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Nomenklatur (Anatomie)

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Damit alle Fachkundigen mit denselben Worten immer dieselben Körperteile bezeichnen hat sich die anatomische Nomenklatur entwickelt, die solch eine allgemeingültige Namensgebung darstellt. Seit der Antike, also seit mehr als 2.500 Jahren, versuchen sich die Menschen daran. Deswegen gibt es eine Vielzahl von Bezeichnungen für dieselben Körperteile. Zusätzlich können Teile des Körpers, besonders Muskeln und mehrfach unterteilte Organe, unterschiedlich aufgeteilt werden. So wird zum Beispiel der Quadrizeps in einigen Nomenklaturen als Sammelbezeichnung für vier Muskeln definiert, während in anderen, neueren Nomenklaturen derselbe Quadrizeps als ein einziger Muskel mit vier Muskelbäuchen gilt.

Die anatomischen Nomenklaturen verwenden die Lateinische Sprache. Dies hat zum einen historische Gründe, da Latein im Mittelalter die generelle Universitätssprache war. Ein weiterer Vorteil ist, dass diese Sprache als sogenannte "tote Sprache" (nicht mehr aktiv gesprochen, eine Ausnahme stellt Vatikanstadt dar, in welcher es offizielle Amtssprache ist) keinen Veränderungen mehr unterliegt. Zudem sind für alle Wissenschaftler, egal welcher Muttersprache, die Voraussetzungen gleich. In jüngerer Zeit unterliegt das medizinische Latein dennoch einigen Veränderungen. Sie sind in der Dominanz der Englischen Sprache in der modernen Wissenschaftslandschaft begründet. Insbesondere die Diphthonge "oe" und "ae" werden in der modernen Schreibweise einfach durch "e" ersetzt (z. B. Taenia - Tenia, Oesophagus - Esophagus).

Nomenklaturen

Um die Varianten zu vereinheitlichen wurden mehrere Regelwerke aufgestellt. Im Zweifel ist grundsätzlich die neuere Zuordnung zu verwenden, aber gelegentlich stößt man auch auf ältere Definitionen. Die heute noch gültigen Nomenklaturen sind:

  • Basler Nomina Anatomica (BNA) von 1895
  • Jenaer Nomina Anatomica (JNA) von 1935
  • Pariser Nomina Anatomica (PNA) von 1955

Die PNA war für die vergleichende Morphologie eher ein Rückschritt, denn die Lagebezeichnungen orientieren sich (wie schon bei der BNA) wieder an der aufrechten Körperhaltung des Menschen. Für andere Säugetiere ist sie dadurch nur eingeschränkt sinnvoll. Deshalb wurde 1955 eine Arbeitsgruppe gegründet, die die Nomina Anatomica Veterinaria (NAV) erarbeitete. Sie erschien 1968 in erster Auflage, mittlerweile gilt die 4. Auflage aus dem Jahre 1994. Die veterinäranatomische Nomenklatur ist weitgehend mit der humananatomischen identisch, so dass eine gegenseitige Verständigung gesichert ist, selbst auf die Gefahr hin, dass bestimmte Namen eigentlich wenig sinnvoll sind. So ist beispielsweise der Musculus teres major (übersetzt: großer runder Muskel) zwar beim Menschen rundlich, bei den übrigen Säugetieren aber ein streifenförmiges Muskelband. Er wird aber auch bei letzteren so benannt. Lediglich bei bestimmten Lagebezeichnungen weichen NAV und PNA voneinander ab.

Für Vögel ließ sich, aufgrund vieler baulicher Eigenheiten, die anatomische Nomenklatur ebenfalls nicht einfach übertragen. Daher wurde für diese Wirbeltierklasse eine eigene Nomenklatur geschaffen, die Nomina Anatomica Avium (NAA). Sie liegt seit 1993 in zweiter Auflage vor.

Namenskonventionen

All diese Regelwerke legen übereinstimmend fest, dass anatomische Namen immer aus mindestens zwei Teilen bestehen, oft aus drei, manchmal sogar aus vier. Diese Teile sind nach einem einfachen System zusammengesetzt.

Der erste Namensteil nennt die "Baugruppe" (zum Beispiel Knochen - Os) oder charakterisiert die "Bauform" (zum Beispiel Rinne - Sulcus). Der zweite Namenteil beschreibt diese nun näher, indem sie angibt, welche Form, Lage, Länge oder Farbe es hat oder zu welchem Organ es gehört. Wenn diese beiden Namensteile immer noch nicht eindeutig sind werden zusätzliche Namensteile angehängt, die weitere Orts-, Größen oder Zahlenangaben (der Vordere, der Größte, der Zweite...) enthalten.

Bei einigen häufig verwendeten Strukturen wird der erste Namensteil abgekürzt: A. für Arterie (Arteria), Art. für Gelenk (Articulatio), For. für Loch (Foramen), Ln. für Lymphknoten (Lymphonodus), M. für Muskel (Musculus), N. für Nerv (Nervus), V. für Vene (Vena) und dergleichen mehr. Wenn mehrere Muskeln, Venen, Lymphknoten etc. gemeint sind wird der letzte Buchstabe der Abkürzung verdoppelt: Mm. sind also "mehrere Muskeln", Vv. bedeutet "mehrere Venen", Lnn. "mehrere Lymphknoten".

Körperteile (1. Teil des Namens)
Lateinisch Kürzel Deutsch
Arcus Bogen
Arteria A. Arterie (Ader, die vom Herzen weg führt)
Articulatio Art. Gelenk
Bursa B. Schleimbeutel
Caput Kopf (als Form, nicht als Schädel; zum Beispiel: Gelenkkopf)
Corpus Körper, Schaft (bei Knochen)
Crista Kamm, Vorsprung, verstärkter Rand
Ductus Gang, Röhre
Fascia bindegewebige Hülle um Muskeln
Fossa Grube, Vertiefung
Foramen Loch
Hiatus Durchtrittstelle, Spalte, Öffnung
Lamina Häutchen, Schicht
Ligamentum Lig. Band
Musculus M. Muskel (eigentlich: Mäuschen)
Nervus N. Nerv
Nodus N. Knoten
Os Knochen
Pars Teil, eins von mehreren
Plexus Geflecht
Processus Proc. Vorsprung
Radix Rad. Wurzel, Ursprung
Ramus Ast, Zweig
Septum Wand, Trennung
Tendo Sehne
Tuberculum Tub. Höcker, Wulst
Vas Gefäß, Ader
Ortsangaben (2. Teil des Namens)
Lateinisch Kürzel Deutsch
abdominalis zum Bauch gehörig
acromialis zur Schulterhöhe gehörend
brachialis am Oberarm
costalis an den Rippen
cranialis zum Schädel gehörend oder zeigend
cysticus zur Galle gehörend
dorsalis am Rücken, rückenwärts gelegen, gilt auch für Hand- und Fußrücken
femoris am Oberschenkel
fibularis zum Wadenbein gehörend
gastricus zum Magen gehörend
hepatis an oder in der Leber
iliacus am oder im Becken
lienalis zur Milz gehörend
palmaris zur Handfläche gehörend
pectoralis an der Brust
peroneus zum Wadenbein gehörend
plantaris zur Fußsohle gehörig
radialis zur Speiche gehörend
pulmonalis an oder in der Lunge
renalis an oder in der Niere
thoracicus am oder im Brustkorb
tibialis zum Schienbein
transversus quer verlaufend, hindurch strebend
ulnaris zur Elle gehörend
vertebralis zu den Wirbeln gehörend
Richtungen und Größen (2., 3. oder 4.Teil des Namens)
Lateinisch Kürzel Deutsch
anterior ant. vorderer
ascendens aufsteigend
caudalis unten, schwanzwärts
cranialis oben, kopfwärts
descendens absteigend
dexter dext. rechts (vom Patienten aus, nicht vom Betrachter!)
dorsalis dors. hinten, am Rücken, rückenwärts
externus ext. außen, an der Oberfläche
inferior inf. unterer
internus int. innen, im Körper
lateralis lat. seitlich, außen
longitudinalis in Längsrichtung
maximus max. der Größte
medialis med. innen, zur Mitte hin
medius mittlerer, zwischen zwei anderen
minimus min. der Kleinste
posterior post. hinterer
profundus prof. tief
sinister sin. links (vom Patienten aus, nicht vom Betrachter!)
superior sup. oberer
superficialis superf. oberflächlich
ventralis ventr. vorn, am Bauch, bauchwärts

Hinweis: Die in dieser Tabelle genannten lateinischen Bezeichnungen kommen in mehreren Formen vor, abhängig vom grammatischen Geschlecht des Substantivs der Wortverbindung. Oben ist nur die männliche Form genannt. So lautet die männliche Form von "links" sinister, die weibliche sinistra, die sächliche sinistrum. Für die richtige Übersetzung reicht es, wenn das gesuchte Wort dem Wort in der Tabelle bis auf die Endung gleicht.

Siehe auch