„Impfstoffdesign“ – Versionsunterschied

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Das '''Impfstoffdesign''' beschreibt Verfahren zur gezielten Anpassung von [[Impfstoff]]en. Das Impfstoffdesign ist eine Form des [[Rationales Design|rationalen Designs]].
Das '''Impfstoffdesign''' beschreibt Verfahren zur gezielten Anpassung von [[Impfstoff]]en. Das Impfstoffdesign ist eine Form des [[Rationales Design|rationalen Designs]] und verwendet teilweise auch Methoden des [[Proteindesign]]s und des [[Vektordesign]]s.


== Eigenschaften ==
== Eigenschaften ==
Für ein Impfstoffdesign müssen zuerst die in einem Impfstoff einzusetzenden [[Antigen]]e identifiziert werden. Auf einem Antigen befinden sich meistens mehrere [[Epitop]]e, an die Teile der [[Adaptive Immunantwort|adaptiven Immunantwort]] binden können. Das Impfstoffdesign besteht als [[Evolution|evolutive]] Methode aus einer Identifikation wirksamer Epitope anhand zuvor festgelegter Kriterien (engl. ''{{lang|en|scoring}}'' ‚Punkte-Bewertung‘), gefolgt von Methoden zur Optimierung der Immunantwort. Im Gegensatz zur [[Gentherapie]] mit [[Viraler Vektor|viralen Vektoren]] ist bei einer immunogenen Impfung mit viralen Vektoren ein längerfristiger Verbleib des Vektors im Impfling unerwünscht, da dies zur Ausbildung einer Toleranz führen kann.
Für ein Impfstoffdesign müssen zuerst die in einem Impfstoff einzusetzenden [[Antigen]]e identifiziert werden. Auf einem Antigen befinden sich meistens mehrere [[Epitop]]e, an die Teile der [[Adaptive Immunantwort|adaptiven Immunantwort]] binden können. Das Impfstoffdesign besteht als [[Evolution (Systemtheorie)|evolutive]] Methode aus einer Identifikation wirksamer Epitope anhand zuvor festgelegter Kriterien (engl. ''{{lang|en|scoring}}'' ‚Punkte-Bewertung‘), gefolgt von Methoden zur Optimierung der Immunantwort. Im Gegensatz zur [[Gentherapie]] mit [[Viraler Vektor|viralen Vektoren]] ist bei einer immunogenen Impfung mit viralen Vektoren ein längerfristiger Verbleib des Vektors im Impfling unerwünscht, da dies zur Ausbildung einer Toleranz führen kann. Impfstoffe können immunogene (z. B. Impfstoffe gegen [[Pathogen]]e) oder tolerogene Wirkungen ([[Hyposensibilisierung]], z. B. [[Glatirameracetat]]) erzeugen.<ref>P. Moingeon, V. Lombardi, N. Saint-Lu, S. Tourdot, V. Bodo, L. Mascarell: ''Adjuvants and vector systems for allergy vaccines.'' In: ''Immunol Allergy Clin North Am.'' (2011), Band 31, Nr. 2, S. 407-419, xii. {{doi|10.1016/j.iac.2011.03.001}}. PMID 21530828.</ref>


== Identifikation ==
=== Identifikation ===
Das Antigen kann aufgrund [[Empirie|empirischer]] Kenntnisse über die [[Immunogenität]] und die Wirksamkeit einer [[Immunantwort]] gegen das Antigen oder aufgrund der Identifikation der Epitope durch eine [[Epitopkartierung]] mit Hilfe von [[Immunserum|Immunseren]] und [[Gedächtniszelle]]n von [[Rekonvaleszent]]en ausgewählt werden. Impfstoffe können immunogene (z. B. Impfstoffe gegen [[Pathogen]]e) oder tolerogene Wirkungen ([[Hyposensibilisierung]], z. B. [[Glatirameracetat]]) erzeugen.
Die Epitope können durch zwei verschiedene Strategien charakterisiert werden. Die Epitope können aufgrund [[Empirie|empirischer]] Kenntnisse über die [[Immunogenität]] bzw. die Wirksamkeit im Sinne eines Impfschutzes vor einer [[Infektion]] anhand einer vorhergehenden Bestimmung der [[Immunantwort]] gegen ein gezieltes Epitop gewählt werden. Alternativ können die Epitope aufgrund der Identifikation der Epitope durch eine [[Epitopkartierung]] mit Hilfe von [[Immunserum|Immunseren]] und [[Gedächtniszelle]]n von [[Rekonvaleszent]]en ausgewählt werden.


== Bewertung ==
=== Bewertung ===
Verschiedene Ergebnisse können als maßgeblich ausgewählt werden, z. B. Induktion eines [[Titer (Medizin)|Titers]], Wirksamkeit in einem [[Neutralisationstest]],<ref>M. Bonsignori, S. M. Alam, H. X. Liao, L. Verkoczy, G. D. Tomaras, B. F. Haynes, M. A. Moody: ''HIV-1 antibodies from infection and vaccination: insights for guiding vaccine design.'' In: ''Trends Microbiol.'' (2012), Band 20, Nr. 11, S. 532–539. {{doi|10.1016/j.tim.2012.08.011}}. PMID 22981828; {{PMC|3757512}}.</ref> [[ELISA]] oder [[ELISPOT]] oder durch einen [[Tierversuch]] nach [[Immunisierung]] und anschließender [[Infektion]] (engl. ''{{lang|en|challenge experiment}}'' ‚Belastungsversuch‘) mit einer Erfassung des [[Pathogenitätsindex]]es und der [[Letalität]]. Hierbei können zur Minderung der Anzahl der Versuchsansätze die [[in vitro]]-Methoden als begrenzte Vorschau verwendet werden, die Überprüfung von Immunogenen erfolgt jedoch anschließend über einen Belastungsversuch. Gelegentlich wird auch ein [[Hämagglutinationshemmtest]] oder verschiedene Methoden zur Bestimmung der [[Zellviabilität]] antigenbeladener ''Opferzellen'' nach Zugabe von [[Immunzelle]]n verwendet.
Verschiedene Ergebnisse können als maßgeblich ausgewählt werden, z. B. Induktion eines [[Titer (Medizin)|Titers]], Wirksamkeit in einem [[Neutralisationstest]],<ref>M. Bonsignori, S. M. Alam, H. X. Liao, L. Verkoczy, G. D. Tomaras, B. F. Haynes, M. A. Moody: ''HIV-1 antibodies from infection and vaccination: insights for guiding vaccine design.'' In: ''Trends Microbiol.'' (2012), Band 20, Nr. 11, S. 532–539. {{doi|10.1016/j.tim.2012.08.011}}. PMID 22981828; {{PMC|3757512}}.</ref> [[ELISA]] oder [[ELISPOT]] oder durch einen [[Tierversuch]] nach [[Immunisierung]] und anschließender [[Infektion]] (engl. ''{{lang|en|challenge experiment}}'' ‚Belastungsversuch‘) mit einer Erfassung des [[Pathogenitätsindex]]es und der [[Letalität]]. Hierbei können zur Minderung der Anzahl der Versuchsansätze die [[in vitro]]-Methoden als begrenzte Vorschau verwendet werden, die Überprüfung von Immunogenen erfolgt jedoch anschließend über einen Belastungsversuch. Gelegentlich wird auch ein [[Hämagglutinationshemmtest]] oder verschiedene Methoden zur Bestimmung der [[Zellviabilität]] antigenbeladener ''Opferzellen'' nach Zugabe von [[Immunzelle]]n verwendet.


== Optimierungen ==
=== Optimierungen ===
Neben der Immunogenität des Antigens bzw. des dadurch vermittelten Infektionsschutzes können verschiedene weitere Parameter in die Optimierung einbezogen werden, z. B. [[unerwünschte Arzneimittelwirkung]]en, Wirksamkeit gegen mehrere Stämme, [[Dosis]], [[Verabreichungsform]], Lagerstabilität, Kosten oder [[Depotarzneiform|Depotwirkung]].
Neben der Immunogenität des Antigens bzw. des dadurch vermittelten Infektionsschutzes können verschiedene weitere Parameter in die Optimierung einbezogen werden, z. B. [[unerwünschte Arzneimittelwirkung]]en, Wirksamkeit gegen mehrere Stämme, [[Dosis]], [[Verabreichungsform]], Lagerstabilität, Kosten oder [[Depotarzneiform|Depotwirkung]].
Zur Minderung der Effekte der [[Immunevasion]] (insbesondere bei [[RNA-Virus|RNA-Viren]] und [[Bakterien]]) werden gelegentlich [[Konsensussequenz]]en eines Epitops aus verschiedenen Stämmen eines [[Pathogen]]s oder Mischungen von Antigenen verschiedener Stämme (z. B. bei der [[Grippeimpfung]]) verwendet, um einen begrenzten Schutz gegen mehrere Stämme zu vermitteln. Die Verwendung eines [[Konservierung|konservierten]] Epitops kann den Impfschutz auf mehrere Stämme ausdehnen.<ref>K. Kaur, M. Sullivan, P. C. Wilson: ''Targeting B cell responses in universal influenza vaccine design.'' In: ''Trends Immunol.'' (2011), Band 32, Nr. 11, S. 524–531. {{doi|10.1016/j.it.2011.08.007}}. PMID 21940217; {{PMC|3212832}}.</ref> Durch einen geeigneten [[Vektor (Gentechnik)|Vektor]] kann die Immunantwort gesteigert werden. Wiederholungen von Epitopen extrazellulärer Antigene können als ''Thymus-unabhängige Antigene'' eine [[humorale Immunantwort]] verstärken. Eine Zugabe von [[Adjuvans (Pharmakologie)|Adjuvanzien]] kann zu einer Steigerung der Immunantwort führen. Durch Aktivierung [[Antigenpräsentierende Zelle|antigenpräsentierender Zellen]] kann die Impfantwort gesteigert werden.<ref>R. M. Roy, B. S. Klein: ''Dendritic cells in antifungal immunity and vaccine design.'' In: ''Cell Host Microbe'' (2012), Band 11, Nr. 5, S. 436–446. {{doi|10.1016/j.chom.2012.04.005}}. PMID 22607797; {{PMC|3401965}}.</ref> Bei intrazellulären Pathogenen kann die Immunreaktion in Richtung [[Zytotoxische T-Zelle|zytotoxischer T-Zellen]] gelenkt werden.<ref>R. A. Koup, D. C. Douek: ''Vaccine design for CD8 T lymphocyte responses.'' In: ''Cold Spring Harb Perspect Med.'' (2011), Band 1, Nr. 1, S. a007252. {{doi|10.1101/cshperspect.a007252}}. PMID 22229122; {{PMC|3234456}}.</ref>
Zur Minderung der Effekte der [[Immunevasion]] (insbesondere bei [[RNA-Virus|RNA-Viren]] und [[Bakterien]]) werden gelegentlich [[Konsensussequenz]]en eines Epitops aus verschiedenen Stämmen eines [[Pathogen]]s oder Mischungen von Antigenen verschiedener Stämme (z. B. bei der [[Grippeimpfung]]) verwendet, um einen begrenzten Schutz gegen mehrere Stämme zu vermitteln.<ref>N. Miller: ''Recent progress in dengue vaccine research and development.'' In: ''Curr Opin Mol Ther.'' (2010), Band 12, Nr. 1, S. 31-38. PMID 20140814.</ref> Die Verwendung eines [[Konservierung|konservierten]] Epitops kann den Impfschutz auf mehrere Stämme ausdehnen.<ref>S. M. Kang, J. M. Song, R. W. Compans: ''Novel vaccines against influenza viruses.'' In: ''Virus Res.'' (2011), Band 162, Nr. 1-2, S. 31-38. {{doi|10.1016/j.virusres.2011.09.037}}. PMID 21968298; {{PMC|3401575}}.</ref><ref>K. Kaur, M. Sullivan, P. C. Wilson: ''Targeting B cell responses in universal influenza vaccine design.'' In: ''Trends Immunol.'' (2011), Band 32, Nr. 11, S. 524–531. {{doi|10.1016/j.it.2011.08.007}}. PMID 21940217; {{PMC|3212832}}.</ref> Wiederholungen von Epitopen extrazellulärer Antigene können als ''Thymus-unabhängige Antigene'' eine [[humorale Immunantwort]] verstärken. Eine Zugabe von [[Adjuvans (Pharmakologie)|Adjuvanzien]] kann zu einer Steigerung der Immunantwort führen.<ref>M. G. Tovey, C. Lallemand: ''Adjuvant activity of cytokines.'' In: ''Methods Mol Biol.'' (2010), Band 626, S. 287-309. {{doi|10.1007/978-1-60761-585-9_19}}. PMID 20099135.</ref><ref>G. C. Bowick, A. J. McAuley: ''Vaccine and adjuvant design for emerging viruses: mutations, deletions, segments and signaling.'' In: ''Bioeng Bugs.'' (2011), Band 2, Nr. 3, S. 129-135. PMID 21637006; {{PMC|3225654}}.</ref> Durch Aktivierung [[Antigenpräsentierende Zelle|antigenpräsentierender Zellen]] kann die Impfantwort gesteigert werden.<ref>R. M. Roy, B. S. Klein: ''Dendritic cells in antifungal immunity and vaccine design.'' In: ''Cell Host Microbe'' (2012), Band 11, Nr. 5, S. 436–446. {{doi|10.1016/j.chom.2012.04.005}}. PMID 22607797; {{PMC|3401965}}.</ref> Bei intrazellulären Pathogenen kann die Immunreaktion in Richtung [[Zytotoxische T-Zelle|zytotoxischer T-Zellen]] gelenkt werden.<ref>R. A. Koup, D. C. Douek: ''Vaccine design for CD8 T lymphocyte responses.'' In: ''Cold Spring Harb Perspect Med.'' (2011), Band 1, Nr. 1, S. a007252. {{doi|10.1101/cshperspect.a007252}}. PMID 22229122; {{PMC|3234456}}.</ref> Durch [[Virus-like particle|Virusartige Partikel]] und [[Virosom]]en kann eine gelegentlich schwache Immunogenität teilweise kompensiert werden.<ref>A. Zeltins: ''Construction and characterization of virus-like particles: a review.'' In: ''Mol Biotechnol.'' (2013), Band 53, Nr. 1, S. 92-107. {{doi|10.1007/s12033-012-9598-4}}. PMID 23001867.</ref> Durch einen geeigneten [[Vektor (Gentechnik)|Vektor]] kann die Immunantwort gesteigert werden.<ref>J. C. Small, H. C. Ertl: ''Viruses - from pathogens to vaccine carriers.'' In: ''Curr Opin Virol.'' (2011), Band 1, Nr. 4, S. 241-245. {{doi|10.1016/j.coviro.2011.07.009}}. PMID 22003377; {{PMC|3190199}}.</ref> Bei [[DNA-Impfung|DNA-Vakzinen]] (z. B. per Injektion oder per [[Genkanone]]) werden die Antigene intrazellulär im Impfling hergestellt.<ref>F. Saade, N. Petrovsky: ''Technologies for enhanced efficacy of DNA vaccines.'' In: ''Expert Rev Vaccines'' (2012), Band 11, Nr. 2, S. 189-209. {{doi|10.1586/erv.11.188}}. PMID 22309668; {{PMC|3293989}}.</ref>


== Geschichte ==
== Geschichte ==
Die ersten Impfstoffe von [[Edward Jenner]] bestanden aus Pathogenen anderer Arten (z. B. Kuhpocken), die Humanpathogenen ausreichend ähnelten, um eine Immunantwort ohne eine Erkrankung auszulösen. Neben der Verwendung von Pathogenen anderer Arten kamen in Folge weitere Methoden hinzu. [[Viren|Virale]] Impfstoffe der ersten Generation bestanden aus [[Fixierung (Präparationsmethode)|inaktivierten]], [[Tensid|gespaltenen]] oder [[Attenuierung|attenuierten]] [[Virion]]en. Aus den Spaltimpfstoffen gingen die ''gereinigten Antigene'' (engl. ''{{lang|en|subunit vaccines}}'') und auch die synthetisch erzeugten Peptidimpfstoffe hervor,<ref>A. Patronov, I. Doytchinova: ''T-cell epitope vaccine design by immunoinformatics.'' In: ''Open Biol.'' (2013), Band 3, Nr. 1, S. 120139. {{doi|10.1098/rsob.120139}}. PMID 23303307; {{PMC|3603454}}.</ref> die durch eine [[Proteinreinigung]] bzw. durch eine [[Peptidsynthese]] weniger Nebenwirkungen durch [[Kontamination (Medizin)|Kontamination]]en erzeugte und bei denen sich die Dosis leichter einstellen ließ. Durch [[Virus-like particle|Virusartige Partikel]] und [[Virosom]]en konnte eine gelegentlich schwache Immunogenität teilweise kompensiert werden. Bei [[DNA-Impfung|DNA-Vakzinen]] (z. B. per Injektion oder per [[Genkanone]]) werden die Antigene intrazellulär im Impfling hergestellt.
Die ersten Impfstoffe von [[Edward Jenner]] bestanden aus Pathogenen anderer Arten (z. B. Kuhpocken), die Humanpathogenen ausreichend ähnelten, um eine Immunantwort ohne eine Erkrankung auszulösen. Neben der Verwendung von Pathogenen anderer Arten kamen in Folge weitere Methoden hinzu. [[Viren|Virale]] Impfstoffe der ersten Generation bestanden aus [[Fixierung (Präparationsmethode)|inaktivierten]], [[Tensid|gespaltenen]] oder [[Attenuierung|attenuierten]] [[Virion]]en. Aus den Spaltimpfstoffen gingen die ''gereinigten Antigene'' (engl. ''{{lang|en|subunit vaccines}}'') und auch die synthetisch erzeugten Peptidimpfstoffe hervor,<ref>A. Patronov, I. Doytchinova: ''T-cell epitope vaccine design by immunoinformatics.'' In: ''Open Biol.'' (2013), Band 3, Nr. 1, S. 120139. {{doi|10.1098/rsob.120139}}. PMID 23303307; {{PMC|3603454}}.</ref> die durch eine [[Proteinreinigung]] bzw. durch eine [[Peptidsynthese]] weniger Nebenwirkungen durch [[Kontamination (Medizin)|Kontamination]]en erzeugte und bei denen sich die Dosis leichter einstellen ließ.


== Literatur ==
== Literatur ==

Version vom 8. September 2013, 17:43 Uhr

Das Impfstoffdesign beschreibt Verfahren zur gezielten Anpassung von Impfstoffen. Das Impfstoffdesign ist eine Form des rationalen Designs und verwendet teilweise auch Methoden des Proteindesigns und des Vektordesigns.

Eigenschaften

Für ein Impfstoffdesign müssen zuerst die in einem Impfstoff einzusetzenden Antigene identifiziert werden. Auf einem Antigen befinden sich meistens mehrere Epitope, an die Teile der adaptiven Immunantwort binden können. Das Impfstoffdesign besteht als evolutive Methode aus einer Identifikation wirksamer Epitope anhand zuvor festgelegter Kriterien (engl. scoring ‚Punkte-Bewertung‘), gefolgt von Methoden zur Optimierung der Immunantwort. Im Gegensatz zur Gentherapie mit viralen Vektoren ist bei einer immunogenen Impfung mit viralen Vektoren ein längerfristiger Verbleib des Vektors im Impfling unerwünscht, da dies zur Ausbildung einer Toleranz führen kann. Impfstoffe können immunogene (z. B. Impfstoffe gegen Pathogene) oder tolerogene Wirkungen (Hyposensibilisierung, z. B. Glatirameracetat) erzeugen.[1]

Identifikation

Die Epitope können durch zwei verschiedene Strategien charakterisiert werden. Die Epitope können aufgrund empirischer Kenntnisse über die Immunogenität bzw. die Wirksamkeit im Sinne eines Impfschutzes vor einer Infektion anhand einer vorhergehenden Bestimmung der Immunantwort gegen ein gezieltes Epitop gewählt werden. Alternativ können die Epitope aufgrund der Identifikation der Epitope durch eine Epitopkartierung mit Hilfe von Immunseren und Gedächtniszellen von Rekonvaleszenten ausgewählt werden.

Bewertung

Verschiedene Ergebnisse können als maßgeblich ausgewählt werden, z. B. Induktion eines Titers, Wirksamkeit in einem Neutralisationstest,[2] ELISA oder ELISPOT oder durch einen Tierversuch nach Immunisierung und anschließender Infektion (engl. challenge experiment ‚Belastungsversuch‘) mit einer Erfassung des Pathogenitätsindexes und der Letalität. Hierbei können zur Minderung der Anzahl der Versuchsansätze die in vitro-Methoden als begrenzte Vorschau verwendet werden, die Überprüfung von Immunogenen erfolgt jedoch anschließend über einen Belastungsversuch. Gelegentlich wird auch ein Hämagglutinationshemmtest oder verschiedene Methoden zur Bestimmung der Zellviabilität antigenbeladener Opferzellen nach Zugabe von Immunzellen verwendet.

Optimierungen

Neben der Immunogenität des Antigens bzw. des dadurch vermittelten Infektionsschutzes können verschiedene weitere Parameter in die Optimierung einbezogen werden, z. B. unerwünschte Arzneimittelwirkungen, Wirksamkeit gegen mehrere Stämme, Dosis, Verabreichungsform, Lagerstabilität, Kosten oder Depotwirkung. Zur Minderung der Effekte der Immunevasion (insbesondere bei RNA-Viren und Bakterien) werden gelegentlich Konsensussequenzen eines Epitops aus verschiedenen Stämmen eines Pathogens oder Mischungen von Antigenen verschiedener Stämme (z. B. bei der Grippeimpfung) verwendet, um einen begrenzten Schutz gegen mehrere Stämme zu vermitteln.[3] Die Verwendung eines konservierten Epitops kann den Impfschutz auf mehrere Stämme ausdehnen.[4][5] Wiederholungen von Epitopen extrazellulärer Antigene können als Thymus-unabhängige Antigene eine humorale Immunantwort verstärken. Eine Zugabe von Adjuvanzien kann zu einer Steigerung der Immunantwort führen.[6][7] Durch Aktivierung antigenpräsentierender Zellen kann die Impfantwort gesteigert werden.[8] Bei intrazellulären Pathogenen kann die Immunreaktion in Richtung zytotoxischer T-Zellen gelenkt werden.[9] Durch Virusartige Partikel und Virosomen kann eine gelegentlich schwache Immunogenität teilweise kompensiert werden.[10] Durch einen geeigneten Vektor kann die Immunantwort gesteigert werden.[11] Bei DNA-Vakzinen (z. B. per Injektion oder per Genkanone) werden die Antigene intrazellulär im Impfling hergestellt.[12]

Geschichte

Die ersten Impfstoffe von Edward Jenner bestanden aus Pathogenen anderer Arten (z. B. Kuhpocken), die Humanpathogenen ausreichend ähnelten, um eine Immunantwort ohne eine Erkrankung auszulösen. Neben der Verwendung von Pathogenen anderer Arten kamen in Folge weitere Methoden hinzu. Virale Impfstoffe der ersten Generation bestanden aus inaktivierten, gespaltenen oder attenuierten Virionen. Aus den Spaltimpfstoffen gingen die gereinigten Antigene (engl. subunit vaccines) und auch die synthetisch erzeugten Peptidimpfstoffe hervor,[13] die durch eine Proteinreinigung bzw. durch eine Peptidsynthese weniger Nebenwirkungen durch Kontaminationen erzeugte und bei denen sich die Dosis leichter einstellen ließ.

Literatur

Einzelnachweise

  1. P. Moingeon, V. Lombardi, N. Saint-Lu, S. Tourdot, V. Bodo, L. Mascarell: Adjuvants and vector systems for allergy vaccines. In: Immunol Allergy Clin North Am. (2011), Band 31, Nr. 2, S. 407-419, xii. doi:10.1016/j.iac.2011.03.001. PMID 21530828.
  2. M. Bonsignori, S. M. Alam, H. X. Liao, L. Verkoczy, G. D. Tomaras, B. F. Haynes, M. A. Moody: HIV-1 antibodies from infection and vaccination: insights for guiding vaccine design. In: Trends Microbiol. (2012), Band 20, Nr. 11, S. 532–539. doi:10.1016/j.tim.2012.08.011. PMID 22981828; PMC 3757512 (freier Volltext).
  3. N. Miller: Recent progress in dengue vaccine research and development. In: Curr Opin Mol Ther. (2010), Band 12, Nr. 1, S. 31-38. PMID 20140814.
  4. S. M. Kang, J. M. Song, R. W. Compans: Novel vaccines against influenza viruses. In: Virus Res. (2011), Band 162, Nr. 1-2, S. 31-38. doi:10.1016/j.virusres.2011.09.037. PMID 21968298; PMC 3401575 (freier Volltext).
  5. K. Kaur, M. Sullivan, P. C. Wilson: Targeting B cell responses in universal influenza vaccine design. In: Trends Immunol. (2011), Band 32, Nr. 11, S. 524–531. doi:10.1016/j.it.2011.08.007. PMID 21940217; PMC 3212832 (freier Volltext).
  6. M. G. Tovey, C. Lallemand: Adjuvant activity of cytokines. In: Methods Mol Biol. (2010), Band 626, S. 287-309. doi:10.1007/978-1-60761-585-9_19. PMID 20099135.
  7. G. C. Bowick, A. J. McAuley: Vaccine and adjuvant design for emerging viruses: mutations, deletions, segments and signaling. In: Bioeng Bugs. (2011), Band 2, Nr. 3, S. 129-135. PMID 21637006; PMC 3225654 (freier Volltext).
  8. R. M. Roy, B. S. Klein: Dendritic cells in antifungal immunity and vaccine design. In: Cell Host Microbe (2012), Band 11, Nr. 5, S. 436–446. doi:10.1016/j.chom.2012.04.005. PMID 22607797; PMC 3401965 (freier Volltext).
  9. R. A. Koup, D. C. Douek: Vaccine design for CD8 T lymphocyte responses. In: Cold Spring Harb Perspect Med. (2011), Band 1, Nr. 1, S. a007252. doi:10.1101/cshperspect.a007252. PMID 22229122; PMC 3234456 (freier Volltext).
  10. A. Zeltins: Construction and characterization of virus-like particles: a review. In: Mol Biotechnol. (2013), Band 53, Nr. 1, S. 92-107. doi:10.1007/s12033-012-9598-4. PMID 23001867.
  11. J. C. Small, H. C. Ertl: Viruses - from pathogens to vaccine carriers. In: Curr Opin Virol. (2011), Band 1, Nr. 4, S. 241-245. doi:10.1016/j.coviro.2011.07.009. PMID 22003377; PMC 3190199 (freier Volltext).
  12. F. Saade, N. Petrovsky: Technologies for enhanced efficacy of DNA vaccines. In: Expert Rev Vaccines (2012), Band 11, Nr. 2, S. 189-209. doi:10.1586/erv.11.188. PMID 22309668; PMC 3293989 (freier Volltext).
  13. A. Patronov, I. Doytchinova: T-cell epitope vaccine design by immunoinformatics. In: Open Biol. (2013), Band 3, Nr. 1, S. 120139. doi:10.1098/rsob.120139. PMID 23303307; PMC 3603454 (freier Volltext).