Gesetzgebungsverfahren (Schweiz)

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 24. Oktober 2015 um 21:59 Uhr durch Hadi (Diskussion | Beiträge) (→‎Ausarbeitungsphase). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Wie ein neues Gesetz entsteht, regelt das Gesetzgebungsverfahren.

Initiativphase

Verschiedenste Akteure, ob Parteien, Interessengruppen, Verbände, die Regierung (Bundesrat), die Kantone, die Bundesverwaltung, die Fraktionen oder einzelne Parlamentarier, können den Anstoss zu einem neuen Erlass (Bundesverfassung, Gesetz, Parlamentsverordnung, Bundesbeschluss) geben. Je nach Akteur sind dazu folgende Instrumente möglich:

Dieser erste Schritt wird als Initiativphase bezeichnet.

Ausarbeitungsphase

Als zweiter Schritt wird ein erster Gesetzesentwurf erstellt. Dies wird als Ausarbeitungsphase (Vorverfahren der Gesetzgebung) bezeichnet.

In der Regel wird in der Bundesverwaltung ein Gesetzesentwurf erarbeitet. Alternativ kann der Bundesrat zuerst eine Expertenkommission beauftragen, einen ersten Entwurf zu formulieren.

Der Gesetzesentwurf geht anschliessend an die Kantone, Parteien und Verbände und andere Interessenverbände zur Vernehmlassung. Diese können zum Gesetzesentwurf Stellung nehmen sowie Änderungsvorschläge einbringen. Dieses Verfahren wird als Vernehmlassungsverfahren bezeichnet.

Der Gesetzesentwurf wird durch das zuständige Departement überarbeitet und zur Prüfung dem Bundesrat unterbreitet. Ist der Bundesrat mit der Formulierung einverstanden, überweist dieser den Entwurf zusammen mit der Botschaft des Bundesrates an den National- und Ständerat. Ansonsten geht der Entwurf zur nochmaligen Überarbeitung an die Verwaltung zurück.

Überprüfungsphase

Der dritte Schritt, die Überprüfungsphase, ist ein parlamentarisches Verfahren.

Die Präsidenten des National- und Ständerates entscheiden, in welchem Rat der neue Gesetzestext zuerst debattiert werden soll (so genannter Erstrat).

Die vorberatende parlamentarische Kommission des entsprechenden Rats diskutiert den Text und stellt ihn und ihre Überlegungen zum Gesetzestext dem Plenum vor.

Dieser Erstrat - auch erste Kammer genannt - hat nun drei Möglichkeiten und kann folgende Entscheidungen fällen:

  1. er befindet den Gesetzesentwurf für unnötig, so endet das Gesetzgebungsverfahren, da der Text makuliert wird,
  2. er verlangt von der Kommission oder dem Bundesrat einen neuen Entwurf und weist ihn zurück,
  3. er tritt auf die Vorlage ein, berät sie im Rat und unterbreitet gegebenenfalls Änderungsvorschläge, so dass der neue Gesetzesentwurf an die Schwesterkommission zur weiteren Veranlassung überwiesen werden kann.

Die Kommission des Zweitrats prüft den vom Erstrat verabschiedeten Gesetzestext und legt ihn der zweiten Kammer vor.

Der Zweitrat – auch zweite Kammer genannt – hat dieselben Möglichkeiten und die gleiche Entscheidungsgewalt wie der Erstrat. Tritt auch der Zweitrat auf die Vorlage ein und weichen die Ratsentscheide voneinander ab, folgt das sogenannte Differenzbereinigungsverfahren.

Dabei beurteilt die erste Kommission die einzelnen Unterschiede. Diese teilt dem gesamten Erstrat mit, mit welchen Punkten aus dem Gesetzesentwurf des Zweitrates sie einverstanden ist und bei welchen Punkten die eigene Auffassung zu vertreten sei.

Anschliessend wird im Erstrat über diese Vorschläge und den Gesetzesentwurf des zweiten Rates beraten sowie ein weiterer Beschluss gefasst.

Die Differenzbereinigung im Zweitrat verläuft gleich wie im Erstrat. Die vorberatende Kommission des Zweitrats befasst sich mit den noch verbleibenden Differenzen und stellt dem gesamten Zweitrat einen Antrag. Kommt dabei immer noch keine Einigung zustande, gelangt das Geschäft wieder an die erste Kommission.

Ist nach drei Beratungen immer noch keine Übereinstimmung erzielt worden, tritt die Einigungskonferenz zusammen. Die Einigungskonferenz besteht aus Mitgliedern beider Kommissionen und versucht eine Lösung zu finden.

Ein in der Einigungskonferenz erzielter Kompromiss wird anschliessend National- und Ständerat zur Abstimmung vorgelegt. Lehnt eine der Parlamentskammern den Vorschlag der Einigungskonferenz ab, ist das Geschäft gescheitert.

Wird der Vorschlag von beiden Kammern angenommen, kommt es zur abschliessenden und in beiden Kammern gleichzeitigen Abstimmung, der sogenannten Schlussabstimmung. Damit ist das parlamentarische Verfahren abgeschlossen. Falls die Vorlage in der Schlussabstimmung angenommen wird, wird das Gesetz im Bundesblatt publiziert.

Nachentscheidphase und Inkrafttreten

Das neue Gesetz kann nun in Kraft treten, ausgenommen:

  • der Beschluss betrifft die Bundesverfassung oder bestimmte dringlich erklärte Bundesgesetze (oder den Beitritt zu Organisationen für kollektive Sicherheit oder zu supranationalen Gemeinschaften). Solche Beschlüsse unterliegen dem obligatorischen Referendum und müssen Volk und Ständen zur Abstimmung an der Urne vorgelegt werden;
  • innerhalb von 100 Tagen kommt ein fakultatives Referendum zustande. Das fakultative Referendum kann von 50'000 Stimmberechtigten oder acht Kantonen verlangt werden. Im Gegensatz zum obligatorischen Referendum ist nur ein Mehrheitsentscheid des Stimmvolkes, nicht aber das sogenannte Ständemehr erforderlich.
  • die Vorlage fungiert als indirekter Gegenentwurf zu einer Volksinitiative, welche von Volk und Ständen angenommen wird. Sodann tritt das Gesetz nicht in Kraft.

Nach erfolgreicher Referendumsabstimmung kann das neue Gesetz in Kraft treten. Es wird in der amtlichen Sammlung des Bundesrechts publiziert. Zwischen Publikation und Inkrafttreten muss ein angemessener Zeitraum liegen (Legisvakanz).

Weblinks