ABCami

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ABCami-Alphabetisierung und Grundbildung in Moscheen ist ein seit 2012 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördertes Projekt, welches Alphabetisierungskurse für türkische Migranten in Moscheen anbietet.

Pilotprojekt

2012 als Pilotprojekt mit drei Berliner Moscheen gestartet sind es heute derer mehr als 30, in denen türkischsprachige Migranten und arabischsprachige Flüchtlinge die Chance erhalten, das Lesen, Schreiben und Rechnen zu lernen, bzw. ihre bereits vorhandenen Fertigkeiten zu vertiefen.

Konzept

Die Konzeption der Alphabetisierungskurse bei ABCami speist sich aus dreierlei:

Lernort Moschee

Die Alphabetisierungskurse finden in der Moschee statt, d.h. an dem Ort, der den Lernenden vertraut ist, an dem sie beheimatet sind. Anders als in Deutschland gemeinhin kolportiert, sind Moscheen in Deutschland idealtypisch mehr als nur Orte des Glaubens: Sie verstehen sich als Ort der Bildung (Medresse) sowie der Begegnung. Menschen jedweden Alters treffen sich tagein tagaus in der Moschee, um gemeinsam das Gebet zu verrichten, aber auch um gemeinsam mit anderen Menschen sozial aktiv zu werden. Sie kochen gemeinsam für einen guten Zweck oder nehmen an Nähkursen teil, um nur zwei von vielen Beispielen zu nennen. Kursleiter entstammen dem unmittelbaren Umfeld der Moschee, oftmals kennen sich Kursleitende und Kursteilnehmer, was Vertrauen schafft.

Situationsansatz

Die Alphabetisierungskurse im Rahmen des ABCami-Projekts basieren auf dem Situationsansatz. Vor 40 Jahren maßgeblich von Jürgen Zimmer geprägt, wurde er stetig weiterentwickelt und kann heuer als Grundlage für das Lernen in jedwedem Alter und jedweder Einrichtung eingesetzt werden. Jürgen Zimmer definiert ihn als „eine Einladung, sich auf das Leben einzulassen“.[1] 16 Leitsätze in den Bereichen Bildung, Partizipation, Gleichheit und Differenz, Lebensweltorientierung und Einheit von Inhalt und Form bilden den sog. Situationsansatz. Dabei geht Jürgen Zimmer von den realen Lebenssituationen der Menschen aus und erschließt diese als Lernsituationen. Reale Lebenssituationen, bzw. Alltagsrealitäten der Lernenden sind es auch, die maßgeblich das Curriculum von ABCami prägen. Nicht nur lernen Kursteilnehmer das Lesen, Schreiben und das Rechnen in den Alphabetisierungskursen von ABCami, sondern auch den praktischen Einsatz dieser Fertigkeiten in ihrer alltäglichen Lebenswirklichkeit. Hierzu zählen u.a. das Schreiben von Einkaufszetteln, das Ausfüllen von Überweisungsformularen sowie die Orientierung in der Stadt qua öffentlicher Verkehrsmittel und dergleichen. Für die Arbeit in den Moscheen ist allen voran ein Leitsatz von besonderer Relevanz: Pädagogen sind Lehrende und Lernende zugleich.[2] Lernen ist ein immerwährender, lebenslanger und insbesondere reziproker Prozess. In den Unterrichtseinheiten wird nicht nur das Lesen und Schreiben gelehrt, vielmehr lernen Kursleitende viel über die Kultur, die Lebensweisen sowie die Herkunftssprache der Lernenden. Die Berücksichtigung der Herkunftssprache spiegelt sich im kontrastiven Ansatz von ABCami wider.

Kontrastiver Ansatz

Der kontrastive Ansatz geht zurück auf Erkenntnisse aus der kontrastiven Linguistik, wonach Lernende einer Zweitsprache L2 selbige besser lernen, wenn auf bereits vorhandenes Wissen in der Erstsprache L1 rekurriert wird, Stichwort: positiver Transfer. Hierbei werden verschiedene, sprachwissenschaftliche Aspekte zweier Sprachen miteinander verglichen, um Unterschiede und Gemeinsamkeiten beider Sprachen zu entdecken. Dies können phonetische, phonologische aber auch etymologische Aspekte zweier Sprachen sein. Exemplarisch seien an dieser Stelle einige Beispiele angeführt: die gleiche Aussprache der deutschen Buchstabenfolge „sch“ und dem türkischen „ş“ die diametrale Artikulation des stimmlosen und stimmhaften s-Lautes im Türkischen und Deutschen, das deutsche Wort Joghurt ist dem türkischen yoğurt entlehnt, was gegorene Milch bedeutet.

Zugang zur Zielsprache durch Wertschätzung der Herkunftssprache

Das Thematisieren dieser Unterschiede und Gemeinsamkeiten im Unterricht führt zu einem besseren Zugang zur Zielsprache. Zudem wird der Herkunftssprache der Teilnehmenden eine große Wertschätzung zuteil. Sie wird nicht als defizitäres Mitbringsel der Lernenden betrachtet, vielmehr als bedeutsamer Erfahrungsschatz. Überhaupt beginnt der kontrastive Ansatz nicht erst beim Sprachenvergleich, sondern setzt viel früher an. Eine Unterrichtseinheit mit einem „Guten Morgen“ in der Herkunftssprache zu beginnen oder in selbiger zu loben, setzt nicht viel Wissen über die Sprache(n) der Lernenden voraus, kann jedoch viele Brücken bauen. Alexis Feldmaier hat Vorteile, Möglichkeiten und Grenzen des kontrastiven Ansatzes in der Alphabetisierungsarbeit bereits vor mehr als zehn Jahren in einem Aufsatz skizziert.Dabei unterstreicht er neben lernpädagogischen Aspekten beim kontrastiven Ansatz insbesondere die Wertschätzung der Herkunftssprache der Lernenden als einen der größten Motivationsfaktoren.[3]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. HABERKORN, Rita (2009): Der Situationsansatz ist eine Einladung, sich mit Kindern auf das Leben einzulassen. In: Bock, Michael; Sanders, Karin: Kundenorientierung - Partizipation - Respekt. Neue Ansätze in der Sozialen Arbeit.
  2. Situationsansatz
  3. FELDMAIER, Alexis (2005): Die kontrastive Alphabetisierung als Alternativkonzept zur zweisprachigen Alphabetisierung und zur Alphabetisierung in der Zweitsprache Deutsch am Beispiel der Sprachen Kurdisch und Türkisch. In: DaZ 2/2005. S.42-50.