Fischabstieg

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Ein Fischabstieg ist die stromabwärtsgerichtete Migration von Fischen, wie sie insbesondere im Bereich von Wehr- und Wasserkraftanlagen diskutiert wird. Dem gegenüber steht die Fischtreppe oder der Fischpass (auch Fischwanderhilfe oder Organismenaufstieg, amtlich auch Fischweg genannt) als wasserbauliche Einrichtung an Fließgewässern zum Überwinden von Hindernissen stromaufwärts. Insbesondere bei der Genehmigung von Querbauwerken und Wasserkraftanlagen, aber auch im Zuge der Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie spielt das Thema Fischabstieg eine bedeutende Rolle.

Stand der Forschung

Der Fischabstieg wird zur Zeit intensiv erforscht[1][2][3][4], weil er auch als Forderung in der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie erfasst ist. Jedoch sind genau wie beim Fischaufstieg die Erkenntnisse und Vorgaben, vor allem an älteren Wasserkraftanlagen und Querbauwerken noch nicht ausreichend umgesetzt. An nicht durchgängigen Wasserkraftanlagen müssen Fische, wenn sie nicht über die Fischtreppe absteigen, bei der gewässerabwärts gerichteten Wanderung die Treibgutrechen und die Turbinen von Wasserkraftanlagen passieren. Für den Fall, dass die Fische durch den Rechen passen, kann der Abstieg durch die Turbine je nach Turbinentyp, -größe und -drehzahl mit einer erheblichen Mortalität verbunden sein. Die Fische, die aufgrund ihrer Körperproportionen nicht durch den Rechen passen, können die Wasserkraftanlage nicht passieren. Wenn Fische auf ihrem abwärts gerichteten Wanderweg mehrere Wasserkraftanlagen ohne Abstiegseinrichtung durchwandern müssen, ist ein völliger Ausfall der Migration oder der Population der Fische zu befürchten. Jedoch ist nicht – wie oft fälschlicherweise angenommen wird – die Turbine der ausschlaggebende Faktor für die Mortalität: der Erfolg der abstiegswilligen Fische hängt primär von der Gestaltung des Abwanderungssystems ab, das heißt von der Gestaltung der Kraftwerksperipherie.

Moderne Wasserkraftwerke sind daher bereits vom Aufbau her so gestaltet, dass ein verletzungsfreier Abstieg für alle migrationswilligen Lebewesen möglich ist. Eine angemessene Ausführung des Rechens als Feinrechen (Rechenstababstand schmaler als 20 mm) und ein Leitsystem zum Auffinden des Bypasses verhindern den Abstieg durch die Turbinenkammer. Leitrechen-Bypass-Systeme, die nach aktuellem biologischen Kenntnisstand ausgelegt sind, ermöglichen es den wandernden Lebewesen, den Bypass als Abstiegsmöglichkeit sicher aufzuspüren und verletzungsfrei an der Turbinenkammer vorbeizuschwimmen.[5] Zahlreiche Freilandstudien und Laboruntersuchungen weisen die Funktionsfähigkeit des Systems nach.[6][7][3][8][9]

Durch Kombination einer fischfreundlichen Gestaltung der Wasserkraftanlage mit einer fischfreundlichen Turbine, kann die Mortalität auch für die Lebewesen reduziert werden, die trotz des Feinrechens in die Turbine gelangen. Kriterien für fischfreundliche Turbinen sind unter anderem

  • geringe Anzahl an Laufradschaufeln (Verringerung der Kollisionswahrscheinlichkeit),
  • niedrige Drehzahlen (Verringerung von Kollisionswahrscheinlichkeit und -geschwindigkeit),
  • stumpfe Eintrittskanten (Verringerung des Verletzungsrisikos bei Kollisionen) sowie
  • spaltfreie Turbinen, das heißt ohne Spalte zwischen Laufradschaufel und -nabe, bzw. minimalen Spalten zwischen Laufradschaufel und Außenwand der Turbine (Verringerung des Verletzungsrisikos durch Einklemmen).[10]

Diese Kriterien werden zum Beispiel durch drehzahlvariable Propellerturbinen erfüllt. Anstatt verstellbarer Laufradschaufeln haben drehzahlvariable Turbinen feste Schaufeln. Anstatt der Verstellung des Schaufelwinkels wie bei Kaplanturbinen, wird die Drehzahl dem schwankenden Durchfluss angepasst.[11] Die aufwendige Mechanik zur Verstellung der Laufradschaufeln auf der rotierenden Welle entfällt damit bei drehzahlvariablen Turbinen und die Schaufelzahl kann beliebig gesetzt und reduziert werden (Minimum 3 Schaufeln). Außerdem ist die Verbindung zwischen Laufradnabe und -schaufeln komplett spaltfrei.

Auch moderne Wasserkraftschnecken mit integriertem Fischlift ermöglichen den Fischen ein gefahrloses Passieren in beide Richtungen.[12] Eine weitere Möglichkeit der fischfreundlichen Kraftwerksgestaltung ist das Schachtkraftwerk.

Einzelnachweise

  1. Bemessung und Gestaltung von Fischschutz- und Fischabstiegssystemen. (PDF) Abgerufen am 2. Mai 2015.
  2. Institut für angewandte Ökologie (Hrsg.): Untersuchungen zum Orientierungs- und Suchverhalten abwandernder Fische zur Optimierung der Dimensionierung und Anordnung von Fischschutzeinrichtungen vor Wasserkraftanlagen. Ethohydraulische Studien.
  3. a b Marius Heiß: Evaluation of innovative rehabilitation measures targeting downstream migrating Atlantic salmon smolt (Salmo salar) at a hydroelectric power plant in southern Sweden. 2015.
  4. Startseite – Forum Fischschutz & Fischabstieg | Forum Fischschutz & Fischabstieg. In: forum-fischschutz.de. Abgerufen am 23. September 2016.
  5. Leitrechen-Bypass-System nach Ebel, Gluch& Kehl. (PDF) Abgerufen am 2. Mai 2015.
  6. Ökologische Betrachtung des Fischabstiegs am WKW Halle Planena. Wasserkraftanlage Planena GmbH & Co. KG, abgerufen am 2. Mai 2016.
  7. Dipl.-Hydrol. Arne Gluch: Nachhaltigkeit an Wasserkraftanlagen Fischabstieg downstream fish passage. (PDF) Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft (LHW) Sachsen-Anhalt, abgerufen am 2. Mai 2016.
  8. Dr. Armin Peter: Downstream migration - Biological improvement of Bypass System. Abgerufen am 2. Mai 2016.
  9. Einsatz des Leitrechen-Bypass-Systems nach Ebel, Gluch & Kehl an Wasserkraftanlagen – Grundlagen, Erfahrungen und Perspektiven. Springer Vieweg, abgerufen am 2. Mai 2015.
  10. Dr. Guntram Ebel: Fischschutz und Fischabstieg an Wasserkraftanlagen. Handbuch Rechen- und Bypasssysteme. Hrsg.: Büro für Gewässerökologie und Fischereibiologie. ISBN 978-3-00-039686-1, 3.2 Fischschonende Turbinen, S. 133 ff.
  11. Fella Maschinenbau GmbH: DIVE-TURBINE - Drehzahlanpassung. In: www.dive-turbine.de. Abgerufen am 4. Mai 2016.
  12. Siehe Studie von B. Zeiringer von der Universität für Bodenkultur zur Fischverträglichkeit der Wasserkraftschnecke mit integriertem Fischlift in Neubruck (NÖ), die von der Firma Hydroconnect betrieben wird.