Meprobamat

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Strukturformel
Struktur von Meprobamat
Allgemeines
Freiname Meprobamat
Andere Namen

2-Methyl-2-propyltrimethylendicarbamat (IUPAC)

Summenformel C9H18N2O4
Kurzbeschreibung

weißes bis fast weißes, amorphes oder kristallines Pulver[1]

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer 57-53-4
EG-Nummer 200-337-5
ECHA-InfoCard 100.000.306
PubChem 4064
DrugBank DB00371
Wikidata Q418351
Arzneistoffangaben
ATC-Code

N05BC01

Wirkstoffklasse

Anxiolytikum

Eigenschaften
Molare Masse 218,25 g·mol−1
Aggregatzustand

fest

Schmelzpunkt

103–107 °C[1]

Löslichkeit

schwer löslich in Wasser, leicht löslich in Ethanol[1]

Sicherheitshinweise
Bitte die Befreiung von der Kennzeichnungspflicht für Arzneimittel, Medizinprodukte, Kosmetika, Lebensmittel und Futtermittel beachten
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung[2]

Achtung

H- und P-Sätze H: 302
P: keine P-Sätze[2]
Toxikologische Daten

794 mg·kg−1 (LD50Ratteoral)[1]

Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Meprobamat ist der Wirkstoff eines Beruhigungsmittels, das unter dem Namen Miltown 1955 in den USA auf den Markt kam. Es zählt zur chemischen Verbindungsklasse der Urethane und wurde schnell zu einem der meistverkauften Medikamente. Es wurde in Deutschland, Österreich und der Schweiz vom Markt genommen oder ist nicht verschreibungsfähig.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Als Frank Berger im Labor eines britischen Arzneimittelherstellers nach einem Konservierungsmittel für Penicillin suchte, entdeckte er, dass eine Verbindung namens Mephenesin Labormäuse beruhigte, ohne sie zu betäuben.[3] Berger erwähnte diese „beruhigende“ Wirkung später in einem Artikel, der 1946 im British Journal of Pharmacology and Chemotherapy veröffentlicht wurde.[4][5] Die Verwendung von Mephenesin als Beruhigungsmittel hatte jedoch drei große Nachteile: eine sehr kurze Wirkungsdauer, eine stärkere Wirkung auf das Rückenmark als auf das Gehirn, was zu einem sehr niedrigen therapeutischen Index führte, und eine geringe Aktivität.[6]

Im Mai 1950, nach seinem Wechsel zu Carter Products in New Jersey synthetisierten Berger und der Chemiker Bernard John Ludwig Meprobamat, das diese drei Nachteile überwand.[7] Wallace Laboratories, eine Tochterfirma von Carter Products, erwarb die Lizenz und nannte ihr neues Produkt „Miltown“, nach der Stadt Milltown in New Jersey. Das 1955 auf den Markt gebrachte Medikament wurde schnell zum ersten Psychopharmaka-Blockbuster der amerikanischen Geschichte, in Hollywood populär und wegen seiner scheinbar wundersamen Wirkung berühmt.[8] Es wurde seitdem unter mehr als hundert verschiedenen Namen vermarktet.[9]

Anfang der 1960er-Jahre wurde Meprobamat durch Benzodiazepine – wie beispielsweise Chlordiazepoxid und Diazepam – verdrängt.

Meprobamat ist in der Bundesrepublik Deutschland aufgrund seiner Aufführung in der Anlage 2 BtMG ein verkehrsfähiges, aber nicht verschreibungsfähiges Betäubungsmittel. Der Umgang ohne Erlaubnis ist grundsätzlich strafbar. Weitere Informationen sind im Hauptartikel Betäubungsmittelrecht in Deutschland zu finden.

In Österreich wurde das Präparat wegen des hohen Suchtpotentials bereits vom Markt genommen, am 20. Januar 2012 hat auch die Europäische Arzneimittelagentur eine solche Maßnahme empfohlen.[10]

In der Schweiz war Meprobamat bis Oktober 2012 unter dem Namen Meprodil im Handel (rezeptpflichtig). Aufgrund einer Neubeurteilung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses wurde es vom Markt genommen.[11]

Nebenwirkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zu den Nebenwirkungen gehört u. a. eine Gynäkomastie.

Handelsnamen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Microbamat (A), Meprodil (CH), Miltaun (A), Tonamyl (D)

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Meprobamate – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c d Eintrag MEPROBAMATE CRS beim Europäisches Direktorat für die Qualität von Arzneimitteln (EDQM), abgerufen am 21. August 2009.
  2. a b Datenblatt Meprobamate bei Sigma-Aldrich, abgerufen am 22. Oktober 2016 (PDF).
  3. D. Healy: Let them eat Prozac. J. Lorimer & Co., Toronto, 2006, ISBN 978-0814736975, S. 27.
  4. Frank Berger, William Bradley: The pharmacological properties of α:β-dihydroxy-γ-(2-methylphenoxy)-propane (myanesin). In: British Journal of Pharmacology and Chemotherapy. 1946, PMID 19108096.
  5. Frank Berger: The mode of action of myanesin. In: British Journal of Pharmacology and Chemotherapy. 2.4, 1947, S. 241–250, PMID 19108125, doi:10.1111/j.1476-5381.1947.tb00341.x.
  6. Thomas A. Ban: The role of serendipity in drug discovery. In: Dialogues in Clinical Neuroscience. 8.3, 2006, S. 335–344, PMID 17117615, doi:10.31887/DCNS.2006.8.3/tban
  7. B. J. Ludwig, E. Piech: Some anticonvulsant agents derived from 1, 3-propanediol. In: Journal American Chemical Society. 73.12, 1951, S. 5779–5781, doi:10.1021/ja01156a086.
  8. Andrea Tone: The age of anxiety: a history of America's turbulent affair with tranquilizers. Basic Books, New York, 2009, ISBN 978-0-465-02520-6.
  9. Meprobamate. In: webbook.nist.gov. Abgerufen am 23. Mai 2024 (englisch).
  10. Pharmainformation, Unabhängige Information für Ärzte/innen, Jahrgang 27/Nr. 1, März 2012 Innsbruck.
  11. DHPC – Meprodil (Meprobamat): Neubeurteilung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses und Marktrückzug am 31. Oktober 2012. Swissmedic, 28. September 2012, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 2. März 2017; abgerufen am 1. März 2017.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.swissmedic.ch