Quelltext der Seite Ganweriwala

{{Koordinate|NS=28.607605|EW=71.149161|type=city|region=PK-PB|dim=419}}
[[Datei:Indus Valley Civilization, Mature Phase (2600-1900 BCE).png|mini|297x297px|Ausbreitung der Indus-Kultur in ihrer Hauptphase, Ganweriwala mittig.]]
'''Ganweriwala''' ({{UrS|گنویريوالا}}, {{PaS|گنیریوالا}}) ist ein [[Archäologie|archäologischer]] Fundplatz in der Wüste [[Thar|Cholistan]] im südlichen [[Punjab (Pakistan)|Punjab]] in [[Pakistan]]. Die wohl drittgrößte Stadt der [[Indus-Kultur]] war ein großes und wichtiges Regionalzentrum der Cholistan-Region zwischen 2.600 und 1.900 v. Chr. und ging aus einer kleineren Siedlung der [[Hakra-Waren-Kultur]] ab 3.800 v. Chr. hervor.

== Geographie ==

=== Lage ===
Die Stätte liegt mitten in der Wüste Cholistan im südlichen [[Punjab]] in Pakistan. Sie liegt auf halber Strecke zwischen den wichtigsten Städten der Indus-Kultur, [[Mohenjo-Daro]] und [[Harappa]], und 27 Kilometer südwestlich des [[Derawar-Fort]]s aus dem 9. Jahrhundert. Die Umgebung besteht aus sandigen Hügeln und flachen Ebenen. In der Nähe verläuft der ausgetrocknete Flusslauf des [[Hakra]].<ref name=":2">{{Literatur |Autor=Sidra Gulzar |Titel=Settlement Scaling and Urban Infrastructure. A Comparative Approach to Settlements from the Ancient Indus society |Verlag=Department of Historical Studies, University of Gothenburg |Ort=Gothenburg |Datum=2022 |ISBN=978-91-85245-87-1 |Seiten=43}}</ref>

=== Geofaktoren ===
Die Stätte liegt heute in der Wüste. Es muss angenommen werden, dass bis 1.900 v. Chr., als die Stadt verlassen wurde, ein wesentlich anderes Klima in der Region herrschte, das Viehhaltung und Ackerbau ermöglichte. Der Fluss [[Hakra]] trocknete um 1.900 v. Chr. durch [[Plattentektonik|tektonische]] Störungen sowie durch [[Entwaldung]] und [[Überweidung]] aus und die heutige Wüste Cholistan entstand.<ref name=":4" /> Die genauen Gründe und ihre Gewichtung für die [[Desertifikation]] sind allerdings in der Forschung umstritten.<ref name=":232">{{Literatur |Autor=Sidra Gulzar |Titel=Settlement Scaling and Urban Infrastructure. A Comparative Approach to Settlements from the Ancient Indus society |Verlag=Department of Historical Studies, University of Gothenburg |Ort=Gothenburg |Datum=2022 |ISBN=978-91-85245-87-1 |Seiten=63}}</ref> Die Analyse von Keramik verschiedener Städte der Indus-Kultur zeigt, dass die Keramik lokal produziert wurde und daher auch in Ganweriwala für das Brennen große Mengen an Rohton, Brennholz und Wasser verfügbar gewesen sein müssen.<ref name=":23">{{Literatur |Autor=Sidra Gulzar |Titel=Settlement Scaling and Urban Infrastructure. A Comparative Approach to Settlements from the Ancient Indus society |Verlag=Department of Historical Studies, University of Gothenburg |Ort=Gothenburg |Datum=2022 |ISBN=978-91-85245-87-1 |Seiten=104–105}}</ref>

== Beschreibung ==
Eine [[Global Positioning System|GPS]]-Untersuchung von 2015 legt nahe, dass die Stätte aus einem kleineren und höheren Siedlungshügel im Westen und einem größeren und niedrigen Siedlungshügel im Osten besteht. Zwischen den Hügeln besteht eine Senke von etwa 50 Metern Breite.<ref name=":22">{{Literatur |Autor=Sidra Gulzar |Titel=Settlement Scaling and Urban Infrastructure. A Comparative Approach to Settlements from the Ancient Indus society |Verlag=Department of Historical Studies, University of Gothenburg |Ort=Gothenburg |Datum=2022 |ISBN=978-91-85245-87-1 |Seiten=48, Fig. 20}}</ref> Eine Untersuchung mit Maßband von 2007 hingegen nahm noch an, der westliche Siedlungshügel sei größer.<ref name=":0" /> Die Differenzierung in zwei getrennte unterschiedlich große Stadtteile weist große Ähnlichkeit mit Mohenjo-Daro auf.<ref name=":224">{{Literatur |Autor=Sidra Gulzar |Titel=Settlement Scaling and Urban Infrastructure. A Comparative Approach to Settlements from the Ancient Indus society |Verlag=Department of Historical Studies, University of Gothenburg |Ort=Gothenburg |Datum=2022 |ISBN=978-91-85245-87-1 |Seiten=60}}</ref>

Der westliche Siedlungshügel (Mound A<ref name=":0" />, Mound 2<ref name=":22" />) hat nach den Untersuchungen von 2007 durch Farzand Masih eine Fläche von 14,44 [[Hektar]] und eine Nord-Süd-Ausdehnung von 525 Metern sowie eine Ost-West-Ausdehnung von 275 Metern. Seine Höhe über das umgebende Terrain beträgt 8,5 bis 9 Meter.<ref name=":0">{{Literatur |Autor=Farzand Masih |Titel=Ganweriwala – A New Perspective |Hrsg=Dennys Frenez, Gregg M. Jamison, Randall W. Law, Massimo Vidale, Richard H. Meadow |Sammelwerk=Walking with the Unicorn. Social Organization and Material Culture in Ancient South Asia |Verlag=Archaeopress |Ort=Oxford |Datum=2018 |ISBN=9781784919177 |Seiten=379}}</ref> Eine etwa 90 cm breite Lehmziegelwand verläuft von Nord nach Süd.<ref>{{Literatur |Autor=Farzand Masih |Titel=Ganweriwala – A New Perspective |Hrsg=Dennys Frenez, Gregg M. Jamison, Randall W. Law, Massimo Vidale, Richard H. Meadow |Sammelwerk=Walking with the Unicorn. Social Organization and Material Culture in Ancient South Asia |Verlag=Archaeopress |Ort=Oxford |Datum=2018 |ISBN=9781784919177 |Seiten=380–381}}</ref> Nach der Untersuchung von 2015 durch Sidra Gulzar ist der Hügel etwa nur ein Drittel so groß wie angenommen.<ref name=":22" /> Der östliche Siedlungshügel (Mound B<ref name=":0" />, Mound 1<ref name=":22" />) hat nach der Untersuchung von 2007 eine Fläche von 10,31 Hektar und eine Nord-Süd-Ausdehnung von 375 Metern sowie eine Ost-West-Ausdehnung von 275 Metern. Seine Höhe über das umgebende Terrain beträgt 6,5 bis 7 Meter.<ref name=":0" /> Eine Untersuchung von 1997 ermittelte eine Fläche von 81,5 Hektar<ref>{{Literatur |Autor=M. R. Mughal |Titel=Ancient Cholistan. Archaeology and Architecture |Verlag=Ferozsons |Ort=Lahore |Datum=1997}}</ref>, die später allerdings nicht mehr bestätigt werden konnte.<ref name=":1">{{Literatur |Autor=Farzand Masih |Titel=Ganweriwala – A New Perspective |Hrsg=Dennys Frenez, Gregg M. Jamison, Randall W. Law, Massimo Vidale, Richard H. Meadow |Sammelwerk=Walking with the Unicorn. Social Organization and Material Culture in Ancient South Asia |Verlag=Archaeopress |Ort=Oxford |Datum=2018 |ISBN=9781784919177 |Seiten=381}}</ref><ref>{{Literatur |Autor=Sidra Gulzar |Titel=Settlement Scaling and Urban Infrastructure. A Comparative Approach to Settlements from the Ancient Indus society |Verlag=Department of Historical Studies, University of Gothenburg |Ort=Gothenburg |Datum=2022 |ISBN=978-91-85245-87-1 |Seiten=40}}</ref> Die Gesamtfläche der Siedlungshügel wurde von Masih mit 24,75 Hektar (42,00 Hektar inklusive Scherbenwurf)<ref name=":0" /> und von Gulzar nach der GPS-Messing mit 22,13 Hektar für die mit Artefakten bedeckten Siedlungshügel und 66,7 Hektar für die Gesamtfläche, die sich über das umgebende Terrain erhebt, angegeben.<ref name=":222">{{Literatur |Autor=Sidra Gulzar |Titel=Settlement Scaling and Urban Infrastructure. A Comparative Approach to Settlements from the Ancient Indus society |Verlag=Department of Historical Studies, University of Gothenburg |Ort=Gothenburg |Datum=2022 |ISBN=978-91-85245-87-1 |Seiten=47}}</ref>

Wie bei anderen Siedlungen und Städten der Indus-Kultur ist die Stadt wohl als rechtwinkliges Raster mit parallelen Häuserblöcken angelegt, weitere Untersuchungen wie Grabungen sind aber notwendig, um über den Stadtgrundriss nähere Angaben machen zu können.<ref name=":1" />

== Geschichte ==
Die Stätte wurde wohl um 3.800 v. Chr.<ref name=":2232">{{Literatur |Autor=Sidra Gulzar |Titel=Settlement Scaling and Urban Infrastructure. A Comparative Approach to Settlements from the Ancient Indus society |Verlag=Department of Historical Studies, University of Gothenburg |Ort=Gothenburg |Datum=2022 |ISBN=978-91-85245-87-1 |Seiten=89–90 |Kommentar=}}</ref> oder 3.500 v. Chr.<ref>{{Literatur |Autor=Mohammed Rafique Mughal |Titel=Ancient Cholistan. Archaeology and Architecture |Verlag=Feroszsons |Ort=Lahore |Datum=1997 |ISBN=9690013505}}</ref> von Trägern der Hakra-Waren-Kultur besiedelt.<ref name=":22322">{{Literatur |Autor=Sidra Gulzar |Titel=Settlement Scaling and Urban Infrastructure. A Comparative Approach to Settlements from the Ancient Indus society |Verlag=Department of Historical Studies, University of Gothenburg |Ort=Gothenburg |Datum=2022 |ISBN=978-91-85245-87-1 |Seiten=62 |Kommentar=}}</ref> Um 2.600 v. Chr. entwickelte sich die Siedlung zu einer Stadt der Indus-Kultur<ref name=":223">{{Literatur |Autor=Sidra Gulzar |Titel=Settlement Scaling and Urban Infrastructure. A Comparative Approach to Settlements from the Ancient Indus society |Verlag=Department of Historical Studies, University of Gothenburg |Ort=Gothenburg |Datum=2022 |ISBN=978-91-85245-87-1 |Seiten=62}}</ref> und war das städtische Zentrum der Cholistan-Region<ref name=":2" /> mit schätzungsweise 13.500 Einwohnern.<ref name=":24">{{Literatur |Autor=Sidra Gulzar |Titel=Settlement Scaling and Urban Infrastructure. A Comparative Approach to Settlements from the Ancient Indus society |Verlag=Department of Historical Studies, University of Gothenburg |Ort=Gothenburg |Datum=2022 |ISBN=978-91-85245-87-1 |Seiten=126}}</ref> Die Stadt wurde etwa um 1.900 v. Chr. verlassen, zu der Zeit, in der der Fluss [[Hakra]] durch [[Plattentektonik|tektonische]] Störungen sowie durch [[Entwaldung]] und [[Überweidung]] austrocknete und die heutige Wüste Cholistan im Gebiet entstand.<ref name=":4">{{Literatur |Autor=Farzand Masih |Titel=Ganweriwala – A New Perspective |Hrsg=Dennys Frenez, Gregg M. Jamison, Randall W. Law, Massimo Vidale, Richard H. Meadow |Sammelwerk=Walking with the Unicorn. Social Organization and Material Culture in Ancient South Asia |Verlag=Archaeopress |Ort=Oxford |Datum=2018 |ISBN=9781784919177 |Seiten=377–378}}</ref>

== Funde ==
Oberflächenfunde aus Ganweriwala sind Keramik der Hakra-Waren-Kultur<ref name=":22322" /> und der Harappa-Phasen 3B und 3C, darunter Becher mit spitzem Boden sowie Ziegel im für die Indus-Kultur typischen Format von 1:2:4, keilförmige Brunnenziegel, Kupferwerkzeuge, Steinwerkzeuge, [[Steatit]]-Scheibenperlen, Achatperlen und für die Indus-Kultur typische Objekte.<ref name=":5" />

Einen bedeutenden Fund stellt eine geprägte Tontafel dar, die auf einer Seite die Darstellung einer nackten männlichen Gottheit im Schneidersitz auf einem Thron, die unter einem Baldachin sitzt, zeigt und auf der Rückseite drei Lettern der Indusschrift aufweist.<ref name=":5" /> Zudem wurden eine weitere Tontafel mit [[Indusschrift]] gefunden<ref>{{Literatur |Autor=Sidra Gulzar, A. Parpola |Titel=New Indus Civilization inscription found |Sammelwerk=Current World Archaeology |Band=77. Jahrgang |Nummer=Heft 7 |Datum=2016 |Seiten=6–7}}</ref> und ein Kupfersiegel mit nicht mehr erkennbaren Resten von Schrift sowie Einhornfiguren aus Ton.<ref name=":5">{{Literatur |Autor=Farzand Masih |Titel=Ganweriwala – A New Perspective |Hrsg=Dennys Frenez, Gregg M. Jamison, Randall W. Law, Massimo Vidale, Richard H. Meadow |Sammelwerk=Walking with the Unicorn. Social Organization and Material Culture in Ancient South Asia |Verlag=Archaeopress |Ort=Oxford |Datum=2018 |ISBN=9781784919177 |Seiten=381–382}}</ref>

== Forschungsgeschichte ==
Erste Forschungen in der Wüste Cholistan wurden von [[Aurel Stein]] 1941 und von Henry Field 1955 durchgeführt.<ref name=":3">{{Literatur |Autor=Farzand Masih |Titel=Ganweriwala – A New Perspective |Hrsg=Dennys Frenez, Gregg M. Jamison, Randall W. Law, Massimo Vidale, Richard H. Meadow |Sammelwerk=Walking with the Unicorn. Social Organization and Material Culture in Ancient South Asia |Verlag=Archaeopress |Ort=Oxford |Datum=2018 |ISBN=9781784919177 |Seiten=378–379}}</ref> Mohammed Rafique Mughal erforschte die Wüste in den 1970er Jahren systematisch und entdeckte dabei 1976 Ganweriwala.<ref name=":2" /> Er sammelte Artefakte in Ganweriwala, die in der Reservesammlung des [[Lahore Fort|Lahore-Forts]] aufbewahrt werden. Erst 2002 wurde die Stätte wieder untersucht, diesmal durch Mark Kenoyer und das Punjab Archaeology Department; die Funde dieser Expedition sind im [[Harappa-Museum]] eingelagert.<ref name=":2" /> 2007 wurde die Stätte durch Mark Kenoyer, Farzand Masih und Toshiki Osada untersucht. Zudem untersuchte dieser einen [[Grabungsschnitt|Schnitt]], der durch die drastische Störung der Stätte durch den Bau einer vier Meter breiten Straße von Nordwesten nach Südosten in jüngerer Zeit entstanden war. Zuletzt wurde die Stätte intensiver durch Sidra Gulzar vermessen und systematisch untersucht.<ref>{{Literatur |Autor=Sidra Gulzar |Titel=Settlement Scaling and Urban Infrastructure. A Comparative Approach to Settlements from the Ancient Indus society |Verlag=Department of Historical Studies, University of Gothenburg |Ort=Gothenburg |Datum=2022 |ISBN=978-91-85245-87-1 |Seiten=43ff.}}</ref>

Eine systematische Grabung fand bisher nicht statt (Stand 2022).

== Wissenschaftliche Bedeutung ==
Für die Erforschung der Frühzeit der Indus-Kultur wird der Stätte große Bedeutung zugeschrieben, da in Harappa und Mohenjo-Daro bei den frühen Ausgrabungen die [[Stratigraphie (Archäologie)|Stratigraphie]] wenig sorgfältig dokumentiert wurde und zudem in Mohenjo-Daro die ältesten Schichten acht Meter unter dem Grundwasserspiegel liegen. Grabungen in Ganweriwala könnten daher Aufschlüsse über den Ursprung der Indus-Kultur geben; eine Frage, die bislang ungeklärt ist.<ref>{{Literatur |Autor=[[Hermann Kulke]], [[Dietmar Rothermund]] |Titel=Geschichte Indiens. Von der Indus-Kultur bis heute |Auflage=3. aktualisierte |Verlag=C. H. Beck |Ort=München |Datum=2018 |ISBN=978-3-406-72063-5 |Seiten=38–39}}</ref>

== Literatur ==

* {{Literatur |Autor=Mohammed Rafique Mughal |Titel=Ancient Cholistan. Archaeology and Architecture |Verlag=Ferozsons |Ort=Lahore |Datum=1997 |ISBN=9690013505 |Sprache=en}}
* {{Literatur |Autor=Farzand Masih |Titel=Ganweriwala – A New Perspective |Hrsg=Dennys Frenez, Gregg M. Jamison |Sammelwerk=Walking with the Unicorn. Social Organization and Material Culture in Ancient South Asia |Verlag=Archaeopress Archaeology |Datum=2018 |Seiten=377–383 |Sprache=en }}
* {{Literatur |Autor=Sidra Gulzar |Titel=Settlement Scaling and Urban Infrastructure. A Comparative Approach to Settlements from the Ancient Indus Society |Verlag=Department of Historical Studies, University of Gothenburg |Ort=Gothenburg |Datum=2022 |ISBN=9789185245871 |Sprache=en}}

== Einzelnachweise ==
<references />

[[Kategorie:Indus-Kultur]]
[[Kategorie:Archäologischer Fundplatz in Pakistan]]
[[Kategorie:Archäologischer Fundplatz in Asien]]
[[Kategorie:4. Jahrtausend v. Chr.]]
[[Kategorie:3. Jahrtausend v. Chr.]]
[[Kategorie:2. Jahrtausend v. Chr.]]
[[Kategorie:Geographie (Punjab, Pakistan)]]
[[Kategorie:Geschichte (Punjab, Pakistan)]]