Benutzer:Binse/Bells Ungleichung

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Die Ungleichung bei Annahme von verborgenen Variablen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In dem hier betrachteten Experiment wird von den im Singulettzustand verschränkten Photonen jeweils eines an Labor von Alice, das andere an das davon entfernte Labor von Bob verschickt. Alice testet die lineare Polarisation ihrer Photonen in zufälliger Wahl mit gleicher Wahrscheinlichkeit in einer von drei Messrichtungen . Bob wählt ebenso zufällig Messrichtungen , die zu denen von Alice orthogonal sind. Das bewirkt, dass die zwei Photonen gleich reagieren, wenn sie in den gleich bezeichneten Richtungen getestet werden (bei paralleler Messrichtung würden sie als Singulett stets entgegengesetzt reagieren).

Die Hypothese besteht in der Annahme, dass jedes Photon eine Art von individuellen Eigenschaften besitzt, die ihm für jede Messrichtung vorgeben, ob es bei einem Test als horizontal oder vertikal polarisiert reagieren wird. Das korrelierte Verhalten verschränkter Photonen beruht nach dieser Hypothese darauf, dass ihre verborgenen Variablen entsprechend korreliert sind.

Die beiden möglichen mit einem Filter bestimmten Werte der linearen Polarisation heißen traditionell , horizontal, und , vertikal. In den drei Orientierungen der Filter in dem betrachteten Experiment hat demnach jedes der einlaufenden Photonen eine Voreinstellung auf horizontal oder vertikal, in Zeichen , die sich bei einer entsprechenden Messung offenbaren wird. Und diese Voreinstellungen sind wegen der Verschränkung für Alices und Bobs Photon identisch.

Für einen Moment sollen anschauliche Codeworte die mathematischen Zeichen ersetzen: groß/klein statt , blond/dunkel für und Frau/Mann für . Bezüglich dieser drei Aspekte bilden Alices und Bobs Photon je ein Paar von identischen Zwillingen: Beide sind z. B. groß, blond und weiblich. Jedes Photon lässt sich zwar nur in einer Messrichtung testen: es erlaubt nur eine Frage zu stellen: nach Größe, Haarfarbe oder Geschlecht. Wenn aber Alice ihrem Photon eine und Bob seinem Photon eine andere Frage stellt, erfahren sie für das Paar zwei der interessierenden Eigenschaften. Dabei lässt sich eine einfache kombinatorische Feststellung treffen. Unter den insgesamt von Alice vermessenen Photonen ist die Anzahl der großen blonden gleich der Anzahl der großen blonden Frauen plus der der großen blonden Männer. Lässt man jeweils eine Bedingung weg, so werden die gefundenen Anzahlen nicht kleiner. Es ist also die Anzahl der großen blonden Photonen nicht größer als die der blonden Männer plus der Anzahl der großen Frauen unter ihnen. Mit dem Zeichen für Anzahl und zurückübersetzt in die Formelzeichen ist das die bellsche Ungleichung:

Beruht also das Polarisationsverhalten verschränkter Photonen auf lokalen verborgenen Variablen, so müssen die Messwerte des beschriebenen Experiment diese Ungleichung erfüllen.

Verletzung der Ungleichung in der Quantentheorie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Da Alice und Bob unabhängig von einander die drei Orientierungen der Filter jeweils mit gleicher Wahrscheinlichkeit (=1/3) verwenden, wird jede der Kombinationen mit geringen Fehlern in gleicher Häufigkeit getestet, wenn die Gesamtzahl der Messungen hinreichend groß ist. Mit wachsender Zahl von Messungen nähern sich ferner die Quotienten etc. nach der Formel (Anzahl Erfolge)/(Anzahl Versuche) beliebig genau der jeweiligen Wahrscheinlichkeit etc. Damit nimmt die Ungleichung die Form

an.

Von Licht, das ein Polarisationsfilter der Position passiert hat, lässt ein weiteres Filter in Position nach dem Gesetz von Malus den Anteil passieren. Die Quantentheorie erklärt das damit, dass ein in Richtung polarisiertes Photon von einem Filter in Position mit Wahrscheinlichkeit durchgelassen (und mit Wahrscheinlichkeit absorbiert) wird.

Obwohl die Messung an einem Photon des verschränkten Paars das andere Photon nicht wirklich beeinflusst, ist die quantentheoretisch berechnete Wahrscheinlichkeit für ein Paar von Messergebnissen an den zwei hier betrachteten Photonen die gleiche, als hätte die Messung an einem Photon das andere in den gemessenen Zustand überführt, bevor auch dieses gemessen wurde; mit anderen Worten, als hätten beide Messungen nacheinander am selben Photon stattgefunden. Damit sind und . Dagegen ist denn bedeutet, dass das Photon absorbiert wurde.

Insgesamt ergibt sich

.

Tatsächlich gilt dies nun aber nicht für beliebige . Wählt man , mit  , so ergäbe sich

was offenbar falsch ist.

Gemäß der Quantentheorie gilt die bellsche Ungleichung also nicht immer.

Dritter Entwurf unter Berücksichtigung der bisherigen Kritik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die bellsche Ungleichung betrifft Messreihen an quantenverschränkten Teilchenpaaren. Sie wurde 1964 von John Stewart Bell veröffentlicht[1], der damit ein Konzept Einsteins widerlegte. Schon 1935 hatten Albert Einstein, Boris Podolsky und Nathan Rosen[2], kurz EPR, gezeigt, dass der lokal-realistische Standpunkt der klassischen Physik dazu zwingt, den Teilchen individuelle Eigenschaften zuzuschreiben, die ihr unterschiedliches Verhalten bei Messungen steuern und damit den quantenmechanischen Zufall vortäuschen. Andernfalls sei die Quantentheorie unvollständig. Bell zeigte nun, dass bei bestimmten Experimenten an verschränkten Teilchenpaaren die Messergebnisse stets seine Ungleichung erfüllen müssten, falls man Einsteins Konzept folgt. Die Quantentheorie sage aber in bestimmten Fällen die Verletzung der Ungleichung voraus. Was 1964 bei Bell ein Gedankenexperiment war, wurde ab 1982 durch echte Experimente, zuerst von Alain Aspect, bestätigt[3]. Zugleich mit Einsteins Konzept der individuellen Teilcheneigenschaften gilt seitdem auch sein Ausgangspunkt, der lokale Realismus, als widerlegt. Mindestens eines der beiden Prinzipien von Lokalität und Realismus muss man aufgeben. Nicht alle Physiker folgen allerdings dieser Argumentation.


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Nochn Versuch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Hat ein Photon ein Polarisationsfilter passiert, so hat es die von dem Filter vorgegebene Richtung der linearen Polarisation. Fällt es anschließend auf ein Filter mit der Richtung , die gegen die des ersten Filters um den Winkel gedreht ist, so ist im Einzelfall nicht vorhersehbar, ob es passiert oder absorbiert wird. Bei einer großen Zahl von Versuchen jedoch passiert es das zweite Filter mit Wahrscheinlichkeit , was dem klassischen Gesetz von Malus entspricht. In der zu senkrechten Richtung werden solche Photonen also mit Sicherheit absorbiert. An Stelle von Polarisationsfiltern werden für Experimente besser polarisierende Strahlteiler verwendet. Auch sie lassen ein Photon passieren, wenn es in Richtung polarisiert ist, absorbieren es aber nicht bei Polarisation in Richtung , sondern reflektieren ein solches Photon in einen anderen Strahlengang. Photonendetektoren haben eine hohe Verlustrate, und bei Verwendung eines Filters kann man nicht unterscheiden, ob ein Photon im Filter absorbiert wurde oder im Detektor verloren gegangen ist. Bei Verwendung von Strahlteilern ignoriert man Versuche, bei denen keiner der zwei Detektoren anschlägt.

Ein aus mehreren Komponenten (α und β) zusammengesetztes System muss in der Quantentheorie häufig als ein Objekt (α,β) mit eigenen Zuständen behandelt werden. Unter den möglichen Zuständen gibt es dann stets auch solche, die nicht beschrieben werden können, indem man einen Zustand von α und einen von β benennt. In einem solchen Zustand des Systems heißen α und β miteinander verschränkt. So können zwei Photonen α und β derart miteinander verschränkt sein, dass bei einem Test an parallelen Polarisationsfiltern stets beide passieren oder beide absorbiert werden, und dies für jede beliebige Orientierung der (parallelen) Filter. Ein verschränktes System bleibt ein Quantenobjekt, auch, wenn die Komponenten räumlich voneinander getrennt werden. Werden von einem solchen Paar etwa α von Alice in Labor A und β im beliebig weit entfernten Labor B von Bob in zwei Strahlteiler der gleichen beliebig gewählten Richtung geschickt, so folgt jedes mit Wahrscheinlichkeit 1/2 einem der zwei möglichen Wege. Und dabei nehmen stets beide den Weg, der Polarisation oder beide den, der Polarisation anzeigt. Dieser Quanteneffekt ist für klassisch physikalisches Denken völlig unverständlich, wurde aber experimentell vielfach bestätigt.

  1. J. S. Bell: On the Einstein-Podolsky-Rosen paradox. In: Physics. Band1, Nr.3, 1964, S.195–200 (PDF).
  2. A. Einstein, B. Podolsky, N. Rosen: Can quantum-mechanical description of physical reality be considered complete?, Phys. Rev. 47 (1935), S. 777–780 doi:10.1103/PhysRev.47.777.
  3. Alain Aspect, Jean Dalibard, Gérard Roger: Experimental Test of Bell's Inequalities Using Time- Varying Analyzers. In: Physical Review Letters. Band49, Nr.25, 1982, S.1804–1807, doi:10.1103/PhysRevLett.49.1804