Benutzer:L Nico/Restorative Justice in EU

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Restorative Justice in Europa findet sich in den Rechtsordnungen praktisch aller Länder verankert. Die Form und das Ausmaß sowie der Stand der bisherigen Entwicklung variieren beträchtlich.


Belgien[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In den verschiedenen Regionen Belgiens ist seit den späten 1980ern eine ausgeprägte und vielfältige Landschaft an Pilotprojekten und Initiativen zu Restorative Justice entstanden, häufig mit privaten Vereinen als Trägern, aber Anbindung an das offizielle Justizsystem.

Das Belgische Jugendschutzgesetz von 1965 bot einen losen rechtliche Rahmen für die meisten dieser Initiativen; eine Novelle aus 2006 verankerte restorative Praktiken deutlich stärker. Seither gibt es in allen Gerichtsbezirken Belgiens Servicestellen, die sowohl Täter-Opfer-Mediation anbieten, als auch restorative Gruppenkonferenzen, gemeinnützige Arbeiten und Bildungsprogramme. Außerdem ist die Staatsanwaltschaft verpflichtet, im Fall minderjähriger Beschuldigter immer eine Mediation in Betracht zu ziehen; entscheidet sie sich dagegen, bedarf dies einer gesonderten Begründung. Gerichte haben zusätzlich die Möglichkeit der Zuweisung zur Mediation. Dass die Zuweisung zur Mediation als Normalfall vorgesehen ist und das Strafverfahren als begründungsgebundener Sonderfall kann als logische Umsetzung des "Ultima Ratio" Prinzips (Strafe als letztes Mittel) angesehen werden. Die belgische Rechtslage geht damit deutlich weiter als die meisten anderen europäischen Praktiken bisher.

Bei Erwachsenen gibt es in Belgien 4 verschiedene Mediationsvarianten: Penal mediation – die einzig gesetzlich verankerte Variante, die eine echte Diversion darstellt, indem ihr Erfolg die Einstellung des Verfahrens nach sich zieht. Mediation for redress, „Wiedergutmachungsmediation“ oder „Mediation nach Anklage“- dabei werden eher schwere Fälle behandelt. Mediation auf polizeilicher Ebene – vom Staatsanwaltschaft angeordnet bei leichten Vergehen, zielt auf Schadensgutmachung. Mediation während der Haft, kann vom Täter oder Opfer beantragt werden.

Nur bei Variante 2 und 4 handelt es sich um mediationsbasierte Prozesse, die, wenn auch oft nur in indirekter Form auf die Täter-Opferbeziehung fokussieren. Variante 1 und 3 tragen bloß den Namen von Mediation, meinen aber meist Wiedergutmachung oder gemeinnützige Leistung und haben keine Täter-Opferkommunikation zum Ziel.

1998 wurden bundesweit etwa 2200 Fälle bearbeitet, von denen 1800 Fälle von Mediation in Strafsachen waren.


Deutschland[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

siehe: TOA

Der Täter-Opfer-Ausgleich (TOA) in Deutschland wird vor allem für Jugendliche, aber auch für Erwachsene eingesetzt, bei leichteren Delikten wie Sachbeschädigung, Drohung oder Diebstahl. Die Zuweisung kann durch Staatsanwaltschaft oder Gericht erfolgen, auch Jugendgerichtshilfe, Polizei oder die beteiligten Parteien können einen TOA anregen. Die Teilnahme beider Parteien ist immer freiwillig. Eine erfolgreiche Mediation mündet in einer Wiedergutmachungsvereinbarung; die Staatsanwaltschaft kann daraufhin das Strafverfahren einstellen. Bei gescheiterter Mediation läuft das Strafverfahren weiter. Die Mediation bringt nur die Beschuldigten und die Geschädigten zusammen, keine Mitglieder der Gemeinschaft.

Norwegen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Seit Mitte der 70er Jahre gab es in Norwegen wachsende Versuche mit Mediation im Strafrecht, zunächst mit Jugendlichen, später auch mit Erwachsenen. Die heutige Rechtslage beruht im Wesentlichen auf dem Gemeinde-Mediations-Service-Gesetz aus 1991, der sowohl straf- als auch zivilrechtliche Angelegenheiten umfasst.

Die Zuweisung in strafrechtlichen Angelegenheiten erfolgt durch Staatsanwaltschaft nach Beendigung der polizeilichen Ermittlungen. Damit eine Mediation stattfinden kann, müssen beide Parteien dem Verfahren zustimmen, und sich über die faktischen Umstände der Tat einig sein; von den Beschuldigten wird ein diesbezügliches Bekenntnis verlangt. Die Mediation verläuft zumeist in einer persönlichen Begegnung der Beteiligten, die befreundete Personen zu ihrer Unterstützung mitbringen können (nicht jedoch Anwälte). Den Abschluss einer Mediation bildet ein Protokoll, in dem die der Verlauf des Verfahrens festgehalten wird: es kann die ausgedrückten Gefühle der Parteien beinhalten, Entschuldigungen, und Vereinbarungen zur Wiedergutmachung, etwa in Form von Zahlungen oder Dienstleistungen. Das von allen unterschriebene Protokoll geht an die Staatsanwaltschaft. Bei erfolgreicher Mediation wird das Verfahren eingestellt; bei nicht erfolgreicher Mediation läuft das Strafverfahren weiter.

Bis 2003 lag die Verwaltung der Mediationsservices bei den Gemeinden, dann wurden die Services mit einer Gesetzesänderung direkt ins staatliche Justizsystem integriert. Neben dem zentralen Büro in Oslo gibt es lokale Mediationsbüros (früher: 36, ab 2004: 22) mit angestellten Koordinationspersonen. Die landesweit etwa 700 Mediatorinnen und Mediatoren sind ehrenamtlich. Sie müssen über 18 Jahre alt sein und in der Gemeinde wahlberechtigt; Bedingungen in Bezug auf Beruf oder Ausbildung werden nicht gestellt. Die Ernennung erfolgt auf vier Jahre, es erfolgt eine viertägige Einschulung, gefolgt von jährlichen Konferenzen und einer Zeitschrift zur Weiterbildung und zur Verbreitung von best practice.

In Norwegen werden jedes Jahr 5-6.000 Fälle einer Mediation zugewiesen. Davon sind die Hälfte strafrechtlich relevant, der Rest besteht zu großen Teilen aus Fällen mit Minderjährigen, die noch nicht straffähig sind; in beiden Fällen geht es großteils um männliche Jugendliche. Die häufigsten Delikte sind Vandalismus (26%), Gewalttaten (19%) und Ladendiebstahl (15%). In 91% der Fälle wird in der Mediation eine Übereinkunft erzielt, in 94% davon die getroffenen Vereinbarungen auch eingehalten. 40% der Fällen enthalten eine finanzielle Kompensation, 21% Kompensation in Form einer Dienstleistung.

Das Mediationsservice steht auch in Fällen ohne strafrechtliche Dimension zur Verfügung. Partien können sich selbst an das Service wenden; Nachbarschaftskonflikte machen 8% aller Mediationsfälle aus.

Österreich[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

siehe: ATA In Österreich ist die Mediation im Strafrecht in Form des (früher: "außergerichtlichen") "Tatausgleichs" verankert: seit 1989 für Jugendliche, seit 1999 für Erwachsene, mit jeweils Modellversuchen in den Jahren davor. Erfasst werden Delikte von Sachbeschädigung bis zu leichter und schwerer Körperverletzung. Die Zuweisung erfolgt durch die Staatsanwaltschaft, eventuell auch durch das Gericht. Die Mediation wird bundesweit vom staatlich finanzierten Verein Neustart durchgeführt. Mediatoren und Mediatorinnen sind hauptamtlich und bedürfen einer sehr umfangreichen spezifischen Ausbildung. In der Mediation werden nur Beschuldigte und Geschädigte zusammengebracht, keine Mitglieder der Gemeinschaft. Voraussetzung für die Mediation ist laut Strafprozessordnung die freiwillige Teilnahme beider Parteien; die Bereitschaft der Verdächtigten, für die Tat einzustehen, die Tatfolgen auszugleichen und ähnliche Verhaltensweisen in Zukunft zu unterlassen. Erfolgreiche Mediation endet mit einer schriftlichen Vereinbarung und erübrigt ein weiteres Strafverfahren. Bei Scheitern der Mediation wird das Strafverfahren fortgesetzt.

Die Erfolgsraten des Tatausgleichs wurden in mehreren Studien untersucht, die übereinstimmend ergaben, dass die meisten Parteien das Angebot einer Mediation annehmen, und in 80 - 95% der Fälle ein positiver Abschluss gefunden wurde. Die Rückfallquote nach einem Tatausgleich ist tendenziell niedriger als nach einem Strafverfahren und Verurteilung.i