Mikroskopische Colitis

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Klassifikation nach ICD-10
K52.8 Sonstige näher bezeichnete nichtinfektiöse Gastroenteritis und Kolitis
ICD-10 online (WHO-Version 2019)

Die mikroskopische Colitis oder mikroskopische Kolitis ist eine mutmaßlich chronische, etwas atypisch ablaufende Entzündung der Schleimhaut des Dickdarms, deren Ursache nach wie vor nicht geklärt ist und die klinisch mit heftiger wässriger Diarrhoe (Durchfall) einhergeht. Sie führt zu keinen makroskopisch auffälligen (d.h. endoskopisch sichtbaren) Schleimhautveränderungen und ist daher nur histologisch, also mit dem Mikroskop, nachweisbar. Gemäß dem histologischen Bild werden die lymphozytäre und die kollagene Colitis als Formen unterschieden.

Bei beiden Formen ist eine deutliche Vermehrung der Lymphozyten im Oberflächenepithel der Darmschleimhaut zu beobachten. Die Besonderheit der kollagenen Colitis liegt in der übermäßigen Ausbildung einer (physiologisch bei jedem Menschen vorhandenen, aber nur wenige Mikrometer dicken) Membran, die normalerweise die Schleimhautepithelzellen von den darunterliegenden Schichten der Darmwand trennt. Diese Membran verdickt sich bei der kollagenen Colitis und besteht dann im Wesentlichen aus Reparaturkollagenen, wie sie etwa bei der Narbenbildung auftreten. Die Genese der Durchfälle ist immer noch nicht geklärt, aber diese verdickte Membran dürfte dabei durchaus eine Rolle spielen. Die Erstbeschreibung erfolgte 1976 durch Lindström.

Ursachen

Es gibt zwei Grundthesen zur Entstehung der Störung: Die eine besagt, dass ein Autoimmungeschehen im Vordergrund steht, der Körper sich also aus unbekannter Ursache (teils auch genetisch bedingt) gegen sich selbst wendet und körpereigene Zellen fälschlich als Fremdzellen interpretiert und deshalb bekämpft (andere Beispiele: diverse Schilddrüsenerkrankungen, Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises und nicht zuletzt auch die klassischen chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED) wie Morbus Crohn und Colitis ulcerosa). Die Folge der Bekämpfung ist die besagte Entzündungsreaktion. Die zweite These geht von einem bis jetzt nicht entdeckten Bakterium oder Virus aus, das im Rahmen einer chronischen Infektion zu besagter Entzündungsreaktion führt. Auch soll eine Verbindung zur Zöliakie bestehen, was allerdings nicht belegt ist.

Mittlerweile geht der Konsens eher in Richtung der ersten Variante, also des Autoimmungeschehens. An die bakterielle/virale Genese glaubt kaum noch jemand, auch wenn nicht sicher ausgeschlossen werden kann, dass am Anfang der Reaktionskette ein vorübergehender Darminfekt steht, der dann über teilweise autoimmunologische Prozesse in die chronische Entzündung mündet. Insofern kann am ehesten von einem multifaktoriell bedingten Geschehen ausgegangen werden.

Therapie

Therapeutisch hat sich ein Konzept herauskristallisiert, das im Wesentlichen dem Vorgehen bei Morbus Crohn entspricht: eine Kombinationstherapie aus Cortison und 5-Aminosalicylsäure (klassisch: Budesonid oder Prednisolon und Mesalazin). Die Grundidee ist, die Entzündungsreaktion mit einer kurzfristigen Hochdosisgabe zu durchbrechen und dann mit einer Erhaltungstherapie im Zaum zu halten, wobei das Regime jeweils auf den Einzelfall abgestimmt sein muss. Die einzige in Deutschland zur Therapie zugelassene und durch Evidenz in ihrer Effektivität gesicherte Substanz ist allerdings Budesonid; Mesalazin hat keine Zulassung. Der Einsatz von TNF-alpha-Antikörpern (Infliximab, Adalimumab) kann in Einzelfällen eindrucksvolle Therapieerfolge erzielen, hat jedoch keine Zulassung zur Therapie.

Diätmaßnahmen bringen im Allgemeinen nichts, es sei denn, der Patient stellt individuell fest, dass er bestimmte Dinge weniger gut verträgt als andere. Auch andere Therapieformen haben sich im Verlauf der letzten 25 Jahre als nicht wirksam erwiesen. Als symptomatische Therapie gegen die Diarrhoe lässt sich außer Loperamid- und Aktivkohle-Gabe nicht viel Sinnvolles machen, aber die Erfahrung zeigt, dass sich mit Rückgang der Entzündungssituation auch die Durchfälle bessern.

Wenn die Diagnose mittels mehrfacher Probeentnahme im Rahmen einer oder besser mehrerer Darmspiegelung(en) tatsächlich gesichert ist und der Patient durch die Durchfälle deutlich in seinem Wohlbefinden beeinträchtigt ist, sollte ggf. eine antientzündliche Behandlung eingeleitet werden. Wenn die Diagnose gesichert ist, sollte zusammen mit einem Gastroenterologen darüber nachgedacht werden, welches Verfahren individuell am besten ist.

Literatur

  • Christof Rehbein: Immunhistochemische Untersuchungen zur Pathologie der Kollagenen und der Lymphozytären Colitis. Dissertation (Fakultät für Klinische Medizin Mannheim der Universität Heidelberg 1994)