Lehnhauer

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Ein Lehnhauer,[1] auch Lehnhäuer,[2] Lehenhauer,[1] oder Lehen - Häuer genannt,[3] war im Bergbau des späten Mittelalters ein Bergmann,[1] der von einer Gewerkschaft ein Stück des Grubenfeldes der Gewerkschaft zu Lehn trug.[2] Seine Arbeit wurde von der Gewerkschaft in der Regel durch einen Teil des Ausbringens[ANM 1] entlohnt.[4]

Grundlagen und Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bis ins späte Mittelalter wurden die Bergwerke im deutschsprachigen Bergbau überwiegend von Einzelunternehmern, den Eigenlöhnern, betrieben.[5] Diese schlossen sich im Laufe der Jahre, nachdem die bergrechtlichen Voraussetzungen geschaffen worden waren, mit anderen Kapitalgebern zu Gewerkschaften zusammen.[6] Die Gewerken bearbeiteten ihre Bergwerke nicht selber, sondern vergaben oftmals die bergmännischen Arbeiten an besondere Unternehmer, die als Lehnhauer bezeichnet wurden.[7] Damit es bei der Vergabe dieser Lehenschaften nicht zu Unregelmäßigkeiten kam, musste hierbei der Gegenschreiber anwesend sein, um zu protokollieren, an welchen Lehnhauer die einzelnen Lehen verliehen worden waren.[8] Die Lehnhauer entstammten auch aus der Eigenlöhnerschaft und boten ihre bergmännischen Dienste den Gewerkschaften an.[9] Die Lehnhauer gehörten bei den Zechen des Mittelalters zur Unternehmerschaft[ANM 2] der aus mehreren einzelnen kleinen Betrieben oder Betriebspunkten bestehenden Bergwerke.[10]

Arbeitsverhältnis und Entlohnung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Lehnhauer waren voll ausgebildete Hauer, die bei der Gewerkschaft in einem speziellen Dienstverhältnis[ANM 3] standen.[7] Sie waren nach heutigen Maßstäben Subunternehmer, die von der Gewerkschaft abhängig waren.[1] Das Dienstverhältnis zwischen Gewerkschaft und Lehnhauer war so geregelt, dass die Lehnhauer weder Pächter waren noch im Gedinge standen.[10] Sie hatten zudem die gleichen Pflichten und Arbeitszeiten wie die anderen bei der Gewerkschaft beschäftigten Bergleute.[3] Sie bauten meist in einem Teil des Grubenfeldes der Gewerkschaft, den die Gewerken nicht selber bauhaft[ANM 4] halten wollten.[11] Dabei mussten sie den Betriebsteil in Eigenregie eigenverantwortlich bergmännisch bearbeiten und für Verluste auch selber aufkommen.[3] Sie erstellten die für den Betrieb des Grubenbetriebes erforderlichen Stollen und anderen Grubenbaue selber und auf eigene Kosten.[7] Zudem mussten sie für die Nutzung des Feldesteils eine Abgabe an die Hauptgewerken zahlen.[10] Entlohnt wurden sie dadurch, dass sie einen Teil des Ausbringens ihres Feldesteils behalten konnten.[2] Diesen Anteil des Ausbringens verkauften sie an die Gewerkschaft zwecks weiterer Verarbeitung.[7] Wie viel sie genau pro abgebauten und geförderten Kübel mit Erz von den Gewerken bezahlt bekamen, wurde in der Regel zuvor im Beisein des Gegenschreibers ausgehandelt.[3] Anders als bei den sogenannten Herrenarbeitern, die ihren Lohn in manchen Gegenden ganz oder teilweise in Form von Naturalien wie Lebensmittel, alkoholischen Getränken oder Haushaltswaren ausgezahlt bekamen,[ANM 5] wurde der Lehnhauer stets monetär entlohnt.[9]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c d Olessia Schreiber: Der frühhochdeutsche bergmännische Wortschatz, Studien zu Georgius Agricolas "Vom Bergkwerck XII Bücher". Genehmigte Dissertation an der Fakultät Sprach-, Literatur- und Kulturwissenschaft der technischen Universität Dresden, Dresden 2005, S. 112, 113, 121.
  2. a b c Moritz Ferdinand Gätzschmann: Sammlung bergmännischer Ausdrücke. Verlag Craz & Gerlach, Freiberg 1859.
  3. a b c d Erklärung aller Kunstwörter und Redensarten bey Bergwerken und Hütten - Arbeiten. Nach alphabetischer Ordnung in zwey Theilen mit einer kurzen Vorrede, neue Auflage, in Commission bey C. G. Fleckeisen, Helmstedt 1802.
  4. Erklärung des allgemeinen teutschen Lehensrechtes. Nach Böhmers Principiis Juris Feudalis und den öffentlichen Vorlesungen auf der Wiener hohen Schule. Bei Franz Jakob Kaiseres, Wien 1793, S. 53–56
  5. Otto Hue: Die Bergarbeiter. Historische Darstellung der Bergarbeiter-Verhältnisse von der ältesten bis in die neueste Zeit, zweiter Band, Verlag von I. H. W. Dietz Nachf. G.m.b.H., Stuttgart 1913, S. 98, 146–156.
  6. Adolf Arndt, Kuno Frankenstein (Hrsg.): Hand- und Lehrbuch der Staatswissenschaften in selbständigen Bänden. Erste Abteilung Volkswirtschaftslehre XI. Band Bergbau und Bergbaupolitik, Verlag von C.L. Hirschfeld, Leipzig 1894, S. 58–69.
  7. a b c d Ass. Hatzfeld: Das preußische Knappschaftswesen in seiner Ausgestaltung durch die Novelle vom 19. Juni 1906, betreffend Abänderung des VII. Titels des Allgemeinen Berggesetzes vom 24. Juni 1863. In: Glückauf, Berg- und Hüttenmännische Zeitschrift. Verein für die bergbaulichen Interessen im Oberbergamtsbezirk Dortmund (Hrsg.), Nr. 2, 43. Jahrgang, 12. Januar 1907, S. 39.
  8. Peter Strelow: Landesherrschaft und Bergrecht in Südwestdeutschland zwischen 1450 und 1600. Ein Vergleich. Inaugural-Dissertation an der Philosophischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms - Universität, Münster 1997, S. 165.
  9. a b Heinrich Achenbach: Die deutschen Bergleute der Vergangenheit. In: Zeitschrift für das Bergrecht. Hermann Brassert, Heinrich Achenbach (Hrsg.), Zwölfter Jahrgang, bei Adolph Marcus12, Bonn 1871, S. 89, 107.
  10. a b c Karl August Tolle: Die Lage der Berg- und Hüttenarbeiter im Oberharze. Unter Berücksichtigung der geschichtlichen Entwicklung der gesammten Bergarbeiter - Verhältnisse, Puttkammer & Mühlbrecht Buchhandlung für Staats- und Rechtswissenschaft, Berlin 1892, S. 49–53, 83, 84, 128.
  11. Carl Friedrich Richter: Neuestes Berg-und Hütten-Lexikon. Oder alphabetische Erklärung aller bei dem Berg- und Hüttenwesen vorkommenden Arbeiten, Werkzeuge und Kunstwörter; Aus dem vorzüglichen mineralogischen und hüttenmännischen Schriften gesammelt und aufgestellt, Erster Band, A - L, in der Kleefeldschen Buchhandlung, Leipzig 1805.

Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Als Ausbringen bezeichnet man im Bergbau die Gesamtmasse der nutzbaren Mineralien, die innerhalb einer bestimmten Zeit aus einem Bergwerk gefördert wurde. (Quelle: Heinrich Veith: Deutsches Bergwörterbuch mit Belegen.)
  2. Die Unternehmer eines damaligen Bergwerks waren unterteilt in Hauptgewerken, Untergewerken und Lehnhauer. (Quelle: Ass. Hatzfeld: Das preußische Knappschaftswesen in seiner Ausgestaltung durch die Novelle vom 19. Juni 1906, betreffend Abänderung des VII. Titels des Allgemeinen Berggesetzes vom 24. Juni 1863.)
  3. Dieses Verhältnis war auf einen vorher festgesetzten Zeitraum befristet. (Quelle: Olessia Schreiber: Der frühhochdeutsche bergmännische Wortschatz, Studien zu Georgius Agricolas "Vom Bergkwerck XII Bücher".)
  4. Als bauhaft oder bauhaftig gilt ein Bergwerk wenn das Grubengebäude und die Tagesanlagen in einem guten Zustand sind. Des Weiteren galt nach den älteren Berggesetzen ein Bergwerk als bauhaft wenn es ununterbrochen betrieben wurde. Nach den deutschen Berggesetzen wird die Verpflichtung der Bergwerksbesitzer zur wirklichen Nutzung seines Bergwerkseigentums als Bauhafthaltung bezeichnet. (Quelle: Heinrich Veith: Deutsches Bergwörterbuch mit Belegen.)
  5. Diese Form der Entlohnung wurde als Pfenningswerthschaft oder Pfennwerthsbehandlung bezeichnet. Nach dieser Form der geldwerten Bezahlung, die so noch bis ins 18. Jahrhundert praktiziert wurde, wurden in einigen Gegenden die Schichtlöhner entlohnt. (Quelle: Heinrich Achenbach: Die deutschen Bergleute der Vergangenheit.)