„Familienhilfe“ – Versionsunterschied

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Die '''[[Sozialpädagogik|Sozialpädagogische]] Familienhilfe''' ({{§|31|sgb_8|juris}} [[SGB VIII]]) gehört in Deutschland zu den [[Hilfen zur Erziehung]] ({{§|27|sgb_8|juris}} SGB VIII).
Die '''[[Sozialpädagogik|Sozialpädagogische]] Familienhilfe''' ({{§|31|sgb_8|juris}} [[SGB VIII]]) gehört in Deutschland zu den [[Hilfen zur Erziehung]] ({{§|27|sgb_8|juris}} SGB VIII). „Wenn eine dem Wohl des Kindes oder des Jugendlichen entsprechende Erziehung nicht gewährleistet ist“ (§27 SGB VIII), haben Personensorgeberechtigte Anspruch auf „Hilfen zur Erziehung“ gegenüber der Jugendhilfe. Diese Hilfe nach §27 SGB VIII kann als eine „präventive Hilfe“ bezeichnet werden, da noch keine Kindeswohlgefährdung vorliegt. Als Hilfen zur Erziehung werden staatliche Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe gesehen. Die Sozialpädagogische Familienhilfe (SPFH) ist hierbei eine von vielen Gestaltungsformen der Hilfen zur Erziehung.


== Grundlagen ==
== Grundlagen ==
Die SPFH(§ 31 SGB VIII) ist ein kostenloses Regelangebot der [[Kinder- und Jugendhilfe|Jugendhilfe]]. Sie schließt die gesamte Familie mit ein und dient speziell für Familiensituationen, in denen die Erziehung nicht gewährleistet oder das Wohl des Kindes/ der Kinder gefährdet ist. Sie wird als sozialraumorientierte Hilfe gesehen. Klaus Wolf beschreibt in seinem Buch drei wesentliche Merkmale der SPFH<ref>{{Literatur |Autor=Klaus Wolf |Titel=Sozialpädagogische Interventionen in Familien |Hrsg=Klaus Wolf |Sammelwerk= |Band= |Nummer= |Auflage=2 |Verlag=Beltz Juventa |Ort=Weinheim/Basel |Datum=2015 |Seiten= |ISBN=978-3-7799-2689-4}}</ref>:
Der Name zeigt bereits den Schwerpunkt der [[Kinder- und Jugendhilfe|Jugendhilfemaßnahme]]. Durch die intensive Beratung und Begleitung der [[Familie (Soziologie)|Familie]] werden Lösungen von Alltagsproblemen und Konfliktbewältigung probiert und geübt. In der Regel ist sie für einen längeren Zeitraum (1 bis 2 Jahre) gedacht.


(1) Adressat ist die ganze Familie, beziehungsweise das „System“ und all ihre Mitglieder.
Voraussetzung für die Gewährung von Sozialpädagogischer Familienhilfe (SPFH) ist ein Antrag der [[Elternschaft|Eltern]] und die Aufstellung eines Hilfeplans ({{§|36|sgb_8|juris}} SGB&nbsp;VIII), in dem die Probleme und die Lösungsschritte einschließlich gemeinsamer Ziele und Überprüfungszeiträume festgelegt werden. Indikation für die intensive Hilfe sind Familien, in denen eine Multiproblematik vorliegt (emotionale, soziale und ökonomische Probleme).


(2) Sie findet überwiegend aufsuchend in der Wohnung der Familie statt und
Der Begriff Sozialpädagogische Familienhilfe ist im Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG) als spezielle Hilfeform geprägt. Er ist nicht zu verwechseln mit dem Begriff der Familienhilfe, der die jugendamtliche Sozialarbeit der 1970er bis 1990er Jahre in Deutschland prägte. Familienhilfe war damals die Arbeit der Sozialarbeiter/-innen in den Jugendämtern, die mit Kindeswohlgefährdungen zu tun haben (Allgemeiner oder Kommunaler Sozialdienst).


(3) bezieht sich sowohl auf Erziehungsthemen als auch auf alle anderen Probleme der Familie,
Mit der Sozialpädagogischen Familienhilfe sollen Eltern mit ganz praktischen Hilfen bei Fehlern in der Kindererziehung (Vernachlässigung, Misshandlung), in der Versorgung des Haushalts und bei unangemessenem Ausgabeverhalten (bei knappen Einnahmen) unterstützt werden. Dies geschieht insbesondere: bei einer gravierenden häuslichen Unterversorgung (Bildung, Hygiene, Wohnung...) oder bei unmittelbaren zeitlich befristeten Schwierigkeiten in vielen Lebensbereichen. Immer muss aber auch ein erhöhter erzieherischer Bedarf – also die Notwendigkeit der Erziehungshilfe – vorliegen. Der erzieherische Bedarf wird – wie alle Hilfen zur Erziehung – über das [[Kindeswohl|Wohl des oder der Kinder]] und dessen notwendige Verbesserung definiert. Die Hilfe ist eine der Möglichkeiten, die Jugendämter im Rahmen der [[Kindeswohlgefährdung]] ({{§|1666|bgb|juris}} [[Bürgerliches Gesetzbuch|BGB]]) anbieten, auch um eine [[Inobhutnahme|Herausnahme]] der Kinder zu vermeiden.


bzw. ihr Mitglieder (z.B. Wohnsituation und Finanzen, Tages- und Wochenstruktur,
Sozialpädagogische Familienhelfer besuchen Familien regelmäßig in ihrer Wohnung. Bei ihren Besuchen erleben Familienhelfer die vorliegenden Probleme unmittelbar und suchen vor Ort gemeinsam mit den Familien nach naheliegenden und passenden Lösungen. Den Familien soll die Verantwortung für die Bewältigung ihrer vielfältigen und gehäuften Probleme nicht abgenommen werden, sondern sie sollen durch SPFH nach dem Motto „[[Hilfe zur Selbsthilfe]]“ zu eigenen Lösungen angeregt werden, um die im Hilfeplan vereinbarten Ziele zu erreichen. Als zentrale Kennzeichen dieses Ansatzes können die Arbeit im Bereich des familiären Heims und die Bildung einer tragfähigen Vertrauensbasis gelten. Dies ist die Basis, um auch tiefgreifende Problemlagen behandeln zu können und verschiedene sozialpädagogische Methoden einzusetzen.


Krankheiten, Beziehungen der Familienmitglieder untereinander und zu anderen und weitere). Diese Hilfe ist also eine aufsuchende, familienbezogene Hilfe und basiert meist auf Freiwilligkeit seitens der Familien. Ausgenommen sind dabei Situationen, bei denen das Jugendamt das Aufsuchen einer SPFH vorschreibt. Die Familienstrukturen sind sehr unterschiedlich, sie reichen von Ein - Elternteil - Familien bis hin zu Patch Work Familien. Das vorherrschende Klientel stellt Familien mit mehreren Kindern dar, vor allem Alleinerziehende. Überwiegend werden Familien mit niedrigen Bildungsabschlüssen, Einkommensniveau und Verschuldung betreut. Generell spricht die SPFH aber alle Familien aus allen Bevölkerungsschichten an. Häufig treten in den Familien mehrere Probleme gleichzeitig auf, daher wird oft der Begriff „Multiproblemfamilien“ verwendet. Allgemein ist es die Aufgabe der SPFH, die Familien zu betreuen und sie in ihren (Alltags-)Problemen zu unterstützen. Die Familien sollen gestärkt, und das Wohl der Kinder gesichert werden. Steht bei einem Fall das Thema der Fremdunterbringung in einem Heim im Raum, sollte diese möglichst vermieden werden, daher steht immer die Reintegration des Kindes/ der Kinder im Vordergrund, soweit dies möglich erscheint. Da jeder Fall anders ist, werden jeweils immer individuelle Ziele festgelegt, welche die Familien erreichen sollen.
Die wöchentliche Besuchszeit wird in der Kennenlernphase auf etwa 10-20 Fachleistungsstunden veranschlagt. Heute ist die Betreuungszeit jedoch eher abnehmend, insbesondere bei Trägern, die eher die aufsuchende Beratung statt die praktische Hilfe in den Vordergrund stellen. SPFH ist ein gutes Beispiel für lebensweltorientierte Sozialpädagogik. Die Sozialpädagogische Familienhilfe ist mit einer jährlichen Zuwachsrate von etwa 10 % seit Anfang der 1990er Jahre eines der am schnellsten wachsenden Felder der deutschen Erziehungshilfe. Sie wurde nach entsprechenden Feldversuchen in Berlin und Hannover per Gesetz (SGB VIII / KJHG) bundesweit eingeführt. Der Grund lag darin, dass diese neue ambulante Hilfe eine vielversprechende Alternative zu drohenden [[Heimerziehung|Heimunterbringungen]] war und spezifischer mit der Familie arbeitet als die tradierte Erziehungsbeistandschaft. Sie ist die einzige ambulante Hilfeform, die ganzheitlich mit dem kompletten Familiensystem arbeitet. In Deutschland wurden im Jahr 2003 über 25.741<ref>vgl. Münder zu § 31 Rz. 2 Frankfurter Kommentar</ref> Familien regelmäßig von Familienhelfern zu Hause besucht.

== Historische Entwicklung ==

=== '''2.1 Vorläufer der SPFH''' ===
Ab 1883 entwickelten sich die sogenannten „Settlements“ Link setzen, vor allem in England und den USA. Sie stellten Wohngemeinschaften dar, bei denen Akademiker nach ihrem Abschluss mit Armen zusammen lebten, um Armut und deren Ursachen zu untersuchen. Sie boten nachbarschaftliche Kontakte und Weiterbildungsmöglichkeiten an, wodurch das Selbsthilfepotenzial der Betroffenen gestärkt werden sollte.

In Deutschland existierte seit 1899 eine Kranken- und Hauspflege. Diese diente zur Aufrechterhaltung des Haushalts und der Kinderversorgung, falls die Hausfrau aus unterschiedlichen Gründen ausfiel.

Eine wichtige Rolle bei der historischen Entwicklung spielte zudem die Berliner Gesellschaft für Heimerziehung (BGfH) Link setzen, welche sich 1969 zusammenschloss. Bonhoeffer Link setzenentwickelte damals eine Idee einer pädagogischen Alternative zur Fremdunterbringung. Die Familienhilfe war damals eher eine Art der Haushaltshilfe. Ab 1973 entwickelte sie sich als sonderpädagogische Maßnahme beziehungsweise als sozialpädagogische Familienhilfe.

=== 2.2 Drei Phasen der Entwicklung in Deutschland ===
Heinz Schattner teilt die Entwicklung der SPFH in Deutschland in 3 Phasen ein. Ab den 1970/1980er Jahren begann der Aufbau der SPFH in den alten Bundesländern Deutschlands. In den neuen Bundesländern folgte dies Anfang der 1990er. Diese Phase wird ''Pionierhafte Phase''genannt. Die Ansätze richteten sich mehr auf die Lebenspraxis, doch die Rahmenbedingungen waren noch unzureichend. Die zweite Phase war die der ''Konsolidierungsphase''. Sie begann im ersten Drittel der 1990er Jahre. Der Aufbau war hier weitestgehend abgeschlossen. Der Schwerpunkt lag nun darin, die Qualität zu sichern und die SPFH zu professionalisieren. Zur Sprache kamen praxistheoretische Ansätze, Zusatzausbildungen, Supervisionen und Evaluationen. Es wurden systematische Ansätze und ressourcenorientiertes Arbeiten aufgenommen. Die letzte Phase bezeichnet Schattner als ''Phase der Rekonstruktion''. Beeinflusst wurde diese Zeit vor allem durch die Vorgaben des SGB VIII. Es geht um die Hilfen zur Erziehung, um „Forderungen nach „notwendigen“ und „geeigneten“ Hilfen, dem Wunsch- und Wahlrecht der Eltern sowie den Vorgaben des §36 SGB VIII zur Auswahl, Gestaltung und Überprüfung der Hilfen[2]. Es ging darum, dass die Hilfen bedarfsgerechter gestaltet werden, aber auch kostengünstiger.

== Gesetzliche Verankerung ==
Die gesetzlichen Grundlagen sind im [[SGB VIII]] Abschnitt Vier „Hilfe zur Erziehung, Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche, Hilfe für junge Volljährige“ zu finden.

Die Hilfe zur Erziehung ist verankert im §27:

Wenn eine dem Wohl des Kindes oder Jugendlichen entsprechende Erziehung nicht gewährleistet ist, haben Personensorgeberechtigte Anspruch auf Hilfen zur Erziehung. Die Art und der Umfang der Hilfe richtet sich immer nach dem erzieherischen Bedarf im Einzelfall, somit ist jeder Fall individuell. Wichtig ist es, das soziale Umfeld des Kindes/Jugendlichen mit einzubeziehen. Ist eine Erziehung außerhalb des Elternhauses erforderlich, so ist es möglich, diese Hilfe trotzdem weiter zu gewähren. Hilfe zur Erziehung umfasst außerdem pädagogische und therapeutische Leistungen sowie den Einbezug von Ausbildungs- und Beschäftigungsmaßnahmen. Bekommt ein Kind oder ein Jugendlicher selbst ein Kind, so besteht auch die Möglichkeit, Unterstützung bei der Pflege und Erziehung zu erhalten.

Speziell ist die SPFH gesetzlich im '''§31''' verankert. Dort steht geschrieben:

''„Sozialpädagogische Familienhilfe soll durch intensive Betreuung und Begleitung Familie in ihren Erziehungsaufgaben, bei der Bewältigung von Alltagsproblemen, der Lösung von Konflikten und Krisen sowie im Kontakt mit Ämtern und Institutionen unterstützen und Hilfe zur Selbsthilfe geben. Sie ist in der Regel auf längere Dauer angelegt und erfordert die Mitarbeit der Familie.“''<ref>{{Internetquelle |url=https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_8/__31.html |titel=§ 31 SGB 8 - Einzelnorm |zugriff=2018-06-27 |sprache=de}}</ref>

== SPFH in der Praxis ==
In der Praxis der SPFH gibt es verschiedene Phasen, die sich über einen Zeitraum von durchschnittlich 16 Monaten erstrecken. Dabei kann es sein, dass sich, bevor die Familienhilfe stattfindet, längere Wartezeiten ergeben. Die Hilfe gilt als dann beendet, wenn die zuvor festgelegten Ziele zwischen der Familie und der FamilienhelferInnen erreicht sind. Die fünf Phasen setzten sich wie folgt zusammen: Es gibt eine Entscheidungsphase für die SPFH, eine Probe- bzw. Orientierungsphase, eine Hauptphase, eine Ablösephase und in einigen Fällen eine Phase der Nachbetreuung.

* ''Probe- bzw. Orientierungsphase'': In dieser Phase kommt es zu einer Abklärung der bestehenden Probleme und zu einer Festlegung der Grundlagen der Zusammenarbeit zwischen der Familie und der FamilienhelferInnen. In dieser Zeit werden die Ziele der SPFH konkretisiert und Familie und Fachkräfte lernen sich gegenseitig kennen und bauen erste Beziehungen zueinander auf. Allerdings ist es hier auch möglich, dass eine oder beide Parteien beschließen die Hilfe nicht fortzuführen.

* ''Hauptphase'': In dieser Phase wird die Familie durch die Fachkraft begleitet, und es wird weiterhin am Erreichen der zuvor festgelegten Ziele intensiv gearbeitet. Wichtig dabei sind Werte wie Offenheit, Transparenz und Wertschätzung beiderseits, damit die Fachkräfte Einblicke in bestehende Beziehungs- und Situationsmuster erhält und zur Not diese verändern (eingreifen) kann.

* ''Ablösephase'': Hier sollen die erreichten Ziele stabilisiert werden und der Kontakt zu der sozialpädagogischen Fachkraft kann abgebaut werden, um den bevorstehenden Abschied zu erleichtern.

Die Hilfemaßnahmen gestalten sich meist als sehr zeitintensiv und erfordern Geduld und Zielstrebigkeit. Wöchentlich verbringen die Fachkräfte durchschnittlich 10 Stunden für Beratungen, Hausbesuche, Behördengänge etc.

== Praxistheoretische Ansätze ==

=== Hilfe zur Selbsthilfe ===
„Hilfe zur Selbsthilfe“ wird im §31 SGB VIII als wesentliche Aufgabe der SPFH gekennzeichnet. Dabei werden sechs Stufen einer Selbsthilfe beschrieben (nach G.R. May, 1996)<ref>{{Literatur |Autor=Hans Schattner |Titel=Sozialpädagogische Familienhilfe |Hrsg=Jutta Ecarius |Sammelwerk= |Band= |Nummer= |Auflage=1 |Verlag=VS Verlag für Sozialwissenschaften |Ort=Wiesbaden |Datum=2007 |Seiten=605 |ISBN=978-3-8100-3984-2}}</ref>:
{| class="wikitable"
|'''Selbsthilfe, Hilfe und Fremdhilfe'''
|'''Suchrichtung'''
|'''Leitgedanken als praktische Hypothesen zur Umsetzung'''
|-
|'''1. Stufe'''
|Selbsthilfe
|„Was Personen selbst lösen können, ist von SPFH nicht zu über- nehmen und bei diesen Personen anerkennend zu belassen“

• Beispiele: Hervorhebung von Vorhandenem, Würdigen, Loben
|-
|'''2. Stufe'''
|Selbsthilfe und Hilfe
|„Was Personen noch nicht lösen können, kann SPFH zeitweise vermitteln“

• Beispiele: Gespräch, Beratung, Therapie
|-
|'''3. Stufe'''
|Zukünftige Selbsthilfe und Hilfe
|„Was Personen noch nicht können in der Zeit, die SPFH zur Ver- fügung steht, kann SPFH bestenfalls auf die Zukunft hin vermit- teln helfen"

• Beispiele: Krippe, Kindergarten, Heilpädagogische Tagesstät- te, Frühförderung
|-
| colspan="3" |'''Übergang zur Fremdhilfe'''
|-
|'''4. Stufe'''
|Fremdhilfe neben Selbsthilfe
|„Was Personen nach gemeinsamer Bemühung und übereinstim- mender Einschätzung voraussichtlich nicht, auch später nicht, lösen können, kann SPFH möglicherweise in Fremdhilfe vermit- teln helfen“

• Beispiele: freiwillige Anbahnung von – auch zeitlich befristeter – Fremdunterbringung
|-
|'''5. Stufe'''
|Selbsthilfe im Zweifelsfall vor Fremdhilfe
|„Was Personen nach gemeinsamer Bemühung und ambivalen- ter Einschätzung vielleicht nicht, vielleicht auch später nicht, lö- sen können, kann SPFH im Zweifelsfall in Selbsthilfe vor Fremd- hilfe vermitteln helfen“

• Beispiele: Selbsthilfe auf Bewährung, evtl. mit Scheitern
|-
| colspan="3" |'''Grenze zur Fremdhilfe'''
|-
|'''6. Stufe'''
|Fremdhilfe vor Selbsthilfe
|„Was Personen und SPFH nach gemeinsamen Bemühungen und nicht übereinstimmender Einschätzung vielleicht nicht, viel- leicht auch später nicht, lösen können, d. h. wenn eine Kindes- gefährdung nicht abgebaut werden kann, vermittelt SPFH als Aufgabe an die Familie und die öffentliche Jugendhilfe zurück.“
|}
Selbsthilfe ist dabei immer situations- und kontextabhängig. Selbsthilfe stellt nichts Absolutes dar, sie ist keine Fähigkeit, die man hat oder nicht. Das bedeutet, Selbsthilfe kann, wenn es notwendig ist, in kleinen Schritten gelernt und erweitert werden.

=== Empowerment & Ressourcenorientierung ===
Ressourcen stellen Möglichkeiten dar, um Probleme zu lösen und das Leben zu bewältigen. Man kann sie einteilen in persönliche, materielle, familiale und außerfamiliale Ressourcen informeller und formeller Art. Ausschlaggebend ist, dass Ressourcen immer in einem Person - Umwelt - Verhältnis gesehen werden müssen, das heißt, Personen und ihre Umwelt dürfen nie isoliert voneinander betrachtet werden. Zusätzlich ist zu beachten, dass Ressourcen immer mit einer Wertung belegt sind und somit nicht neutral erlebt werden (können). Man unterscheidet unter verschiedenen Systemen: Mikrosystem (Familie), Mesosystem (Nachbarschaft, Freunde, Schule), Exosystem (Jugendhilfe, Sozialamt) und Makrosystem (Rollenbilder, Normen, Werte).

Grundzüge eines ressourcenorientierten Handelns stellen dabei zum Beispiel folgende Fragen dar:

* Was steht den Personen in ihrer Lebenswelt bereits an Ressourcen zur Verfügung und welche werden wahrgenommen?

* Wie werden diese Ressourcen genutzt?

* Welche Ressourcenerweiterung erfordert die Arbeit mit anderen beteiligten Personen?

Deutlich wird, dass die jeweiligen Ressourcen genauso individuell sind wie das Klientel und so auch bei jedem Fall einzeln betrachtet werden muss.

== Herausforderungen und Möglichkeiten ==
In diesem Abschnitt sollen keine positiven oder negativen Wertungen vorgenommen werden. Es werden lediglich Herausforderungen oder Möglichkeiten der SPFH beschrieben.

Die SPFH hat bis heute mit einer mangelnden personellen Ausstattung zu kämpfen. Aufgrund von oft fehlenden verfügbaren Angeboten in der Nähe gestaltet sich die Umsetzung der gewünschten Hilfen meist schwierig. Die Hilfen sind sehr zeitintensiv und leider müssen immer öfter Einsparungen getätigt werden, die die Arbeit der Fachkräfte erschwert. Diese Einsparungen kollidieren mit dem Anspruch, eine Fremdunterbringung auf jeden Fall verhindern zu wollen.

Kritisiert wird auch oft der unbestimmte Rechtsbegriff des „erzieherischen Bedarfs“. Es wird nicht deutlich definiert, was den erzieherischen Bedarf ausmacht. Zudem richtet sich dieser Bedarf immer nach dem individuellen Ermessen und wird nach dem jeweiligen Einzelbedarf gerichtet.

Generell ist ein wesentliches Merkmal der SPFH die Freiwilligkeit. Wird diese Hilfe jedoch vom Jugendamt verordnet, kann man die Freiwilligkeit in Frage stellen, sodass es in solchen Fällen wie eine „aufgedrängte Hilfe“ erscheint. Allerdings sind die Fachkräfte der SPFH trotz allem auf die Freiwilligkeit, die Annahme und die Motivation der KlientInnen angewiesen, damit man eine gelingende Hilfe durchführen kann.

Eine weitere Herausforderung in der Praxis stellt das Verhältnis von Nähe und Distanz bzw. Hilfe und Kontrolle dar. Aufgrund der Ebenenvermischung und der Alltagsnähe ist es wichtig, dass die Fachkräfte auf einer professionellen Eben verbleiben und gegenüber ihren KlientInnen wertfrei bleiben. Geht es um den konkreten Fachbereich der Fachkräfte, ist festzustellen, dass der notwendige Wissensbestand meist über diesen hinaus geht.

Allgemein soll die SPFH vor allem die Fremdunterbringung von Kindern und Jugendlichen verhindern. Ziel ist es, den Familien zu helfen und sie zusammen zu führen oder zu halten. Die SPFH stellt sich als eine verlässliche Hilfe dar, welche in vielen Fällen zum Erfolg führt. Außerdem ist die SPFH eine niedrigschwellige Hilfe, das heißt, InteressentInnen haben einen geringen Aufwand zur Inanspruchnahme und es sind keine großen Voraussetzungen nötig, um die Hilfe annehmen zu können.


== Weitere Länder ==
== Weitere Länder ==
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== Literatur ==
== Literatur ==
*BMFSFJ und DJI (Hrsg.): Helming E., Schattner H. und Blüml, H. (2005). Handbuch Sozialpädagogische Familienhilfe (4. Aufl.). Baden-Baden: Nomos Verlag. ISBN 3832911618
*BMFSFJ und DJI (Hrsg.): Helming E., Schattner H. und Blüml, H. (2005). Handbuch Sozialpädagogische Familienhilfe (4. Aufl.). Baden-Baden: Nomos Verlag. ISBN 3832911618
*Kreuzer, Max. (Hrsg.). (2001). Handlungsmodelle in der Familienhilfe. Zwischen Networking und Beziehungsempowerment. Neuwied: Luchterhand. ISBN 3497018112
*Buchholz-Graf,Wolfgang: Zur Entwicklung der ambulanten Hilfen zur Erziehung. Am Besipiel der „familienorientierten Beratung“ und der „Sozialpädagogischen Familienhilfe“. In: Kreuzer, Max (2001): Handlungsmodelle in der Familienhilfe. Zwischen Networking und Beziehungsempowerment. Neuwied: Luchterhand. S. 243-257Kreuzer, Max. (Hrsg.). (2001). Handlungsmodelle in der Familienhilfe. Zwischen Networking und Beziehungsempowerment. Neuwied: Luchterhand. ISBN 3497018112
*Petko, Dominik (2004). Gesprächsformen und Gesprächsstrategien im Alltag der Sozialpädagogischen Familienhilfe. Göttingen: Cuvillier Verlag.[http://www.phsz.ch/fileadmin/autoren/fe_dateien/petko_2004_sozialpaedagogische_familienhilfe.pdf (PDF 2,5 MB)] ISBN 3-86537-077-2 [http://www.socialnet.de/rezensionen/1943.php (Rezension hierzu)]
*Petko, Dominik (2004). Gesprächsformen und Gesprächsstrategien im Alltag der Sozialpädagogischen Familienhilfe. Göttingen: Cuvillier Verlag.[http://www.phsz.ch/fileadmin/autoren/fe_dateien/petko_2004_sozialpaedagogische_familienhilfe.pdf (PDF 2,5 MB)] ISBN 3-86537-077-2 [http://www.socialnet.de/rezensionen/1943.php (Rezension hierzu)]
*Schattner, Hans (2007): Sozialpädagogische Familienhilfe. In: Ecarius, Jutta (2007) :Handbuch Familie.Wiesbaden: GWV Fachverlage GmbH. S. 593-613
*Schuster, Eva Maria (1996): Sozialpädagogische Familienhilfe (SPFH). Aspekte eines mehrdimensionalen Handlungsansatzes für Multiproblemfamilien. Frankfurt am Main, Berlin: Peter Lang Verlag.
*Stephan, Heinz: Sozialpädagogische Familienhilfe in Hannover - katamnestische Untersuchung -, Tectum Verlag Marburg; ISBN 3-929019-70-1
*Stephan, Heinz: Sozialpädagogische Familienhilfe in Hannover - katamnestische Untersuchung -, Tectum Verlag Marburg; ISBN 3-929019-70-1
*Textor, M. R. (Hrsg.). (1998). Hilfen für Familien. Eine Einführung für psychosoziale Berufe. Weinheim <etc.>: Beltz. ISBN 3407558120
*Textor, M. R. (Hrsg.). (1998). Hilfen für Familien. Eine Einführung für psychosoziale Berufe. Weinheim <etc.>: Beltz. ISBN 3407558120
* Uhlendorff, Uwe, Euteneuer, Matthias, Sabla, Kim-Patrick (2013). Soziale Arbeit mit Familien. München/Basel: Reinhardt. ISBN 9783825239138
* Uhlendorff, Uwe, Euteneuer, Matthias, Sabla, Kim-Patrick (2013). Soziale Arbeit mit Familien. München/Basel: Reinhardt. ISBN 9783825239138
*Wasik, B. H. & Bryant, D. M. (2001). Home visiting. Procedures for helping families (2. ed.). Thousand Oaks: Sage.
*Wasik, B. H. & Bryant, D. M. (2001). Home visiting. Procedures for helping families (2. ed.). Thousand Oaks: Sage.
*Wolf, Klaus (2012): Sozialpädagogische Interventionen in Familien. Weinheim, Basel: Beltz Juventa.
*Woog, Astrid. (1998). Soziale Arbeit in Familien. Theoretische und empirische Ansätze zur Entwicklung einer pädagogischen Handlungslehre. Weinheim <etc.>: Juventa. ISBN 3779912082
*Woog, Astrid. (1998). Soziale Arbeit in Familien. Theoretische und empirische Ansätze zur Entwicklung einer pädagogischen Handlungslehre. Weinheim <etc.>: Juventa. ISBN 3779912082



Version vom 27. Juni 2018, 13:28 Uhr

Die Sozialpädagogische Familienhilfe (§ 31 SGB VIII) gehört in Deutschland zu den Hilfen zur Erziehung (§ 27 SGB VIII). „Wenn eine dem Wohl des Kindes oder des Jugendlichen entsprechende Erziehung nicht gewährleistet ist“ (§27 SGB VIII), haben Personensorgeberechtigte Anspruch auf „Hilfen zur Erziehung“ gegenüber der Jugendhilfe. Diese Hilfe nach §27 SGB VIII kann als eine „präventive Hilfe“ bezeichnet werden, da noch keine Kindeswohlgefährdung vorliegt. Als Hilfen zur Erziehung werden staatliche Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe gesehen. Die Sozialpädagogische Familienhilfe (SPFH) ist hierbei eine von vielen Gestaltungsformen der Hilfen zur Erziehung.

Grundlagen

Die SPFH(§ 31 SGB VIII) ist ein kostenloses Regelangebot der Jugendhilfe. Sie schließt die gesamte Familie mit ein und dient speziell für Familiensituationen, in denen die Erziehung nicht gewährleistet oder das Wohl des Kindes/ der Kinder gefährdet ist. Sie wird als sozialraumorientierte Hilfe gesehen. Klaus Wolf beschreibt in seinem Buch drei wesentliche Merkmale der SPFH[1]:

(1) Adressat ist die ganze Familie, beziehungsweise das „System“ und all ihre Mitglieder.

(2) Sie findet überwiegend aufsuchend in der Wohnung der Familie statt und

(3) bezieht sich sowohl auf Erziehungsthemen als auch auf alle anderen Probleme der Familie,

bzw. ihr Mitglieder (z.B. Wohnsituation und Finanzen, Tages- und Wochenstruktur,

Krankheiten, Beziehungen der Familienmitglieder untereinander und zu anderen und weitere). Diese Hilfe ist also eine aufsuchende, familienbezogene Hilfe und basiert meist auf Freiwilligkeit seitens der Familien. Ausgenommen sind dabei Situationen, bei denen das Jugendamt das Aufsuchen einer SPFH vorschreibt. Die Familienstrukturen sind sehr unterschiedlich, sie reichen von Ein - Elternteil - Familien bis hin zu Patch Work Familien. Das vorherrschende Klientel stellt Familien mit mehreren Kindern dar, vor allem Alleinerziehende. Überwiegend werden Familien mit niedrigen Bildungsabschlüssen, Einkommensniveau und Verschuldung betreut. Generell spricht die SPFH aber alle Familien aus allen Bevölkerungsschichten an. Häufig treten in den Familien mehrere Probleme gleichzeitig auf, daher wird oft der Begriff „Multiproblemfamilien“ verwendet. Allgemein ist es die Aufgabe der SPFH, die Familien zu betreuen und sie in ihren (Alltags-)Problemen zu unterstützen. Die Familien sollen gestärkt, und das Wohl der Kinder gesichert werden. Steht bei einem Fall das Thema der Fremdunterbringung in einem Heim im Raum, sollte diese möglichst vermieden werden, daher steht immer die Reintegration des Kindes/ der Kinder im Vordergrund, soweit dies möglich erscheint. Da jeder Fall anders ist, werden jeweils immer individuelle Ziele festgelegt, welche die Familien erreichen sollen.

Historische Entwicklung

2.1 Vorläufer der SPFH

Ab 1883 entwickelten sich die sogenannten „Settlements“ Link setzen, vor allem in England und den USA. Sie stellten Wohngemeinschaften dar, bei denen Akademiker nach ihrem Abschluss mit Armen zusammen lebten, um Armut und deren Ursachen zu untersuchen. Sie boten nachbarschaftliche Kontakte und Weiterbildungsmöglichkeiten an, wodurch das Selbsthilfepotenzial der Betroffenen gestärkt werden sollte.

In Deutschland existierte seit 1899 eine Kranken- und Hauspflege. Diese diente zur Aufrechterhaltung des Haushalts und der Kinderversorgung, falls die Hausfrau aus unterschiedlichen Gründen ausfiel.

Eine wichtige Rolle bei der historischen Entwicklung spielte zudem die Berliner Gesellschaft für Heimerziehung (BGfH) Link setzen, welche sich 1969 zusammenschloss. Bonhoeffer Link setzenentwickelte damals eine Idee einer pädagogischen Alternative zur Fremdunterbringung. Die Familienhilfe war damals eher eine Art der Haushaltshilfe. Ab 1973 entwickelte sie sich als sonderpädagogische Maßnahme beziehungsweise als sozialpädagogische Familienhilfe.

2.2 Drei Phasen der Entwicklung in Deutschland

Heinz Schattner teilt die Entwicklung der SPFH in Deutschland in 3 Phasen ein. Ab den 1970/1980er Jahren begann der Aufbau der SPFH in den alten Bundesländern Deutschlands. In den neuen Bundesländern folgte dies Anfang der 1990er. Diese Phase wird Pionierhafte Phasegenannt. Die Ansätze richteten sich mehr auf die Lebenspraxis, doch die Rahmenbedingungen waren noch unzureichend. Die zweite Phase war die der Konsolidierungsphase. Sie begann im ersten Drittel der 1990er Jahre. Der Aufbau war hier weitestgehend abgeschlossen. Der Schwerpunkt lag nun darin, die Qualität zu sichern und die SPFH zu professionalisieren. Zur Sprache kamen praxistheoretische Ansätze, Zusatzausbildungen, Supervisionen und Evaluationen. Es wurden systematische Ansätze und ressourcenorientiertes Arbeiten aufgenommen. Die letzte Phase bezeichnet Schattner als Phase der Rekonstruktion. Beeinflusst wurde diese Zeit vor allem durch die Vorgaben des SGB VIII. Es geht um die Hilfen zur Erziehung, um „Forderungen nach „notwendigen“ und „geeigneten“ Hilfen, dem Wunsch- und Wahlrecht der Eltern sowie den Vorgaben des §36 SGB VIII zur Auswahl, Gestaltung und Überprüfung der Hilfen[2]. Es ging darum, dass die Hilfen bedarfsgerechter gestaltet werden, aber auch kostengünstiger.

Gesetzliche Verankerung

Die gesetzlichen Grundlagen sind im SGB VIII Abschnitt Vier „Hilfe zur Erziehung, Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche, Hilfe für junge Volljährige“ zu finden.

Die Hilfe zur Erziehung ist verankert im §27:

Wenn eine dem Wohl des Kindes oder Jugendlichen entsprechende Erziehung nicht gewährleistet ist, haben Personensorgeberechtigte Anspruch auf Hilfen zur Erziehung. Die Art und der Umfang der Hilfe richtet sich immer nach dem erzieherischen Bedarf im Einzelfall, somit ist jeder Fall individuell. Wichtig ist es, das soziale Umfeld des Kindes/Jugendlichen mit einzubeziehen. Ist eine Erziehung außerhalb des Elternhauses erforderlich, so ist es möglich, diese Hilfe trotzdem weiter zu gewähren. Hilfe zur Erziehung umfasst außerdem pädagogische und therapeutische Leistungen sowie den Einbezug von Ausbildungs- und Beschäftigungsmaßnahmen. Bekommt ein Kind oder ein Jugendlicher selbst ein Kind, so besteht auch die Möglichkeit, Unterstützung bei der Pflege und Erziehung zu erhalten.

Speziell ist die SPFH gesetzlich im §31 verankert. Dort steht geschrieben:

„Sozialpädagogische Familienhilfe soll durch intensive Betreuung und Begleitung Familie in ihren Erziehungsaufgaben, bei der Bewältigung von Alltagsproblemen, der Lösung von Konflikten und Krisen sowie im Kontakt mit Ämtern und Institutionen unterstützen und Hilfe zur Selbsthilfe geben. Sie ist in der Regel auf längere Dauer angelegt und erfordert die Mitarbeit der Familie.“[2]

SPFH in der Praxis

In der Praxis der SPFH gibt es verschiedene Phasen, die sich über einen Zeitraum von durchschnittlich 16 Monaten erstrecken. Dabei kann es sein, dass sich, bevor die Familienhilfe stattfindet, längere Wartezeiten ergeben. Die Hilfe gilt als dann beendet, wenn die zuvor festgelegten Ziele zwischen der Familie und der FamilienhelferInnen erreicht sind. Die fünf Phasen setzten sich wie folgt zusammen: Es gibt eine Entscheidungsphase für die SPFH, eine Probe- bzw. Orientierungsphase, eine Hauptphase, eine Ablösephase und in einigen Fällen eine Phase der Nachbetreuung.

  • Probe- bzw. Orientierungsphase: In dieser Phase kommt es zu einer Abklärung der bestehenden Probleme und zu einer Festlegung der Grundlagen der Zusammenarbeit zwischen der Familie und der FamilienhelferInnen. In dieser Zeit werden die Ziele der SPFH konkretisiert und Familie und Fachkräfte lernen sich gegenseitig kennen und bauen erste Beziehungen zueinander auf. Allerdings ist es hier auch möglich, dass eine oder beide Parteien beschließen die Hilfe nicht fortzuführen.
  • Hauptphase: In dieser Phase wird die Familie durch die Fachkraft begleitet, und es wird weiterhin am Erreichen der zuvor festgelegten Ziele intensiv gearbeitet. Wichtig dabei sind Werte wie Offenheit, Transparenz und Wertschätzung beiderseits, damit die Fachkräfte Einblicke in bestehende Beziehungs- und Situationsmuster erhält und zur Not diese verändern (eingreifen) kann.
  • Ablösephase: Hier sollen die erreichten Ziele stabilisiert werden und der Kontakt zu der sozialpädagogischen Fachkraft kann abgebaut werden, um den bevorstehenden Abschied zu erleichtern.

Die Hilfemaßnahmen gestalten sich meist als sehr zeitintensiv und erfordern Geduld und Zielstrebigkeit. Wöchentlich verbringen die Fachkräfte durchschnittlich 10 Stunden für Beratungen, Hausbesuche, Behördengänge etc.

Praxistheoretische Ansätze

Hilfe zur Selbsthilfe

„Hilfe zur Selbsthilfe“ wird im §31 SGB VIII als wesentliche Aufgabe der SPFH gekennzeichnet. Dabei werden sechs Stufen einer Selbsthilfe beschrieben (nach G.R. May, 1996)[3]:

Selbsthilfe, Hilfe und Fremdhilfe Suchrichtung Leitgedanken als praktische Hypothesen zur Umsetzung
1. Stufe Selbsthilfe „Was Personen selbst lösen können, ist von SPFH nicht zu über- nehmen und bei diesen Personen anerkennend zu belassen“

• Beispiele: Hervorhebung von Vorhandenem, Würdigen, Loben

2. Stufe Selbsthilfe und Hilfe „Was Personen noch nicht lösen können, kann SPFH zeitweise vermitteln“

• Beispiele: Gespräch, Beratung, Therapie

3. Stufe Zukünftige Selbsthilfe und Hilfe „Was Personen noch nicht können in der Zeit, die SPFH zur Ver- fügung steht, kann SPFH bestenfalls auf die Zukunft hin vermit- teln helfen"

• Beispiele: Krippe, Kindergarten, Heilpädagogische Tagesstät- te, Frühförderung

Übergang zur Fremdhilfe
4. Stufe Fremdhilfe neben Selbsthilfe „Was Personen nach gemeinsamer Bemühung und übereinstim- mender Einschätzung voraussichtlich nicht, auch später nicht, lösen können, kann SPFH möglicherweise in Fremdhilfe vermit- teln helfen“

• Beispiele: freiwillige Anbahnung von – auch zeitlich befristeter – Fremdunterbringung

5. Stufe Selbsthilfe im Zweifelsfall vor Fremdhilfe „Was Personen nach gemeinsamer Bemühung und ambivalen- ter Einschätzung vielleicht nicht, vielleicht auch später nicht, lö- sen können, kann SPFH im Zweifelsfall in Selbsthilfe vor Fremd- hilfe vermitteln helfen“

• Beispiele: Selbsthilfe auf Bewährung, evtl. mit Scheitern

Grenze zur Fremdhilfe
6. Stufe Fremdhilfe vor Selbsthilfe „Was Personen und SPFH nach gemeinsamen Bemühungen und nicht übereinstimmender Einschätzung vielleicht nicht, viel- leicht auch später nicht, lösen können, d. h. wenn eine Kindes- gefährdung nicht abgebaut werden kann, vermittelt SPFH als Aufgabe an die Familie und die öffentliche Jugendhilfe zurück.“

Selbsthilfe ist dabei immer situations- und kontextabhängig. Selbsthilfe stellt nichts Absolutes dar, sie ist keine Fähigkeit, die man hat oder nicht. Das bedeutet, Selbsthilfe kann, wenn es notwendig ist, in kleinen Schritten gelernt und erweitert werden.

Empowerment & Ressourcenorientierung

Ressourcen stellen Möglichkeiten dar, um Probleme zu lösen und das Leben zu bewältigen. Man kann sie einteilen in persönliche, materielle, familiale und außerfamiliale Ressourcen informeller und formeller Art. Ausschlaggebend ist, dass Ressourcen immer in einem Person - Umwelt - Verhältnis gesehen werden müssen, das heißt, Personen und ihre Umwelt dürfen nie isoliert voneinander betrachtet werden. Zusätzlich ist zu beachten, dass Ressourcen immer mit einer Wertung belegt sind und somit nicht neutral erlebt werden (können). Man unterscheidet unter verschiedenen Systemen: Mikrosystem (Familie), Mesosystem (Nachbarschaft, Freunde, Schule), Exosystem (Jugendhilfe, Sozialamt) und Makrosystem (Rollenbilder, Normen, Werte).

Grundzüge eines ressourcenorientierten Handelns stellen dabei zum Beispiel folgende Fragen dar:

  • Was steht den Personen in ihrer Lebenswelt bereits an Ressourcen zur Verfügung und welche werden wahrgenommen?
  • Wie werden diese Ressourcen genutzt?
  • Welche Ressourcenerweiterung erfordert die Arbeit mit anderen beteiligten Personen?

Deutlich wird, dass die jeweiligen Ressourcen genauso individuell sind wie das Klientel und so auch bei jedem Fall einzeln betrachtet werden muss.

Herausforderungen und Möglichkeiten

In diesem Abschnitt sollen keine positiven oder negativen Wertungen vorgenommen werden. Es werden lediglich Herausforderungen oder Möglichkeiten der SPFH beschrieben.

Die SPFH hat bis heute mit einer mangelnden personellen Ausstattung zu kämpfen. Aufgrund von oft fehlenden verfügbaren Angeboten in der Nähe gestaltet sich die Umsetzung der gewünschten Hilfen meist schwierig. Die Hilfen sind sehr zeitintensiv und leider müssen immer öfter Einsparungen getätigt werden, die die Arbeit der Fachkräfte erschwert. Diese Einsparungen kollidieren mit dem Anspruch, eine Fremdunterbringung auf jeden Fall verhindern zu wollen.

Kritisiert wird auch oft der unbestimmte Rechtsbegriff des „erzieherischen Bedarfs“. Es wird nicht deutlich definiert, was den erzieherischen Bedarf ausmacht. Zudem richtet sich dieser Bedarf immer nach dem individuellen Ermessen und wird nach dem jeweiligen Einzelbedarf gerichtet.

Generell ist ein wesentliches Merkmal der SPFH die Freiwilligkeit. Wird diese Hilfe jedoch vom Jugendamt verordnet, kann man die Freiwilligkeit in Frage stellen, sodass es in solchen Fällen wie eine „aufgedrängte Hilfe“ erscheint. Allerdings sind die Fachkräfte der SPFH trotz allem auf die Freiwilligkeit, die Annahme und die Motivation der KlientInnen angewiesen, damit man eine gelingende Hilfe durchführen kann.

Eine weitere Herausforderung in der Praxis stellt das Verhältnis von Nähe und Distanz bzw. Hilfe und Kontrolle dar. Aufgrund der Ebenenvermischung und der Alltagsnähe ist es wichtig, dass die Fachkräfte auf einer professionellen Eben verbleiben und gegenüber ihren KlientInnen wertfrei bleiben. Geht es um den konkreten Fachbereich der Fachkräfte, ist festzustellen, dass der notwendige Wissensbestand meist über diesen hinaus geht.

Allgemein soll die SPFH vor allem die Fremdunterbringung von Kindern und Jugendlichen verhindern. Ziel ist es, den Familien zu helfen und sie zusammen zu führen oder zu halten. Die SPFH stellt sich als eine verlässliche Hilfe dar, welche in vielen Fällen zum Erfolg führt. Außerdem ist die SPFH eine niedrigschwellige Hilfe, das heißt, InteressentInnen haben einen geringen Aufwand zur Inanspruchnahme und es sind keine großen Voraussetzungen nötig, um die Hilfe annehmen zu können.

Weitere Länder

Eine sichtbare Verbreitung besitzt SPFH auch in Österreich und in der Schweiz (unter dem Begriff 'Sozialpädagogische Familienbegleitung'), wo diese Hilfeform jedoch im Gegensatz zu Deutschland nicht als Pflichtleistung der Jugendhilfe festgeschrieben ist.

In den USA und im englischsprachigen Raum existieren unter dem Stichwort "home visiting" verschiedene Ansätze der aufsuchenden sozialen Arbeit mit Familien, die sich jedoch stärker als die SPFH auf bestimmte Problemfelder spezialisieren (z. B. Krisenintervention: 'Homebuilders', kognitive Frühförderung: 'Head Start' oder 'Parents as Teachers', Gesundheitserziehung und Missbrauchsprävention: 'Healthy Families America'). Im weitaus mehr Maßnahmen als nur die SPFH umfassenden sonderpädagogischen Handlungsfeld 'Soziale Arbeit mit Familien' wurden insbesondere Methoden der Krisenintervention unter Titeln wie 'Familien im Mittelpunkt' (FiM) oder 'Familienaktivierungsmanagement' adaptiert.[4]

Siehe auch

Literatur

  • BMFSFJ und DJI (Hrsg.): Helming E., Schattner H. und Blüml, H. (2005). Handbuch Sozialpädagogische Familienhilfe (4. Aufl.). Baden-Baden: Nomos Verlag. ISBN 3832911618
  • Buchholz-Graf,Wolfgang: Zur Entwicklung der ambulanten Hilfen zur Erziehung. Am Besipiel der „familienorientierten Beratung“ und der „Sozialpädagogischen Familienhilfe“. In: Kreuzer, Max (2001): Handlungsmodelle in der Familienhilfe. Zwischen Networking und Beziehungsempowerment. Neuwied: Luchterhand. S. 243-257Kreuzer, Max. (Hrsg.). (2001). Handlungsmodelle in der Familienhilfe. Zwischen Networking und Beziehungsempowerment. Neuwied: Luchterhand. ISBN 3497018112
  • Petko, Dominik (2004). Gesprächsformen und Gesprächsstrategien im Alltag der Sozialpädagogischen Familienhilfe. Göttingen: Cuvillier Verlag.(PDF 2,5 MB) ISBN 3-86537-077-2 (Rezension hierzu)
  • Schattner, Hans (2007): Sozialpädagogische Familienhilfe. In: Ecarius, Jutta (2007) :Handbuch Familie.Wiesbaden: GWV Fachverlage GmbH. S. 593-613
  • Schuster, Eva Maria (1996): Sozialpädagogische Familienhilfe (SPFH). Aspekte eines mehrdimensionalen Handlungsansatzes für Multiproblemfamilien. Frankfurt am Main, Berlin: Peter Lang Verlag.
  • Stephan, Heinz: Sozialpädagogische Familienhilfe in Hannover - katamnestische Untersuchung -, Tectum Verlag Marburg; ISBN 3-929019-70-1
  • Textor, M. R. (Hrsg.). (1998). Hilfen für Familien. Eine Einführung für psychosoziale Berufe. Weinheim <etc.>: Beltz. ISBN 3407558120
  • Uhlendorff, Uwe, Euteneuer, Matthias, Sabla, Kim-Patrick (2013). Soziale Arbeit mit Familien. München/Basel: Reinhardt. ISBN 9783825239138
  • Wasik, B. H. & Bryant, D. M. (2001). Home visiting. Procedures for helping families (2. ed.). Thousand Oaks: Sage.
  • Wolf, Klaus (2012): Sozialpädagogische Interventionen in Familien. Weinheim, Basel: Beltz Juventa.
  • Woog, Astrid. (1998). Soziale Arbeit in Familien. Theoretische und empirische Ansätze zur Entwicklung einer pädagogischen Handlungslehre. Weinheim <etc.>: Juventa. ISBN 3779912082

Einzelnachweise

  1. Klaus Wolf: Sozialpädagogische Interventionen in Familien. Hrsg.: Klaus Wolf. 2. Auflage. Beltz Juventa, Weinheim/Basel 2015, ISBN 978-3-7799-2689-4.
  2. § 31 SGB 8 - Einzelnorm. Abgerufen am 27. Juni 2018.
  3. Hans Schattner: Sozialpädagogische Familienhilfe. Hrsg.: Jutta Ecarius. 1. Auflage. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2007, ISBN 978-3-8100-3984-2, S. 605.
  4. vgl. Uhlendorff/Euteneuer/Sabla 2013, S. 192ff.