„Steinfliegen“ – Versionsunterschied

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[[Bild:Steinfliege Isoperla sp.jpg|thumb|295px|Schlüpfvorgang einer Steinfliege der Gattung (''Isoperla''). Die Larve verlässt das Wasser und klettert an einen Halm oder Ast, Baumstamm etc. Die Rückennaht platz auf und die Imago verlässt die Larvenhülle (Exuvie) ]]


Die '''Steinfliegen''' (Plecoptera) sind eine [[Ordnung (Biologie)|Ordnung]] der [[Insekten]] und gehören zu den [[Fluginsekten]] (Pterygota). Sie bilden gemeinsam mit den [[Tarsenspinner]]n ein [[Taxon]] namens Steinfliegenartige (Plecopteroida). Von den etwa 2200 bekannten [[Art (Biologie)|Arten]] der Steinfliegen sind 115 in [[Mitteleuropa]] verbreitet. Die meisten Arten werden 3,5 bis 30 mm lang. Die größte Art ist ''Diamphipnoa helgae'' mit einer Körperlänge von etwa 40 mm und einer Flügelspannweite von 110 mm.
Die '''Steinfliegen''' (Plecoptera) sind eine [[Ordnung (Biologie)|Ordnung]] der [[Insekten]] und gehören zu den [[Fluginsekten]] (Pterygota). Von den etwa 3500 bekannten [[Art (Biologie)|Arten]] der Steinfliegen<ref>Romolo Fochetti, José Manuel Tierno de Figueroa (2008): Global diversity of stoneflies (Plecoptera; Insecta) in freshwater. Hydobiologia 595: 365-377. {{doi|10.1007/978-1-4020-8259-7_39}}</ref> sind 127 in Deutschland und 514 in Europa verbreitet<ref>http://www.freshwaterecology.info</ref>. Die meisten Arten werden 3,5 bis 30 mm lang. Die größte Art ist ''Diamphipnoa helgae'' mit einer Körperlänge von etwa 40 mm und einer Flügelspannweite von 110 mm.


==Merkmale==
==Merkmale==
Steinfliegen sind relativ weichhäutige (nicht hart sklerotisierte), langgestreckte Insekten mit meist walzenförmigem oder etwas abgeplattetem Körperumriss. Sie sind meist düster und wenig kontrastreich gefärbt, einzelne Familien sind strohfarben oder gelblich mit dunkler Zeichnung. Die Flügel sind klar oder bräunlich getönt, selten etwas dunkel gefleckt. Sie werden in Ruhestellung flach übereinander auf die Rückenseite gelegt, häufig etwas gewölbt teilweise um den Rumpf gerollt. Sie sind bei vielen Arten verkürzt und funktionslos, die in Gletschern lebende Art ''[[Andiperla willinki]]'' ist flügellos.
Die Steinfliegen besitzen vier etwa gleich große Flügel, die in der Ruhestellung nach hinten über den Körper gefaltet werden. Diese Flügel sind nicht mit einem Verbindungsmechanismus gekoppelt. Die Tiere sind meist flach gebaut, die 3 Brustsegmente ([[Thorax (Gliederfüßer)|Thorax]]) sind annähernd gleich groß. Am Kopf tragen die Tiere lange [[Fühler (Biologie)|Antennen]] und [[Facettenauge]]n sowie kleinere Punktaugen ([[Ocelle]]n). Die [[Mundwerkzeuge]] sind kauend-beißend, bei vielen Arten im Erwachsenenstadium fehlen sie allerdings, da diese Arten nur als [[Larve]]n Nahrung aufnehmen.

Sie zeichnen sich durch Flügel aus, die mit sehr vielen Queradern bestückt sind. Die in Gletschern lebende Art ''[[Andiperla willinki]]'' ist flügellos.
Der Kopf der Steinfliegen ist mehr oder weniger ausgeprägt nach vorn gestreckt (prognath), manchmal leicht hängend, oft auffallend breit. Am Kopf tragen die Tiere lange [[Fühler (Biologie)|Antennen]] bis etwa halbe Körperlänge. Die [[Facettenauge]]n sind meist groß und halbkugelig vorgewölbt, fast immer sind außerdem drei Punktaugen ([[Ocelle]]n) ausgebildet. Die [[Mundwerkzeuge]] sind kauend-beißend, bei einigen Familien v.a. der Unterordnung Systellognatha sind die Mandibeln teilweise reduziert.
Der Hinterleib endet in einem Paar langer Hinterleibsfäden, den [[Cercus|Cerci]].
Die 3 Brustsegmente ([[Thorax (Gliederfüßer)|Thorax]]) der Steinfliegen sind annähernd gleich groß, die Vorderbrust (Prothorax) oft nach oben flach mit auffallender Kante, manchmal verbreitert. Die Beine sind relativ dünne Laufbeine, die dem Grundbauplan der Insekten nahekommen, in der Regel sind die Hinterbeine länger als die beiden vorderen Beinpaare. Die dreigliedrigen Tarsen tragen an der Spitze zwei Klauen mit einem kleinen Haftpolster (Empodium). Das vordere Flügelpaar ist langgestreckt oval, das hintere ist genauso lang, aber viel breiter durch einen ausgedehnten hinteren Abschnitt (Analfächer), der in Ruhestellung eingefaltet ist. Die Flügeladerung ist immer sehr ausgeprägt, sie besteht aus starken Längsadern und je nach Familie unterschiedlich ausgeprägten Queradern. Im Flug bilden beide Flügelpaare eine Einheit, der Flugstil ähnelt durch den großen Analfächer anderen Paraneoptera wie z.B. den Schaben oder Heuschrecken. Viele Arten sind relativ schlechte Flieger.
Der Hinterleib ist immer langgestreckt. Bauch- und Rückenplatten (Sternite und Tergite) sind in der Regel frei, an den hinteren Segmenten manchmal ringförmig verschmolzen. Es sind zehn Hinterleibssegmente erkennbar. Das Hinterende ist vor allem bei den Männchen häufig zu sehr auffallend und kompliziert gestalteten Begattungsorganen umgestaltet. Manchmal zeigen auch die vorderen Abdominalsegmente der Männchen solche Bildungen (z.B. Familie Leuctridae).


==Larven==
==Larven==
[[Bild:SteinfliegenLarve2.JPG|thumb|Die [[Larve]] einer Steinfliege der Gattung ''Perla''.]]
[[Bild:SteinfliegenLarve2.JPG|thumb|Die [[Larve]] einer Steinfliege der Gattung ''Perla''.]]
Die Larven der Steinfliegen leben im Wasser, dabei kann die Larvalentwicklung durchaus mehrere Jahre andauern. Auch sie sind häufig abgeflacht und tragen 6 voll ausgebildete Beine und 2 Paar [[Flügelanlage]]n. Ihre Mundwerkzeuge sind prominenter als die der Adulti und auch die beiden Hinterleibsanhänge sind auffallend lang. Die Larven finden sich vor allem in wenig belasteten Bachläufen und stellen nicht selten [[Zeigerart]]en ([[Bioindikator]]en) für eine gute [[Gewässergüte]] dar. Im Gesamtaufbau ähnelt der Körper der Larven jedoch weitestgehend dem der erwachsenen Tiere. Sie atmen unter Wasser primär durch [[Hautatmung]] sowie durch schlauchförmige Tracheenkiemen. Von den ebenfalls in Gewässern lebenden Larven der [[Eintagsfliegen]] können sie durch das Fehlen eines dritten Hinterleibsfadens, dem [[Terminalfilum]], unterschieden werden.
Die Larven der Steinfliegen leben im Wasser, dabei kann die Larvalentwicklung durchaus mehrere Jahre andauern. Sie sind den Imagines im Körperbau sehr ähnlich, sie sind häufig abgeflacht und tragen 6 voll ausgebildete Beine und 2 Paar [[Flügelanlage]]n, die als starre Hüllen schräg vom Thorax abstehen oder parallel zum Körper auf der Oberseite liegen. Ihre Mundwerkzeuge sind prominenter als die der Adulti. Auffallend sind die beiden langen, als Schwanzfäden ausgebildeten Hinterleibsanhänge (Cerci). Einige Gattungen tragen auffallende Kiemen, die seitlich am Hinterleib, an den Hüften (Coxen), im Halsbereich oder an der Spitze des Hinterleibs liegen, sie sind aber nicht bei allen Gattungen und Familien vorhanden. Die Kiemen sind in der Regel einfach gebaut und büschelig oder schlauchförmig, bewegliche Tracheenkiemenplättchen wie bei den Eintagsfliegen kommen nicht vor. Die Larven laufen am Gewässergrund und sind in der Regel schlechte Schwimmer. Wenn sie schwimmen, bewegen sie sich mit seitlichen Schlängelbewegungen fort.

Von den ebenfalls in Gewässern ebenden Larven der [[Eintagsfliegen]] können sie an den fehlenden Kiemenblättchen und durch das Fehlen eines dritten Hinterleibsfadens, dem [[Terminalfilum]], unterschieden werden.

==Ökologie und Lebensweise==
Die Larven der Szeinfliegen sind wasserlebend (aquatisch), als große Ausnahme kommen in Südamerika wenige Arten vor, deren Larven in feuchten Lebensräumen an Land leben. Sie zeigen eine ausgepägte Vorliebe für kalte, in der Regel sauerstoffreiche Gewässer, wobei Fließgewässer erheblich artenreicher besiedelt werden als stehende Gewässer. Dem entsprechend sind sie in nördlichen und gemäßigten Breiten artenreicher verbreitet als in den dauerwarmen Tropen<ref>Alejandro Palma & Ricardo Figueroa (2008): Latitudinal diversity of Plecoptera (Insecta) on local and global scales. Illiesia 4(8): 81-90.</ref>. Aber auch in tropischen Breiten kommen in geeigneten Lebensräumen durchaus etliche Arten vor, z.B. in schnell fließenden Bächen im im amazonischen Regenwald. Die Larven entwickeln sich in der Regel recht langsam und unter zahlreichen Häutungen (meist etwa 10 bis 25, Anzahl je nach Lebensbedingungen variabel). In Mitteleuropa beträgt sie Generationsdauer in der Regel ein Jahr (univoltin), einige große Arten benötigen mehrere Jahre für ihre Entwicklung. Zur Imaginalhäutung verlassen die Tiere in der Regel das Gewässer. Das Larvenstadium ist als das wesentliche Wachstumsstadium für das Vorkommen und die Habitatwahl wesentlich, während die Imagines relativ kurze Lebensdauer besitzen und im wesentlichen der Fortpflanzung und als Ausbreitungsstadium dient. Allerdings wird auch im Imaginalstadium durchaus Nahrung aufgenommen. Einige Arten können ihr Körpergewicht so nach dem Schlupf vor der Eiablage mehr als verdoppeln. Selbst bei Gruppen mit stark reduzierten Mundwerkzeugen findet häufiger als früher gedacht eine Nahrungsaufnahme statt<ref>José Manuel Tierno de Figueroa & Antonino Sánchez-Ortega (1999): Imaginal Feeding of Certain Systellognathan Stonefly Species (Insecta: Plecoptera). Annals of the Entomological Society of America 92(2): 218-221.</ref>. Die Lebensdauer der Imagines beträgt einige Tage bis wenige Wochen. Die Paarung erfolgt am Boden, wobei sich die Geschlechter durch Substratschall finden und erkennen können. Dazu trommelt das Männchen mit einem artspezifischen Rhytmus auf die Unterlage<ref>K.W. Stewart, S.W. Szczytko, M. Maketon (1988): Drumming as a behavioral line of evidence for delineating species in the genera Isoperla, Pteronarcys and Taeniopteryx (Plecoptera). Annals of the Entomological Society of America 81: 689–699</ref>. Bei einigen Arten (z.B. Familie Capniidae) schlüpfen die Larven unmittelbar nach der Eiablage (Ovoviviparie). Sehr wenige Gattungen vermehren sich parthenogenetisch.

Die Larven der Steinfliegen besitzen je nach Verwandtschaft unterschiedliche Ernährungsweise. Viele der kleineren Arten ernähren sich von abgestorbener organischer Substanz wie z.B. Fallaub. Viele der großen Arten sind Räuber. Die Ernährungsweise kann je nach Stadium und Lebensraum recht variabel sein. Erbeutet werden vor allem relativ kleine und weichhäutige Beuteorganismen wie Eintagsfliegen- und Zuckmückenlarven. Die Larven finden sich vor allem in wenig belasteten Bachläufen und stellen nicht selten [[Zeigerart]]en ([[Bioindikator]]en) für eine gute [[Gewässergüte]] dar.


== Systematik der Steinfliegen ==
== Systematik der Steinfliegen ==
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== Fossile Vorkommen ==
== Fossile Vorkommen ==
Die ältesten fossilen Steinfliegen stammen aus dem [[Perm (Geologie)|Perm]]. Diese Funde sind wegen ihrer zahlreichen archaischen Merkmale von besonderem Interesse. Die meisten Beschreibungen fossiler Steinfliegen ([[Imago (Zoologie)|Imagines]], [[Exuvie|Exuvien]] und [[Nymphe (Zoologie)|Nymphen]]) beziehen sich auf Einschlüsse im [[eozän|eozänen]] [[Bernstein#Baltischer Bernstein|Baltischen Bernstein]] mit Vertretern aus vier Familien: Nemouridae, Perlidae, Perlodidae, Taeniopterygidae und Leuctridae. Ein Vertreter aus der Familie der Perlidae ist auch in dem etwas jüngeren [[Bernstein#Dominikanischer Bernstein|Dominikanischem Bernstein]] gefunden worden, was vor allem deswegen überraschte, als von den [[Antillen]] (Herkunft des Dominikanischen Bernsteins) keine rezenten Vertreter der Steinfliegen bekannt sind.<ref>George O. Poinar, Jr.: ''Life in Amber''. 350 S., 147 Fig., 10 Tafeln, Stanford University Press, Stanford (Cal.) 1992. ISBN 0-8047-2001-0</ref><ref>Wolfgang Weitschat und Wilfried Wichard: ''Atlas der Pflanzen und Tiere im Baltischen Bernstein'', 256 S., zahlr. Abb., Pfeil-Verlag, München 1998. ISBN 3-931516-45-8</ref>
Traditionell wurden die im [[Oberkarbon]] (Pennsylvanium) gefundenen [[Protoperlaria]] als Stammgruppenvertreter der Steinfliegen angesehen. Nach neueren Forschungen sind diese vermutlich nicht näher mit den Steinfliegen verwandt, möglicherweise gehören sie zur Stammgruppe der [[Grillenschaben]]. Im Jahr 2011 wurde nun aber erstmals eine fossile Steinfliege aus dem Karbon beschrieben, die in vielen Merkmalen bereits der rezenten Ordnung entspricht<ref>Olivier Béthoux, Yingying Cui, Boris Kondratieff, Bill Stark, Dong Ren (2011): At last, a Pennsylvanian stem-stonefly (Plecoptera) discovered. BMC Evolutionary Biology 11: 248 {{doi|10.1186/1471-2148-11-248}} open access.</ref>. Die meisten Beschreibungen fossiler Steinfliegen ([[Imago (Zoologie)|Imagines]], [[Exuvie|Exuvien]] und [[Nymphe (Zoologie)|Nymphen]]) beziehen sich auf Einschlüsse im [[eozän|eozänen]] [[Bernstein#Baltischer Bernstein|Baltischen Bernstein]] mit Vertretern aus vier Familien: Nemouridae, Perlidae, Perlodidae, Taeniopterygidae und Leuctridae. Ein Vertreter aus der Familie der Perlidae ist auch in dem etwas jüngeren [[Bernstein#Dominikanischer Bernstein|Dominikanischem Bernstein]] gefunden worden, was vor allem deswegen überraschte, als von den [[Antillen]] (Herkunft des Dominikanischen Bernsteins) keine rezenten Vertreter der Steinfliegen bekannt sind.<ref>George O. Poinar, Jr.: ''Life in Amber''. 350 S., 147 Fig., 10 Tafeln, Stanford University Press, Stanford (Cal.) 1992. ISBN 0-8047-2001-0</ref><ref>Wolfgang Weitschat und Wilfried Wichard: ''Atlas der Pflanzen und Tiere im Baltischen Bernstein'', 256 S., zahlr. Abb., Pfeil-Verlag, München 1998. ISBN 3-931516-45-8</ref>


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==
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== Literatur ==
== Literatur ==
* Bernhard Klausnitzer: ''Plecoptera, Steinfliegen.'' In Westheide, Rieger (Hrsg.): ''Spezielle Zoologie Teil 1: Einzeller und Wirbellose Tiere.'' Gustav Fischer Verlag, Stuttgart, Jena 1997; Seiten 635–636.
* Bernhard Klausnitzer: ''Plecoptera, Steinfliegen.'' In Westheide, Rieger (Hrsg.): ''Spezielle Zoologie Teil 1: Einzeller und Wirbellose Tiere.'' Gustav Fischer Verlag, Stuttgart, Jena 1997; Seiten 635–636.
* Peter Zwick: Plecoptera (Perlaria, Uferfliegen). Handbuch der Zoologie, Eine Naturgeschichte der Stämme des Tierreiches. Lieferung 26. Verlag Walter de Gruyter; Auflage: 2.Auflage 1980. ISBN 3110081415.


==Weblinks==
==Weblinks==

Version vom 31. Dezember 2011, 12:58 Uhr

Steinfliegen

Nemoura cinerea

Systematik
Stamm: Gliederfüßer (Arthropoda)
Überklasse: Sechsfüßer (Hexapoda)
Klasse: Insekten (Insecta)
Unterklasse: Fluginsekten (Pterygota)
Überordnung: Neuflügler (Neoptera)
Ordnung: Steinfliegen
Wissenschaftlicher Name
Plecoptera
Burmeister, 1839
Schlüpfvorgang einer Steinfliege der Gattung (Isoperla). Die Larve verlässt das Wasser und klettert an einen Halm oder Ast, Baumstamm etc. Die Rückennaht platz auf und die Imago verlässt die Larvenhülle (Exuvie)

Die Steinfliegen (Plecoptera) sind eine Ordnung der Insekten und gehören zu den Fluginsekten (Pterygota). Von den etwa 3500 bekannten Arten der Steinfliegen[1] sind 127 in Deutschland und 514 in Europa verbreitet[2]. Die meisten Arten werden 3,5 bis 30 mm lang. Die größte Art ist Diamphipnoa helgae mit einer Körperlänge von etwa 40 mm und einer Flügelspannweite von 110 mm.

Merkmale

Steinfliegen sind relativ weichhäutige (nicht hart sklerotisierte), langgestreckte Insekten mit meist walzenförmigem oder etwas abgeplattetem Körperumriss. Sie sind meist düster und wenig kontrastreich gefärbt, einzelne Familien sind strohfarben oder gelblich mit dunkler Zeichnung. Die Flügel sind klar oder bräunlich getönt, selten etwas dunkel gefleckt. Sie werden in Ruhestellung flach übereinander auf die Rückenseite gelegt, häufig etwas gewölbt teilweise um den Rumpf gerollt. Sie sind bei vielen Arten verkürzt und funktionslos, die in Gletschern lebende Art Andiperla willinki ist flügellos.

Der Kopf der Steinfliegen ist mehr oder weniger ausgeprägt nach vorn gestreckt (prognath), manchmal leicht hängend, oft auffallend breit. Am Kopf tragen die Tiere lange Antennen bis etwa halbe Körperlänge. Die Facettenaugen sind meist groß und halbkugelig vorgewölbt, fast immer sind außerdem drei Punktaugen (Ocellen) ausgebildet. Die Mundwerkzeuge sind kauend-beißend, bei einigen Familien v.a. der Unterordnung Systellognatha sind die Mandibeln teilweise reduziert.

Die 3 Brustsegmente (Thorax) der Steinfliegen sind annähernd gleich groß, die Vorderbrust (Prothorax) oft nach oben flach mit auffallender Kante, manchmal verbreitert. Die Beine sind relativ dünne Laufbeine, die dem Grundbauplan der Insekten nahekommen, in der Regel sind die Hinterbeine länger als die beiden vorderen Beinpaare. Die dreigliedrigen Tarsen tragen an der Spitze zwei Klauen mit einem kleinen Haftpolster (Empodium). Das vordere Flügelpaar ist langgestreckt oval, das hintere ist genauso lang, aber viel breiter durch einen ausgedehnten hinteren Abschnitt (Analfächer), der in Ruhestellung eingefaltet ist. Die Flügeladerung ist immer sehr ausgeprägt, sie besteht aus starken Längsadern und je nach Familie unterschiedlich ausgeprägten Queradern. Im Flug bilden beide Flügelpaare eine Einheit, der Flugstil ähnelt durch den großen Analfächer anderen Paraneoptera wie z.B. den Schaben oder Heuschrecken. Viele Arten sind relativ schlechte Flieger.

Der Hinterleib ist immer langgestreckt. Bauch- und Rückenplatten (Sternite und Tergite) sind in der Regel frei, an den hinteren Segmenten manchmal ringförmig verschmolzen. Es sind zehn Hinterleibssegmente erkennbar. Das Hinterende ist vor allem bei den Männchen häufig zu sehr auffallend und kompliziert gestalteten Begattungsorganen umgestaltet. Manchmal zeigen auch die vorderen Abdominalsegmente der Männchen solche Bildungen (z.B. Familie Leuctridae).

Larven

Die Larve einer Steinfliege der Gattung Perla.

Die Larven der Steinfliegen leben im Wasser, dabei kann die Larvalentwicklung durchaus mehrere Jahre andauern. Sie sind den Imagines im Körperbau sehr ähnlich, sie sind häufig abgeflacht und tragen 6 voll ausgebildete Beine und 2 Paar Flügelanlagen, die als starre Hüllen schräg vom Thorax abstehen oder parallel zum Körper auf der Oberseite liegen. Ihre Mundwerkzeuge sind prominenter als die der Adulti. Auffallend sind die beiden langen, als Schwanzfäden ausgebildeten Hinterleibsanhänge (Cerci). Einige Gattungen tragen auffallende Kiemen, die seitlich am Hinterleib, an den Hüften (Coxen), im Halsbereich oder an der Spitze des Hinterleibs liegen, sie sind aber nicht bei allen Gattungen und Familien vorhanden. Die Kiemen sind in der Regel einfach gebaut und büschelig oder schlauchförmig, bewegliche Tracheenkiemenplättchen wie bei den Eintagsfliegen kommen nicht vor. Die Larven laufen am Gewässergrund und sind in der Regel schlechte Schwimmer. Wenn sie schwimmen, bewegen sie sich mit seitlichen Schlängelbewegungen fort.

Von den ebenfalls in Gewässern ebenden Larven der Eintagsfliegen können sie an den fehlenden Kiemenblättchen und durch das Fehlen eines dritten Hinterleibsfadens, dem Terminalfilum, unterschieden werden.

Ökologie und Lebensweise

Die Larven der Szeinfliegen sind wasserlebend (aquatisch), als große Ausnahme kommen in Südamerika wenige Arten vor, deren Larven in feuchten Lebensräumen an Land leben. Sie zeigen eine ausgepägte Vorliebe für kalte, in der Regel sauerstoffreiche Gewässer, wobei Fließgewässer erheblich artenreicher besiedelt werden als stehende Gewässer. Dem entsprechend sind sie in nördlichen und gemäßigten Breiten artenreicher verbreitet als in den dauerwarmen Tropen[3]. Aber auch in tropischen Breiten kommen in geeigneten Lebensräumen durchaus etliche Arten vor, z.B. in schnell fließenden Bächen im im amazonischen Regenwald. Die Larven entwickeln sich in der Regel recht langsam und unter zahlreichen Häutungen (meist etwa 10 bis 25, Anzahl je nach Lebensbedingungen variabel). In Mitteleuropa beträgt sie Generationsdauer in der Regel ein Jahr (univoltin), einige große Arten benötigen mehrere Jahre für ihre Entwicklung. Zur Imaginalhäutung verlassen die Tiere in der Regel das Gewässer. Das Larvenstadium ist als das wesentliche Wachstumsstadium für das Vorkommen und die Habitatwahl wesentlich, während die Imagines relativ kurze Lebensdauer besitzen und im wesentlichen der Fortpflanzung und als Ausbreitungsstadium dient. Allerdings wird auch im Imaginalstadium durchaus Nahrung aufgenommen. Einige Arten können ihr Körpergewicht so nach dem Schlupf vor der Eiablage mehr als verdoppeln. Selbst bei Gruppen mit stark reduzierten Mundwerkzeugen findet häufiger als früher gedacht eine Nahrungsaufnahme statt[4]. Die Lebensdauer der Imagines beträgt einige Tage bis wenige Wochen. Die Paarung erfolgt am Boden, wobei sich die Geschlechter durch Substratschall finden und erkennen können. Dazu trommelt das Männchen mit einem artspezifischen Rhytmus auf die Unterlage[5]. Bei einigen Arten (z.B. Familie Capniidae) schlüpfen die Larven unmittelbar nach der Eiablage (Ovoviviparie). Sehr wenige Gattungen vermehren sich parthenogenetisch.

Die Larven der Steinfliegen besitzen je nach Verwandtschaft unterschiedliche Ernährungsweise. Viele der kleineren Arten ernähren sich von abgestorbener organischer Substanz wie z.B. Fallaub. Viele der großen Arten sind Räuber. Die Ernährungsweise kann je nach Stadium und Lebensraum recht variabel sein. Erbeutet werden vor allem relativ kleine und weichhäutige Beuteorganismen wie Eintagsfliegen- und Zuckmückenlarven. Die Larven finden sich vor allem in wenig belasteten Bachläufen und stellen nicht selten Zeigerarten (Bioindikatoren) für eine gute Gewässergüte dar.

Systematik der Steinfliegen

Die Steinfliegen setzen sich aus 2 Unterordnungen zusammen, deren genaue Verwandtschaftsverhältnisse nicht vollständig aufgeklärt sind.

Archiperlaria (Antarctoperlaria)

Die Vertreter der Archiperlaria leben nur auf der südlichen Hemisphäre, vor allem in Australien, Neuseeland, Chile und Argentinien. Autapomorphien, die eine Monophylie begründen, sind eine Prothoraxmuskulatur und floriforme Chloridzellen.

Arctoperlaria

Monophylie bestätigt durch Substratschallerzeugung bei der Partnerfindung. Die Arctoperlaria werden in zwei Überfamilien unterteilt:

Filipalpia (Nemouroida)

Bei diesen Tieren ist der Labialpalpus fadenförmig und verjüngt sich nicht zur Spitze. In dieser Gruppe werden die Arten der Taeniopterygidae, der Nemourida, der Capniidae und der Leuctridae eingeordnet.

Setipalpia (Subulipalpia)

Das wichtigste Kennzeichen dieser Gruppe ist ein Taster an den Mundwerkzeugen (Labialpalpus), der sich borstenartig verjüngt. Hierher gehören beispielsweise die Vertreter der Perlodidae, der Perlidae und der Chloroperlidae.

Fossile Vorkommen

Traditionell wurden die im Oberkarbon (Pennsylvanium) gefundenen Protoperlaria als Stammgruppenvertreter der Steinfliegen angesehen. Nach neueren Forschungen sind diese vermutlich nicht näher mit den Steinfliegen verwandt, möglicherweise gehören sie zur Stammgruppe der Grillenschaben. Im Jahr 2011 wurde nun aber erstmals eine fossile Steinfliege aus dem Karbon beschrieben, die in vielen Merkmalen bereits der rezenten Ordnung entspricht[6]. Die meisten Beschreibungen fossiler Steinfliegen (Imagines, Exuvien und Nymphen) beziehen sich auf Einschlüsse im eozänen Baltischen Bernstein mit Vertretern aus vier Familien: Nemouridae, Perlidae, Perlodidae, Taeniopterygidae und Leuctridae. Ein Vertreter aus der Familie der Perlidae ist auch in dem etwas jüngeren Dominikanischem Bernstein gefunden worden, was vor allem deswegen überraschte, als von den Antillen (Herkunft des Dominikanischen Bernsteins) keine rezenten Vertreter der Steinfliegen bekannt sind.[7][8]

Einzelnachweise

  1. Romolo Fochetti, José Manuel Tierno de Figueroa (2008): Global diversity of stoneflies (Plecoptera; Insecta) in freshwater. Hydobiologia 595: 365-377. doi:10.1007/978-1-4020-8259-7_39
  2. http://www.freshwaterecology.info
  3. Alejandro Palma & Ricardo Figueroa (2008): Latitudinal diversity of Plecoptera (Insecta) on local and global scales. Illiesia 4(8): 81-90.
  4. José Manuel Tierno de Figueroa & Antonino Sánchez-Ortega (1999): Imaginal Feeding of Certain Systellognathan Stonefly Species (Insecta: Plecoptera). Annals of the Entomological Society of America 92(2): 218-221.
  5. K.W. Stewart, S.W. Szczytko, M. Maketon (1988): Drumming as a behavioral line of evidence for delineating species in the genera Isoperla, Pteronarcys and Taeniopteryx (Plecoptera). Annals of the Entomological Society of America 81: 689–699
  6. Olivier Béthoux, Yingying Cui, Boris Kondratieff, Bill Stark, Dong Ren (2011): At last, a Pennsylvanian stem-stonefly (Plecoptera) discovered. BMC Evolutionary Biology 11: 248 doi:10.1186/1471-2148-11-248 open access.
  7. George O. Poinar, Jr.: Life in Amber. 350 S., 147 Fig., 10 Tafeln, Stanford University Press, Stanford (Cal.) 1992. ISBN 0-8047-2001-0
  8. Wolfgang Weitschat und Wilfried Wichard: Atlas der Pflanzen und Tiere im Baltischen Bernstein, 256 S., zahlr. Abb., Pfeil-Verlag, München 1998. ISBN 3-931516-45-8

Literatur

  • Bernhard Klausnitzer: Plecoptera, Steinfliegen. In Westheide, Rieger (Hrsg.): Spezielle Zoologie Teil 1: Einzeller und Wirbellose Tiere. Gustav Fischer Verlag, Stuttgart, Jena 1997; Seiten 635–636.
  • Peter Zwick: Plecoptera (Perlaria, Uferfliegen). Handbuch der Zoologie, Eine Naturgeschichte der Stämme des Tierreiches. Lieferung 26. Verlag Walter de Gruyter; Auflage: 2.Auflage 1980. ISBN 3110081415.
Commons: Plecoptera – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien