Quelltext der Seite Erich Molitor

'''Karl Constant Erich Molitor''' (* [[3. Oktober]] [[1886]] in [[Göttingen]]; † [[24. Februar]] [[1963]] in [[Wiesbaden]]) war ein deutscher [[Jurist]] und [[Professor#Universitätsprofessoren|Universitätsprofessor]]. Von 1949 bis 1953 war er [[Gerichtspräsident|Präsident]] des Obersten Arbeitsgerichts von Rheinland-Pfalz. Er gilt als einer der Begründer der modernen [[Arbeitsrecht (Deutschland)|Arbeitsrechts]]wissenschaft.<ref>[[Hans Carl Nipperdey]]: ''Erich Molitor 70 Jahre.'' In: ''[[Recht der Arbeit]]'' 1956, S. 371 f.</ref>

== Leben ==
Erich Molitors Vater [[Karl Molitor (Bibliothekar)|Karl Molitor]] war ab 1891 Direktor der [[Universitäts- und Landesbibliothek Münster|Universitätsbibliothek Münster]]. Nach dem Schulbesuch am [[Gymnasium Paulinum (Münster)|Münsteraner Paulinum]] studierte er [[Rechtswissenschaft]] in [[Universität Lausanne|Lausanne]], [[Universität Straßburg#Kaiser-Wilhelm-Universität|Straßburg]], [[Ludwig-Maximilians-Universität München|München]], [[Humboldt-Universität zu Berlin#Friedrich-Wilhelms-Universität|Berlin]] und [[Westfälische Wilhelms-Universität|Münster]]. 1910 wurde er bei [[Rudolf His]] zum Dr. jur. [[Promotion (Doktor)|promoviert]]. Anschließend war er [[Richter]] an einem [[Landgericht]]. Interessehalber besuchte er das ''Rechtsgeschichtliche Seminar'' von [[Konrad Beyerle]] an der [[Georg-August-Universität Göttingen]], wo er mit [[Heinrich von Minnigerode]] und [[Otto Schreiber (Jurist)|Otto Schreiber]] befreundet war.<ref>{{Literatur |Autor=Nadine Däumichen |Titel=Erich Molitor – Mitbegründer der neueren Arbeitsrechtswissenschaft. |Hrsg= |Sammelwerk= |Band= |Nummer= |Auflage= |Verlag= |Ort=Berlin |Datum=2012 |ISBN= |Seiten=22}}</ref> 1914 [[Habilitation|habilitierte]] er sich in Münster für Deutsche Rechtsgeschichte und Deutsches Bürgerliches Recht. Nach einer Lehrstuhlvertretung in [[Philipps-Universität Marburg|Marburg]] begann er ab 1922 in [[Universität Leipzig|Leipzig]] zu lehren. 1930 folgte er einem Ruf nach [[Universität Greifswald|Greifswald]] als Nachfolger von [[Franz Beyerle]]. Eine Berufung nach [[Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg|Halle]] scheiterte 1937 aus weltanschaulichen Gründen, da sich Molitor zuvor für seinen jüdischen Professorenkollegen [[Josef Juncker]] eingesetzt<ref>{{Literatur |Autor=Nadine Däumichen |Titel=Erich Molitor – Mitbegründer der neueren Arbeitsrechtswissenschaft. |Hrsg= |Sammelwerk= |Band= |Nummer= |Auflage= |Verlag= |Ort=Berlin |Datum=2012 |ISBN= |Seiten=45 f.}}</ref> sowie bei anderer Gelegenheit öffentlich die [[Zeit des Nationalsozialismus|nationalsozialistischen]] [[Blut-und-Boden-Ideologie]] missbilligt hatte.<ref>[[Karl Kroeschell]]: ''Erich Molitor.'' In: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung 80 (1963), S. 594–598 (596).</ref> Gleichwohl gehörte er der [[Akademie für Deutsches Recht]] an,<ref name="Klee414">[[Ernst Klee]]: ''Das Personenlexikon zum Dritten Reich''. Frankfurt am Main 2007, S. 414</ref> trat 1941 der [[Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei|NSDAP]] bei (Mitgliedsnummer 7.370.596) und wurde Mitglied im [[Nationalsozialistischer Deutscher Dozentenbund|NS-Dozentenbund]]. 1942 übernahm er das Amt des [[Dekan (Hochschule)#Deutschland|Dekans]] der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät in Greifswald. Nach [[Zweiter Weltkrieg|Kriegsende]] verließ er 1946 unter Ausschlagung eines Angebots der [[Universität Rostock]]<ref>{{Literatur |Autor=Nadine Däumichen |Titel=Erich Molitor – Mitbegründer der neueren Arbeitsrechtswissenschaft |Hrsg= |Sammelwerk= |Band= |Nummer= |Auflage= |Verlag= |Ort=Berlin |Datum=2012 |ISBN= |Seiten=53}}</ref> die [[sowjetische Besatzungszone]] und wechselte an die [[Johannes-Gutenberg-Universität Mainz]]. Dort war er sogleich Dekan der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät, darauffolgend bis 1948 Prodekan.

Molitor wurde 1949 zum Präsidenten des Obersten Arbeitsgerichts von Rheinland-Pfalz ernannt, einer landesweit zuständigen [[Revision (Recht)|Revision]]<nowiki/>sinstanz gegen Urteile des [[Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz|Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz]], die mit der Gründung des [[Bundesarbeitsgericht]]s 1953 aufgelöst wurde. Für seine Verdienste wurde Molitor 1956 mit dem [[Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland]] ausgezeichnet.

Molitor war seit 1921 verheiratet mit Maria Georgina Elisabeth Gerdrud<!-- bitte nicht ändern, sie hieß wirklich Gerdrud und nicht Gertrud --> Peters (1900–1988); deren Brüder [[Hans Peters (Rechtswissenschaftler, 1896)|Hans]] und [[Karl Peters (Rechtswissenschaftler)|Karl Peters]] waren ebenfalls bekannte Rechtswissenschaftler. Einer seiner vier Söhne, [[Karl Molitor (Jurist)|Karl Molitor]] (1928–2021), Honorarprofessor in Göttingen,<ref>[https://www.uni-goettingen.de/de/professor+dr.+dr.+h.+c.+karl+molitor/115346.html Prof. Dr. Dr. h.c. Karl Molitor] auf den Seiten der Georg-August-Universität Göttingen.</ref> war Geschäftsführer des [[Bundesarbeitgeberverband Chemie|Bundesarbeitgeberverbands Chemie]].<ref>Bundesarbeitgeberverband Chemie: [https://www.bavc.de/bavc/web/web.nsf/id/li_prat7emh8b.html Prof. Karl Molitor 75 Jahre alt.] 21. Mai 2003.</ref>

== Werk ==
Bis 1921 befasste sich Molitor ausschließlich mit Themen der deutschen Rechtsgeschichte, erst mit seiner Berufung nach Leipzig erweiterten sich seine Interessen hin zum Arbeitsrecht.<ref>Antonio Montaner: ''Gedächtnisansprache.'' In: ''Erich Molitor zum Gedächtnis.'' Mainz 1963. S. 5 f.</ref> Zunächst forschte er zur Rolle der [[Ständegesellschaft|Stände]] in der mittelalterlichen Gesellschaft, insbesondere zu den [[Ministeriale]]n, sowie zur Geschichte der [[Kodifikation]]sidee anhand des Mecklenburgischen Landrechts von [[David Mevius]]; seine Untersuchung zur [[Reichsreform (Heiliges Römisches Reich)|Reichsreformbewegung]] in geistes- und kulturgeschichtlicher Hinsicht gilt als „Pionierleistung“.<ref>[[Johannes Bärmann]]: ''Erich Molitors rechtshistorisches Werk''. In: ''Erich Molitor zum Gedächtnis.'' Mainz 1963. S. 7–14, (12).</ref> Bezüglich des [[Sachsenspiegel]]s vertrat er erstmals die Theorie, das Rechtsbuch sei nicht in einem Wurf entstanden, sondern stelle einen Urtext mit mehreren späteren Einschüben und Überarbeitungen [[Eike von Repgow]]s oder anderer Bearbeiter dar; diese „aufsehenerregende“<ref>Karl Kroeschell: Erich Molitor. In: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung 80 (1963), S. 594–598 (597).</ref> These wurde zunächst vielfach abgelehnt, gilt aber mittlerweile durch die neuere Sachsenspiegel-Forschung als bestätigt.<ref>{{Literatur |Autor=Nadine Däumichen |Titel=Erich Molitor – Mitbegründer der neueren Arbeitsrechtswissenschaft |Hrsg= |Sammelwerk= |Band= |Nummer= |Auflage= |Verlag= |Ort=Berlin |Datum=2012 |ISBN= |Seiten=129}}</ref><ref>Vgl. [[Heiner Lück]]: ''Über den Sachsenspiegel.'' 2005, S. 17.</ref>

In seinen arbeitsrechtlichen Untersuchungen verfolgte Molitor den Ansatz, die Dogmatik des Arbeitsrechts aus der traditionellen Dogmatik des allgemeinen Zivilrechts zu konstruieren.<ref>Hellmut Georg Isele: ''Erich Molitor 70 Jahre alt.'' In: ''Recht der Arbeit'' 1956, S. 1710.</ref> Unter Molitors Ägide wurde das ursprünglich von [[Erwin Jacobi (Jurist)|Erwin Jacobi]] gegründete Leipziger Institut für Arbeitsrecht zu einem Zentrum der damals noch jungen Disziplin der Arbeitsrechtswissenschaft.<ref>Antonio Montaner: ''Gedächtnisansprache.'' In: ''Erich Molitor zum Gedächtnis.'' Mainz 1963. S. 5 f.</ref> Spätestens seit der Veröffentlichung von ''Die Kündigung'' (1935) war Molitor auf dem Gebiet des Arbeitsrecht eine Autorität.<ref>Karl Kroeschell: Erich Molitor. In: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung 80 (1963), S. 594–598 (596).</ref> In dieser Monografie entwickelte er die Dogmatik der [[Kündigung (deutsches Arbeitsrecht)|arbeitsrechtlichen Kündigung]] in engem Zusammenhang mit der allgemein-zivilrechtlichen Dogmatik der [[Kündigung (Deutschland)|Kündigung]], wie sie zum Beispiel im [[Mietvertrag (Deutschland)|Mietrecht]] auftaucht.<ref>[[Wilhelm Scheuerle]]: ''Erich Molitors arbeitsrechtliches Werk.'' In: ''Erich Molitor zum Gedächtnis.'' Mainz 1963. S. 15–19 (16).</ref> Auch die Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses als personenrechtliches Verhältnis, wie sie das Bundesarbeitsgericht seit 1962 seiner Rechtsprechung zugrunde legt, geht auf eine Arbeit von Erich Molitor aus dem Jahr 1931 zurück.<ref>[[Alfred Hueck]]: ''Erich Molitor.'' In: ''Recht der Arbeit'' 1963, S. 134. </ref><ref>Wilhelm Scheuerle: Erich Molitors arbeitsrechtliches Werk. In: Erich Molitor zum Gedächtnis. Mainz 1963. S. 15–19 (16).</ref>

In seiner Mainzer Zeit betrieb Molitor zunehmend [[Vergleichende Rechtswissenschaft|rechtsvergleichende]] Studien (insbesondere zum italienischen Arbeitsrecht)<ref>Gerhard Schnorr: ''Professor Dr. Erich Molitor.'' In: [[Arbeit und Recht]] 11 (1963), S. 85.</ref>, die ihn zu einem über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannten Rechtswissenschaftler werden ließen.<ref>Bernhard Volmer: ''Erich Molitor.'' In: [[Neue Juristische Wochenschrift|NJW]] 1963, S. 849.</ref> Seine 1949 veröffentlichte Darstellung der ''Grundzüge der neueren Privatrechtsgeschichte'' wurde zu einem der Standardwerke des rechtswissenschaftlichen Studiums.<ref>Karl Kroeschell: Erich Molitor. In: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung 80 (1963), S. 594–598 (598).</ref> Nach Molitors Tode führte [[Hans Schlosser (Rechtswissenschaftler)|Hans Schlosser]] das Lehrbuch in mehreren Auflagen weiter.

== Veröffentlichungen (Auswahl) ==
* ''Die Stände der Freien in Westfalen und der Sachsenspiegel.'' Münster 1910 (Dissertation).
* ''Der Stand der Ministerialen.'' Breslau 1912 (Habilitationsschrift). Ndr. Aalen 1970.
* ''Die Reichsreformbestrebungen des 15. Jahrhunderts'' Breslau 1921. 2. Aufl. Leipzig 1924. Ndr. Aalen 1969.
* ''Das Wesen des Arbeitsvertrages.'' Leipzig/Erlangen 1925.
* ''Das Beschäftigungsverhältnis im Arbeitsrecht.'' In: ''[[Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht (1921–1933)|Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht]].'' 1931, S. 109 ff.
* ''Der Entwurf eines mecklenburgischen Landrechts von David Mevius.'' In: ''[[Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte]], Germanistische Abteilung.'' Band 61, 1940, S. 160 ff.
* ''Die Kündigung.'' Mannheim/Berlin/Leipzig 1935. 2. Aufl. Mannheim 1951.
* ''Zur Entwicklung der Munt. Eine ständegeschichtliche Untersuchung.'' In: ''Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte.'' Band 64, 1944, S. 112–171.
* ''Der Gedankengang des Sachsenspiegels.'' In: ''Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung.'' Band 65, 1947, S. 15 ff.
* ''Grundzüge der neueren Privatrechtsgeschichte.'' Karlsruhe 1949.

== Literatur ==
* Nadine Däumichen: ''Erich Molitor – Mitbegründer der neueren Arbeitsrechtswissenschaft. Arbeitsverhältnis und Arbeitsvertrag zu Zeiten der Weimarer Verfassung und des Dritten Reiches'' (= ''Schriften zur Rechtsgeschichte.'' Bd. 156). Berlin 2012.
== Weblinks ==
* {{DNB-Portal|128721103}}
* {{NDB|17|726|727|Molitor, Erich|[[Hans Schlosser (Rechtswissenschaftler)|Hans Schlosser]]|128721103}}
* [https://www.gutenberg-biographics.ub.uni-mainz.de/personen/register/eintrag/erich-molitor.html Erich Molitor] im Mainzer Professorenkatalog (mit Bild).
* {{CPL|Molitor_276}} (mit Bild).

== Einzelnachweise ==
<references responsive />

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{{SORTIERUNG:Molitor, Erich}}
[[Kategorie:Arbeitsrechtler (20. Jahrhundert)]]
[[Kategorie:Richter (Arbeitsgericht)]]
[[Kategorie:Rechtshistoriker (20. Jahrhundert)]]
[[Kategorie:Hochschullehrer (Universität Leipzig)]]
[[Kategorie:Hochschullehrer (Universität Greifswald)]]
[[Kategorie:Hochschullehrer (Johannes Gutenberg-Universität Mainz)]]
[[Kategorie:Mitglied der Akademie für Deutsches Recht]]
[[Kategorie:NSDAP-Mitglied]]
[[Kategorie:Träger des Bundesverdienstkreuzes]]
[[Kategorie:Wikipedia:Träger des Bundesverdienstkreuzes (Ausprägung ungeklärt)]]
[[Kategorie:Deutscher]]
[[Kategorie:Geboren 1886]]
[[Kategorie:Gestorben 1963]]
[[Kategorie:Mann]]

{{Personendaten
|NAME=Molitor, Erich
|ALTERNATIVNAMEN=Molitor, Karl Constant Erich (vollständiger Name)
|KURZBESCHREIBUNG=deutscher Jurist und Universitätsprofessor
|GEBURTSDATUM=3. Oktober 1886
|GEBURTSORT=[[Göttingen]]
|STERBEDATUM=24. Februar 1963
|STERBEORT=[[Wiesbaden]]
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