Sozinische Klausel

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 30. September 2016 um 14:43 Uhr durch Invisigoth67 (Diskussion | Beiträge) (→‎Einleitung: Fehlendes Satzzeichen hinzugefügt). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Die Sozinische Klausel, auch sozinische/socinische Kautel, cautela Sozini oder cautela socinii (von lat. cautela - „Vorsicht, Schutz, zu cavere = sich hüten, in Acht nehmen vor, sichern“) oder Wahlklausel ist eine Strafklausel im Erbrecht.[1]

Im Gegensatz zur Verwirkungsklausel im Erbrecht (auch Kassatorische Klausel) wird bei der sozinischen Klausel dem Erben (Pflichtteilsberechtigten) die Wahlmöglichkeit gegeben zwischen einer (höheren) belasteten oder beschränkenden Erbzuwendung oder einer unbelasteten, kleineren Erbzuwendung (meist dem Pflichtteil).[2]

Namensherkunft

Obwohl die Sozinische Klausel bereits im späten Römischen Recht unter Justinian bekannt war, ist der Namensgeber der Sieneser Jurist Marianus Socinus (gest. etwa 1556).[3]

Zielsetzung

Die sozinische Klausel soll

  • den letzten Willen des Erblassers dauerhaft durchsetzen und unter Umständen auch
  • Streitigkeiten unter den Erben vermeiden.

Deutschland

Nach § 2306 BGB kann ein als Erbe berufener Pflichtteilsberechtigter, der durch die Einsetzung eines Nacherben, die Ernennung eines Testamentsvollstreckers oder eine Teilungsanordnung beschränkt oder wenn er mit einem Vermächtnis oder einer Auflage beschwert ist, den unbelasteten Pflichtteil verlangen, wenn er gleichzeitig auf den (höheren, belasteten oder beschränkenden) Erbteil verzichtet.

Inwieweit eine sozinische Klausel mit § 2306 BGB vereinbar ist, ist noch nicht abschließend geklärt.[4]

Österreich

Der Umfang und Anwendungsbereich der sozinische Klausel ergibt sich aus § 774 öABGB. Darin ist geregelt und vorgesehen, dass

  1. Der Pflichtteil dem Pflichtteilsberechtigten (Noterben) ganz frei bleiben muss;
  2. Jede den Pflichtteil einschränkende Bedingung oder Belastung ungültig ist,
  3. eine Beschränkung oder Belastung nur auf den Teil, welchen den Pflichtteil übersteigt, bezogen werden kann.

Daraus folgen die (einschränkenden) Formulierungen, wenn die sozinische Klausel in Vermächtnissen nach österreichischem Erbrecht verwendet wird. So wird in der Regel bei der Formulierung der sozinischen Klausel nach österreichischem Recht der Pflichtteilsberechtigte vom Erblasser im Vermächtnis angewiesen, eine bestimmte Belastung oder Bedingung über den Pflichtteil hinaus freiwillig zu tragen. Tut er dies nicht, so soll er lediglich den gesetzlich vorgesehenen Pflichtteil erhalten.

Der Erbe und Pflichtteilsberechtigte wird also durch die Sozinische Klausel vom Erblasser vor die Wahl gestellt, entweder eine mit Belastungen oder Beschränkungen verbundene Zuwendung, die wertmäßig den Pflichtteil übersteigt, zu erhalten oder aber, nur den unbelasteten, (geringeren) Pflichtteil zu nehmen.

Bei Vorliegen einer sozinischen Kautel hat der Erbe mit der Abgabe der Erbserklärung sein Wahlrecht verbraucht. Er kann die gerichtliche Erbserklärung nicht mehr widerrufen und auch den Pflichtteilsanspruch nicht mehr geltend machen. Die in § 774 ABGB normierte Ungültigkeit der den Pflichtteil einschränkenden Beschränkung oder Belastung ist nur relativ; sie entfällt, wenn der Pflichtteilsberechtigte die ungünstige Belastung freiwillig übernimmt (OGH in 7Ob495/56).

Liechtenstein

In Liechtenstein wurden die Bestimmungen der §§ 720, 774 FL-ABGB aus den §§ 720, 774 öABGB rezipiert und sind wortgleich.

Stiftungen

Eine besondere Form der Sozinischen Kautel kann auch in einer Stiftungserklärung (z.B. Stiftungsstatut) enthalten sein. Danach wird die Begünstigtenstellung eines Pflichtteilsberechtigten (Noterben) in einer Stiftung davon abhängig gemacht, dass dieser keine Pflichtteilsansprüche erhebt.

In einem solchen Fall ist die Sozinische Kautel nicht in einer letztwilligen Verfügung, sondern in einem Stiftungsdokument enthalten und die bedingte Zuwendung an den Pflichtteilsberechtigten stammt nicht aus dem Nachlass.[5]

Weblinks

  • RGZ 14, 200. Urteil OG und OLG Hamburg zu I 506/83 vom 20. Februar 1884 zur sozinischern Klausel im alten Hamburger Erbrecht.

Literatur

  • Claudia Baumann, Erbrechtliche Verwirkungsklauseln, Heymann Verlag, Marburg 2009, Univ., Diss., 2008/2009, ISBN 978-3-452-27227-0
  • F. Böttcher, Die rechtliche Bedeutung der cautela Socini nach gemeinen Recht und nach dem Recht des Bürgerlichen Gesetzbuches, Diss., Leipzig 1909.
  • Michael Hennig, Die Rückkehr zur socinischen Klausel, Überlegungen zu einer Reform des § 2306 BGB, DNotZ 2003, S.399-422.
  • Paul Oertmann, Die Cautela Socini unter der Herrschaft des Bürgerlichen Gesetzbuchs, ZBlFG 15 (1915), S. 357-377.

Einzelnachweise

  1. Vgl. z.B. §§ 720, 774 öABGB, §§ 720, 774 FL-ABGB.
  2. Siehe hierzu schon Cod. 3, 28, 32.
  3. Siehe z.B. Hennig, in DNotZ 2003, 403.
  4. Siehe z.B. BGH im Urteil vom 24. Juni 2009, NZG 2009, 1145–1149.
  5. Siehe auch FL-OGH in 01 CG.2008.210, Beschluss vom 3. September 2010 [1].