„Holzmüller-Doktrin“ – Versionsunterschied

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== Rezeption der Holzmüller-Entscheidung ==
== Rezeption der Holzmüller-Entscheidung ==
Die Holzmüller-Entscheidung wurde im Schrifttum zunächst kritisch gesehen. Vorgeworfen wurde der Entscheidung insbesondere, dass sie zu beachtlicher Rechtsunsicherheit führe und dadurch Unternehmen behindere.<ref>''Beusch'', FS Werner, 1984, S. 1; ''Heinsius'' ZGR 1984, S. 383; ''Westermann'' ZGR 1984, S. 352.</ref> Mittlerweile überwiegt jedoch die Zustimmung.<ref>''Drygala/Staake/Szalai'', § 21 Rn. 201.</ref>
Die Holzmüller-Entscheidung wurde im Schrifttum zunächst kritisch gesehen. Vorgeworfen wurde der Entscheidung insbesondere, dass sie zu beachtlicher Rechtsunsicherheit führe und dadurch Unternehmen behindere.<ref>''Beusch'', FS Werner, 1984, S. 1; ''Heinsius'' ZGR 1984, S. 383; ''Westermann'' ZGR 1984, S. 352.</ref> Mittlerweile überwiegt jedoch die Zustimmung.<ref>{{BibISBN|9783642171758|Kapitel=§ 21 Rn. 201}}</ref>


== Weiterentwicklung der Holzmüller-Doktrin durch die Gelantine-Entscheidungen ==
== Weiterentwicklung der Holzmüller-Doktrin durch die Gelantine-Entscheidungen ==

Version vom 28. Oktober 2020, 21:15 Uhr

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Mit der Holzmüller-Doktrin hat der deutsche Bundesgerichtshof (BGH) in seiner Entscheidung vom 25. Februar 1982 (BGHZ 83, 122)[1] festgestellt, dass die Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft über ungeschriebene Kompetenzen verfügt. Hiernach ist die Hauptversammlung an Entscheidungen des Vorstands zu beteiligen, die schwerwiegend in die Rechte der Aktionäre eingreifen.

Zugrundeliegender Sachverhalt: Die Holzmüller-Entscheidung aus Februar 1982

Die Holzmüller-Entscheidung betraf die Ausgliederung eines Seehafens aus einer Aktiengesellschaft auf eine Tochtergesellschaft. Die beklagte AG betrieb einen Holzhandel und einen Seehafen. Sie plante, letzteren auf eine neu zu gründende Gesellschaft auszugliedern: auf die Holzmüller KGaA, die zu 100 % im Eigentum der AG stehen sollte. Zu diesem Zweck gründete die AG diese Tochtergesellschaft und brachte den Hafen als Einlage ein.[2]

Die Besonderheit des Falls bestand darin, dass der Seehafen der mit Abstand wertvollste Betriebsteil der Aktiengesellschaft war, der ca. 80 % ihres Vermögens ausmachte. Da der Hafen durch die Einbringung in die KGaA aus dem Vermögen der AG ausschied, erhob ein Aktionär Klage gegen die AG. Er begehrte die Feststellung, dass die Ausgliederung des Seehafens nichtig war, weil sie ohne Zustimmung der Hauptversammlung durchgeführt wurde.[2]

Zentrale Aussagen der Holzmüller-Entscheidung

Kein Verstoß gegen § 361 AktG a.F.

Der Fall war noch unter Geltung des mit Wirkung zum 1. Januar 1995 abgeschafften § 361 AktG zu entscheiden. Diese Vorschrift ordnete an, dass eine AG sich grundsätzlich nur mit Zustimmung der Hauptversammlung dazu verpflichten durfte, ihr gesamtes Vermögen auf einen Dritten zu übertragen.

Der BGH ging davon aus, dass diese Vorschrift nicht verletzt war. Zwar machte der Seehafen einen großen Teil des Gesellschaftsvermögens aus, allerdings verblieb mit dem Holzhandel ein eigenständiges, funktionsfähiges Geschäft bei der AG. Daher fehlte es an der von § 361 Abs. 1 S. 1 AktG a.F. vorausgesetzten Übertragung des gesamten Vermögens.

Anerkennung ungeschriebener Kompetenzen der Hauptversammlung

Gleichwohl ging der BGH davon aus, dass die Hauptversammlung an der Ausgliederung hätte beteiligt werden müssen. Unmittelbar aus dem AktG ergab sich keine Kompetenz der Hauptversammlung. Der Vorstand könne jedoch auch bei Sachverhalten, die zwingenden geschriebenen Zuständigkeiten der Hauptversammlung, wie etwa § 361 AktG, nahe kommen, zur Vorlage an diese verpflichtet sein. Dies sei der Fall, wenn die von der AG geplante Maßnahme so schwer in die Aktionärsrechte eingreift, dass der Vorstand nicht davon ausgehen kann, dass er sie ohne Beteiligung der Hauptversammlung vornehmen darf.

Im vorliegenden Fall ging der BGH davon aus, dass dies wegen der großen Tragweite der Entscheidung zutraf. Die Ausgliederung des Hafens „spielte sich im Kernbereich der Unternehmenstätigkeit ab, betraf [...] den wertvollsten Betriebszweig und änderte die Unternehmensstruktur von Grund auf.“

Daher sollte die Aktionäre der Obergesellschaft Anspruch darauf haben, „bei grundlegenden, für ihre Rechtsstellung bedeutsamen Entscheidungen in der Tochtergesellschaft [wie eine Kapitalerhöhung] über ihre Hauptversammlung so beteiligt zu werden, wie wenn es sich um eine Angelegenheit der Obergesellschaft selbst handelte.“ In solchen Fällen können also Vorstand und Aufsichtsrat nicht allein handeln, sondern die Zustimmung der Hauptversammlung ist erforderlich.

Damit erkannte der BGH ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkeiten an. Dem Klageantrag gab er dennoch nicht statt, da die fehlende Beteiligung der Hauptversammlung zwar einen Pflichtverstoß des Vorstands im Innenverhältnis gegenüber den Aktionären bedeutete, dies jedoch im Außenverhältnis nicht zur Unwirksamkeit der Maßnahme führte. Schließlich kann die Vertretungsmacht des Vorstands gemäß § 82 Abs. 1 AktG nur durch Gesetz beschränkt werden.

Verallgemeinert erweitert die Holzmüller-Doktrin die Kompetenzen der Hauptversammlung auf Entscheidungen, die zwar formal in die Zuständigkeit des Vorstandes fallen und auch durch die Satzung gedeckt sind, die aber schwerwiegend in die Rechte der Aktionäre eingreifen.

Rezeption der Holzmüller-Entscheidung

Die Holzmüller-Entscheidung wurde im Schrifttum zunächst kritisch gesehen. Vorgeworfen wurde der Entscheidung insbesondere, dass sie zu beachtlicher Rechtsunsicherheit führe und dadurch Unternehmen behindere.[3] Mittlerweile überwiegt jedoch die Zustimmung.[4]

Weiterentwicklung der Holzmüller-Doktrin durch die Gelantine-Entscheidungen

In den sog. „Gelatine-Entscheidungen“ konkretisierte der BGH die Doktrin im Jahr 2004:[5][6] Ein ungeschriebenes Beteiligungsrecht der Hauptversammlung besteht danach nur, wenn die Maßnahme des Vorstands Veränderungen nach sich ziehen würde, die der Sorte Veränderung zumindest nahekommen, die allein durch eine Satzungsänderung herbeigeführt werden könnte. Ist danach – ausnahmsweise – die Zustimmung der Hauptversammlung für eine Geschäftsführungsmaßnahme einzuholen, bedarf diese einer Dreiviertel-Mehrheit des vertretenen Grundkapitals.

Literatur

Einzelnachweise

  1. Urteil Az. II ZR 174/80 vom 25. Februar 1982 „Holzmüller-Entscheidung“
  2. a b BGHZ 83, 122 ff.
  3. Beusch, FS Werner, 1984, S. 1; Heinsius ZGR 1984, S. 383; Westermann ZGR 1984, S. 352.
  4. Tim Drygala, Marco Staake, Stephan Szalai: Kapitalgesellschaftsrecht: Mit Grundzügen des Konzern- und Umwandlungsrechts. Springer, Berlin 2012, ISBN 978-3-642-17175-8, § 21 Rn. 201.
  5. BGH, Urteil vom 26. April 2004, Az. II ZR 154/02 „Gelatine I“
  6. BGH, Urteil vom 26. April 2004, Az. II ZR 155/02 Parallelentscheidung „Gelatine II“