„Catch-all-Partei“ – Versionsunterschied

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'''Catch-all-Partei''' ({{enS|''catch-all party''}}; manchmal als „'''Allerweltspartei'''“ oder „(echte) [[Volkspartei (Parteityp)|Volkspartei]]“ ins Deutsche übersetzt, was es aber nicht ganz trifft<ref>Gerardo L. Munck: ''Vergleichende Demokratieforschung.'' In: Dirk Berg-Schlosser, Ferdinand Müller-Rommel (Hg.) ''Vergleichende Politikwissenschaft.'' 4. Auflage, VS Verlag, Wiesbaden 2003, S. 129–150, auf S. 139.</ref>) bezeichnet in der [[Politikwissenschaft]] eine strategische und organisatorische Ausrichtung politischer Parteien. Sie ist geprägt von [[Entideologisierung]], Abkehr von einer Wählerschaft auf [[Soziale Klasse|Klassen]]- oder [[Konfession]]sbasis (und damit Abwendung von der Strategie der „Milieu-“ oder „[[Weltanschauungspartei]]“), Stärkung der Parteispitze und gleichzeitig Rollenentwertung der einzelnen Parteimitglieder (und damit Weiterentwicklung von der „[[Massenintegrationspartei]]“) sowie Streben nach Verbindungen zu [[Interessenverband|Interessensverbänden]]. Mit möglichst allgemein gehaltenen Programmen sollen möglichst viele Wählerstimmen, auch außerhalb eines bestimmten Klientels gewonnen werden.<ref>Oskar Niedermeyer: ''Die Analyse von Parteiensystemen.'' In: ders. (Hg.) ''Handbuch Parteienforschung.'' Springer VS, Wiesbaden 2013, S. 83–118, auf S. 105.</ref><ref name="Ladner04_53ff">Andreas Ladner: ''Stabilität und Wandel von Parteien und Parteiensystemen.'' VS Verlag, Wiesbaden 2004, S. 53–56.</ref><ref>Hans-Jürgen Puhle, Hans-Ulrich Wehler: ''Protest, Parteien, Interventionsstaat. Organisierte Politik und Demokratieprobleme im Wandel.'' Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2015, S. 68–77.</ref><ref>Bernd Hofmann: ''Annäherung an die Volkspartei. Eine typologische und parteiensoziologische Studie.'' VS Verlag, Wiesbaden, 2004, S. 51–55.</ref>
'''Catch-all-Partei''' ({{enS|''catch-all party''}}; manchmal als „'''Allerweltspartei'''“ oder „[[Volkspartei (Parteityp)|Volkspartei]]“ ins Deutsche übersetzt, jedoch seien dies schlechte Übersetzungen<ref>{{Literatur |Autor=Thomas Poguntke |Titel=Internationale vergleichende Parteienforschung |Hrsg=Dirk Berg-Schlosser, Ferdinand Müller-Rommel |Sammelwerk=Vergleichende Politikwissenschaft |Auflage=4., überarbeitete und erweiterte |Verlag=Verlag Leske + Budrich GmbH |Ort=Opladen |Datum=2003 |Kapitel=2. Parteitypologien und gesellschaftlicher Wandel |Seiten=193 |ISBN=978-3-8100-0564-9 |DOI=10.1007/978-3-322-86382-9 |Zitat=… ,Catch-All Partei‘ (schlecht übersetzt mit ,Allerweltspartei‘ oder ,Volkspartei‘) … }}</ref>) bezeichnet in der [[Politikwissenschaft]] eine strategische und organisatorische Ausrichtung politischer Parteien. Sie ist geprägt von [[Entideologisierung]], Abkehr von einer Wählerschaft auf [[Soziale Klasse|Klassen]]- oder [[Konfession]]sbasis (und damit Abwendung von der Strategie der „Milieu-“ oder „[[Weltanschauungspartei]]“), Stärkung der Parteispitze und gleichzeitig Rollenentwertung der einzelnen Parteimitglieder (und damit Weiterentwicklung von der „[[Massenintegrationspartei]]“) sowie Streben nach Verbindungen zu [[Interessenverband|Interessensverbänden]]. Mit möglichst allgemein gehaltenen Programmen sollen möglichst viele Wählerstimmen, auch außerhalb eines bestimmten Klientels gewonnen werden.<ref>Oskar Niedermeyer: ''Die Analyse von Parteiensystemen.'' In: ders. (Hg.) ''Handbuch Parteienforschung.'' Springer VS, Wiesbaden 2013, S. 83–118, auf S. 105.</ref><ref name="Ladner04_53ff">Andreas Ladner: ''Stabilität und Wandel von Parteien und Parteiensystemen.'' VS Verlag, Wiesbaden 2004, S. 53–56.</ref><ref>Hans-Jürgen Puhle, Hans-Ulrich Wehler: ''Protest, Parteien, Interventionsstaat. Organisierte Politik und Demokratieprobleme im Wandel.'' Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2015, S. 68–77.</ref><ref>Bernd Hofmann: ''Annäherung an die Volkspartei. Eine typologische und parteiensoziologische Studie.'' VS Verlag, Wiesbaden, 2004, S. 51–55.</ref>


Der Begriff und die Theorie wurden von [[Otto Kirchheimer]] 1965 in den Fachdiskurs eingeführt.<ref>Otto Kirchheimer: ''Der Wandel des westdeutschen Parteisystems.'' In: ''Politische Vierteljahresschrift.'' Jahrgang 6, 1965, S. 20–41.</ref> Beispielhaft führte er die Entwicklung der beiden großen Parteien im damaligen Westdeutschland um 1960 an. Eine ähnliche Tendenz wurde aber auch in den Parteiensystemen weiterer westlicher Industrieländer beobachtet. Als Gründe für die Entwicklung von Catch-all-Parteien wurden von Kirchheimer und den Unterstützern seiner These sozio-ökonomische und sozio-kulturelle Veränderungen – Abschwächung von Klassengegensätzen und anderen gesellschaftlichen Konfliktlinien ''([[Cleavage-Theorie|Cleavages]])'', Wachstum der Mittelschicht – sowie die zunehmende Verbreitung von Massenmedien, die es den Führungsebenen der Parteien ermöglichten, direkt potenzielle Wähler anzusprechen ohne die dazwischengeschalteten Gliederungen der klassischen Mitgliederparteien.<ref name="Ladner04_53ff"/>
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Version vom 20. Januar 2019, 14:15 Uhr

Catch-all-Partei (englisch catch-all party; manchmal als „Allerweltspartei“ oder „Volkspartei“ ins Deutsche übersetzt, jedoch seien dies schlechte Übersetzungen[1]) bezeichnet in der Politikwissenschaft eine strategische und organisatorische Ausrichtung politischer Parteien. Sie ist geprägt von Entideologisierung, Abkehr von einer Wählerschaft auf Klassen- oder Konfessionsbasis (und damit Abwendung von der Strategie der „Milieu-“ oder „Weltanschauungspartei“), Stärkung der Parteispitze und gleichzeitig Rollenentwertung der einzelnen Parteimitglieder (und damit Weiterentwicklung von der „Massenintegrationspartei“) sowie Streben nach Verbindungen zu Interessensverbänden. Mit möglichst allgemein gehaltenen Programmen sollen möglichst viele Wählerstimmen, auch außerhalb eines bestimmten Klientels gewonnen werden.[2][3][4][5]

Der Begriff und die Theorie wurden von Otto Kirchheimer 1965 in den Fachdiskurs eingeführt.[6] Beispielhaft führte er die Entwicklung der beiden großen Parteien im damaligen Westdeutschland um 1960 an. Eine ähnliche Tendenz wurde aber auch in den Parteiensystemen weiterer westlicher Industrieländer beobachtet. Als Gründe für die Entwicklung von Catch-all-Parteien wurden von Kirchheimer und den Unterstützern seiner These sozio-ökonomische und sozio-kulturelle Veränderungen – Abschwächung von Klassengegensätzen und anderen gesellschaftlichen Konfliktlinien (Cleavages), Wachstum der Mittelschicht – sowie die zunehmende Verbreitung von Massenmedien, die es den Führungsebenen der Parteien ermöglichten, direkt potenzielle Wähler anzusprechen ohne die dazwischengeschalteten Gliederungen der klassischen Mitgliederparteien.[3]

Literatur

  • Otto Kirchheimer: Der Wandel des westdeutschen Parteisystems. In: Politische Vierteljahresschrift. Band 6, 1965, S. 20–41.

Einzelnachweise

  1. Thomas Poguntke: Internationale vergleichende Parteienforschung. In: Dirk Berg-Schlosser, Ferdinand Müller-Rommel (Hrsg.): Vergleichende Politikwissenschaft. 4., überarbeitete und erweiterte Auflage. Verlag Leske + Budrich GmbH, Opladen 2003, ISBN 978-3-8100-0564-9, 2. Parteitypologien und gesellschaftlicher Wandel, S. 193, doi:10.1007/978-3-322-86382-9: „… ,Catch-All Partei‘ (schlecht übersetzt mit ,Allerweltspartei‘ oder ,Volkspartei‘) …“
  2. Oskar Niedermeyer: Die Analyse von Parteiensystemen. In: ders. (Hg.) Handbuch Parteienforschung. Springer VS, Wiesbaden 2013, S. 83–118, auf S. 105.
  3. a b Andreas Ladner: Stabilität und Wandel von Parteien und Parteiensystemen. VS Verlag, Wiesbaden 2004, S. 53–56.
  4. Hans-Jürgen Puhle, Hans-Ulrich Wehler: Protest, Parteien, Interventionsstaat. Organisierte Politik und Demokratieprobleme im Wandel. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2015, S. 68–77.
  5. Bernd Hofmann: Annäherung an die Volkspartei. Eine typologische und parteiensoziologische Studie. VS Verlag, Wiesbaden, 2004, S. 51–55.
  6. Otto Kirchheimer: Der Wandel des westdeutschen Parteisystems. In: Politische Vierteljahresschrift. Jahrgang 6, 1965, S. 20–41.