„Induzierte wahnhafte Störung“ – Versionsunterschied

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Eine '''Induzierte wahnhafte Störung''', auch Folie à deux [{{IPA|fɔˈli aˈdø}}] ([[Französische Sprache|frz.]] „Geistesstörung zu zweit“), „gemeinsame psychotische Störung“ ([http://www.psychnet-uk.com/dsm_iv/shared_psychotic_disorder.htm DSM-IV 297.3]), „psychotische Infektion“ oder „symbiontischer Wahn“, ist die relativ seltene, ganze oder teilweise Übernahme einer [[Wahn|Wahnsymptomatik]] durch einen nahestehenden, primär nicht wahnkranken Partner. Nach einer Trennung verschwindet der Wahn meist bei der vormals gesunden Person. Eine [[soziale Isolation]] wird als wichtiger [[Risikofaktor (Medizin)|Risikofaktor]] für das Auftreten der [[Psychische Störung|Störung]] gesehen.
Eine '''Induzierte wahnhafte Störung''', auch Folie à deux [{{IPA|fɔˈli aˈdø}}] ([[Französische Sprache|frz.]] „Geistesstörung zu zweit“), „gemeinsame psychotische Störung“ ([http://www.psychnet-uk.com/dsm_iv/shared_psychotic_disorder.htm DSM-IV 297.3]), „psychotische Infektion“ oder „symbiontischer Wahn“, ist die relativ seltene, ganze oder teilweise Übernahme einer [[Wahn|Wahnsymptomatik]] durch einen nahestehenden, primär nicht wahnkranken Partner. Nach einer Trennung verschwindet der Wahn meist bei der vormals gesunden Person. Eine [[soziale Isolation]] wird als wichtiger [[Risikofaktor (Medizin)|Risikofaktor]] für das Auftreten der [[Psychische Störung|Störung]] gesehen.


Neuere Studien weisen allerdings darauf hin, dass die gegenwärtigen Klassifikationskriterien unzureichend sein könnten, um alle Erscheinungsbilder einer ''Folie à deux'' zu erfassen; dass das Spektrum der übertragbaren Symptome wesentlich größer ist; dass die „vormals gesunde“ Person tatsächlich sehr gefährdet ist, eine psychiatrische Erkrankung zu entwickeln oder bereits an einer signifikanten Störung zu leiden; und dass eine Trennung der Partner in einer großen Zahl der Fälle nicht ausreicht, die Störung zu beheben.<ref>{{Literatur |Autor=D. Arnone, A. Patel, G. M. Tan |Titel=The nosological significance of Folie à Deux: a review of the literature |Sammelwerk=Ann Gen Psychiatry |Band=5 |Nummer=11 |Jahr=2006 |PMID=16895601 |DOI=10.1186/1744-859X-5-11}}</ref>
Neuere Studien weisen allerdings darauf hin, dass die gegenwärtigen Klassifikationskriterien unzureichend sein könnten, um alle Erscheinungsbilder einer ''Folie à deux'' zu erfassen; dass das Spektrum der übertragbaren Symptome wesentlich größer ist; dass die „vormals gesunde“ Person tatsächlich sehr gefährdet ist, eine psychiatrische Erkrankung zu entwickeln oder bereits an einer signifikanten Störung zu leiden; und dass eine Trennung der Partner in einer großen Zahl der Fälle nicht ausreicht, die Störung zu beheben.<ref>{{Literatur |Autor=D. Arnone, A. Patel, G. M. Tan |Titel=The nosological significance of Folie à Deux: a review of the literature |Sammelwerk=Ann Gen Psychiatry |Band=5 |Nummer=11 |Jahr=2006 |PMID=16895601 |DOI=10.1186/1744-859X-5-11}}</ref> Während in 90% aller Fälle nur ein Partner betroffen ist, sind auch Fälle mit drei oder mehr erkrankten Personen bekannt. Bei zahlreichen Betroffenen spricht man auch von ''folie à plusieurs'' oder ''folie à beaucoups ([[Französische Sprache|frz.]] „Geistesstörung mehrerer Personen“'' oder ''„Geistesstörung vieler Personen“).''<ref>{{Literatur|Autor=Horst Haltenhof, Matthias Bender|Titel=Induzierte Wahnhafte Störung|Herausgeber=Garlip, Haltenhof|Sammelwerk=Seltene Wahnstörungen|Band=|Nummer=|Auflage=|Verlag=Steunkopff Verlag|Ort=|Jahr=2010|Seiten=142|ISBN=9783798518766}}</ref>


Die „induzierte wahnhafte Störung“ ist [[Diagnose|differenzialdiagnostisch]] vom „konformen Wahn“ (sich zusammenfügender Wahn) zu trennen, der eine gemeinsame Weiterentwicklung der jeweiligen Wahnsymptomatik bei zwei primär Erkrankten bezeichnet.
Die „induzierte wahnhafte Störung“ ist [[Diagnose|differenzialdiagnostisch]] vom „konformen Wahn“ (sich zusammenfügender Wahn) zu trennen, der eine gemeinsame Weiterentwicklung der jeweiligen Wahnsymptomatik bei zwei primär Erkrankten bezeichnet.

Version vom 24. April 2016, 16:40 Uhr

Klassifikation nach ICD-10
F24 Induzierte wahnhafte Störung
ICD-10 online (WHO-Version 2019)

Eine Induzierte wahnhafte Störung, auch Folie à deux [fɔˈli aˈdø] (frz. „Geistesstörung zu zweit“), „gemeinsame psychotische Störung“ (DSM-IV 297.3), „psychotische Infektion“ oder „symbiontischer Wahn“, ist die relativ seltene, ganze oder teilweise Übernahme einer Wahnsymptomatik durch einen nahestehenden, primär nicht wahnkranken Partner. Nach einer Trennung verschwindet der Wahn meist bei der vormals gesunden Person. Eine soziale Isolation wird als wichtiger Risikofaktor für das Auftreten der Störung gesehen.

Neuere Studien weisen allerdings darauf hin, dass die gegenwärtigen Klassifikationskriterien unzureichend sein könnten, um alle Erscheinungsbilder einer Folie à deux zu erfassen; dass das Spektrum der übertragbaren Symptome wesentlich größer ist; dass die „vormals gesunde“ Person tatsächlich sehr gefährdet ist, eine psychiatrische Erkrankung zu entwickeln oder bereits an einer signifikanten Störung zu leiden; und dass eine Trennung der Partner in einer großen Zahl der Fälle nicht ausreicht, die Störung zu beheben.[1] Während in 90% aller Fälle nur ein Partner betroffen ist, sind auch Fälle mit drei oder mehr erkrankten Personen bekannt. Bei zahlreichen Betroffenen spricht man auch von folie à plusieurs oder folie à beaucoups (frz. „Geistesstörung mehrerer Personen“ oder „Geistesstörung vieler Personen“).[2]

Die „induzierte wahnhafte Störung“ ist differenzialdiagnostisch vom „konformen Wahn“ (sich zusammenfügender Wahn) zu trennen, der eine gemeinsame Weiterentwicklung der jeweiligen Wahnsymptomatik bei zwei primär Erkrankten bezeichnet.

Der Begriff Folie à deux wurde von Ernest-Charles Lasègue geprägt. Er beschrieb dieses Phänomen in einem 1877 gemeinsam mit Jules Farlet veröffentlichten Artikel als Wechselbeziehung zwischen den „Psychopathologien verwandter Personen“.[3][4][5]

Kulturelle Rezeption

Im Film Intruders von Juan Carlos Fresnadillo (2011) wird das Krankheitsbild zur Auflösung der Geschichte herangezogen.[6]

Im Film Die Unzertrennlichen kopiert der eine Zwilling das gestörte, von Drogensucht und Depressionen geprägte Verhalten des Anderen, um ein Zwillingsphantasma (was dem einen passiert, passiert auch dem anderen) aufrechtzuerhalten.

Episode 19, Staffel 5, der Serie Akte X – Die unheimlichen Fälle des FBI (1998), trägt im englischen Original den Titel Folie à deux und handelt von einem Mann, der in seinem Chef ein Monster sieht und auch Fox Mulder von seiner Vision überzeugen kann.

Folie à trois (frz. „Geistesstörung zu dritt“) ist die fünfte Folge der neunzehnteiligen Minisitcom DIE SNOBS – Sie können auch ohne Dich, in welcher die drei Hauptcharaktere zusammen halluzinogene Pilze einnehmen und sich daraufhin im Vietnamkrieg wähnen.

Literatur

  • C. Scharfetter: Allgemeine Psychopathologie. Thieme, 2002.
  • Dilling u. a.: Internationale Klassifikation psychischer Störungen. ICD-10 Kapitel V (F). Klinisch-diagnostische Leitlinien. Huber 2004.
  • Saß u. a.: Diagnostische Kriterien. (DSM-IV-TR). Hogrefe-Verlag, 2003.
  • "Folie a deux hallucinatoire"--a new case of induced hallucinatory psychosis. A new entity? In: Orv Hetil. 1999, PMID 10489770. (ungarisch)
  • Pathodynamics of symbiotic psychoses. In: Psychiatr Clin (Basel). 1977, PMID 614612.
  • Folie à deux and dementia. In: Aust N Z J Psychiatry. 1990, PMID 2396970.
  • Psychopathological concepts of induced insanity exemplified by folie a deux. In: Fortschr Neurol Psychiatr. 1996, PMID 8850091.
  • Folie à deux in schizophrenia--"psychogenesis" revisited. In: Seishin Shinkeigaku Zasshi. 2004, PMID 15230353. (japanisch)

Einzelnachweise

  1. D. Arnone, A. Patel, G. M. Tan: The nosological significance of Folie à Deux: a review of the literature. In: Ann Gen Psychiatry. Band 5, Nr. 11, 2006, doi:10.1186/1744-859X-5-11, PMID 16895601.
  2. Horst Haltenhof, Matthias Bender: Induzierte Wahnhafte Störung. In: Garlip, Haltenhof (Hrsg.): Seltene Wahnstörungen. Steunkopff Verlag, 2010, ISBN 978-3-7985-1876-6, S. 142.
  3. C. Lasègue, J. Falret: La folie à deux. In: Ann Med Psychol. 1877;18, S. 321–355.
  4. Michael Wirsching: Paar- und Familientherapie. Hrsg.: Peter Scheib. 1. Auflage. Springer, Berlin 2002, ISBN 3-540-41857-1, 8.
  5. L. Ricón: 2 psychoses and a symbiotic link. In: Acta Psiquiatr Psicol Am Lat. 1987 Sep;33(3), S. 231–240. PMID 3327367 (Spanisch)
  6. Intruders bei IMDb