Andreas Hammerschmidt

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Andreas Hammerschmidt

Andreas Hammerschmidt (* 1611 oder 1612 in Brüx, Böhmen; † 29. Oktober 1675 in Zittau) war ein böhmischer Komponist und Organist.

Leben

Sein Vater Hans Hammerschmidt war Sattler und stammte aus Carthause bei Zwickau. Über seine leibliche Mutter ist nichts bekannt. 1614 fand die zweite Heirat des Vaters mit Dorothea statt. 1626 (wahrscheinlich zwischen März und August) musste die Familie aus Brüx (heute Most) nach Freiberg flüchten. Der Grund war die forcierte Rekatholisierung in Böhmen. Der Vater erlangte 1629 das Bürgerrecht der Stadt Freiberg.

Wo Andreas Hammerschmidt seine musikalische Ausbildung genoss, ist unbekannt. Es wird vermutet, dass er sie von Balthasar Springer (1608-1654 Domorganist in Freiberg), Chr. Demantius (Domkantor in Freiberg), Christoph Schreiber (Org. der Petrikirche) oder Stephan Otto (Kantor in Schandau) bekam.

Von 1633 bis 1634 hatte Hammerschmidt seine erste Stelle als Organist auf Schloss Weesenstein bei Graf Rudolf von Bünau inne. Ab Juli trat er die Nachfolge von Christoph Schreiber als Organist Kirche St. Petri in Freiberg an und setzte sich somit gegen den Döbelner Organisten M. Dehn durch. Das Bürgerrecht in Freiberg erlangte er 1637 als Organist. Im selben Jahr wurde Ursula Teufel die Frau Hammerschmidts. Sie war Tochter eines Prager Kaufmanns und gebar ihm sechs Kinder, wovon nur drei Töchter überlebten.

Nach dem Tode Schreibers wird Hammerschmidt ein weiteres mal sein Nachfolger an St. Johannis in Zittau, wo er sich bis an sein Lebensende niederließ. In der damals reichen Stadt Zittau waren neben den Bürgermeistern der Gymnasiallehrer und Kantor Simon Crusius (1607-1678), der Rektor des Johanneum Christian Keimann (1607-1662) und der Stadtpfeifer Florian Ritter seine Kollegen. Vertonungen der Lieder Keimanns und Beiträge zu dessen Schulbüchern und- spielen, sowie jährlich Veröffentlichungen eigener Kompositionen mit Vorworten von Heinrich Schütz und Johann Rist verhalfen Hammerschmidt zu Ansehen und Wohlstand. Das Lied „Meinen Jesum laß ich nicht“ von Keimann in der Vertonung von Hammerschmidt ist noch heute in der lutherischen Gesangbüchern. Leider vernichtete 1757 der große Stadtbrand in Zittau die Quellen über Hammerschmidt.

Es ist wenig bekannt über seine Kontakte und Reisen. Er besuchte in Dresden Schütz und hört dessen Werke sowie die italienischer Musiker. Reisen nach Görlitz belegen einige Widmungen (Motettae an das Görlitzer Collegium Musicum, sowie an dortige Musikfreunde die Weltlichen Oden I u. II und die Dialogi). Eine Komposition zur Einweihung der St.-Elisabeth-Kirche zeigt seine Kontakte nach Breslau.

Den aufbrausende Charakter des Organisten und Komponisten belegen einige Anekdoten über Auseinandersetzungen mit Johann Rosenmüller in Leipzig und dem Zittau Weinschenker Chr. Mauer. Auch fungierte Hammerschmidt als Dorf- und Forstverwalter in Waltersdorf und erlangte das Privileg, als einziger in Zittau Klavierunterricht zu erteilen und war ein überdurchschnittlich reicher Musiker. Er konnte sich mehrere Häuser kaufen bzw. bauen lassen.

Sein aufwändiges Grabmal auf dem Zittauer Kreuzkirchhof ist heute nicht mehr erhalten. Auf dem verschollenen Grabstein stand geschrieben: „Es schweiget zwar allhier des edlen Schwanes Thon,/ doch klingt er wunderschön vor seines Gottes Thron./ Mors mea Vita mea est./ Des Edlen Schwanes Thon hat nun hier aufgehöret,/ weil Er vor Gottes Thron der Engel Chor vermehret./ Andreas Hammerschmidt,/ Musicus Celeberrimus Vicit Annos 64, in officio 41,/ denatus anno 1675, 29. October./ Der Deutschen Ehre, Ruhm und Zier,/ Amphiron ruht und schfläft allhier./ Ach! Orpheus wird nicht mehr gehört/ den Zittau vorhin hat geehrt.“

Einzuordnen ist er in die Gruppe der evangelisch-lutherischen Kirchenkomponisten wie Heinrich Schütz und Johann Sebastian Bach. Durch die Umstände, die der Dreißigjährige Krieg (1618 bis 1648) mit sich brachte, handelte es sich bei seiner ersten bekannten Komposition um ein Dankgebet für den Sieg der Sachsen „Verleih uns Frieden“. Wobei zahlreiche Auflagen belegen, dass sich auch seine Erstkomposition „Erster Fleiß...“ großer Beliebtheit erfreute. Sein kompositorisches Schaffen umfasst unter anderem Lieder, Kantaten, Motetten, Instrumental- wie auch Vokalkompositionen. Die Melodieführung seiner Kompositionen gilt allgemein als eingängig und leicht fasslich und wurde 1706 von Heinrich Fuhrmann in seinem „Musikalischen Trichter“ abwertend als „Hammerschmiedischer Fuß“ apostrophiert. Da jedoch das Werk von Hammerschmidt noch nicht komplett erschlossen ist, kann man ihm Oberflächlichkeit oder ein Fehlen einer interpretatorischen Tiefe nicht vorwerfen. Entschieden verteidigt Johann Beer 1719 Hammerschmidt: "denn dieser hat, was die Ehre Gottes betrifft, [...] mehr getan als tausend Operisten“.

Werke (Auswahl)

  • Erster Fleiß allerhand neuer Paduanen, Galliarden, Balletten, Mascharaden, Francoischen Arien, Courenten u. Sarabanden, 5 St. auf Violen, Generalbaß, 1636 (16392, 16483, 16504; hrsg. v. Helmut Mönkemeyer, 1939);
  • Ander Tl. neuer Paduanen usw., 5 u. 3 St. auf Violen, Generalbaß, 1639 (16502, 16583);
  • Musicalische Andachten, 5 Tle., I (Geistl. Konzerte), 1639; II (Geistl. Madrigalien), 1641 (16502; 16593); III (Geistl. Symphonien), 1642 (16522); IV (Geistl. Motetten u. Konzerte), 1646 (16542; 16693); V (Chormusik), 1653;
  • Weltl. Lieder oder Liebesgesänge I, 1642 (16512); II, 1643 (16502); III (Geist- u. weltliche Oden u. Madrigalien), 1649;
  • Dialogi oder Gespräche zw. Gott u. einer gläubigen Seelen I, 1645 (16694; bearb v. A. W. Schmidt, in: DTÖ VIII/1, Wien 1901); II (Das Hohelied Salomonis in Opitz' Übertr.), 1645 (16522; 16563; 16584);
  • Motettae unius et duarum vocum, 1649;
  • Lob- u. Danklied, Ps 84 (9st.), 1652;
  • Musical. (2. Tl.: Geistl.) Gespräche über die Evangelia I, 1655; II, 1656;
  • Neue Musikalische Katechismus-Andachten. Lüneburg 1656 (38 geistl. Lieder)
  • Fest-, Buß- u. Danklieder (5 Sing- u. 5 Instr.stimmen mit Generalbaß,. 1658/59;
  • Kirchen- u. Tafelmusik (Geistl. Konzerte), 1662;
  • Missae (nur Kyrie u. Gloria, als Missae breves, 5-l2st.), 1663;
  • Fest- u. Zeit-Andachten (6st.), 1671.

Neuere Ausgaben

  • Erster Fleiß. Instrumentalwerke zu 3 u. 5 St., hrsg. v. Helmut Mönkemeyer, = Das Erbe Dt. Musik 49, Abt. Kammermusik VII, Kassel 1957;
  • Weltl. Oden oder. Liebesgesänge (1642-49), hrsg. v. Hans Joachim Moser, = Das Erbe Dt. Musik 43, Abt. u. Sologesang V, Mainz 1962;
  • Ausgew. Kirchenmusik, hrsg. v. Diethard Hellmann, = Geistl. Chormusik IV, Das Chorwerk alter Meister VI, Stuttgart 1964;
  • weitere (Einzel-).Ausgg., hrsg. v. dems. u. D. Hildebrandt, ebd. 1964 ff.

Diskografie

  • Ensemble Sagittarius, Maîtrise de Radio France, (Michel Laplénie): Andreas Hammerschmidt, Motets extraits des Musicalische Andachten,des Fest-, Buß- und Danklieder et des Fest- und Zeitandachten, MPO assai, Radio France, 2000
  • Hesperion XX (Jordi Savall): Andreas Hammerschmidt, Vier Suiten aus der Sammlung “Erster Fleiß”, Ars Musici, Freiburg 1986

Literatur

  • Rothaug, Diana: Hammerschidt, Andreas, in: MGG, Bd. 27, Ludwig Finscher (Hrsg.), Kassel 2003
  • Hammerschmidt, Andreas: Werkverzeichnis, in: RISM, Friedrich Blume (Hrsg.), Kassel 1974
  • Queißer, Robert: Das verschwundene Dichtergrab – zur Erinnerung an den Todestag des Kirchenkomponisten und Dichters Andreas Hammerschmidt, in: Oberlausitzer Heimatzeitung Nr. 25 (8. Jahrgang), Zittau 1927
  • A. Tobias, A. H., in: Mitt. des Ver. f. die Gesch. der Deutschen in Böhmen 9, Prag 1870, H. 7/8;
  • Ders. u. P. Stobe, A. H., ebd. 39, 1900, H. 1;
  • Reinhard Vollhardt, Gesch. der Cantoren u. Organisten v. den Städten im Kgr. Sachsen, 1899;
  • O. Friedrich, Gymn. (Johanneum) zu Zittau, in: Veröff. z. Gesch. des gelehrten Schulwesens im Albertin. Sachsen I, 1900, 209 ff.;
  • Theodor Gärtner, Qu.buch z. Gesch. des Gymn. zu Zittau. I: Bis z. Tode des Rektors Christian Weise (1708), 1905;
  • Hugo Leichtentritt, Gesch. der Motette, 1908 (Nachdr. Hildesheim 1967), 350 ff.;
  • Wilhelm Krabbe, Johann Rist u. das dt. Lied. Ein Btr. z. Gesch. der Vokalmusik des 17. Jh.s (Diss. Berlin), 1910;
  • Georg Schünemann, Btrr. z. Biogr. H.s, in: SIMG 12, 1910/11, 207 ff.;
  • Stefan Temesvári, H.s "Dialogi". Ein Btr. z. Gesch. der Dialogform in Dtld. (Diss. Wien), 1911;
  • Arnold Schering, Gesch. des Oratoriums, 1911;
  • Hermann Kretzschmar, Gesch. des neueren dt. Liedes I, .1911, 81 ff.;
  • Erich Steinhard, Zum 300. Geb. des dt.-böhm. Musikers A. H., Prag 1914;
  • E. Richter, Die Dialoge A. H.s, in: Die Singgemeinde 1,. 1924/25;
  • Friedrich Blume, Das monod. Prinzip in der prot. Kirchenmusik, 1925;
  • Ders., Gesch. der ev. Kirchenmusik, 19652, 152 ff. 158 ff. 179 f. u. ö.;
  • Theodor Veidl, A. H., in: Sudetendt. Lb., hrsg. v. Erich Gierach, I, Reichenberg 1926, 181 ff.;
  • Hans Joachim Moser, Die mehrst. Vertonung des Ev. I, 1931, 64 ff.;
  • Ders., Die ev. Kirchenmusik in Dtld., 1954;
  • Martin Lange, Die Anfänge der Kantate (Diss. Leipzig)., Dresden 1938;
  • Hans-Olaf Hudemann, Die prot. Dialogkomposition im 17. Jh. (Diss. Kiel, 1942), Freiburg/Breisgau 1941;
  • Harold Mueller, The "Musical. Gespräche über die Evangelia" of A. H. (Diss. Univ. of Rochester/New York), 2 Bde., 1956;
  • Klaus Günzel, A. H. Zur 350. Wiederkehr seines Geb., in: Musica 15, 1961, 617;
  • Harald Kümmerling, Über einige unbekannte Stimmbücher der "Paduanen, Galliarden etc." v. A. H., in: Mf 14, 1961, 186 ff.;
  • v.Winterfeld II, 249 ff.;
  • Kümmerle I, 529 ff.;
  • Hdb. z. EKG II/1, 160 f.; - MGG V, 1426 ff.;
  • Eitner V, 7 ff.;
  • Riemann I, 727 f.; ErgBd. I, 487;
  • Moser I, 475;
  • Grove IV, 35 f. - Honegger I, 465;
  • Goodman 188;
  • ADB X, 488;
  • NDB VII, 594;
  • RGG III, 50.