Tebbe-Methylenierung

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Die Tebbe-Methylenierung, oder auch Tebbe-Reaktion, ist eine chemische Reaktion aus dem Bereich der Organischen Chemie. Sie dient der Methylenierung, also Einführung einer Methylengruppe. Als Edukte dienen Carbonylkomponenten wie Aldehyde, Ketone und Ester, aber auch Amide. Die Reaktion ist benannt nach ihrem Entwickler, dem amerikanischen Chemiker Frederick Nye Tebbe.[1][2][3]

Tebbe/Wittig
Tebbe/Wittig
Struktur des Tebbe-Reagenz

Das Tebbe-Reagenz ist ein hochreaktiver, roter Feststoff, der aus Titanocendichlorid und Trimethylaluminium gewonnen wird. In Lösung, z. B. in Toluol unter Inertgas ist die Verbindung länger stabil und ist auch kommerziell erhältlich.[4][5]

Aus dem Tebbe-Reagenz wird zunächst durch Baseneinwirkung (beispielsweise Pyridin oder THF) das reaktive Schrock-Carben gebildet. Dieses addiert zunächst an die eingesetzte Carbonylverbindung unter Bildung eines Oxa-Derivats eines Titanacyclobutans. Dieses öffnet sich dann unter Freisetzung des Alkens und einer Titan-Sauerstoff-Spezies. Triebkraft der Reaktion ist vermutlich die Bildung der Titan-Sauerstoff-Bindung.[6]

Methylierung mit der Tebbe-Reagenz
Methylierung mit der Tebbe-Reagenz

Werden Carbonsäurehalogenide oder Carbonsäureanhydride als Carbonylkomponente eingesetzt, so öffnet sich der Vierring unter Abspaltung eines Halogenidions. Es bildet sich ein Enolat, das durch den gebundenen Titankomplex stabilisiert wird. Dieses kann beispielsweise zu einem Methylketon umgesetzt werden.[6][7][8][9]

Unter geeigneten Reaktionsbedingungen (insbesondere durch Einsatz mehrerer Äquivalente Trimethylaluminium) kann auch aus einem Ester ein Enolat gebildet werden, aus dem sich beispielsweise Allylalkohole herstellen lassen.[10]

Das Tebbe-Reagenz ermöglicht auch eine kombinierte Reaktion mit Methylidenierung und Ringsschlussmetathese. Dabei wird aus einem Ester eines langkettigen ungesättigten Alkohols zunächst ein Enolether gebildet und anschließend die Doppelbindungen des Enolethers und der ursprünglichen Alkoholkomponente durch Metathese verbunden.[11]

Das Tebbe-Reagenz ermöglicht nur die Einführung von Methylengruppen, im Gegensatz zur Wittig-Reaktion, mit der ein breites Spektrum an Resten eingeführt werden kann.[12] Ein Vorteil gegenüber der Wittig-Reaktion liegt in der Möglichkeit der Verwendung von Estern, Amiden und Carbonaten, die in Wittig-Reaktionen nicht verwendet werden können.[5][9]

Auch werden durch eine Tebbe-Methylenierung meist bessere Ausbeuten erzielt als in einer Wittig-Reaktion mit Methylidentriphenylphosphoran, vor allem bei sterisch gehinderten Substraten (z. B. Fenchon).[5] Chirale Kohlenstoffatome in α-Position zum Carbonyl racemisieren während einer Tebbe-Reaktion nicht, da keine starken Basen verwendet werden müssen.[5][13] Die Reaktion funktioniert bei Raumtemperatur.[6]

Das Reagenz ist reaktiver gegenüber Carbonylen, sodass diese in Gegenwart von Estern und Amiden selektiv umgesetzt werden können. Die Reaktion verträgt sich mit vielen funktionellen Gruppen wie Halogenaromaten, Acetalen, sowie Benzyl-, Trityl- und Silylethern, nicht jedoch mit Hydroxylgruppen, die das Reagenz zerstören.[6]

Ähnliche Reagenzien sind das Grubbs-Reagenz, das aus dem Tebbe-Reagenz und 3,3-Dimethylbuten hergestellt, und das Takeda-Reagenz. Eine Methylidenierung ist auch durch Wittig-Reaktion, Peterson-Olefinierung oder Julia-Lythgoe-Olefinierung möglich.[14] Eine Alternative ist auch das Petasis-Reagenz, das aus Titanocendichlorid und Methylmagnesiumchlorid hergestellt wird. Dieses ist deutlich stabiler als das Tebbe-Reagenz und es können auch Analoga mit Nicht-Methyl-Resten erzeugt werden.[6] Es sind auch Zirconium-Komplexe bekannt, die ähnliche Reaktionen wie das Tebbe-Reagenz ermöglichen, ebenfalls auch mit Nicht-Methyl-Resten.[15]

Einzelnachweise

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  1. F. N. Tebbe, G. W. Parshall, G. S. Reddy: Olefin homologation with titanium methylene compounds. In: Journal of the American Chemical Society. Band 100, Nr. 11, Mai 1978, S. 3611–3613, doi:10.1021/ja00479a061.
  2. Organic Reactions. 1. Auflage. Wiley, 2004, ISBN 978-0-471-26418-7, doi:10.1002/0471264180.or043.01.
  3. Ian Beadham, Jason Micklefield: Reagents for Carbonyl Methylenation in Organic Synthesis. In: Current Organic Synthesis. Band 2, Nr. 2, S. 231–259, doi:10.2174/1570179053545396.
  4. Rick Thompson, Eiko Nakamaru-Ogiso, Chun-Hsing Chen, Maren Pink, Daniel J. Mindiola: Structural Elucidation of the Illustrious Tebbe Reagent. In: Organometallics. Band 33, Nr. 1, 13. Januar 2014, S. 429–432, doi:10.1021/om401108b.
  5. a b c d Stanley H. Pine, Gregory S. Shen, Huan Hoang: Ketone Methylenation Using the Tebbe and Wittig Reagents - A Comparison. In: Synthesis. Band 1991, Nr. 02, 1991, S. 165–167, doi:10.1055/s-1991-26406.
  6. a b c d e Richard C. Hartley, Gordon J. McKiernan: Titanium reagents for the alkylidenation of carboxylic acid and carbonic acid derivatives. In: Journal of the Chemical Society, Perkin Transactions 1. Nr. 24, 19. Dezember 2002, S. 2763–2793, doi:10.1039/b009709h.
  7. John R. Stille, Robert H. Grubbs: Synthetic applications of titanocene methylene complexes: selective formation of ketone enolates and their reactions. In: Journal of the American Chemical Society. Band 105, Nr. 6, März 1983, S. 1664–1665, doi:10.1021/ja00344a048.
  8. Ta-Shue chou, Sung-Ben Huang: Non-wittig type reaction of tebbe reagent with acyl chloride. In: Tetrahedron Letters. Band 24, Nr. 21, 1983, S. 2169–2170, doi:10.1016/S0040-4039(00)81873-0.
  9. a b K. A. Brown-Wensley, S. L. Buchwald, L. Cannizzo, L. Clawson, S. Ho, D. Meinhardt, J. R. Stille, D. Straus, Robert H. Grubbs: Cp2TiCH2 complexes in synthetic applications. In: Pure and Applied Chemistry. Band 55, Nr. 11, 1. Januar 1983, S. 1733–1744, doi:10.1351/pac198355111733.
  10. Yuji Hanzawa, Noboru Kowase, Shu-ichi Momose, Takeo Taguchi: A Cp2TiCl2-Me3Al (1 : 4) reagent system: An efficient reagent for generation of allylic titanocene derivatives from vinyl halides, vinyl ethers and carboxylic esters. In: Tetrahedron. Band 54, Nr. 38, September 1998, S. 11387–11398, doi:10.1016/S0040-4020(98)00681-4.
  11. K. C. Nicolaou, Maarten H. D. Postema, Christopher F. Claiborne: Olefin Metathesis in Cyclic Ether Formation. Direct Conversion of Olefinic Esters to Cyclic Enol Ethers with Tebbe-Type Reagents. In: Journal of the American Chemical Society. Band 118, Nr. 6, 1. Januar 1996, S. 1565–1566, doi:10.1021/ja9534866.
  12. Rannveig Litlabø, Melanie Zimmermann, Kuburat Saliu, Josef Takats, Karl W. Törnroos, Reiner Anwander: A Rare-Earth Metal Variant of the Tebbe Reagent. In: Angewandte Chemie International Edition. Band 47, Nr. 49, 24. November 2008, S. 9560–9564, doi:10.1002/anie.200803856.
  13. Alberto Marra, Jacques Esnault, Alain Veyrieres, Pierre Sinay: Isopropenyl glycosides and congeners as novel classes of glycosyl donors: theme and variations. In: Journal of the American Chemical Society. Band 114, Nr. 16, Juli 1992, S. 6354–6360, doi:10.1021/ja00042a010.
  14. Ian Beadham, Jason Micklefield: Reagents for Carbonyl Methylenation in Organic Synthesis. In: Current Organic Synthesis. Band 2, Nr. 2, S. 231–259, doi:10.2174/1570179053545396.
  15. Susan M. Clift, Jeffrey Schwartz: Control of olefination stereochemistry using long-chain zirconium alkylidene analogs of the "Tebbe" reagent. In: Journal of the American Chemical Society. Band 106, Nr. 26, Dezember 1984, S. 8300–8301, doi:10.1021/ja00338a052.