Judenporzellan

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 19. September 2016 um 16:51 Uhr durch Richard Lenzen (Diskussion | Beiträge) (→‎Weblink: →Abschnittsnamen geändert...). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Hinter dem Begriff Judenporzellan verbirgt sich die wohl einschneidendste Sonderabgabe, der Juden im friderizianischen Preußen ausgesetzt waren. Durch Kabinettsbefehl vom 21. März 1769 hatte Friedrich II. (1712–1786) angeordnet, dass Juden bei der Neuvergabe bzw. Vererbung von Schutzbriefen sowie beim Erwerb von Immobilienbesitz für 300 Taler sowie bei Empfang eines Generalprivilegs für 500 Taler Porzellan aus der Königlichen Porzellanmanufaktur Berlin (KPM) kaufen und es im Ausland verkaufen sollten. Die Umsetzung dieser Sonderabgabe wirkte sich für zahlreiche jüdische Familien existenzbedrohend aus, entsprachen diese Summen doch jeweils mehreren Jahresgehältern eines Berliner Manufakturarbeiters. Aus ökonomischen Erwägungen setzte die Bürokratie die Verordnung zunächst nur unvollkommen durch. 1779 intervenierte Friedrich und ließ die Verwaltungspraxis drastisch verschärfen. Dabei wurden finanzielle Verluste für und Abwanderung von Juden bewusst in Kauf genommen.[1]

Die pejorative Bezeichnung „Judenporzellan“ verdankt ihre Entstehung der Tatsache, dass die betroffenen Juden die ihnen aufgedrängte Ware auf den deutschen und europäischen Märkten zumeist mit Verlusten von 50 Prozent und mehr abstießen, was sich letztlich für die Berliner Manufaktur rufschädigend auswirkte. Vor diesem Hintergrund wurde der „Porcellainexportationszwang“ nach dem Tode Friedrichs II. auf Initiative des neuen KPM-Chefs Friedrich Anton von Heinitz 1787/1788 aufgehoben. Allerdings musste die Judenschaft dafür nochmals 40.000 Taler Abstand zahlen.

Insgesamt kam es auf Basis der Verordnung von 1769 zu rund 1400 Zwangskäufen im Gesamtvolumen von 280.000 Talern. Das „Judenporzellan“ wurde vornehmlich nach Mecklenburg, Hamburg und Osteuropa weiterverkauft. Die populäre Anekdote, wonach Moses Mendelssohn anlässlich seiner Heirat gezwungen worden sei, zwanzig Affen aus Porzellan zu erwerben, entpuppte sich als eine im 19. Jahrhundert entstandene Legende.

Literatur

  • Tobias Schenk: Wegbereiter der Emanzipation? Studien zur Judenpolitik des „Aufgeklärten Absolutismus“ in Preußen (1763-1812) (Quellen und Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte, Bd. 39), Berlin 2010.
  • ders. (hg.): Das "Judenporzellan". Eine kommentierte Quellenpräsentation zur Rechts- und Sozialgeschichte der Juden im friderizianischen Preußen (1769–1788)
  • ders.: Rzeczpospolita i Gdañsk jako rynki zbytu dla berliñskiej porcelany w drugiej połowie XVIII wieku/Die Adelsrepublik Polen und die Stadt Danzig als Absatzmärkte für Berliner Porzellan in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, in: „...łyżek srebrnych dwa tuziny“. Srebra domowe w Gdańsku 1700 – 1816/„...zwei Dutzend Silberlöffel“. Das Haussilber in Danzig 1700 – 1816, hg. v. Jacek Kriegseisen und Ewa Barylewska-Szymanska, Gdańsk 2007, S. 133–143, 145–153 (poln./dt.).
  • ders.: Von der Spree an die Donau. Der „Porcellaineexportationszwang“ und das Judenporzellan des Jacob Schiff aus Bielefeld, in: Ravensberger Blätter (2/2008), S. 1–11.
  • ders.: An den Grenzen der Aufklärung. Friderizianische Judenpolitik im Spiegel von Anekdoten um Moses Mendelssohn, in: Mendelssohn-Studien. Beiträge zur neueren deutschen Kulturgeschichte 16 (2009), S. 371–396.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Tobias Schenk – Das „Judenporzellan“ abgerufen am 8. August 2016