Diskussion:Equines Cushing-Syndrom

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Probleme und Risiken bei Hufpflege oder Hufbeschlag[Quelltext bearbeiten]

Ich habe mir - auf Grund einer eigenen Erfahrung als staatlich gepr. Hufbeschlagschmied - gestattet, folgenden Abschnitt einzufügen:

"Hufpfleger oder Hufschmiede können durch das Fehlen von typischen Symptomen über das Vorhandensein einer Rehe getäuscht werden. Dies gilt insbesondere für "leichtfuttrige Rassen" wie z.B. Islandpferde. So ist es möglich, daß ein Pferd nicht die typische Rehehaltung einnimmt und sich auch zeitweise im Schritt relativ gut bewegen kann, wenn es keine oder nur geringe Schmerzen spürt. Ursache dafür dürfte zuviel körpereigenes Cortisol im Blutkreislauf sein, das fatalerweise auch die Schmerzempfindung herabsetzt. Trotzdem kommt es innerhalb der Hornkapsel des Hufes zu den rehetypischen Schäden wie Hufbeinrotation oder Hufbeinsenkung. Von außen sind neben einer Fehlstellung (nach hinten gebrochene Fesselachse) Störungen im Bewegungsablauf zu beobachten: eine rehetypische Trachtenfußung und ein unklarer Gang, wenn man das Pferd in den Trab treibt. Spricht zugleich die allgemeine Erscheinung des Tieres für das Risiko des Vorhandensein des ECS (z.B. Haarkleidveränderungen), so wäre Ausschneiden oder Hufbeschlag mit Eisen ausgesprochen riskant für das Pferd: Beim Ausschneiden der Hufsohle könnte es zu einer Penetration (Hufbeindurchbruch), bei einem Beschlag mit Hufeisen zu einem "Ausschuhen" des Hufbeins aus der Hornkapsel kommen. Beides würde dann möglicherweise dem Hufpfleger oder Hufschmied - völlig zu Unrecht - als eigenes Verschulden angerechnet, wenn die wirkliche Ursache ECS unerkannt bleibt."

HINTERGRUND:

Im Jahr 2003 wurde ich zu einem älteren und relativ verwahrlosten Islandpferd namens "Fagur" gerufen und sollte dieses Tier beschlagen. Zur Sorgfaltspflicht des Schmiedes gehört das Vorführen vor und nach dem Beschlag. Fagur ließ sich vorführen im Schritt, aber mochte nur widerwillig Traben. Ein vorhandener Altbeschlag wurde abgenommen, die Hufe wurden ausgeschnitten (Kürzen der Zehe). Dann wurden neue Eisen mit guter Zehenrichtung geschmiedet, aufgebrannt und genagelt (um der Eigentümerin und ihrer Reitbeteiligung die weitere Nutzung zu ermöglichen). Danach wurde das Pferd erneut vorgeführt - und zeigte unverändert eine relative Unlust zum Traben auf festem Boden. Dies wurde auf die recht große Sommerhitze 2003 zurückgeführt.

Zu meinem großen Glück: Meine Ehefrau ist von Beruf selbst Tierärztin und war bei dem Beschlag zugegen. Sie bemerkte die Fellveränderungen und machte die Eigentümerin auf das Risiko einer ECS-Erkrankung aufmerksam. Insbesondere empfahl sie, vom Hoftierarzt eine Blutprobe entnehmen und untersuchen zu lassen.

Eine Woche später rief mich die Besitzerin an: Das Pferd läge in der Box und stünde nicht mehr auf. Das müsse mit meinem Beschlag zusammenhängen - da war sie sich ganz sicher!

Ich fuhr mit meiner Frau hin und fand Fagur in der Box liegend. Er mochte nicht aufstehen, mußte förmlich hochgezogen werden und wollte sich dann kaum noch bewegen. Die Hufe waren jedoch kalt, keine Pulsation an der Fesselarterie spürbar. Ich äußerte gegenüber der Besitzerin, daß meiner Ansicht nach er Beschlag als Ursache nicht infrage kam, daß eine andere Ursache zu suchen sei und wollte wissen, ob mittlerweile ein Tierarzt Fagur untersucht und ein Blutbild erstellt hatte.

Selbstverständlich war dies NICHT der Fall. Madame war ein wenig geizig, und meinte, das Problem "aussitzen" zu können.

Um der Besitzerin weitere Kosten zu ersparen, empfahl ich, den noch neuwertigen Beschlag fünf Tage länger liegen zu lassen. Wenn sich dann keine Verbesserung zeigte, würde ich den Beschlag auf meine Kosten entfernen.

Nach den vereinbarten fünf Tagen war keine Verbesserung in Fagurs Bewegung zu erkennen, und ich nahm wie vereinbart den Beschlag ab - in Gegenwart der Besitzerin. Da mittlerweile immer noch kein Tierarzt das Pferd untersucht hatte, erklärte ich der Besitzerin, daß - wenn da irgend eine Ursache für die Bewegungsunlust in Hufeisen oder -nägeln gelegen haben sollte, daß diese dann binnen einer Woche verschwunden sein müsse und das Pferd lahmfrei in Schritt und Trab vorgeführt werden könne.

Nach weiteren sieben Tagen - nun ohne Hufeisen - wollte Fagur immer noch nicht laufen. Nach Aussage anderer Pferdebeitzer im gleichen Stall lag er auch auf der Weide - und fraß dabei mit gutem Appetit das Gras rund um sich herum. Die Besitzerin konnte ihr auf der Weide liegendes Pferd selbst nicht auf die Beine bringen. Meine Frau und ich äußerten nun die Ansicht, daß im Hufbeschlag keinerlei Ursache für das Krankheitsbild liegen könne und emfahlen nun zu dritten Mal dringend, das Pferd tierärztlich untersuchen zu lassen.

Bis zur tatsächlichen Untersuchung dauerte es dann aber noch zwei weitere Wochen. Der Fall endete - leider - damit, daß die Besitzerin von den anderen Einstellern durch Drohen mit dem Tierschutz und dem Amtstierarzt genötigt wurde, nun endlich eine Dortmunder Tierarztpraxis mit einer Blutuntersuchung zu beauftragen. Ergebnis: Viel zuviel körpereigenes Cortisol, wahrscheinlich ausgelöst durch einen Tumor.

Fagurs weiterer Krankheitsverlauf und die weitere Behandlung und Therapie sind mir nicht exakt bekannt. Die Besitzerin beauftrage mich nicht noch einmal, ihr Pferd auszuschneiden oder zu beschlagen - und ich hätte einen weiteren Beschlag ohne tierärztliche Beratung und Ansicht der Röntgenbilder abgelehnt. Ich weiß nur, daß er etwa sechs Monate später als unheilbar krank getötet werden mußte. Das wäre - bei einer frühzeitigen Blutuntersuchung - vermeidbar gewesen; das Pferd könnte mit tierärztlicher Behandlung möglicherweise noch leben.

Daß ich im Fall "Fagur" von der Besiterin nicht als böser Tierquäler und Verursacher des rapiden Gesundheitsverfalles des Pferdes vor Gericht gezerrt und verurteilt wurde, verdanke ich den Tatsachen, daß meine Frau selbst Tierärztin ist und die Syptome erkennen konnte, daß wir schon beim Beschlag auf eine mögliche Erkrankung hingewiesen haben und daß die anderen Pferdebesitzer im Stall Fagurs Besitzerin letztendlich durch Drohung mit dem Amtstierarzt gezwungen haben, das Blutbild im Labor untersuchen zu lassen.

Was - im Fall des Falles - jedoch vor einem Zivilgericht abgegangen wäre, wenn Fagur einen Huf mit einem von mir geschmiedeten Hufeisen "ausgeschuht" hätte und dann von einem Abdecker getötet und verwertet worden wäre - das male ich mir lieber nicht aus.

Ich berichte hier über eigenes Erleben und schließe mit der Warnung an alle Hufschmiede und Hufpfleger: Behandeln Sie NIE ein Pferd, bei dem Symptome des ECS zu beobachten sind, ohne Beratung mit dem behandelnden Tierarzt. Wenn der Hufschmied das Pferd beschlägt und der durch ECS vorgeschädigte Huf ausschuht, dann gibt das den schönsten Schadensersatzprozeß, bei dem dann aus der "letzten Schindmähre" von den Anwälten des Klägers das "Dressurtalent des Jahres" gemacht werden dürfte!

Peter Seyfferth

Staatl. gepr. Hufbeschlagschmied

eMail: pshufservice@aol.com