Benutzer:19Quercus70/Gutslandschaft

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Die Entstehung der historischen Gutslandschaft in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern hat ihren Ursprung in der deutschen Ostkolonisation des hohen Mittelalters. Während und nach der Eroberung und Besiedlung bildete sich allmählich ein neuer Lehnsadel heraus. Der Aufstieg des Adels ging einher mit entsprechenden Privilegien, die an den Landbesitz gebunden waren. Zugleich wurden die Bauern nach und nach so weit entrechtet, dass sich bis zur zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts die Leibeigenschaft etablieren konnte. Diese standes- und besitzrechtlichen Voraussetzungen führten zur Herausbildung des Adligen Gutes. Der Begriff umschreibt vornehmlich kein architekturgeschichtliches, sondern ein staats- und standesrechtliches Gebilde, das nicht immer mit einer feudalen Gutswirtschaft verbunden sein musste. Der privilegierte Gutsherr übernahm in seinem Territorium vielmehr politische, ökonomische, soziale und kulturelle Funktionen, die dann zumeist auch in Gestalt einer Gutsanlage ihre Ausprägung fanden. Die Hofanlagen der Adligen Güter gehören aufgrund ihrer Größe und Vielfalt der Gebäude zu den Perlen der Gutslandschaft. Allerdings braucht jede Perle auch eine Fassung, um glänzen zu können. Zur touristischen Relevanz der Gutslandschaft tragen neben den Gütern auch die Pertinenzien wie Brennereien, Mühlen, Ziegeleien oder Teeröfen und die Anmut der Landschaft mit ihren Alleen und Fischteichen bei.

In erster Linie waren Adlige Güter allerdings große landwirtschaftliche Betriebe. Ihre Größe konnte mehrere Tausend Hektar betragen. Die Bewirtschaftung einer solch großen Fläche erforderte eine Vielzahl von Wirtschaftsgebäuden wie Speicher, Stallgebäude und Scheunen. Oftmals wurde hierfür die Einrichtung von Nebenstellen - so genannte Meierhöfe - notwendig.Die Art der Gutsarbeiter reichte vom einfachen Erntehelfer bis hin zum hochqualifizierten Fachmann wie Stellmacher, Schweizer und Verwalter. Bei einem Gutsbetrieb handelte es sich daher hauptsächlich um eine Wirtschaftsgemeinschaft, wobei der Gutsbesitzer auch eine soziale Verpflichtung und Fürsorge übernahm. Die Anzahl der Gutsarbeiter konnte auf den größeren Gütern mehrere Hundert betragen, die in gutseigenen Wohnhäusern, ja in ganzen Dörfern untergebracht wurden. Der Bau von Schulen und Armenhäusern stellte die Bildung und Sozialfürsorge sicher. Das Zusammenspiel der oben genannten Funktionen hat zu Gutshöfen geführt, die sich durch eine Vielzahl und Vielfalt von Gebäuden auszeichnen. Diese Anlagen sind oftmals bis heute erhalten geblieben. Große Höfe, die nicht aus einem Adligen Gut oder Meierhof hervorgegangen sind, weisen ebenfalls eine beachtliche Anzahl von Wohn- und Wirtschaftsbauten auf. Dieser Umstand reicht zur Qualifizierung als Gutshof allerdings nicht aus. Neben der rechtlichen Stellung eines Gutes ist die bauliche Anordnung seiner Gebäude ebenso wichtig. Hierbei gilt die U-Form des Hofes mit dem herrschaftlichen Wohnhaus an der Stirnseite als das entscheidende Kriterium.

Bestimmte Regionen im Untersuchungsgebiet werden im großen Maße von dieser Hofform geprägt. Insbesondere bedeutende Gutsanlagen zeigen baugeschichtlich den gesamten Wandlungsprozess der sozio-ökonomischen Bedingungen und der damit verbundenen Lebensform vom ausgehenden Mittelalter bis in das 20. Jahrhundert hinein auf. Sie stellen damit Kulturdenkmale ersten Ranges dar. Die Gutsherrschaft wirkte über Jahrhunderte auf die Landschaft ein und machte sie zu einer eigenen Form der Kulturlandschaft - der Gutslandschaft. Gutshof und Landschaft müssen daher als Kontinuum betrachtet werden. Ein Verschwinden der genannten Bausubstanz in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern würde nicht nur den Verlust eines bedeutenden profanen Denkmalbestandes und die Einbuße eines prägenden Charakteristikums der Kulturlandschaft mit den entsprechenden Konsequenzen für ihre Inwertsetzung bedeuten, sondern auch ein Verlust an Entwicklungspotenzialen in den betroffenen Regionen, die sich dann in Zukunft nicht mehr nutzbar machen lassen. Die gefährdeten Gutsgebäude bedürfen einer wirtschaftlich tragfähigen Nutzung, um langfristig gesichert werden zu können und mögliche Zukunftsoptionen offen zu halten.

Bereits mit dem Verlust der besonderen Machtbefugnisse des Gutsherrn sowie der damit verbundenen Auflösung des in sich geschlossenen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Systems der Adligen Güter begann die ursprüngliche Nutzung und damit die Erhaltung der Gutsgebäude schwierig zu werden. Heute wird durch den seit Jahrzehnten anhaltenden Strukturwandel in der Landwirtschaft eine Vielzahl von Wirtschaftsgebäuden nicht mehr für die landwirtschaftliche Produktion benötigt. Diese sind häufig völlig ungenutzt und stehen leer. Von dieser Entwicklung sind insbesondere Gutsanlagen betroffen, da die mit ihnen in der Regel verbundenen landwirtschaftlichen Großbetriebe aufgrund einer radikalen Umstellung auf den Marktfruchtbau einen besonders großen Produktivitätsfortschritt erzielen konnten. Die überkommenen Gutshöfe sind darüber hinaus durch eine große Anzahl unterschiedlicher Gebäude gekennzeichnet, die den modernen Erfordernissen an eine rationelle Landwirtschaft nicht mehr genügen oder nur mit großem Aufwand angepasst werden können. Die Gutshäuser zeichnet für heutige Verhältnisse eine eklatante Überdimensionierung aus. Die Gebäude werden heutzutage nur noch von wenigen Familienmitgliedern bewohnt und verursachen große Kosten. Allein aus den Erträgen der Landwirtschaft sind die Erhaltungsaufwendungen kaum abzudecken. Unter Kostengesichtspunkten kann eine denkmalpflegerisch befriedigende Erhaltung der Gutsanlagen häufig nicht mehr gewährleistet werden. Im letzten Jahrhundert ist es aus den besagten Gründen bereits zu spürbaren Verlusten an Gutshäusern gekommen. Davon sind die anspruchsloseren Wohnhäuser der Domänen, Pacht- und Meierhöfe besonders stark betroffen. Dahingegen besteht offenbar eine größere Neigung, die kunsthistorisch wertvollen Schlösser und Herrenhäuser zu schonen. Darüber hinaus ist ein immenser Schwund an Wirtschaftsgebäuden zu beklagen. Das hat in den vergangenen Jahrzehnten zu quantitativen Einbußen im Gesamtbild der Gutslandschaft geführt.

Trotz der immensen Erhaltungskosten und den daraus resultierenden erheblichen finanziellen Belastung befinden sich die Gutsanlagen in Schleswig-Holstein noch in einem vergleichsweise guten Zustand. Sie sind meistens mit einem landwirtschaftlichen Großbetrieb verbunden und eigentumsrechtlich in einer Hand. Es ist aber zu berücksichtigen, dass insbesondere in den sechziger bis achtziger Jahren viele Wirtschaftsgebäude abgerissen worden sind. In Mecklenburg-Vorpommern wurden die Wirtschaftsgebäude bis 1990 zumeist von Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) genutzt und danach häufig nicht mehr benötigt. Diese Wirtschaftsgebäude stehen leer, befinden sich jedoch aufgrund unterlassener Instandhaltung meist in einem schlechten Zustand. Der in den letzten Jahren forcierte Einzug neuer Nutzungen in die Gutshäuser Mecklenburg-Vorpommerns ist augenfällig. Viele Gutshäuser befinden sich aber noch im Eigentum der Gemeinden, beherbergen kommunale Einrichtungen und Mietwohnungen. Ihr Zustand ist meist nur mäßig. Daneben ist die Anzahl der ungenutzten Gutshäuser extrem groß. Die aufgezeigte Situation macht deutlich, dass es die Gebäude und Grundstücke als Teile der Gutslandschaft durch Umnutzung mit sinnvollen und ökonomisch tragfähigen Nutzungskonzeptionen auch langfristig zu erhalten gilt. Hierbei bietet sich insbesondere der Tourismus als Option an. Die Verflechtungsbereiche zwischen dem Tourismus und der Landwirtschaft sind bedeutend. Die Vermietung von Ferienzimmern hat auf dem Lande eine lange Tradition. In Schleswig-Holstein ermöglicht der Tourismus den Agrarbetrieben die sinkenden Erträge aus der Landwirtschaft zu kompensieren. In Mecklenburg-Vorpommern ist diese Kombination selten, da es nur wenige mittelständische Landwirtschaftsbetriebe gibt. Der Tourismus stellt aber auch hier eine Möglichkeit dar, entsprechende Gebäude und Grundstücke überhaupt wieder einer Nutzung zuzuführen.

Die Umnutzung von Gebäuden ist nichts ungewöhnliches. Diese Vorgänge sind allgegenwärtig und laufen zumeist, zum Beispiel bei der Umwandlung von Mietwohnungen in Praxisräume oder Anwaltskanzleien, ohne Aufsehen ab. Mehr als diese große Anzahl von Fällen gelangen die relativ wenigen Beispiele zunächst des Funktionsverlustes von großen Industrieanlagen und gegebenenfalls deren Revitalisierung ins Bewusstsein. Diese Arbeit soll die Umnutzung von Gebäuden, Parks oder Landschaftsteilen zum Gegenstand haben, die im Zusammenhang mit einer Gutsanlage stehen. Es findet somit eine Einengung auf zumeist (ehemals) landwirtschaftliche Gebäude und Anlagen eines bestimmten Typus statt. Dieser Bereich ist vergleichsweise wenig erforscht und bearbeitet. Entweder wird die Umnutzung einzelner Objekte beschrieben oder es werden allgemeine Teilaspekte isoliert betrachtet. Welche Umnutzung in Frage kommt, hängt hauptsächlich vom Standort, den Gebäuden selbst, von der Finanzierung und den persönlichen Präferenzen und Zielen der Besitzer ab.