufbaus des Tors an anderer Stelle zusammen.

Der geplante Wiederaufbau des Königstors wurde jedoch durch die fortschreitende Inflation verhindert. Unter diesen Bedingungen ließ Paul Bonatz, der Erbauer des Stuttgarter Hauptbahnhofs, wenigstens den Wappenschild und die beiden Löwentrophäen am Mittelaufgang des Hauptbahnhofs einbauen. Die beiden Trophäen wurden 1944 zerstört, der Wappenschild mit der flankierenden Inschrift

VOM EHEMALIGEN KOENIGSTHOR MDCCCX
ABGEBROCHEN IM JAHR MDCCCCXXII

blieb erhalten. Eine der beiden Waffentrophäen, die vom Äußeren Eßlinger Tor auf das Königstor umgesetzt worden waren, hat im Städtischen Lapidarium Stuttgart die Zeit überdauert.

  • Axel Burkarth: Nikolaus von Thouret (1767–1845), Band 1: Text, Dissertation. Stuttgart 1990, Nr. 1807/2 (Entwurf zum Königstor), 1807/3 (Entwurf zu dem als Königstor wiedererbauten Esslinger Tor), 1809/3 (Entwurf zu Wasserabläufen am Königstor), 1811/1 (Entwurf zum Portal für das Königstor).
  • Axel Burkarth: Nikolaus von Thouret (1767–1845), Band 2: Abbildungen, Dissertation. Stuttgart 1990, Nr. 1807/2, 1807/3, 1809/3, 1811/1.
  • Axel Burkarth: Nikolaus Friedrich von Thouret (1767–1845). Ein „Maler, der sich ... mit viel Lust auf Architektur gelegt hat ...“, Seite 8, online.
  • Eugen Dolmetsch: Aus Stuttgarts vergangenen Tagen (Zweiter Band von „Bilder aus Alt-Stuttgart“). Selbsterlebtes und Nacherzähltes. Stuttgart 1931, Seite 76–77.
  • Paul Faerber: Nikolaus Friedrich von Thouret. Ein Baumeister des Klassizismus. Stuttgart 1949, Seite 187–189, Tafel 46–48.
  • Ernst Fiechter: Königstor und Marstall in Stuttgart. In: Schwäbisches Heimatbuch 1922, Seite 12–15 (Abbruch 1922).
  • Jürgen Hagel: So soll es seyn: königliche Randbemerkungen und Befehle zur Stadtgestaltung in Stuttgart und Cannstatt in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, Stuttgart 1996, Seite 64, 68, 69, 83, 94, 160, 166.
  • Klaus Merten: Aufriss der Feldseite und Grundriss des Königtores in Stuttgart. In: Baden und Württemberg im Zeitalter Napoleons, Band 1,1: Katalog. Stuttgart 1987, Seite 310, Nr. 445 (Thourets Plan für das Königstor).
  • Gustav Wais: Alt-Stuttgarts Bauten im Bild. 640 Bilder, darunter 2 farbige, mit stadtgeschichtlichen, baugeschichtlichen und kunstgeschichtlichen Erläuterungen. Stuttgart 1951, Nachdruck Frankfurt am Main 1977, Nr. 90, 123–128, 463.
  • Gustav Wais: Alt-Stuttgart. Die ältesten Bauten, Ansichten und Stadtpläne bis 1800. Mit stadtgeschichtlichen, baugeschichtlichen und kunstgeschichtlichen Erläuterungen. Stuttgart 1954, Seite 13, 18, 132, 252.
  • Gustav Wais: "Stuttgart im neunzehnten Jahrhundert. 150 Bilder mit stadtgeschichtlichen, baugeschichtlichen und kunstgeschichtlichen Erläuterungen." Stuttgart 1955, Nr. 1.
  • Stuttgart, Stadtarchiv
    • B 5531, Sicherungsverfilmung, Mappe 69 (Aufriss des Königstors mit Bemaßung).
    • 11, Nr. 25, 66, 133, 136, 188, 189, 190 (Pläne zum Königstor).
Commons: Königstor (Stuttgart) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. #Faerber 1949, Seite 184.
  2. Die Marstallstraße bildete den oberen Abschluss des Marstalls. Die Thouretstraße als Fortsetzung der Marstallstraße erinnert an Thouret, dessen Haus weiter unten am Ende der Königstraße stand.
  3. #Faerber 1949, Seite 187.
  4. Höhe und Breite gerundet. - Quellen: Wikipedia-Artikel Konstantinsbogen, Septimius-Severus-Bogen, Brandenburger Tor und Arc de Triomphe.
  5. Ohne / mit Wachhäuser.
  6. Breite: Bemaßung in StAS, 11, Nr. 190, Höhe: Messung in StAS, 11, Nr. 188.
  7. Gesamtbreite: Bemaßung in StAS, 11, Nr. 190.
  8. Breite und Tiefe: Bemaßung in StAS, 11, Nr. 190, Höhe: Messung in StAS, 11, Nr. 188.
  9. #Burkarth 1990.1, Seite 209.
  10. #Burkarth 1990.1, Seite 210.
  11. #Faerber 1949, Seite 188.
  12. #Wais 1951, Nr. 126. – Die Löwentrophäen wurden nach dem Abbruch des Königstors 1922 auf zwei Pfeilern neben dem ebenfalls „geretteten“ Wappenschild am Mittelaufgang des Hauptbahnhofs aufgestellt, jedoch 1944 zerstört. Abbildung: #Wais 1951, Nr. 128.
  13. #Faerber 1949, Seite 188
  14. Breite und Tiefe: Bemaßung in StAS, 11, Nr. 190, Höhe: Messung in StAS, 11, Nr. 188.
  15. #Wais 1954, Seite 12–22.
  16. #Burkarth 1990.1, Nr. 1807/2, #Burkarth 1990.2, Nr. 1807/2, #Merten 1987.
  17. #Wais 1951, Nr. 113–116.
  18. #Faerber 1949, Seite 187–188, #Wais 1955.
  19. #Wais 1954, Seite 18.
  20. #Dolmetsch 1931, Seite 76–77.
  21. #Fiechter 1922, Seite 15.
  22. #Wais 1954, Seite 18.

Koordinaten: 48° 46′ 57,29″ N, 9° 10′ 55,27″ O