Paraklet

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Paraklet (lat. paracletus, griech. παράκλητος paráklētos) ist ein mehrfach (14,16; 14,26; 15,26; 16,7) im Johannes-Evangelium verwendeter Begriff, der in der christlichen Theologie gewöhnlich mit dem Heiligen Geist identifiziert wird.

Parakletos

Parakletos wurde von Martin Luther mit „Tröster“ übersetzt. Oft gebraucht man die Wörter „Trost“, „trösten“ oder „Tröster“ im Hinblick auf Traurigkeit; z. B. lautet die zweite Seligpreisung: Glückselig sind die Trauernden, denn sie werden getröstet werden (griechisch: Μακάριοι οἱ πενθοῦντες, ὅτι αὐτοὶ παρακληθήσονται). Zu Luthers Zeit hatte das Wort auch einen weiter reichenden Sinn: Es bedeutete Ermutigung für Entmutigte. Die andere anerkannte deutsche Übersetzung aus der Reformation, die auf Ulrich Zwingli und seine Mitarbeiter zurückgehende Zürcher Bibel, übersetzt „Beistand“, ebenso die katholische Einheitsübersetzung und die in einigen Freikirchen geschätzte Elberfelder Bibel. Andere Übersetzungen sprechen auch von „Helfer“ oder „Stellvertreter“ (zum Beispiel Neue Genfer Übersetzung). Das altgriechische Wort „παρακαλέω“ bedeutet „herbeirufen“; der Paraklet („παράκλητος“) ist also der „Herbeigerufene“. Im nicht-religiösen Bereich erscheint das Wort als juristischer Terminus technicus in der Bedeutung „vorgeladen“ (adj.) bzw. „Anwalt“ (subst.) oder als „Vermittler, Fürsprecher“.[1] Im Johannesevangelium nennt Jesus den Heiligen Geist „den Parakleten“, der von Gott herkommt, den er, Jesus Christus, seinen Jüngern sendet, um sie zu ermutigen in Schwierigkeiten, um für sie zu sprechen, um sie zum Ziel zu bringen. Ebenso ist es der Heilige Geist, der die Menschen mit Gott verbindet, sie zur Erkenntnis Gottes und des Erlösungswerkes in Jesus Christus, zu reuiger Selbsterkenntnis und zur Hoffnung führt (vgl. Joh. 14–17).

Im 1. Brief des Johannes kommt in Kapitel 2 im ersten Vers „παράκλητος“ noch einmal vor, dieses Mal als Bezeichnung für Jesus Christus. In diesem Zusammenhang wird das Wort spezifischer gebraucht und mit „Anwalt“ oder „Fürsprecher“ übersetzt. In der Vulgata wird hier der Begriff „advocatus“ verwendet. Romano Guardini übersetzte bei seiner Übersetzung des Te Deum das lateinische Lehnwort „Paraclitus“ ebenfalls mit „Fürsprecher“.

Mehrere frühchristliche Sekten oder andere Religionen aus dem jüdisch-christlichen Umfeld wie etwa die Manichäer, sahen im Parakleten eine menschliche Figur, meist den jeweiligen Sektengründer. Im Mittelalter nannte Petrus Abaelardus die von ihm gegründete klösterliche Gemeinschaft Le Paraclet.

Andere Interpretationen

Islam

Laut David Benjamin Keldani, einem zum Islam konvertierten Christen, wird die biblische Ankündigung des Parakleten als Hinweis auf Mohammed gesehen, da „Mohammed“ oder „Ahmad“ (der zweite Name Mohammeds) sprachwissenschaftlich den gleichen Wortstamm „Hamda“ haben soll, wie paraklytos auf Aramäisch, was im nahe verwandten Arabischen ebenfalls „der Gepriesene“, „der Gelobte“ bedeutet. Diese Sichtweise entstammt somit dem frühen 20. Jahrhundert und ist kein Bestandteil traditionell islamischer Interpretationen des Wortes. Muhammad Asad, der eine der einflussreichsten Koranübersetzungen des 20. Jahrhunderts verfasst hat, präzisiert, dass der parakletos des Johannesevangeliums eine Entstellung von periklytos („der Vielgepriesene“) sein soll, welches eine genaue Übersetzung des aramäischen Ausdrucks und Namens Mauhamana sein soll. Aramäisch war die zu Lebzeiten Jesu in Palästina gebräuchliche Sprache. Mauhamana und Periklytos haben dieselbe Bedeutung wie die beiden Namen Muhammad und Ahmad, die beide von dem arabischen Verb hamida („er pries“) und dem Nomen hamd („Preis“) abgeleitet sind.[2] Muslime berufen sich bei diesen Interpretationen auch auf Auffassungen nichttrinitarischer Christen (Arianer, Unitarier), nach denen Gott nicht den Heiligen Geist oder einen Sohn neben sich haben könne.

Religionswissenschaft

Zu einem anthropologischen Verständnis des Begriffs des Heiligen Geistes im Johannesevangelium kann nach Auffassung René Girards die griechische Bedeutung des Wortes Paraklet als Verteidiger, Anwalt beitragen. Nach Girard (Ich sah den Satan vom Himmel fallen wie einen Blitz, 2002) ist der Paraklet der Verteidiger der Opfer, deren Unschuld er offenbar macht und damit dem Mechanismus des Sündenbocks der archaischen Religionen ein Ende setzt. In dieser Funktion ist er die Gegenpartei des Satans der Evangelien, des öffentlichen Anklägers, der die Einmütigkeit der Gemeinschaft gegen das Opfer herstellt. Ein Vorläufer des Begriffs Paraklet sei demnach im Buch Ijob 19,25 (Ich weiß, dass mir ein Anwalt lebt) zu finden.

Literatur

  • Otto Betz: Der Paraklet. Fürsprecher im häretischen Judentum, im Johannesevangelium und in neu gefundenen gnostischen Texten (Arbeiten zur Geschichte des Spätjudentums und Urchristentums; 2), Leiden/Köln 1963
  • William Barclay, Auslegung des Neuen Testaments, Johannesevangelium, Bd. 2, Neukirchen-Vluyn 1991

Einzelnachweise

  1. S. LSJ s.v. παράκλητος, S. 1313: "called to one´s aid", "legal assistant, advocate", "summoned", "intercessor".
  2. Muhammad Asad: Die Botschaft des Koran, 2009, S. 1057, Anmerkung 6.