Benutzer:Ulamm/Baustelle England

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In England gibt es über 2400 mehrschiffige Kirchen ohne Obergaden, davon über 1400 Hallenkirchen im engeren Sinne, etwa doppelt so viele wie in Deutschland. Die diesem Aufsatz zugrunde liegende Erfassung wurde systematisch nur für bis Ende des 18. Jahrhunderts begonnene Bauten durchgeführt, ohne jüngere Bauten auszuschließen. Daher sind jedwede Angaben von Anzahlen nur als Mindestwerte möglich. Ein großer Teil dieser Kirchen meisten dieser Kirchen erhielt ihre heutige Gestalt in Grundzügen schon im Mittelalter, aber bis ins 20. Jahrhundert wurden einschiffige Kirchen durch Anfügen von Seitenschiffen zu Hallenkirchen erweitert und auch völlige Neubauten als Hallenkirchen ausgeführt.

Die Diskrepanz zwischen der geringen Anzahl weithin als solcher bekannter Hallenkirchen und dem tatsächlichen Bestand hat zwei Aspekte: Englische Baubeschreibungen befassen sich viel mit einzelnen Gebäudeteilen und Bauelementen, aber wenig mit der Gesamtklassifikation der Gebäudegestalt. Die Bezeichnung „Hallenkirche“ ist in ihrer deutschen und niederländischen Bedeutung in England bisher unüblich. Auch der Begriff ‚Basilika‘ wird selten verwendet. Der Terminus ‚aisled nave‘ (Schiff mit Seitenschiffen) trifft gleichermaßen für Hallenkirchen und Basilikan zu. Der deutschen Grundvorstellung einer gotischen Hallenkirche entsprechen in England nur drei mittelalterliche Kirchen, das Langhaus der Temple Church in London, die Lady Chapel der Kathedrale von Salisbury und die Kathedrale von Bristol. Fast alle mittelalterlichen Hallenkirchen Englands kommen mit ihren hölzernen Deckenkonstruktionen auf gemauerten Arkaden eher niederländischen und flämischen Bauformen nahe – die dort aber neben steingewölbten Hallenkirchen existieren. Der Blick auf die Kirchenarchitektur fremder Länder konzentriert sich zumeist auf die ranghöchsten und aufwändigsten Kirchen, im Wesentlichen Kathedralen und große Stiftskirchen, aber die englischen Hallenkirchen sind größtenteils Pfarrkirchen, Hospitalkirchen, kleinere Stiftskirchen.

Immerhin erwähnt Johann Josef Böker in seinem Buch über die englische Sakralarchitektur des Mittelalters die holzgedeckten Hallenkirchen als wichtigen Bautyp, allerdings nur in zwei kurzen Textpassagen.[1]

Zur Untersuchungsmethode[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Seit der letzten Jahrtausendwende sind in großer Zahl Fotografien zusammengekommen, zumeist in Farbe, oft in guter, manchmal in sehr guter Auflösung. Für das Vereinigte Königreich, Großbritannien, ist das vor allem das 2005 gegründete Projekt und Portal Geograph of Britain and Ireland zu erwähnen, das vom Ordonance Survey unterstützt wird, der britischen Landesvermessungsbehörde. Viele Bilder aus diesem Projekt sind in die Wikimedia Commons übernommen worden, einen weltweiten Bilderfundus, der zudem den Vorteil hat, in verständlicher Weise systematisch geordnet zu sein. Beide sind die Hauptquellen der vorliegenden Untersuchung. Aus weiteren Portalen ließ sich die eine oder andere Lücke in der fotografischen Information schließen.

Das Vereinigte Königreich hat, nach seinen Teilen getrennt, hervorragende Denkmalportale, für England ist das Historic England. Dieses ist die andere Hauptquelle dieser Untersuchung, die mithin nahezu vollständig auf aus dem Internet zusammengetragenem Material beruht. Wer versucht, für eine gewisse Sparte von Baudenkmälern den Gesamtbestand eines Landes zu erfassen, ist eh großenteils auf Primärinformationen angewiesen, die von anderen erhoben wurden. Darum mögen die Leserinnen und Leser mir verzeihen, dass ich nicht, wie im 19. Jahrhundert Georg Dehio, mit dem Bandmaß von Kirche zu Kirche gefahren bin.

Gewisse Lücken und andere Schwächen sollen nicht verschwiegen werden: Ähnlich wie bei gedruckten Architekturführern erscheint auch so manche Datierung in Historic England überprüfungsbedürftig. Das war ohne Besuch mit eingehender Besichtigung nicht möglich. Von manchen Kirchen lagen nur Außenaufnahmen vor, einschließlich Orthofotos, die bei den in England üblichen Dachkonstruktionen aussagekräftiger sind, als etwa in Deutschland. Die meisten der verfügbaren Innenfotos sind nicht zu dem Zweck erstellt worden, die Raumdecken zu dokumentieren. Nur wenige Bilder erleichtern als diagonale oder transversal aufgenommene Übersichten den Vergleich zwischen verschiedenen Teilen der Kirchenräume. Decken von Innenräumen, die weit höher ragen als ihre Fenster, sind oft schlecht ausgeleuchtet.

Definitionen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zur sprachliche Erfassung von Aspekten der Architektur eines Landes, die dort bisher nicht oder kaum wahrgenommen wurden, ist eine Vergewisserung der Begrifflichkeit sinnvoll, ausgehend von Ländern, wo diese Aspekte schon seit längerer Zeit thematisiert werden.

Besteht der Kirchenraum aus mehreren in jeder Jochreihe durch weite Öffnungen untereinander verbundenen Schiffen gleicher Höhe, so handelt es sich nach deutscher wie niederländischer Terminologie zweifellos um eine Hallenkirche. Eine gleich starke Durchlässigkeit des Kirchenraums in Quer- wie Längsrichtung ist allerdings nur bei Kreuzgewölben gegeben, also Kreuzgratgewölben, Kreuzrippengewölben und ihren Varianten, auch bei Kuppelgewölben über jedem Joch, dazu bei den vergleichsweise seltenen völlig flachdeckigen mehrschiffigen Kirchenräumen. Es gibt aber auch Hallenkirchen mit Tonnengewölben. Hier ist die optische Durchlässigkeit quer zu den Tonnen notwendigerweise geringer als diejenige im Verlauf jeder einzelnen Tonne. In einigen romanischen Hallenkirchen Frankreichs, vor allem aber nicht nur Westfrankreichs FUßNOTE sind die Tonnen aus Stein, in den Niederlanden (vor allem Noordholland und Zeeland) und Flandern in der Regel aus Holz. In einigen dieser Kirchen überkreuzen die Tonnen sich (‚Haagsche Hallentype‘), aber es dominieren Längsarkaden, die parallele Tonnen tragen, unter parallelen Längsdächern als Witterungsschutz. In Flandern sind diese parallelen Schiffe nicht selten durch ein (gleich hohes) Querschiff unter einem Querdach verbunden. Für englische Hallenkirchen sind ebenfalls Längsarkaden und Längsdächer typisch. Querhäuser treten manchmal in Erscheinung, wo Langhaus und Chorpartie unterschiedliche Querschnitte haben.

Bei Höhenunterschieden zwischen den Schiffen werden die Begriffe Stufenhalle/Staffelhalle und Pseudobasilika verwandt. Während Günther Binding sie als Synonyme behandelt,[2] hebt Wilfried Koch die fensterlose Hochschiffswand als Kennzeichen der Pseudobasilika im Unterschied zu (anderen) Stufenhallen hervor.[3] Das unterschiedlichen Ausmaß der Höhenunterschiede kann die Kirche entweder als gegliederten aber doch einheitlichen Raum erscheinen lassen, oder aber als eine, wenn auch obergadenlose, Basilika mit dominierendem Mittelschiff und untergeordneten niedrigen Seitenbereichen.

Obwohl mehr auf das europäische Festland als auf England bezogen, sei hier die Abfolge empirisch abgrenzbarer Bauformen mehrschiffiger kreuzgewölbter Kirchenräume aufgelistet: • Alle Gewölbebasen (‚Kämpfer‘), alle Gurt-, Scheid- und Schildbögen und alle Gewölbescheitel liegen auf gleichen Höhen. Dies ist die Grundform der Hallenkirche. • Alle Gewölbebasen (‚Kämpfer‘), alle Scheid- und Schildbögen liegen auf gleichen Höhen, aber die Scheitel der Gurtbögen und der Gewölbekappen liegen im Mittelschiff höher als in den Seitenschiffen. Schon mit diesem Höhenunterschied werden Kirchen als Staffelhallen bezeichnet. • Alle Gewölbebasen (‚Kämpfer‘) liegen auf gleichen Höhen, aber nur die Seitenschiffsgewölbe beginnen direkt auf den Arkadenbögen. Die Mittelschiffsgewölbe beginnen auf etwas höher reichenden Schildbögen, in jedem Joch steht hier auf dem Arkadenbogen etwas Wand. Hier sind zweifellos die Bezeichnungen Staffelhalle und Stufenhalle angebracht. Besonders ausgeprägt sind die besagten Wände zwischen Arkaden- und Schildbögen bei Hallenkirchen mit gebundenem System.[4] • Die Mittelschiffsgewölbe sind insgesamt im Vergleich zu den Seitenschiffsgewölben nach oben verschoben, aber die Höhenzonen beider Gewölbe schneiden einander. Es sind also immer noch alle Teilräume etwa gleich hoch. Diesem Schema entspricht das Langhaus der Kathedrale von Poitiers, die als die erste gotische Hallenkirche gilt. Auch hier drängt sich in erster Linie die Bezeichnung ‚Hallenkirche‘ auf, wiewohl die Bezeichnung ‚Pseudobasilika‘ nicht als völlig falsch abgetan werden kann. • Die Mittelschiffsgewölbe liegen ganz oberhalb der Seitenschiffsgewölbe. Hier ist die Bezeichnung ‚Pseudobasilika‘ zweifellos zutreffend.[5] Es gibt Bauten dieser Art, die aus echten Basiliken entstanden sind, indem die Obergaden vermauert wurden und ein einheitliches Satteldach über allen Schiffen errichtet wurde. In der Ansbacher Johanniskirche ist die völlige Höhentrennung der Gewölbezonen an der südlichen Arkade konstruktiv erforderlich, da hier die Kämpfer des Mittelschiffsgewölbes den Arkadenscheiteln aufsitzen.[6] In den Niederlanden werden für die dort zahlreichen Kirchen mit hölzernen Tonnengewölben zwei Grundtypen voneinander abgegrenzt: Die Hallenkirche hat gleich hohe Schiffe (Das Niederländische bezeichnet die Teilräume als ‚beuken‘, also ‚Bäuche‘) unter Paralleldächern. Beide Traufen eines Schiffs- oder Seitenschiffsdaches liegen üblicherweise in gleicher Höhe. Die Pseudobasilika hat über dem Mittelschiff eine Längstonne, die auf den Arkaden steht, über den Seitenschiffen aber Halbtonnen, die mit ihren Scheiteln an der Arkade lehnen. Die Dächer über den Seitenschiffen sind als Schleppdächer an das Mittelschiffsdach angehängt oder reichen als abgesetzte Pultdächer nicht ganz bis an dessen Traufen. Trotz der logisch klaren Abgrenzung beider Bautypen ist die Stufenbildung bei Pseudobasiliken mit Mittelschiffstonne geringer, als wenn das Mittelschiffsgewölbe Schildbögen hat, die vollständig oberhalb der Arkadenbögen liegen. Abb. 1 Manche in England zahlreich vorkommenden Bauformen sind schlecht mit Begriffen zu erfassen, die oder wenigstens deren Häufigkeit diejenigen Wissenschaftler nicht im Auge hatten, die die gängige Terminologie geprägt haben.

Bei einem Großteil der zu betrachtenden Kirchen in England reicht der Kirchenraum bis an die Dachschrägen, und in vielen Fällen wären die Höhenverhältnisse von Arkaden und Außenwänden für den Einzug von Gewölben ungeeignet; was in Mitteleuropa mit leichter Verwunderung Ausnahmefall wahrgenommen wird,[7] ist in England ein in verschiedenen Varianten mehrhundertfach vorkommender Regelfall. Da es keine in unterschiedlichen Etagen platzierten Gewölbe gibt und Hochschiffswände fehlen können, ist hier die Bezeichnung ‚Dachschrägenhalle‘ zu erwägen, bei Vorhandensein von Hochschiffswänden auch ‚Dachschrägen-Pseudobasilika‘.

Auf dem europäischen Festland (und auch in England) kommt in klassizistischen Kirchenbauten die Verbindung einer Längstonne über dem Mittelschiff mit Flachdecken über den Seitenschiffen auf. Die Säulen oder Pfeiler können Arkaden tragen, oder auch Architrave. So etwas lässt sich als Staffelhalle bezeichnen, unterscheidet sich jedoch stark von den kreuzrippengewölbten Staffelhallen der Gotik. Um auch auf England anwendbar zu sein, wo Seitenschiffe mit sehr gering geneigten Decken schon im 15. Jahrhundert aufkommen und die höher ragenden Mittelschiffe in vielen Fällen nicht mit Gewölben gedeckt sind, kann für derartige Bauformen die Bezeichnung ‚Flachseitenhalle‘ geeignet sein.

Eine Besonderheit englischer Bauterminologie (die vielleicht auch zur fehlenden Thematisierung der Hallenkirchen beigetragen hat) ist die Neigung, die Gebäudeteile und Strukturelemente eher getrennt zu betrachten, weniger ein Bauwerk als ganzes. Der Begriff ‚aisled nave‘ ((Haupt-) Schiff mit Seitenschiffen) ist fast das Maximum an Integration, verrät aber noch nichts über den Querschnitt im Sinne einer Basilika oder einer Hallenkirche. Bei den östlichen Teilen wird das ‚chancel‘ (Altarraum, Presbyterium, Chor) von den ‚chapels‘ unterschieden. Inwieweit diese Chorpartie den Charakter einer Hallenkirche hat, hängt davon ab, ob sie durch Arkaden (evt. mit schlanken Pfeilern) untereinander verbunden sind, was der Beschreibung oder auch Fotos zu entnehmen ist, und vom Verhältnis ihrer Höhen, was Fotos, notfalls alleine Außenfotos, zu entnehmen ist.

Epochen und Formen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Insgesamt lassen sich in England vier Gruppen von Hallenkirchen und Pseudobasiliken unterscheiden.

Zu den steingewölbten mittelalterlichen Hallenkirchen gehört vor den schon genannten wenigen gotischen Beispielen eine romanische Emporenhalle, die im letzten Viertel des 11. jahrhunderts errichtete St John's Chapel des Londoner Tower: Da das Dach des Towers aus militärischen Gründen eine gut begehbare ebene Fläche sein sollte, ist die dreischiffige Kirche mit Umgangschor als Halle ausgeführt. Die Tonnengewölbe des Mittelschiffs und über der Empore beginnen oberhalb der Bögen der oberen Arkade. Die Empore selber wird von Kreuzgratgewölben getragen.

Die ältesten Arkaden holzgedeckter Hallenkirchen und Pseudobasiliken stammen aus dem 12. Jahrhundert. Das Konstruktionsprinzip hielt sich mit Variationen in Details bis ins 17. Jahrhundert. Wie schon erwähnt, kann die Holzdeckung sowohl aus offenen Dachstühlen als auch aus hölzernen Gewölben bestehen. Selbstverständlich gibt es, allerdings nur vereinzelt, auch einmal eine waagerechte Balkendecke unter einem spitzen Satteldach.

Die georgianische Architektur des 18. und frühen 19. Jahrhunderts, benannt nach den ersten vier Königen aus dem dem Haus Hannover überwiegen verputzte Decken, flach, kassettiert oder gewölbt. Die Stützen können Architravbalken oder auch Arkadenbögen tragen. Ähnlich nach antiken Vorbildern gestaltete Säulen und Pfeiler tragen in manchen Kirchen barocke Gewölbe, in manchen hingegen schlichte Flachdecken.

Auch Kirchen mit neugotischen Fassaden können klassizistische Innenräume haben. Im Historismus, der in England parallel zur klassizistisch-barocken Architektur anläuft, gibt es bei der Innengestaltung von Kirchenräumen mehrere Stränge parallel. Außer den gerade erwähnten Formen gibt es eine Rückkehr zu Arkaden und Holzdeckung. In manchen Kirchen wird dieses Prinzip unter Anwendung neuer technischer Möglichkeiten kreativ weiterentwickelt, beispielsweise mit gusseisernen Säulen und zu Gittern aufgelösten Arkaden. Andererseits entstehen in England deutlich mehr steingewölbte Hallenkirchen in der Neugotik, als im Mittelalter.

Formenpalette holzgedeckter Kirchen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In den holzgedeckten englischen Kirchen besteht zumeist ein enger Zusammenhang zwischen den oberen Abschlüssen der Teilräume innen und der Dachlandschaft außen. Allerdings lässt eine bestimmte Form und Lage des Daches manchmal mehrere Innengestaltungen zu.

Aus mitteleuropäischer Sicht ungewohnt ist der große Anteil asymmetrischer zweischiffiger Kirchen. In Mitteleuropa kommen derartige Bauten zwar als Einzelfälle vor, aber die meisten zweischiffigen Kirchen haben dort zwei gleichwertige Schiffe, und der Chor steht symmetrisch zur Mittelarkade oder Mittelstütze. In England schließt grundsätzlich an der Hauptschiff (‚nave‘), der Chor (‚chancel‘) an, an das Seitenschiff manchmal gar kein Heiligtum, aber nicht Selten die Grabkapelle einer Grundherren-Familie.

Auf einem Seitenschiff liegt entweder ein Pultdach oder ein Paralleldach. Ein Pultdach kann als Schleppdach am Dach des Mittelschiffs hängen, oder durch einen Absatz von diesem getrennt sein, der nur wenige Zentimeter hoch sein kann, oder (als außen sichtbare fensterlose Hochschiffswand) einen Meter und mehr. Oder das Seitenschiffsdach setzt als Schleppdach das Mittelschiffsdach fort. Wenn sich dabei im Bereich der Arkade ein konvexer Knick ergibt, wird die Dachform humorvoll als ‚catslide roof‘ (Katzengleitdach) bezeichnet. Die Lage des Seitenschiffs unter einem angehängten Dach gehört in den Niederlanden neben dem entscheidenden Höhenunterschied mit zum Bild des ‚pseudobasilcaal schip‘.

Oder das Seitenschiff hat ein eigenes Satteldach, seltener Walmdach, wie es für niederländische Hallenkirchen typisch ist. So ein Paralleldach hat selbstverständlich zwei Traufen, eine oben an der Außenwand und eine gemeinsam mit dem Mittelschiffsdach. Während in den Niederlanden Außentraufe und Zwischentraufe fast immer etwa gleich hoch liegen, liegt in England die Zwischentraufe nicht selten deutlich höher als die Außentraufe. Und wesentlich häufiger als in den Niederlanden und Flandern ist ein Seitenschiff deutlich schmaler als das Hauptschiff. Damit erreicht (bei gleichen Dachneigungen) das Tonnengewölbe oder der offene Dachraum über dem Seitenschiff eine deutlich geringere Höhe als über dem Mittelschiff. Hallenkirchen mit Paralleldächern sind am häufigsten in Südwestengland, bilden in Devon und Cornwall sogar mehr als die Hälfte des Kirchenbestandes. In mehreren Grafschaften südlich der Themse liegen sie etwa gleich auf mit mehrschiffigen Kirchen ohne Paralleldächer. Im Osten und Nordosten Englands sind Paralleldächer seltener als Hallenkirchen im weiteren Sinne, aber nur mit einem Satteldach, und der Anteil mehrschiffiger Kirchen ohne Obergaden ist dort insgesamt geringer.

St Mary in the Marsh (Romney Marsh, Kent), Kirche St Mary the Virgin: Schmale Seitenshciffe beginnen in gleicher Höhe wie das Mittelschiff

Asymmetrische und trotz eigenem Dachfirst niedrige Seitenschiffe weichen die Unterscheidung zwischen Hallenkirche und Pseudobasilika im niederländischen Sinne auf. Wie schon bei den Definitionen angesprochen, lässt sich der Begriff Pseudobasilika mit gutem Grund deutlich enger definieren, als es in den Niederlanden gehandhabt wird. Ob ein Innenraum eher einer Basilika ähnelt, oder deutlich Hallencharakter hat, kann von verschiedenen Besuchern und anderen Betrachtern subjektiv unterschiedlich bewertet werden. Dieser Aufsatz kann die Frage der Abgrenzung und Überschneidung von Begriffen nicht abschließend lösen. Es ist aber zu hoffen, dass sich objektive Kriterien herausbilden, wenn die englischen Hallenkirchen (und ähnliche Beuten in anderen Ländern) stärker ins Bewusstsein einer kunsthistorisch interessierten Öffentlichkeit gerückt sind.

Als Überleitung zur Variationsbreite pultdeckiger Seitenschiffe ist zu erwähnen, dass gar nicht selten eine Kirche über einem Seitenschiff ein Pult- oder Schleppdach hat, und über dem anderen ein Paralleldach. Unter den vielen Fällen, wo Langhaus und Chorpartie deutlich voneinander abgesetzt sind, gibt es auch etliche, wo an ein pultdeckiges Seitenschiff eine Chorkapelle mit Paralleldach anschließt. Die umgekehrte Kombination ist seltener.

St Mary the Less in Westley Waterless, Cambridgeshire,

Genau gleiche Dachneigungen über Hauptschiff und Seitenschiffen finden sich in nennenswerter Anzahl in manchen Grafschaften der Midlands, sind aber im übrigen England sehr selten. Eine verglichen mit dem Haupschiff wenig geringere Neigung des Dachs über dem Seitenschiff (oder den Seitenschiffen) ist relativ häufig in Sussex, kommt aber auch in anderen Gebieten vor. Es könnte die in England die älteste Form der Mehrschiffigkeit ohne Obergaden sein. Sofern dabei das Mauerwerk der Arkaden die Bogenscheitel nur wenig überragt, es also keine Hochschiffswände gibt, kann ein bis an die Dachschrägen reichender Kirchenraum sehr einheitlich, also hallenartig wirken – Stichwort ‚Dachschrägenhalle‘.

Ein stärkerer Knick zwischen Hauptschiffsdach und Seitenschiffsdach grenzt beide Teilräume stärker voneinander ab. Sofern die Mauerkante der Außenwand trotzdem niedriger als die Arkadenscheitel liegt, entsteht eine deutlichere Unterscheidung von Hauptschiff und Seitenschiff (basilikaler Charakter), obwohl der Höhenunterschied geringer ist, als beim vorgenannten Fall.

Schon im 15. Jahrhundert wurden in England Kirchendächer sehr geringer Neigung beliebt, obwohl auch weiterhin steilere Dächer gebaut wurden. Seitenschiffe waren von dieser Tendenz stärker betroffen als Hauptschiffe. Bei einer Neigung des Seitenschiffsdaches von nicht mehr als 15° bildet seine Dachschräge keine Etage mehr im Gesamtgefüge der Kirche (im Unterschied zu den Gewölbeetagen der Pseudobasilika), und die Mauerkante der Außenwand liegt oberhalb der Scheitel der Arkadenbögen. Sofern das Arkadenmauerwerk nicht wesentlich höher reicht, als die Arkadenbögen, kommt der Querschnitt des Schiffes den klassizistischen Gestaltungen mit waagerechten Seiten und Mittelschiffstonne nahe. Es ist begründbar, wenn auch nicht zwingend, hier von einer Halle und nicht von einer Pseudobasilika zu sprechen.

Es gibt auch Verbindungen eines gering geneigten Mittelschiffsdaches mit deutlich mehr als 30° geneigten Seitenschiffsdächern, aber in wenigstens einem Fall ist an der Ostwand des Turms zu erkennen, dass das Mittelschiff zunächst ein steileres Dach hatte.

Mächtigkeit der Arkaden[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im vorangegangen Abschnitt wurde an mehreren Stellen betont, eine hallenhafte Raumwirkung habe zu Bedingung, dass die Arkaden über den Scheiteln ihrer Bögen nur wenig Wand aufweisen. Alle Kombinationen von Dächern finden sich aber auch viel Mauer oberhalb der Bogenscheitel. Das betrifft auch Arkaden zwischen gleich hohen und gleichartig gedeckten Teilschiffen.

Deckengestaltuungen der (Teil-) Schiffe[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wo in mittelalterlichen Kirchen die Decken, auch steilen Dachschrägen anliegende Decken, entgegen der überwiegenden Gestaltung verputzt sind, ist nicht immer aus verfügbaren Beschreibungen ersichtlich, ob das die bauzeitliche Form oder das Ergebnis einer nachträglichen Veränderung ist.

Freiliegende hölzerne Dachkonstruktionen können einfache Sparrendächer sein, bei denen die Zahl der Binderbalken aber deutlich geringer ist als die der Gesparre. ‚Offene Dachstühle‘ sind das nur im umgangssprachlichen Sinne. Eine für die englische Gotik typische, aber in Kirchendächern durchaus nicht die häufigste, Form des ‚offenen Dachstuhls‘ (im Sinne der Zimmermannssprache) ist der ‚hammer beam roof‘: Gebogene Balken stützen weit in den Raum ragende Sattelbalken, auf deren inneren Enden ebenfalls gebogene Stuhlsäulen tragen. Sehr häufig ist der ‚wagon roof‘/‚waggon roof‘ (Planwagendach), bei dem in jedem Gesparre die Sparrenstreben und Kehlbalken einen polygonalen Bogen bilden, aber die Sicht bis zur Dachschräge nicht völlig versperren.[Vernacular Building Glossary: Waggon roof [9]

Poughill (Devon), St Michael, zweischiffig mit ‚ceiled wagon roofs‘

Das Glossar von Historic England [Glossar von Historic England] die Bezeichnung ‚wagon vault‘ missbilligt [10], werden die Bezeichnung ‚wagon roof‘ und ‚wagon vault‘ in zahlreichen Baubeschreibungen für (teilweise polygonal vereinfachte) Tonnengewölbe mit flacher Täfelung verwendet. Ganz vereinzelt findet sich für derartige Raumabschlüsse die zweifellos korrekte Bezeichnung ‚ceiled wagon roof‘ (gedecktes Planwagendach).[[]]

Beispiele[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Poughill (Devon), St Michael, Ecke des Nordseitenschiffs rechts neben dem Chorgiebel

St Winwaloe in Gaunwaloe, bekannt für seine Lage am Strand einer Bucht an der Südküste Cornwalls. Die Kirche hat drei Schiffe annähernd gleicher Größe.[11]

Westley Waterless, Cambridgeshire St Mary,
the Less (CC)
HE 1127104
Chor 13. Jh., Langhaus 14. Jh.,
dreischiffig, gleichmäßige Dachneigung bei 30°,
1855 Rundturm aus dem 12. Jh. eingestürzt, Ersatz einfacher Westgiebel
Warwick St Mary’s Church[12]
(CC) HE 1035500
nach Stadtbrand von 1694 Wiederaufbau 1707,
dreischiffig, Kreuzrippengewölbe

St Mary, Ealing, Greater London: Die verwenddung von Gußeisen statt Stein ermöglicht eine filigrane und transparente Einteilung in Schiffe und Joche, die den Idealen gotischer Architektur näher kommt, als mittelalterliche Gotik. Dabei sind die Außenwände dieser Kirche in neuromanischem Stil gehalten.

Fußnoten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Abbildungsverzeichnis[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Johann Josef Böker: Englische Sakralarchitektur des Mittelalters. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1984, S. 170 und 228/229.
  2. Günther Binding: Architektonische Formenlehre, 8.Auflage, 2019, S.12: Die Halle
  3. Wilfried Koch: Baustilkunde, 33. Aufl., 2016, S. 477 (Stichwort 601) und S. 483 (Stichwort 383.3)
  4. Matthias Untermann: Handbuch der mittelalterlichen Architektur, 2009, S. 42: Reduzierte Basilika und Stufenhalle]
  5. Mittelalterliche Architektur in Polen, Bd. 2, S. 670–676 Pseudobasilika und Stufenhalle
  6. Da im Dehio-Handbuch zu Franken die Bezeichnung Pseudobasilika nur bei sehr großen Höhenunterschieden verwendet und die Ansbacher Johanniskirche als Staffelhalle bezeichnet wird (S. ), wurde für die in diesem Artikel bevorzugte etwas großzügigere Verwendung der Bezeichnung ‚Pseudobasilika‘ die Zustimmung zweier bayerischer Denkmalschützer eingeholt.
  7. Jarosław Jarzewicz: Hinterpommern und Neumark. in Christofer Hermann, Dethard von Winterfeld (Hg.): Mittelalterliche Baukunst in Polen, 2015, Bd. 2 S.741/42 (Mohrin/Moryń, Bahn/Banie) u. 757–759 (Friedberg/Strzelce Krajeńskie)
  8. Historic England, Datensatz 1047885
  9. https://www.vernacularbuildingglossary.org.uk/a-z/waggon-roof/
  10. Heritage Data: Barrel Vault https://heritagedata.org/live/schemes/eh_com/concepts/137411.html
  11. https://www.chct.info/histories/gunwalloe-st-winwaloe/ Cornwall Historic Churches Trust: Gunwalloe, St Winwaloe
  12. St Mary's – Warwick's Church of Treasures: History & Architecture