Schwendtag

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Unter einem Schwendtag (bairisch; auch: verworfener Tag, Unglückstag, elsässisch Nöttelestag) versteht der Volksglaube einen Tag, an dem nichts Neues (z. B. Urlaub, Reise, Arbeit, Operation, Heirat, Verlobung, Geschäftsabschlüsse) begonnen werden soll. Nach dem Volksglauben kann an diesen Tagen etwas Altes entfernt werden (z. B. Ausmisten, Unkrautjäten, Putzen).[1] Während an den Schwendtagen bestimmte Tätigkeiten unterlassen werden sollen, empfehlen die Lostage bestimmte Arbeiten oder weisen auf kommende Ereignisse hin (z. B. Wetterumschwung).

Bereits im antiken Rom waren Unglückstage bzw. gefährliche Tage kalendarisch benannt, als dies atri (sing. dies ater „Schwarzer Tag“).

Im Mittelalter wurde an „verworfenen Tagen“ (auch kritische Tage, lateinisch dies incerti und dies critici genannt), die aus dem hippokratischen Begriff der Krise von Krankheitsverläufen hervorgingen und später als unheilbringend galten, auf medizinische Maßnahmen wie Aderlass oder andere Therapieformen unter Umständen (nach Einschätzung von Badern oder Astromedizinern) vorsichtshalber verzichtet.[2]

Eine ältere Form der monatsbezogenen (in Spezial-Lunaren aufgeführten) „verworfenen Tage“ wurde lateinisch als Dies aegyptiaci („Ägyptische Tage“), eine jüngere Form als „Pariser Tage“ bezeichnet.[3][4]

Wortherkunft[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der bairische Begriff Schwendtag leitet sich von mhd. swende, ahd. swendi „Vernichtung, Verbannung“ ab (modern noch Schwende „durch Rodung gewonnenes Land“[5]), zum Verb schwenden (schwinden lassen, zerstören, Wald ausreuten, verschwenden. Kausativbildung zu schwinden, nur im hd. nachweisbar; ahd. suentan, suenden). Im Sundgau hießen Schwendtage Nöttelestage[6]

Kalendarische Zuordnung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Es existieren z. T. erheblich abweichende kalendarische Auflistungen von Unglückstagen.

Kuhn und Schwartz (1848) zitieren eine „Handschrift aus Stendal“, die als „unglückliche Tage“ kennt: 1., 3., 6., 17., 18. Januar; 8., 16., 17. Februar; 1., 12., 13., 15. März; 3., 15., 17., 18. April; 8., 10., 17., 30. Mai; 1. und 7. Juni; 1., 5., 6., Juli; 1., 3., 18., 20. August; 15., 18., 30. September; 15. und 17. Oktober; 11. und 17. November; 1., 7., 11. Dezember; davon sind als besonders unglücklich genannt: 13. März, 1. April, 1. und 18. August, 1., 3. und 30. September, sowie 1. Dezember (sic, 1. April, 1. und 3. Sept. fehlen in der ersten Liste).[7] Der erste April wird als Unglückstag bezeichnet, da dies der Geburtstag des Judas war. Am 1. August soll, nach der Kirche, Luzifer aus dem Paradies in die Hölle verbannt worden sein. Außerdem ist der 1. Dezember als schwarzer Tag datiert, da an diesem Tag Sodom und Gomorrha untergegangen sind.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Johann Georg Pelshofer: Theses iatromathematicae de diebus criticis, eorumque causis. (Resp. Nicolaus Schultz) Roth, Wittenberg 1632. (Digitalisat)

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Was sind Schwendtage? Abgerufen am 10. April 2017.
  2. Wolf-Dieter Müller-Jahncke: Kritische Tage. In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin/ New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 809.
  3. Gundolf Keil: Einleitung. In: Gundolf Keil (Hrsg.): Das Lorscher Arzneibuch. (Handschrift Msc. Med. 1 der Staatsbibliothek Bamberg); Band 2: Übersetzung von Ulrich Stoll und Gundolf Keil unter Mitwirkung von Altabt Albert Ohlmeyer. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart 1989, S. 7–14, hier: S. 10.
  4. Vgl. auch Gundolf Keil: Die verworfenen Tage. In: Sudhoffs Archiv. Band 41, 1957, S. 27–58.
  5. schweizerisch hat Schwändtag bloß die Bedeutung „Tag für gemeinsame Fronarbeit zur Säuberung der Alpen, Allmenden von Gestrüpp, Steinen usw.“ Schweizerisches Idiotikon 12.1036.
  6. Karl Simrock, Handbuch der Deutschen Mythologie, 1864, S. 590; schweiz. gnötelig „notleidend“ (Schweiz. Idiotikon 4.864).
  7. Adalbert Kuhn und Wilhelm Schwartz, Norddeutsche Sagen, Märchen und Gebräuche (1848), S. 460. „Welches Kind an diesen Tagen geboren wird, bleibt selten lange leben, und wenn es grschieht, bleibt es armselig und elend. In diesen Tagen ist auch keine Heirat gut; wer darin reiset, kömmt gewiss ungesund nach Hause. Von ihnen sind die fünf unglücklichsten, wo man nicht reisen soll: 13. März, 18. August, 1. 3. 30. September. Noch sind drei Tage zu bemerken, welche gar unglücklich sind, und welcher Mensch darin Blut lässt, stirbt gewiss in 7 oder 8 Tagen: 1. April, an dem Judas der Verräther geboren, 1. August, an dem der Teufel vom Himmel geworfen, 1. December, da Sodom und Gomorrha mit Feuer und Schwefel vom Himmel verderbt worden. Wer an diesen Tagen geboren wird, stirbt eines bösen Todes und entgeht schwerlich der Welt Schande, wird auch selten alt.“