Chondrina

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Chondrina

Westliche Haferkornschnecke (Chondrina avenacea)

Systematik
Ordnung: Lungenschnecken (Pulmonata)
Unterordnung: Landlungenschnecken (Stylommatophora)
Überfamilie: Pupilloidea
Familie: Kornschnecken (Chondrinidae)
Unterfamilie: Chondrininae
Gattung: Chondrina
Wissenschaftlicher Name
Chondrina
Reichenbach, 1828

Chondrina, wenig gebräuchlich auch Haferkornschnecken[1] genannt, ist eine Gattung der Kornschnecken (Chondrinidae) aus der Unterordnung der Landlungenschnecken (Stylommatophora). Derzeit werden der Gattung etwa 40 Arten zugewiesen. Die taxonomische Stellung mancher Arten wird noch kontrovers diskutiert.

Merkmale[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Gehäuse sind zylinderförmig, spindelförmig bis turmförmig. Sie werden 3,5 bis 14 mm hoch und 1,8 bis 4,1 mm breit. Die Schale ist eher dünnwandig, und hornfarben bis dunkelbraun gefärbt. Die Gehäuse haben 6,25 bis 8,5 Windungen, die eher schwach gewölbt sind. Die Oberfläche ist fein radial gestreift bis grob radial berippt. Der Mündungsrand ist mit wenigen Ausnahmen meist nicht verdickt. Die Mündung weist bis zu fünf Palatallamellen, eine Basallamelle, zwei Spindellamellen, eine angulare Lamelle, eine spirale Lamelle und eine Parietallamelle ausgebildet sein. Die angulare Lamelle beginnt in der oberen Ecke des Palatalrandes und reicht vergleichsweise tief in die Mündung hinein. Weiter können bei einzelnen Arten noch besondere Lamellen und Randfältchen entwickelt sein. Die gesamte Mündungsbewehrung kann aber auch teilweise oder selten auch ganz reduziert sein. Der Mündungsrand ist umgebogen. Der Nabel ist sehr eng oder geschlossen.

Im männlichen Geschlechtsapparat setzt der Penisretraktormuskel unterhalb der Mitte des Penis an. Der Samenleiter liegt im unteren Teil des Penis sehr dicht dem Penis an. Ein Blindsack (Caecum oder Flagellum) an der Penisspitze fehlt. Sehr selten ist der Stelle, an der bei anderen Kornschneckengattungen der Blindsack ansetzt eine Verdickung vorhanden, die als rudimentärer Blindsack interpretiert werden kann. Die Erweiterung des Penis enthält eine hufeisenförmige Pfeilerstruktur (Pilaster). Die Samenblase (Spermathek) reicht nicht an die Albumindrüse (Eiweißdrüse) heran und liegt neben dem Eisamenleiter (Spermovidukt). Der Stiel wird nicht von der Prostata bedeckt.

Die Radula besitzt in einer Halbquerreihe (einschließlich des Zentralzahns) 27 bis 50 Zähne, deren Hauptspitzen meist nicht sehr deutlich gegenüber den Nebenspitzen hervortreten. Auf der Basalplatte des Zentralzahns sitzen zwei schmale Stützhöcker, die unmittelbar anschließenden Seitenzähne haben auf der Basalplatte einen schmalen Stützhöcker.

Geographische Verbreitung und Lebensraum[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Verbreitungsgebiet der Gattung Chondrina reicht von Portugal im Westen bis in das Kaukasus-Gebiet im Osten. Im Norden reicht es bis nach Mitteleuropa hinein, im Süden bis Nordafrika.

Die Arten der Gattung Chondrina leben ausschließlich auf der Oberfläche von Felsen (meist Kalkfelsen), wo sie die aufwachsenden Flechten abweiden.

Taxonomie und Systematik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Grunde wurde das Taxon bereits 1817 von Georges Cuvier als Chondrus aufgestellt[2]. Cuvier wies der Gattung zwei Arten zu: Bulimus avenaceus Bruguière, 1792 und Bulimus zebra Olivier, 1801. John Edward Gray bestimmte 1847 (S. 175) Bulimus zebra zur Typusart von Chondrus Cuvier, 1817[3].

Ludwig Reichenbach ersetzte 1828 den Namen durch Chondrina, weil er meinte, dass Chondrus durch eine Algengattung präokkupiert wäre[4]. Dies ist heute kein Grund mehr, einen Ersatznamen vorzuschlagen, da die Internationalen Regeln für die Zoologische Nomenklatur und der Internationale Code der Nomenklatur für Algen, Pilze und Pflanzen voneinander unabhängig sind. Dadurch, dass Chondrina ein Ersatzname ist, ist aber Bulimus zebra auch die Typusart von Chondrina (vgl. Ausführungen von Francisco Welter Schultes[5]). Mehrere spätere Typusartbestimmungen legten Bulimus avenaceus Bruguière, 1792 als Typusart fest; sie sind damit eigentlich ungültig. Dies würde aber auch bedeuten, dass Chondrina ein jüngeres, objektives Synonym von Chondrus Cuvier, 1817 ist, eine gültige und eigenständige Gattung der Familie der Vielfraßschnecken (Enidae). Der Name Chondrina hat sich aber durchgesetzt und war seither durchgehend in Gebrauch mit Bulimus avenaceus Bruguière, 1792 als Typusart. Um den derzeitigen Gebrauch des Namens Chondrina mit Bulimus avenaceus Bruguière, 1792 als Typusart zu stabilisieren, müsste die Kommission für Zoologische Nomenklatur eine Entscheidung zur Fixierung von Bulimus avenaceus Bruguière, 1792 als Typusart treffen.

Im Treatise on Recent terrestrial pulmonate molluscs, Part 1 unterteilte Anatolij Schileyko 1998 die Gattung in zwei Untergattungen, Chondrina (Chondrina) Reichenbach, 1828 und Chondrina (Granopupa) O. Boettger, 1889. Dem ist die Fauna Europaea (und auch andere Autoren) nicht gefolgt, sondern behandelt Granopupa als eigenständige Gattung[6]. Auch die Synonymisierung der Gattung Rupestrella Monterosato, 1894 mit Chondrina (Granopupa) durch denselben Autor haben die folgenden Autoren und die Fauna Europaea nicht übernommen.

Derzeit zugewiesene Arten[7]:

Chondrina Reichenbach, 1828 ist die Typusgattung der Familie Chondrinidae Steenberg, 1925 (Kornschnecken) bzw. der Unterfamilie Chondrininae Steenberg, 1925.

Belege[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Rosina Fechter und Gerhard Falkner: Weichtiere. 287 S., Mosaik-Verlag, München 1990 (Steinbachs Naturführer 10) ISBN 3-570-03414-3 (S. 116)
  • Edmund Gittenberger: Beiträge zur Kenntnis der Pupillacea: III. Chondrininae. Zoologische Verhandelingen, 127(1): 3-267, 1973 ISSN 0024-1652 PDF.
  • Michael P. Kerney, R. A. D. Cameron & Jürgen H. Jungbluth: Die Landschnecken Nord- und Mitteleuropas. 384 S., Paul Parey, Hamburg & Berlin 1983, ISBN 3-490-17918-8 (S. 65)
  • Bas Kokshoorn: "Resolving riddles and presenting new puzzles in Chondrinidae phylogenetics". Doktorarbeit, Universität Leiden, ISBN 978-90-71382-56-7. Open Access
  • Bas Kokshoorn, Edmund Gittenberger: "Chondrinidae taxonomy revisited: new synonymies, new taxa, and a checklist of species and subspecies (Mollusca: Gastropoda: Pulmonata)". Zootaxa, 2539: 1-62, 2010 Preview (PDF; 21 kB).
  • Anatolij A. Schileyko: Treatise on Recent terrestrial pulmonate molluscs, Part 1. Achatinellidae, Amastridae, Orculidae, Strobilopsidae, Spelaeodiscidae, Valloniidae, Cochlicopidae, Pupillidae, Chondrinidae, Pyramidulidae. Ruthenica, Supplement 2(1): 1-126, Moskau 1998 ISSN 0136-0027
  • Francisco W. Welter-Schultes: European non-marine molluscs, a guide for species identification = Bestimmungsbuch für europäische Land- und Süsswassermollusken. A1-A3 S., 679 S., Q1-Q78 S., Göttingen, Planet Poster Ed., 2012, ISBN 3-933922-75-5, ISBN 978-3-933922-75-5

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Jürgen H. Jungbluth und Dietrich von Knorre: Trivialnamen der Land- und Süßwassermollusken Deutschlands (Gastropoda et Bivalvia). Mollusca, 26(1): 105-156, Dresden 2008 ISSN 1864-5127
  2. Georges Cuvier: Le règne animal distribué d'après son organisation : pour servir de base a l'histoire naturelle des animaux et d'introduction a l'anatomie comparée avec figures, dessinées d'après nature. Paris, Déterville :1817 Online bei www.biodiversitylibrary.org (S. 408)
  3. John Edward Gray: A list of the genera of recent Mollusca, their synonyma and types. - Proceedings of the Zoological Society of London, 15: 129-219, 1847 Online bei www.biodiversitylibrary.org.
  4. Heinrich Gottlieb Ludwig Reichenbach: Allgemeine Taschenbibliothek der enzyklopädischen Grundwissenschaften, in ihren wechselseitigen Beziehungen und nach den Anforderungen der Zeit. Zoologie oder Naturgeschichte des Thierreichs. 1. Bändchen. S. 1–108, P. G. Hilschersche Buchhandlung, Dresden 1828. Online bei Google Books (S. 93)
  5. Animal Base: Genus taxon summary for Chondrina Reichenbach, 1828
  6. Fauna Europaea: Granopupa O. Boettger 1889
  7. Fauna Europaea: Chondrina Reichenbach, 1828

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Chondrina – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien