Der Nagel

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Der Nagel ist ein Exempeltext (ATU 2039). Er steht in den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm ab der 5. Auflage von 1843 an Stelle 184 (KHM 184) nach der Vorlage Vom Reiter und seinem Roß aus Ludwig Aurbachers Büchlein für die Jugend.

Inhalt[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Illustration von Otto Ubbelohde, 1909

Ein Kaufmann reitet nach erfolgreichen Geschäften heim und will vor Einbruch der Nacht da sein. Mittags bei der Rast fehlt einem Hufeisen ein Nagel, nachmittags das Eisen, doch er hat Eile und lässt es nicht ersetzen. Das Pferd hinkt, stolpert und bricht sich ein Bein. Er muss zu Fuß heim und kommt erst spät in der Nacht an. Er gibt dem Nagel die Schuld. Der Erzähler schließt: „Eile mit Weile.“

Herkunft[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Illustration von Otto Ubbelohde, 1909

Die Geschichte ist bei Aurbacher noch mehr als Lehrexempel konzipiert. Wilhelm Grimm kürzte die vorweggenommene Lehre „Wer im Kleinen nicht Sorge trägt, muß im Großen Schaden leiden“, ersetzte die Schlussmoral „Vorgethan und nachbedacht / Hat manchen schon in Schaden gebracht“ durch „Eile mit Weile“ und straffte die Handlungsführung.[1] Seine Anmerkung zitiert noch einen Spruch bei Freidank 79, 19–80, 1:

ich hore sagen die wîsen
ein nagel behalte ein îsen,
ein îsenz ros, ein ros den man,
ein man die burc, der strîten kan:
ein burc daz lant betwinget,
daz ez nâch hulden ringet.
der nagel der ist wol bewant
der îsen ros man burc unt lant
solher êren geholfen hât
dà von sîn name sô hôhe stât.

Das Sprichwort „Eile mit Weile“ geht auf Suetons „Festina lente“ in De vita Caesarum (Octavianus 25,4) zurück, vgl. KHM 164 Der faule Heinz. In Lesebüchern verdrängte Grimms Text ältere Vorlagen, etwa von Carl Philipp Funke, Johann Andreas Christian Löhr und eben Ludwig Aurbacher.[2] Das „Eile mit Weile“ zitiert schon Musäus‘ Märchen Ulrich mit dem Bühel.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Grimm, Brüder. Kinder- und Hausmärchen. Vollständige Ausgabe. Mit 184 Illustrationen zeitgenössischer Künstler und einem Nachwort von Heinz Rölleke. S. 751. Düsseldorf und Zürich, 19. Auflage 1999. (Artemis & Winkler Verlag; Patmos Verlag; ISBN 3-538-06943-3)
  • Brüder Grimm: Kinder- und Hausmärchen. Ausgabe letzter Hand mit den Originalanmerkungen der Brüder Grimm. Mit einem Anhang sämtlicher, nicht in allen Auflagen veröffentlichter Märchen und Herkunftsnachweisen herausgegeben von Heinz Rölleke. Band 3: Originalanmerkungen, Herkunftsnachweise, Nachwort. Durchgesehene und bibliographisch ergänzte Ausgabe. Reclam, Stuttgart 1994, ISBN 3-15-003193-1, S. 266–267, 511.
  • Heinz Rölleke (Hrsg.): Grimms Märchen und ihre Quellen. Die literarischen Vorlagen der Grimmschen Märchen synoptisch vorgestellt und kommentiert (= Schriftenreihe Literaturwissenschaft. Band 35). 2. Auflage. Wissenschaftlicher Verlag Trier, Trier 2004, ISBN 3-88476-717-8, S. 430–431, 578–579.
  • Hans-Jörg Uther: Handbuch zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm. de Gruyter, Berlin 2008, ISBN 978-3-11-019441-8, S. 379–380.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Heinz Rölleke (Hrsg.): Grimms Märchen und ihre Quellen. Die literarischen Vorlagen der Grimmschen Märchen synoptisch vorgestellt und kommentiert (= Schriftenreihe Literaturwissenschaft. Band 35). 2. Auflage. Wissenschaftlicher Verlag Trier, Trier 2004, ISBN 3-88476-717-8, S. 430–431, 578–579.
  2. Hans-Jörg Uther: Handbuch zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm. de Gruyter, Berlin 2008, ISBN 978-3-11-019441-8, S. 379–380.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wikisource: Der Nagel – Quellen und Volltexte