Richtlinie 2005/36/EG über die Anerkennung von Berufsqualifikationen
Die Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Anerkennung von Berufsqualifikationen vom 7. September 2005[1] (auch Europäische Berufsanerkennungsrichtlinie genannt) ist eine EG-Richtlinie zur Verwirklichung des Europäischen Binnenmarkts im Bereich der Anerkennung von Berufsqualifikationen und Freizügigkeit am Arbeitsmarkt.
Sie wurde zuletzt geändert durch die Richtlinie 2013/55/EU, die eine automatische Anerkennung der Berufsqualifikationen für bestimmte Berufe und eine Anerkennung durch den Europäischen Berufsausweis für einige andere Berufe einführte.
Entstehung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Europäische Berufsanerkennungsrichtlinie wurde am 7. September 2005 verabschiedet und danach im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht. Sie trat gemäß Art. 64 der RL am 20. Oktober 2005 in Kraft und musste durch die Mitgliedstaaten laut Art. 63 der RL bis zum 20. Oktober 2007 umgesetzt werden. Eine Vielzahl bislang geltender, spezieller Richtlinien (Architektenrichtlinie, Diplomanerkennungsrichtlinie, …) wurde durch die Richtlinie 2005/36/EG ersetzt.
Das Europäische Parlament stimmte am 9. Oktober 2013 für eine Modernisierung der Berufsqualifikationsrichtlinie;[2] am 28. Dezember 2013 erfolgte die Veröffentlichung der Richtlinie 2013/55/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. November 2013 zur Änderung der Richtlinie 2005/36/EG über die Anerkennung von Berufsqualifikationen und der Verordnung (EU) Nr. 1024/2012 über die Verwaltungszusammenarbeit mit Hilfe des Binnenmarkt-Informationssystems („IMI-Verordnung“). Die Änderung beinhaltet u. a. eine automatische Anerkennung der Berufsqualifikationen für eine begrenzte Zahl von Berufen, eine gegenseitige Anerkennung für die meisten Berufe und erweiterte Möglichkeiten der kurzzeitigen Ausübung des eigenen Berufes in einem anderen Mitgliedstaat.[3]
2014 wurde eine übersichtliche Datenbank über Reglementierte Berufe im Sinne der RL veröffentlicht.[4]
Zielsetzung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Richtlinie zur Berufsanerkennung wurde mit dem Ziel geschaffen, die bis dahin existierenden, 15 verschiedenen sektoralen, allgemeinen und koordinierenden Richtlinien zur Berufsanerkennung zu konsolidieren und vereinfachen.
Die Europäische Union garantiert folgende vier Grundfreiheiten: erstens die Warenverkehrsfreiheit, zweitens die Arbeitnehmerfreizügigkeit und die Niederlassungsfreiheit, drittens die Dienstleistungsfreiheit sowie viertens die Kapital- und Zahlungsverkehrsfreiheit.
Die Anerkennung von Berufsqualifikationen und Bildungsnachweisen ist insbesondere von Relevanz für die Personenfreizügigkeit, d. h. die Arbeitnehmerfreizügigkeit und die Niederlassungsfreiheit sowie für die Dienstleistungsfreiheit.
Durch die Berufanerkennungsrichtlinie wird für den einzelnen Unionsbürger die materielle Grundlage für die Freizügigkeit gewährleistet, schließlich ist diese für den Einzelnen unvollkommen, solange er nicht im europäischen Ausland seinen erlernten Beruf ausüben kann.[5]
Nationale Umsetzung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Deutschland
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Deutschland erließ im Dezember 2007 ein Umsetzungsgesetz, das aber nicht zu einer vollständigen Umsetzung der Richtlinie führte. Deswegen reichte die EU-Kommission Klage gegen Deutschland wegen der Verletzung der Umsetzungspflicht ein. Am 17. Dezember 2009 wurde durch Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in der Rechtssache C-505/08 die Verletzung der Pflicht durch Deutschland festgestellt.[6] Die Kommission obsiegte, da die Umsetzungsfrist durch Deutschland verletzt wurde. Tatsächlich musste die Bundesrepublik Deutschland einräumen, dass die endgültige Umsetzung nicht vor Ende 2009 erfolgen würde.
In einem neuerlichen Anlauf brachte die Bundesregierung am 22. Juni 2011 den Entwurf für das Gesetz zur Verbesserung der Feststellung und Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen in den Bundestag ein (BT-Drs. 17/6260).[7] Darin festgelegt ist ein Rechtsanspruch auf Prüfung ihrer Qualifikationen und auf eine zeitnahe Mitteilung darüber, ob die betreffenden Abschlüsse in Deutschland anerkannt werden und welche Weiterbildung andernfalls für die vollständige Anerkennung erforderlich ist. Der Deutsche Bundestag nahm den Entwurf in seiner 130. Sitzung am 29. September 2011 aufgrund der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (BT-Drs. 17/7218) mit einigen Änderungen, im Übrigen aber unverändert an. Der Bundesrat stimmte dem Gesetzentwurf nach der Vorlage der BR-Drs. 606/11[8] in seiner 889. Sitzung am 4. November 2011 zu. Das Gesetz trat daraufhin am 1. April 2012 in Kraft.[9]
Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Binnenmarkt-Informationssystem
- Berufsausbildung#Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse (in Deutschland)
- Gewerbeordnung 1994#Anerkennung von Ausbildungsnachweisen (in Österreich)
- Bologna-Prozess zur europaweiten Harmonisierung von Studiengängen und -abschlüssen
- Europass-Rahmenkonzept mit fünf Dokumenten – zur Förderung der Transparenz bei Qualifikationen und Kompetenzen
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Winfried Kluth: Die neue EU-Berufsanerkennungsrichtlinie – Regelungsgehalt und Auswirkungen für Berufsangehörige und Berufsorganisationen. In: Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht, Jg. 2005, S. 486 ff.
- Ilka Sommer: Die Gewalt des kollektiven Besserwissens. Kämpfe um die Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen in Deutschland. Transcript, Bielefeld 2015, ISBN 978-3-8376-3292-7.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Richtlinie 2005/36/EG
- Richtlinie 2013/55/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. November 2013 zur Änderung der Richtlinie 2005/36/EG über die Anerkennung von Berufsqualifikationen und der Verordnung (EU) Nr. 1024/2012 über die Verwaltungszusammenarbeit mit Hilfe des Binnenmarkt-Informationssystems („IMI-Verordnung“), Amtsblatt der Europäischen Union L 354/132, 28. Dezember 2013
- Europäische Kommission zum Werdegang der Berufsanerkennungsrichtlinie
- Reglementierte Berufe Datenbank. Europäische Kommission → Binnenmarkt → Freizügigkeit von Fachkräften.
- BMWi, Schlaglichter der Wirtschaftspolitik: Monatsbericht 12/2008, Die neue EU-Berufsanerkennungsrichtlinie
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Richtlinie 2005/37/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die Anerkennung von Berufsqualifikationen vom 7. September 2005
- ↑ Verfahren 2011/0435(COD). Angenommene Texte, Mittwoch, 9. Oktober 2013 – Straßburg. Europäisches Parlament, abgerufen am 7. Januar 2013.
- ↑ Modernisation of the Professional Qualifications Directive – frequently asked questions. Abgerufen am 7. Januar 2013 (englisch).
- ↑ Europäische Kommission: Reglementierte Berufe: Europäische Kommission veröffentlicht europäische Karte der reglementierten Berufe. Pressemitteilung, Brüssel, 8. Mai 2014.
- ↑ ec.europa.eu Reglementierte Berufe. ec.europa.eu
- ↑ EuGH, Urteil vom 17. Dezember 2009 – C-505/08 (Lexetius.com/2009,3732)
- ↑ Entwurf der Bundesregierung zum Gesetz zur Verbesserung der Feststellung und Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen (BT-Drs. 17/6260) (PDF; 1,4 MB)
- ↑ Übersicht über den Beratungsgang zu dem Gesetzentwurf auf den Seiten des Bundesrates. ( des vom 29. September 2020 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- ↑ Information ( des vom 11. November 2011 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. des Bundesministeriums für Bildung und Forschung