Kouros von Palaikastro

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Kouros von Palaikastro

Der Kouros von Palaikastro (neugriechisch Κούρος του Παλαικάστρου Kouros tou Palekastrou) ist eine chryselephantine Statuette aus spätminoischer Zeit. Sie wurde 1987 bis 1990 bei archäologischen Ausgrabungen in Roussolakkos nahe Palekastro im äußersten Osten der griechischen Insel Kreta gefunden. Der Kouros befindet sich heute im archäologischen Museum von Sitia.

Fundbeschreibung

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Koordinaten der Fundstelle: 35° 11′ 43,4″ N, 26° 16′ 32,2″ O

Der Fundort des Kouros von Palaikastro liegt 270 Meter von der Nordostküste Kretas entfernt im kleinen Tal von Roussolakkos (Ρουσσόλακκος), nach dem die Ausgrabungsstätte benannt ist. Roussolakkos bedeutet „rote Grube“ und bezieht sich auf den rötlich gefärbten feinen, undurchlässigen Mergelsandstein der Umgebung.[1][2] Der für den Kouros namensgebende Ort Palekastro, in älterer Umschrift Palaikastro, befindet sich 1,5 Kilometer westlich.

Lageplan der Fundstelle

Beim Kouros von Palaikastro handelt es sich um kein vollständig erhaltenes Fundstück. Teile des Rumpfes und das Gesicht der Statuette fehlen. Sie war in mehrere Einzelteile zerbrochen, die im Gebäude 5 der Ausgrabungsstätte von Roussolakkos und in einem Umkreis von 11 Metern außerhalb des Gebäudes entdeckt wurden. Die Kompositarbeit der Statuette bestand aus mit Gold aufgelegtem Elfenbein aus Flusspferdzähnen, Holz, Ägyptisch Blau, einem Kopf aus Serpentinit sowie Augen aus Bergkristall.[3][4] Die 54 cm hohe und maximal 18,5 cm breite Figur weist sichtbare Brandflecken auf.[5][6] Die Bruchstücke des Kouros wurden in einem ungestörten Fundkontext der spätminoischen Phase SM I B gefunden.

Stufen zu Raum 1 des Gebäudes 5

Aus der Lage der Einzelteile des Kouros ist auf eine menschliche Gewalteinwirkung auf die Statuette zu schließen. Die Beine der Figur befanden sich vor einer Wand in Raum 2 des Gebäudes 5, der als Schrein gedeutet wird und in dem auch eine Amphore und zwei Tassen gefunden wurden. Die anderen Teile der Statuette, der Torso, der Kopf, die Augen, die vordere Hälfte der Füße und die Reste der Basis, lagen vor den Stufen des Eingangs zu Raum 1 des Gebäudes 5, einem Plateia genannten offenen Bereich, der nach Nordwesten vom Gebäude 1 und im Nordosten vom Gebäude 3 begrenzt wird. Am weitesten vom Gebäude 5 entfernt, vor der Westfassade von Gebäude 3, befanden sich die Rückseite des Kopfes und der Hals. Die dichteste Streuung von kleinen Bruchstücken aus Elfenbein und Blattgold wurde nordwestlich der Stufen festgestellt.[7]

Oberteil des Kouros

Die ersten Teile des Kouros wurden am 28. April 1987 auf der Plateia gefunden, darunter der Torso und ein Arm,[8] die Beine der Statuette 1990 im sogenannten Schrein.[4] Die 1986 begonnenen und bis 2003 andauernden Grabungskampagnen von Roussolakkos unter Hugh Sackett und Alexander MacGillivray waren bereits die dritte Ausgrabung im Raum Palekastro. In allen Bereichen wurde ein Zerstörungshorizont am Ende der Keramikphase SM I B festgestellt, was in etwa der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts v. Chr. entspricht. Die Herstellung des Kouros wurde von den Ausgräbern der Phase SM I A zugeordnet.[8] Aufgrund der wertvollen Materialien, der Verarbeitung und der Körperhaltung der Figur geht man davon aus, dass es sich beim Kouros von Palaikastro um eine Götter-Statuette handelt.

Alexander MacGillivray sah im Kouros von Palaikastro, der Verkörperung einer jugendlichen männlichen Figur, ein Äquivalent zum ägyptischen Gott Osiris,[9] einen Herrscher der stirbt und wiedergeboren wird im Wandel der Natur.[10] Er erinnere an den diktäischen Zeus der klassischen griechischen Antike,[9] den jungen Zeus als „größten Kouros“.[11] Dieser ist über den Hymnus an den diktäischen Zeus (auch Hymnus der Kureten) aus hellenistischer Zeit mit Palekastro als Fundort verbunden.[12] Die fragmentarische Inschrift des Hymnus wurde bereits im Mai 1904 während der ersten Ausgrabungen bei Palekastro unter der Leitung von Robert Carr Bosanquet und Richard MacGillivray Dawkins entdeckt.[13] Die vier aufgefundenen Teile einer beidseitig beschriebenen Kalksteinplatte, auf der der Hymnus verzeichnet war,[14] befanden sich etwa 140 Meter südöstlich des Fundortes des Kouros im Block Chi (Χ) der Ausgrabungsstätte von Roussolakkos.

  • Judith Weingarten: Measure for Measure: What the Palaikastro Kouros can tell us about Minoan Society. In: Robert Laffineur, Wolf-Dietrich Niemeier (Hrsg.): Politeia. Society and State in the Aegean Bronze Age (= Aegaeum. Nr. 12). Band 2. Universität Lüttich, Lüttich 1995, S. 249–264 (englisch, web.archive.org [PDF; 4,1 MB; abgerufen am 18. Oktober 2021]).
  • Alexander MacGillivray, Jan Driessen, Hugh Sackett: The Palaikastro Kouros: A Minoan Chryselephantine Statuette and Its Aegean Bronze Age Context. In: British School at Athens Studies. Band 6, 2000, ISBN 978-0-904887-35-8, JSTOR:i40041143 (englisch).

Einzelnachweise

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Rückansicht des Kouros
Frontansicht des Kouros
  1. Alexander MacGillivray, Hugh Sackett: Palaikastro. In: Eric H. Cline (Hrsg.): The Oxford Handbook of the Bronze Age Aegean. Oxford University Press, Oxford 2010, ISBN 978-0-19-987360-9, S. 571 (englisch, Digitalisat in der Google-Buchsuche).
  2. Alexander MacGillivray, Hugh Sackett: Palaikastro. In: Wilson Myers, Eleanor Emlen Myers, Gerald Cadogan, John A. Gifford (Hrsg.): The Aerial Atlas of Ancient Crete. University of California Press, Berkeley 1992, ISBN 978-0-520-07382-1, S. 226 (englisch, Digitalisat in der Google-Buchsuche).
  3. Mark Moak: The Palaikastro Kouros. In: British School at Athens Studies. Band 6, 2000, ISBN 978-0-904887-35-8, S. 65, JSTOR:40916617 (englisch).
  4. a b Neville Postlethwaite: The Classical Review of The Palaikastro Kouros. A Minoan Chryselephantine Statuette and its Aegean Bronze Age Context. Classical Association, 2001, abgerufen am 4. März 2017 (englisch).
  5. The Palaikastro Kouros. Permanent Collection of the Archaeological Museum of Siteia. Ministerium für Kultur und Sport (Griechenland), abgerufen am 4. März 2017 (englisch).
  6. Kate Cooper: The ROM ‘Minoan’ Goddess: The Minoan Relations. Ivory Figurines from Palaikastro (Roussolakkos), East Crete. Royal Ontario Museum, 8. April 2014, abgerufen am 4. März 2017 (englisch).
  7. Tim Cunningham: Havoc: The Destruction of Power and the Power of Destruction in Minoan Crete. In: Joachim Bretschneider, Jan Driessen, Karel van Lerberghe (Hrsg.): Power and Architecture: Monumental Public Architecture in the Bronze Age Near East and Aegean (= Orientalia Lovaniensia Analecta. Band 156). Peeters, Leuven 2007, ISBN 978-90-429-1831-3, S. 33–35 (englisch, Digitalisat in der Google-Buchsuche).
  8. a b Alexander MacGillivray, Jan Driessen, Hugh Sackett: The Palaikastro Kouros: A Minoan Chryselephantine Statuette and Its Aegean Bronze Age Context. In: British School at Athens Studies. Band 6, 2000, ISBN 978-0-904887-35-8, S. 21, JSTOR:40916612 (englisch).
  9. a b Alexander MacGillivray: Labyrinths and Bull-Leapers. In: Archaeology. Band 53, 2000, S. 54 (englisch, Digitalisat).
  10. Christian Bauer: Göttinnen-Dämmerung: Das Ende eines Mythos: Auch bei den Minoern herrschten nicht die Frauen – darauf deutet der Fund einer edlen Zeus-Figur hin. Focus Online, 3. September 2007, abgerufen am 4. März 2017.
  11. Balbina Bäbler: Zeus. In: Der Neue Pauly (DNP). Band 12/2, Metzler, Stuttgart 2002, ISBN 3-476-01487-8, Sp. 782–791, hier Sp. 788.
  12. Martin Persson Nilsson: Geschichte der griechischen Religion: Die hellenistische und römische Zeit (= Handbuch der Altertumswissenschaft. Band 5,2,2). C.H.Beck, München 1988, ISBN 3-406-01430-5, S. 61 (Digitalisat in der Google-Buchsuche).
  13. Mark Alonge: The Palaikastro Hymn and the Modern Myth of the Cretan Zeus. In: Princeton/Stanford Working Papers in Classics. Stanford 2005, S. 2 (englisch, Digitalisat [PDF; 167 kB]).
  14. Alexander MacGillivray: The Diktaian Hymn to Zeus: a Paean to Peace. www.terzakis.com, 17. August 2010, abgerufen am 4. März 2017 (englisch).
Commons: Kouros von Palaikastro – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Koordinaten: 35° 12′ 16,4″ N, 26° 6′ 18,6″ O