Quelltext der Seite Mikrochimärismus

'''Mikrochimärismus''' (auch ''Mikrochimerismus'', engl. ''Microchimerism'') bezeichnet in der [[Medizin]] das bisher wenig erforschte, möglicherweise relativ häufige Überleben fremder [[Zelle (Biologie)|Zellen]] im Körper. Es sind sowohl Zellen des [[Fötus]] im Körper der Mutter (fetaler Mikrochimärismus) noch viele Jahre nach der Entbindung lebend nachgewiesen<ref>[https://www.welt.de/print-wams/article105422/Krank-machendes-Souvenir.html Welt Online, 18. Januar 2004: Krank machendes Souvenir]</ref> als auch umgekehrt mütterliche Zellen im Körper des Kindes (mütterlicher Mikrochimärismus)<ref>{{Webarchiv|url=http://www.aerzteblatt.de/v4/news/news.asp?id=27223 |wayback=20070211210756 |text=Deutsches Ärzteblatt, 23. Januar 2007: Mikrochimerismus im Pankreas von Diabetikern – Krankheitsursache oder Therapieansatz?  }}</ref>, im Gegensatz zu der bisherigen Ansicht, dass die [[Plazenta]] jeden Zellaustausch verhindere.

Schon in den 1960er Jahren fanden Forscher Hinweise darauf, dass Blut- und Hautkrebszellen der Mütter auf den Fötus übergehen können. Anzeichen für den Übergang von Zellen des Fötus auf die Mutter fand schon 1890 der deutsche Pathologe [[Georg Schmorl]] bei an [[Gestose]] oder [[Präeklampsie]] gestorbenen Frauen. Jedoch wurde erst 1979 mit dem Fund von männlichen Blutzellen (mit Y-Chromosom) im Blut von mit Jungen schwangeren Frauen durch den Forscher [[Leonard A. Herzenberg]] dies auch bei gesunden Frauen nachgewiesen. In den 1990er Jahren und bei neueren Forschungen wurden dann auch fremde Zellen bei erwachsenen Menschen bzw. bei Müttern Jahre nach der Schwangerschaft nachgewiesen.<ref>Spektrum der Wissenschaft September 2008, S. 54–61, "Fremde Zellen in uns" von J. Lee Nelson</ref>

Ob dieses Phänomen Ursache von Autoimmunkrankheiten wie der [[Sklerodermie]] oder anderen Krankheiten wie z. B. [[Dermatomyositis|Juvenile Dermatomyositis]] oder [[Lupus erythematodes|Neonatalem Lupus erythematodes]] sein kann, ist noch unbekannt.<ref>P. C. Evans et al.: Long-Term Fetal Microchimerism in Peripheral Blood Mononuclear Cell Subsets in Healthy Women and Women With Scleroderma. Blood 1999 (6), Seiten 2033–2037 [http://bloodjournal.hematologylibrary.org/cgi/reprint/93/6/2033 Volltext (PDF)] </ref><ref>J. L. Nelson et al.: Microchimerism and HLA-compatible relationships of pregnancy in scleroderma. Lancet. 1998 (9102), 559-62. PMID 9492775</ref> Die Überlegung liegt nahe, weil Frauen von den meisten Autoimmunerkrankungen deutlich häufiger betroffen sind als Männer. Eine andere Anwendung des Konzepts könnte sein, die Zellen im mütterlichen Blut für eine gefahrlose [[Pränataldiagnostik]] kindlicher Erbdefekte zu nutzen.<ref>O. Lapaire et al.: Die nichtinvasive Pränataldiagnostik aus dem mütterlichen Blut. J Reproduktionsmed Endokrinol 2005 (5), S. 272–277 [http://www.kup.at/kup/pdf/5437.pdf Volltext (PDF; 425&nbsp;kB)] </ref>

Die fetalen Zellen werden auch ''pregnancy associated progenitor cells'' PAPC genannt und weisen einige Gemeinsamkeiten mit adulten [[Stammzellen]] auf. Eine [[Graft-versus-Host-Reaktion]] könnte aufgrund der [[Human Leukocyte Antigen|HLA]]-II-Kompatibilität der embryonalen zu mütterlichen Zellen ausbleiben, sodass die Zellen nicht absterben. Ein Schwangerschaftsabbruch ([[Interruptio]]) erhöht möglicherweise die Wahrscheinlichkeit eines Mikrochimärismus.<ref>S. Maloney et al.: Microchimerism of maternal origin persists into adult life. J Clin Invest 1999 (104), 41-7. [http://www.jci.org/cgi/content/full/104/1/41 Volltext]</ref>

Mikrochimärismus tritt auch im Rahmen von Organtransplantationen auf, bei denen regelmäßig eine geringe Zahl von Blutzellen mit dem Organ vom Spender zum Empfänger übertragen wird. Diese Art des Mikrochimärismus soll die Tolerierung eines fremden Organes durch den Körper des Empfängers positiv beeinflussen.<ref>[https://idw-online.de/de/news15373 Meldung der MHH Hannover, 2. November 1999: Warum wird ein Transplantat abgestoßen?]</ref>

== Literatur ==
* D. W. Bianchi: ''Male fetal progenitor cells persist in maternal blood for as long as 27 years post partum''. In: ''[[Proceedings of the National Academy of Sciences]]'' (PNAS) 93(2), S. 705–708 (1996)
* Hermann Feldmeier: ''Mikrochimärismus – Fremde Körperzellen zwischen Gut und Böse.'' Naturwissenschaftliche Rundschau 61 (10), S. 507–509 (2008), {{ISSN|0028-1050}}

== Weblinks ==
* [http://medicalforum.ch/docs/smf/archiv/de/2003/2003-09/2003-09-191.PDF  Pränatale Diagnostik und Therapie - Dem Mikrochimärismus auf der Spur] (PDF-Datei; 173 kB)
* [http://www.spektrum.de/news/wir-omamutterkind-mischwesen/1345475 Spektrum: Mikrochimärismus]

== Quellen ==
<references />

{{SORTIERUNG:Mikrochimarismus}}
[[Kategorie:Biomedizin]]