Diskussion:Muntehe

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Letzter Kommentar: vor 8 Jahren von 92.224.174.79 in Abschnitt Gesetze und Germanen
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Gebräuchlichste, meist adelig[Quelltext bearbeiten]

Wenn davon überwiegend adelige betroffen waren, die nur einen Bruchteil der Bevölkerung gestellt haben, wie kann das dann die gebräuchlichste Form gewesen sein? --Chricho ¹ ² ³ 10:20, 24. Sep. 2013 (CEST)Beantworten

Grünes Häkchensymbol für ja erledigt: Ich habe bei einer kleinen Überarbeitung in der Definition "bei Adelsfamilien" ergänzt, scheint mir aus der "Quelle" hervorzugehen (die bietet auch weiteres Material, ausbaufähig ;) Grüße --Chiananda (Diskussion) 22:31, 22. Jan. 2014 (CET)Beantworten

Gesetze und Germanen[Quelltext bearbeiten]

Mich gruselt ein bisschen, ob des Tons des Artikels. Nichts gegen das generelle Vorgehen hier, Sprache ist auch ok, wahrscheinlich liegts an den Vorlagen und ich jammer vermutlich noch dazu auf hohem Niveau.

Aber: Der Artikel suggeriert einen Grad an juristischer Reife, den die betreffende(n) Zeit(en) mit größter Wahrscheinlichkeit gar nicht hatte(n). Formeln wie "Sie beinhaltete einen auf Recht und Gesetz beruhenden Wechsel der Vormundschaft und Bestimmungs­gewalt über eine Frau", "in einer rechtlich vorgeschriebenen Weise", oder Worte wie "Verfügungsrecht", "Scheidungsrecht", "Rechtsgeschäft", "Rechtsakt" deuten auf eine von den Zeitgenossen geteilte und anerkannte, gemeinsame juristische Grundlage hin, die als Basis von Eheschließungen Anwendung fand. Spätestens seit den Arbeiten von Gerd Althoff ist weitestgehend anerkannt, dass es nicht einmal für die politisch hochkarätigsten Vorgänge im Mittelalter, z.B. Königs"wahlen" (die keine echten Wahlen im heutigen Sinne und deutlich unreguliert waren, bis zur Goldenen Bulle auch ohne rechtlich-verbindliche Grundlage erfolgten) rechtliche Regelungen gab. Geltendes, anerkanntes Recht ist in diesem Sinne sehr modern, weil es eine Zentralgewalt geben muss, die dieses Recht verbindlich durchzusetzen vermag und das ist etwas, das es im Mittelalter einfach nie gab. Gesetzestexte sind dementsprechend nur begrenzt gültig, in einer weitgehend illiteraten Gesellschaft auch nicht leicht zu verbreiten und sagen über die tatsächliche Praxis erstmal wenig aus, da den Gesetzgebern (nicht mit Gesetzgebern im modernen Sinne verwechseln!) eine flächendeckende Durchsetzung nicht möglich war. Stattdessen war es nötig und üblich, im Falle von Konflikten oder anderen offenen, klärungsbedürftigen Situationen zwischen den beteiligten Parteien Lösungen für die Situation zu finden und sich irgendwie zu einigen.

Die hier sehr formaljuristische Sicht auf die Ehe übernimmt die Sicht des Juristen (nicht Historikers!) Stefan Chr. Saar. Problem daran: Die Rechtsgeschichte neigt oft zu Anachronismen, so auch hier. Von der Warte der gesetzlich voll durchgestylten Gegenwart der nationalstaatlichen, westlichen Gesellschaft werden rituell und mündlich überlieferten Bräuchen und Riten juristische Gültigkeit angehaftet, die diese niemals hatten und wegen ihrer unsicheren Überlieferung auch nicht haben konnten. Das führt zu einem merkwürdigen Effekt: Es wird hier der Eindruck erweckt, als sei die Muntehe etwas anderes als die kirchliche Eheschließung, ein festgefügter, unabänderlicher Rechtsakt, von einer juristischen Instanz bestätigt. Und es entsteht der Eindruck, dass es auch im Mittelalter schon zwei Eheschließungsakte gegeben habe, so wie heute standesamtlich und kirchlich. Natürlich ist richtig, dass die Eheschließung zwischen den beiden Parteien der Ehepartner in spe ausgehandelt wurde (wg. der Versorgungsgrundlage und bei Adel natürlich auch noch wg. anderer Überlegungen). Aber es ist doch anzunehmenen, dass es einen gewissermaßen fließenden Übergang zwischen nichtkirchlichen Eheschließungen und kirchlichen Eheschließungen gab. Da aus Sicht der Kirche natürlich nur die kirchliche Heirat überhaupt eine Heirat war (weil Sakrament!) und die Kirche im Laufe des Mittelalters zur einzigen Institution wurde, die annähernd einen breiten Zugriff auf die Bevölkerung hatte, dürfte sich die kirchliche Heirat mit Ausbreitung des kirchlichen Zugriffs auf die Bevölkerung als die allgemein verbreitete Heiratszeremonie durchgesetzt haben. Vor Ausbreitung der Kirche wird es vermutlich auch Zeremonien oder Rituale gegeben haben, die einen Eheschluss verkündeten und damit performativ in Kraft setzten. Eine gemeinsame, verbindliche (!) rechtliche Grundlage, etwa für ein ganzes Königreich ist das aber nicht.

Und hier kommt dann noch was dazu: Um den Verbreitungsraum der juristischen Institution der Muntehe abzustecken, werden in Anlehnung an Saar die Germanen genannt. Hier wird deutlich, dass Stefan Chr. Saar eben kein Historiker ist, denn ihm ist offenbar die Problematik des Begriffs entgangen. Die Germanen der Völkerwanderungszeit, die von Saar auch ganz ohne diachrone Perspektive (er schmeißt einmal grob von Tacitus' Germanen bis zu den Franken und Sachsen des 7. Jahrhunderts alles fröhlich in einen Topf) als Bewohner eines gemeinsamen Kulturraumes betrachtet werden, bildeten eben mitnichten einen solchen. Die Burgunder in der ehemaligen römischen gallischen Provinz verbindet so gut wie nichts mit den Sachsen unter Widukind. Schon gar nicht eine gemeinsame, vermeintlich germanische Rechtstradition. Die Neigung der Herrscher der auf ehemals römischen Boden entstandenen regna (wie z.B. dem regnum der Burgunder) Gesetze herauszugeben ist durch Übernahme und Nachahmung der vormals römischen Verwaltung der Gegenden und den Einfluss der lokalen (römischen oder romanischen) Eliten zu erklären (deshalb gibt es z.B. auch keine lex saxoniae!). Germanisches Rechtsempfinden hat da kaum Einfluss genommen, weil es derartiges gar nicht gab, auch nicht geben konnte, wenn bedacht wird, dass es sich um heterogene, illiterate Krieger-Verbünde (mit Frauen und Kindern natürlich!) handelte.

Ich will um Himmels willen nicht bezweifeln, dass es die Muntehe gab. Auch nicht, dass es eine so bezeichnete Institution gab. "Munt" scheint ja außerdem auch ein tatsächlich historischer Begriff zu sein, Muntehe also anders als Friedelehe vielleicht kein reines Forschungskonstrukt. Aber dass die Muntehe eine unter Germanen überall gleichermaßen vollzogene, juristische (!) Institution war, konnte ich nicht unkommentiert so stehen lassen. Und so hoffe ich, dass mein Kommentar zur Einordnung des Artikels in seinen rechtshistorischen Hintergrund und zur Einschätzung dieses Hintergrundes hilfreiche Anregung sein kann.

MfG --92.224.174.79 20:00, 9. Jun. 2015 (CEST)Beantworten