Otto König (Gewerkschafter)

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Otto König (* 6. September 1945 in Großenhain; † 31. März 2023) war ein deutscher Gewerkschaftsfunktionär. Er war von 1980 bis 2010 Erster Bevollmächtigter der IG Metall Geschäftsstelle Gevelsberg-Hattingen und Mitglied im Vorstand der Industrie-Gewerkschaft.

König war der Sohn eines Polizeibeamten, der wegen seiner Mitgliedschaft in der KPD seine Anstellung verlor.[1] Er absolvierte bei Standard Elektrik Lorenz (SEL) in Mannheim seine Ausbildung als Fernmeldemonteur und trat während dieser Zeit der Industriegewerkschaft Metall bei. 1970 wurde er Betriebsratsvorsitzender bei Telefonbau u. Normalzeit in Neustadt/Wstr. 1971 zog er von der Pfalz ins Ruhrgebiet um und arbeitete in Sprockhövel hauptamtlich im IG Metall Bildungszentrum. Dort bildete er bis 1980 als pädagogischer Mitarbeiter Jugendvertreter, Betriebsräte und Vertrauensleute aus, 1980 wurde er Erster Bevollmächtigter der IG Metall Hattingen.

Diese Position, die in dieser Zeit von langwierigen Arbeitskämpfen geprägt war, in deren Verlauf allein Hattingen in der Metallindustrie mehr als 10.000 Beschäftigte einbüßte,[2] die Arbeitslosigkeit auf 20 % anzusteigen drohte,[3] füllte er auch von 2000 bis 2010 in der zusammengelegten Geschäftsstelle Gevelsberg-Hattingen aus. Als in Hattingen die Maschinenfabrik Mönninghoff geschlossen werden sollte,[4] versuchte er mit den betrieblichen Funktionären der IG Metall die dortigen 791 Arbeitsplätze zu sichern, wozu mit externen Beratern der IPM-Gruppe um den ehemaligen EvoBus-Geschäftsführer Wolfgang Diez das „Hattinger Modell“ entwickelt wurde.[5] Mit Adi Ostertag und Hartmut Schulz veröffentlichte er dazu 1985: „Unser Beispiel könnte ja Schule machen!“. Das „Hattinger Modell“.

Im Mai 1983 war zum ersten Mal der Fortbestand von Mönninghoff gesichert worden, seit Januar 1984 wurde ohne Lohn weitergearbeitet, der Betrieb vom 31. Januar bis zum 1. März besetzt. Nachdem die Banken ihre Entscheidung hinausgeschoben hatten, sollte bei Mönninghoff zunächst bis Februar 1984 weiterproduziert werden. Es folgte eine Landesbürgschaft in Höhe von 21 Millionen Mark.[6] Als die Banken Kreditraten verweigerten, und der Betrieb besetzt wurde, hoffte König bei fortlaufender, unbezahlter[7] Produktion, dass man „die BfG als Gewerkschaftsbank“ dazu bringen könne, die anstehenden Löhne vorzufinanzieren,[8] doch am 21. Februar wurde das Konkursverfahren eröffnet.[9] König kündigte ein Gespräch „im kleinen Kreis“ an, um zu erreichen, dass die Stadt Hattingen Grundstücke und Gebäude aufkaufte, um sie in die Auffanggesellschaft einzubringen.[10] Tatsächlich brachte sie 2 Millionen Mark ein.[11] Letztlich scheiterte der Rettungsversuch jedoch an der Dresdner Bank.[12] Der monatelange Einsatz für Mönninghoff wurde als Grund für Königs Wiederwahl zum 1. Bevollmächtigten der IG Metall genannt, der 112 von 131 Stimmen erhielt.[13]

Von Herbst 1986 bis Ende 1987 war König in den Kampf um den Erhalt der Henrichshütte in Hattingen involviert. Erstmals in der Nachkriegsgeschichte sollte es in der Stahlindustrie zu Massenentlassungen kommen.[14] Über zwölf Monate kämpften die Stahlarbeiter orientiert durch ihre IG Metall und unterstützt durch das Bürgerkomitee Hattingen muss leben und eine Frauen- und Jugendinitiative zuerst um den Erhalt der 4.700 Arbeitsplätze und später für die Schaffung von Ersatzarbeitsplätzen.[15] Die Hüttenarbeiter setzten mit ihren Demonstrationen, Kundgebungen, Mahnwachen, Autokorsos, Menschenketten und einem Dorf des Widerstandes den Thyssen-Konzern und Politiker im Land Nordrhein-Westfalen und im Bund unter Druck.[16] Nach dem Stilllegungsbeschluss durch den Aufsichtsrat der Thyssen AG enthüllten die Stahlarbeiter den Grundstein für die Schaffung einer Beschäftigungsgesellschaft.[17] Aus diesem Modell entwickelte sich die heutige Form der Transfergesellschaften. Durch den Widerstand der Stahlarbeiter und einer ganzen Stadt konnte die Entlassung von 2.900 Menschen verhindert werden.

In den 1990er Jahren nahm König mit den Betriebsräten und unterstützt von Hartmut Schulz, Bernd Lauenroth und Alfons Eilers den Kampf um die Sicherung der Bergbauzulieferer-Betriebe wie die Muckenhaupt GmbH in Hattingen[18] sowie Hausherr & Söhne, Hauhinco GmbH, Turmag GmbH und G. Düsterloh GmbH in Sprockhövel auf, ebenso wie um den Rolltreppenhersteller KONE in Hattingen (2005)[19], den Textil-Etiketten-Produzenten Avery Dennison in Sprockhövel (2009) und O&K Antriebstechnik in Hattingen (2009).[20] Bei der Antriebstechnik konnten die Arbeitsplätze gerettet werden.

König war Mitglied im Beirat der IG Metall, ehrenamtliches Mitglied im 36-köpfigen Vorstand der IG-Metall und Mitglied im DGB-Bundesausschuss.[21] Bei der Firma Dorma in Ennepetal war er stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrates.

Nach seinem Ausscheiden im September 2010 wurde Clarissa Bader in die Funktion der Ersten Bevollmächtigten der IG Metall Geschäftsstelle Gevelsberg-Hattingen gewählt. König war Mitherausgeber der Monatszeitschrift Sozialismus und schrieb regelmäßig Beiträge für das Forum Gewerkschaften.[22] Er war als Publizist tätig. Am 31. März 2023 verstarb er im Alter von 77 Jahren.

Veröffentlichungen (Auswahl)

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  • Mit Dieter Knauß, Gerhard Wick: Debatten und Anstöße „jenseits von Gremien“ in: Mosaiklinke Zukunftspfade, Gewerkschaft–Politik–Wissenschaft, Westfälisches Dampfboot, Münster 2021. ISBN 978-3-89691-064-6
  • Mit Richard Detje „Lateinamerika: Soziale und gesundheitliche Zeitbombe“, von der Corona- in die Wirtschaftskrise, in: Dieter F. Bertz (Hrsg.): „Die Welt nach Corona“, Berlin 2021. ISBN 978-3-86505-763-1
  • Band der Solidarität. Widerstand, Alternative Konzepte, Perspektiven; die IG Metall Verwaltungsstelle Gevelsberg-Hattingen 1945–2010, VSA Verlag, 2012. ISBN 978-3-89965-541-4
  • Mitbestimmung braucht Beratung, Stand und Perspektiven Arbeitsorientierter Beratung, Graewis Verlag, Berlin 2013, ISBN 978-3-9815769-0-0
  • Mit Richard Detje: »Betroffen ist einer. Gemeint sind wir alle« Saubere Energie und unsauberere Methoden beim Windenergieanlagenbauer Enercon, in: Zeitschrift Sozialismus 12 (2014). (online, PDF)
  • Die Stahlstädte müssen leben, in: Elke Hannack, Bernhard Jirku, Holger Menze (Hrsg.): Erwerbslose in Aktion. Aktionsformen, Rahmenbedingungen, kulturelle Vielfalt in Geschichte und Gegenwart, VSA-Verlag, 2009, S. 79–89.
  • Mit Sybille Stamm, Michael Wendl (Hrsg.): Erosion oder Erneuerung? Krise und Reform des Flächentarifvertrags, VSA Verlag, 1998, ISBN 3-87975-705-4
  • Mit Robert Laube, Egon Stratmann: Das Ende der Stahlzeit. Die Stilllegung der Henrichshütte Hattingen, Klartext, 1997.
  • Mit Waltraud Bierwirth: Schmelzpunkte. Stahl, Krise und Widerstand im Revier, Klartext, 1988. ISBN 978-3-88474-331-7
  • Mit Adi Ostertag, Hartmut Schulz: „Unser Beispiel könnte ja Schule machen!“. Das „Hattinger Modell“. Existenzkampf an der Ruhr, Bund-Verlag, 1985. ISBN 3-7663-0924-2
  • „Dieser Betrieb ist besetzt“ – die Mönninghoff GmbH in Hattingen, in: 125 Jahre IG Metall, Teil 12, 23. August 2016.
  • Mönninghoff in Hattingen: Warum und wie wir diesen Arbeitskampf geführt haben, in: Gerd Lobodda, Gerhard Richter (Hrsg.) Antworten auf den Späth-Kapitalismus, Ausgewählte Konzepte, Aktionen, Modelle in Betrieb, Branche und Region, IMU Institut, München 1985. ISBN 3-924003-09-2
  • Dominika Sagan: König der Metaller, in: Der Westen, 29. September 2010
  • Heinz Bierbaum, Richard Detje: „Die Stärksten kämpfen ihr Leben lang“ Unserem Kollegen, Genossen und Freund Otto König (6.9.1945 – 31.3.2023), in: Sozialismus, Heft 5, 2023, S. 47–49
  • Hartmut Schulz, Alfons Eilers: Kämpfer, Impulsgeber und Orientierer – streitbar, kollegial, solidarisch, in: Sozialismus, Heft 5, 2023, S. 49–52
  1. Nachruf Zeitschrift Sozialismus 5/2023, S. 47
  2. Günter Hiege: Otto König: Metaller mit Kämpferherz, in: Westdeutsche Zeitung, 10. September 2010.
  3. Arbeiter besetzen „ihren Betrieb“, in: Vorwärts, 16. Februar 1984.
  4. Vgl. Herbert Klemisch, Kerstin Sack, Christoph Ehrsam: Betriebsübernahme durch Belegschaften - Eine aktuelle Bestandsaufnahme. Studie im Auftrag der Hans Böckler Stiftung, Juli 2010 ISSN 1619-1633, S. 18–24 (online (Memento des Originals vom 4. März 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.boeckler.de, PDF).
  5. Historisch: Januar vor 30 Jahren. Betriebsbesetzung bei Mönninghoff, Bildungszentrum Sprockhövel, 21. Januar 2014.
  6. Banken verweigern Kreditraten, in: Westfälische Rundschau, 18. Januar 1984.
  7. Belegschaft arbeitet jetzt ohne Lohn, in: Westfälischer Anzeiger, 14. Februar 1984.
  8. Nelken für die Werksbesetzer: Bürger machen Arbeitern Mut, in: Westfälische Rundschau, 6. Februar 1984.
  9. 800 Mönninghoff-Arbeiter auf der Straße - Konkurs gestern eröffnet, in: Ruhr-Nachrichten, 22. Februar 1984.
  10. Ganz Mönninghoff kämpft weiter. „Solidarität gibt uns Kraft“, in: Westfälische Rundschau, 27. Februar 1984.
  11. Zwei Millionen Mark für Mönninghoff bewilligt, in: Westfälische Rundschau, 7. April 1984; Mönninghoff gerettet?, in: Welt der Arbeit, 19. April 1984.
  12. „Im Düsseldorfer Wirtschaftsministerium scheiterte gestern das Finanzierungskonzept für eine Fortführungsgesellschaft an der Haltung der Dresdner Bank, die ihre Zustimmung zu einer am vergangenen Freitag erzielten Übereinkunft überraschend zurückzog.“ (Rettung für Mönninghoff gescheitert, in: Westfälische Rundschau, 9. Mai 1984).
  13. Otto König bleibt an der Spitze, in: Westfälische Rundschau, 26. März 1984.
  14. Eine Stadt wird arbeitslos. Durch Betriebsstilllegungen treibt der Stahlkonzern Hattingen in den Ruin, in: Die Zeit, 6. März 1987.
  15. Selbst in der Kirche haben sie gelbe Zettel verteilt. in: Stuttgarter Zeitung, 4. März 1987.
  16. Stunde der Tränen, in: Süddeutsche Zeitung, 26. Juni 1987.
  17. Otto Koenig: Heute vor dreißig Jahren: Beschäftigungsgesellschaft „Grundstein enthüllt“ | IG Metall Gevelsberg – Hattingen. In: igmetall-en.de. 18. August 2017, abgerufen am 16. Oktober 2017.
  18. Otto Koenig: „Setzen die in Zukunft wieder Grubenponys ein?“ – Muckenhaupt GmbH in Hattingen|IG Metall Gevelsberg - Hattingen. In: www.igmetall-en.de. Abgerufen am 17. Januar 2017.
  19. Vgl. KONE Hattingen „Menschen sind wichtiger als Profite“, in: „Band der Solidarität“, Widerstand, Alternative Konzepte, Die IG Metall Verwaltungsstelle Gevelsberg-Hattingen 1945-2010, VSA-Verlag Hamburg 2012, S. 432–449
  20. Vgl. O&K Antriebstechnik Hattingen: „Sciopero“-Streik, in: „Band der Solidarität“, Widerstand, Alternative Konzepte, Die IG Metall Verwaltungsstelle Gevelsberg-Hattingen 1945-2010, VSA-Verlag Hamburg 2012, S. 432–449
  21. IG Metall: Doch ein Neubau, in: Westdeutsche Zeitung, 15. Mai 2007.
  22. Das Projekt.

22.Otto König als Mann der ersten Stunde, in Westdeutsche Allgemeine Zeitung Sprockhövel. 18.März 2021