„Sonja (Roman)“ – Versionsunterschied

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Version vom 19. Juli 2023, 13:41 Uhr

"Sonja. Eine Melancholie für Fortgeschrittene" ist ein autobiographischer Roman aus dem Jahr 1980. Verfasst von der deutschen Linguistin Luise F. Pusch zwischen 1976 und 1979, erschien er unter dem Pseudonym Judith Offenbach, erst 1998 gab Pusch öffentlich bekannt, das sie die Autorin war. Der Roman schildert die Liebesgeschichte eines lesbischen Paares, Judith und Sonja, die unter der Last der gesellschaftlichen Bedingungen mit dem Freitod von Sonja endet.

Das Buch wurde bereits zeitgenössisch insbesondere in der Lesbenbewegung breit rezipiert und gilt als "wichtigster Verständigungstext lesbischen Lebens" der 1980er Jahre.

Handlung

Im Jahr 1965 ist Judith Studentin der Mediävistik an der Universität Hamburg. Sie lebt in einem Studentenwohnheim und lernt dort die seit einem 1962 gescheiterten Selbstmordversuch querschnittgelähmte Sonja kennen. Sie verlieben sich ineinander und leben für die nächsten zweieinhalb Jahre im Studentenwohnheim zusammen und ziehen dann in einer kleinen Wohnung zusammen.. In der Öffentlichkeit wird Judith dabei als "Betreuerin" von Sonja wahrgenommen. Ihr Versuch eines "normalen" Zusammenlebens leidet zum einen unter den Einschränkungen der auf den Rollstuhl angewiesenen Sonja, zum anderen daran, dass beide angesichts der gesellschaftlichen Bedingungen kein Coming-Out hatten; insbesondere Judith hat regelrechte Panik als Lesbe erkannt zu werden und damit ihre akademische Karriere zu gefährden. Sonja entwickelt zunehmend eine Alkoholabhängigkeit. 1973 trennt sich Judith von Sonja und zieht nach Bremen, Sonja versucht durch einen erneuten Selbstmordversuch Judiths Rückkehr zu erzwingen, Judith weist sie aber zurück. In den Folgejahren unternimmt Sonja zwei weitere Versuche, sich umzubringen, bis ein dritter 1976 gelingt.[1]

Text

Der Roman ist streng autobiographisch angelegt, Pusch veränderte im Wesentlichen nur Details wie Namen, Studiengänge oder Daten. Der tagebuchartig angelegte Text ist aus Judiths Erinnerung heraus geschrieben und in drei Teile mit 83 Kapiteln gegliedert, die jeweils mit dem Datum der Niederschrift überschrieben sind und vom 24. August 1976, wenige Monate nach dem Tod Sonjas, bis zum 12. November 1979 reichen. Dabei überschneiden sich zwei Zeitebenen, zum einen die der geschilderten Ereignisse von 1965 bis 1976 und zum anderen die der Niederschrift des Buches von 1976 bis 1979.[2]

Pseudonym

Um ihre wissenschaftliche Karriere durch ein Coming-Out als lesbische Frau nicht zu gefährden (Pusch arbeitete zur Zeit der Niederschrift bereits an ihrer Habilitation), entschied Pusch sich, den Roman unter Pseudonym zu veröffentlichen. Den Namen entnahm sie der Durchsicht ihrer Schallplattensammlung, bei der sie auf Vorschlag einer Freundin am Namen von Jacques Offenbach hängenblieb, den sie mit Judith als weiblichem Namen wegen der "Symbolik mit der Judith: eine kämpferische Frau, auch nicht schlecht" kombinierte.[3] Erst bei der Neuauflage 1998 löste Pusch das Pseudonym auf.[1]

Rezeption

"Sonja" hatte 1989 bereits die vierte Auflage erreicht und 32.000 Exemplare verkauft,[2] 2022 war es in der achten Auflage.[1]

Es wurde zeitgenössisch insbesondere in der Frauen- und Lesbenbewegung breit rezipiert, aber auch von Mainstreammedien wie FAZ, Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt, Stern (Zeitschrift), Basler Zeitung oder dem Norddeutscher Rundfunk besprochen. Letztere hoben teils auf die "sensationalistischen" Elemente des Romans ab (Lesbianismus, Behinderung und Selbstmord), gelegentlich wurde auch moniert, dass der Roman zu wenig "literarisch" sei.[2]

Heute gilt "Sonja" als "wichtigster Verständigungstext lesbischen Lebens" der 1980er Jahre.[2]

Einzelnachweise

  1. a b c Luise F. Pusch: Sonja: eine Melancholie für Fortgeschrittene (= Suhrkamp-Taschenbuch). Suhrkamp, Frankfurt am Main 1999, ISBN 978-3-518-37188-6.
  2. a b c d Madeleine Marti: Hinterlegte Botschaften: Die Darstellung lesbischer Frauen in der deutschsprachigen Literatur seit 1945. Springer Verlag, 2017, ISBN 978-3-476-03429-8, S. 198–244.
  3. Eva Schlittenbauer, Uwe Britten: Gespräch mit Luise F. Pusch. In: Marion Kobelt-Groch (Hrsg.): "Ich bin Judith": Texte und Bilder zur Rezeption eines mythischen Stoffes. Leipziger Univ.-Verlag, Leipzig 2003, ISBN 978-3-936522-31-0, S. 174–175.