„Dulde und liquidiere“ – Versionsunterschied

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{{Zitat|Text=Da man gegen den Staat selbst nichts ausrichtet und der [[Fiskus]] nicht mehr thun kann als zahlen, so läuft alle Garantie der bürgerlichen Freiheit im Polizeistaate auf den Satz hinaus: dulde und liquidiere.|Autor=[[Otto Mayer (Jurist)|Otto Mayer]]|Quelle=Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895.|ref=<ref name="Mayer" />{{rp|52}}}}
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Als das allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten (PrALR) [[1794]] erlassen wurde, befand sich die [[Gesellschaft (Staatsrecht)|Gesellschaft]] am Übergang von der [[Ständeordnung]] zum [[Liberalismus]].<ref name="hagen" />{{rp|131}} Die in den §§&nbsp;74 und 75 PrALR<ref name="PrALR" /> festgelegte Verpflichtung der [[Obrigkeit]],<ref name="Merk" /> dem Bürger für [[Sonderopfertheorie|Sonderopfer]] eine [[Entschädigung]] zu zahlen,<ref name="hagen" /><ref name="Mayer" /> stellte zu dieser Zeit eine wesentliche Verbesserung gegenüber den vormaligen [[landesherr]]lichen [[Landeshoheit|Hoheitsrechten]] dar.<ref name="hemmer" />{{rp|12}} In der Folgezeit wurde diese Praxis zunächst als [[Gewohnheitsrecht]] vom [[Reichsgericht]] und später vom [[Bundesgerichtshof]] übernommen, bis das [[Bundesverfassungsgericht]] [[1981]] im [[Nassauskiesungsbeschluss]] den bis heute gültigen Vorrang des [[Primärrechtsschutz]]es festlegte.<ref name="pünder" /> Dieser Grundsatz verpflichtet den Bürger entsprechend dem [[Subsidiarität]]sprinzip, zur Durchsetzung seiner Ansprüche vor [[Gericht]] zunächst die ihm zur Verfügung stehenden [[Rechtsbehelf]]e zu nutzen, bevor er einen [[Aufopferungsanspruch]] geltend machen kann.<ref name="pfeifer" /> In der heutigen Zeit wird „dulde und liquidiere“ vermehrt als ein [[Geflügeltes Wort|geflügeltes Wort]] im negativen Sinne verwendt.<ref name="DIP" />
Als das allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten (PrALR) [[1794]] erlassen wurde, befand sich die [[Gesellschaft (Staatsrecht)|Gesellschaft]] am Übergang von der [[Ständeordnung]] zum [[Liberalismus]].<ref name="hagen" />{{rp|131}} Die in den §§&nbsp;74 und 75 PrALR<ref name="PrALR" /> festgelegte Verpflichtung der [[Obrigkeit]],<ref name="Merk" /> dem Bürger für [[Sonderopfertheorie|Sonderopfer]] eine [[Entschädigung]] zu zahlen,<ref name="hagen" /><ref name="Mayer" /> stellte zu dieser Zeit eine wesentliche Verbesserung gegenüber den vormaligen [[landesherr]]lichen [[Landeshoheit|Hoheitsrechten]] dar.<ref name="hemmer" />{{rp|12}} In der Folgezeit wurde diese Praxis zunächst als [[Gewohnheitsrecht]] vom [[Reichsgericht]] und später vom [[Bundesgerichtshof]] übernommen, bis das [[Bundesverfassungsgericht]] [[1981]] im [[Nassauskiesungsbeschluss]] den bis heute gültigen Vorrang des [[Primärrechtsschutz]]es festlegte.<ref name="pünder" /> Dieser Grundsatz verpflichtet den Bürger entsprechend dem [[Subsidiarität]]sprinzip, zur Durchsetzung seiner Ansprüche vor [[Gericht]] zunächst die ihm zur Verfügung stehenden [[Rechtsbehelf]]e zu nutzen, bevor er einen [[Aufopferungsanspruch]] geltend machen kann.<ref name="pfeifer" /> In der heutigen Zeit wird „dulde und liquidiere“ vermehrt als ein [[Geflügeltes Wort|geflügeltes Wort]] mit [[Pejorativum|abwertender Bedeutung]] verwendt.<ref name="handbuch" /><ref name="DIP" />


== Einzelnachweise ==
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<ref name="pfeifer">Thomes Pfeiffer: [http://www.muenster.de/~texte/thomas/Staatshaftung%20Eigentumseingriffe.pdf Staatshaftung für Eigentumseingriffe,] abgerufen am 27. April 2019.</ref>
<ref name="pfeifer">Thomes Pfeiffer: [http://www.muenster.de/~texte/thomas/Staatshaftung%20Eigentumseingriffe.pdf Staatshaftung für Eigentumseingriffe,] abgerufen am 27. April 2019.</ref>

<ref name="handbuch">Karl-Peter Sommermann (Hrsg.), Bert Schaffarzik (Hrsg.): ''Handbuch der Geschichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Deutschland und Europa. ''Springer-Verlag Berlin Heidelberg, 2019, eBook ISBN 978-3-642-41235-6, Hardcover ISBN 978-3-642-41234-9, {{DOI|10.1007/978-3-642-41235-6}} ({{Google Buch |BuchID = 4LJwDwAAQBAJ&pg=PA189&lpg=PA189 |Seite=189 |Linktext = Volltext |Hervorhebung = pejorativ, „dulde und liquidiere“}}.)
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<ref name="DIP">So bspw. vielfach in den [http://dipbt.bundestag.de/extrakt/ba/WP17/291/29131.html Gesetzesmaterialien] und [https://www.bundesgerichtshof.de/DE/Bibliothek/GesMat/WP17/R/Rechtsschutz_ueberlang.html?nn=10772256 Stellungnahmen] zum [[Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren]].</ref>
<ref name="DIP">So bspw. vielfach in den [http://dipbt.bundestag.de/extrakt/ba/WP17/291/29131.html Gesetzesmaterialien] und [https://www.bundesgerichtshof.de/DE/Bibliothek/GesMat/WP17/R/Rechtsschutz_ueberlang.html?nn=10772256 Stellungnahmen] zum [[Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren]].</ref>

Version vom 28. April 2019, 01:44 Uhr

Dulde und liquidiere ist ein ursprünglich auf das allgemeine preußische Landrecht bezogener Rechtsgrundsatz, der Handlungsmöglichkeiten des Bürgers gegenüber dem Staat beschreibt. Die Paarformel stammt von dem Rechtsgelehrten Otto Mayer, welcher so die damalige rechtliche Stellung des Bürgers gegenüber dem Obrigkeitsstaat auf den Punkt brachte.

„Da man gegen den Staat selbst nichts ausrichtet und der Fiskus nicht mehr thun kann als zahlen, so läuft alle Garantie der bürgerlichen Freiheit im Polizeistaate auf den Satz hinaus: dulde und liquidiere.“

Otto Mayer: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895.[1]:52

Als das allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten (PrALR) 1794 erlassen wurde, befand sich die Gesellschaft am Übergang von der Ständeordnung zum Liberalismus.[2]:131 Die in den §§ 74 und 75 PrALR[3] festgelegte Verpflichtung der Obrigkeit,[4] dem Bürger für Sonderopfer eine Entschädigung zu zahlen,[2][1] stellte zu dieser Zeit eine wesentliche Verbesserung gegenüber den vormaligen landesherrlichen Hoheitsrechten dar.[5]:12 In der Folgezeit wurde diese Praxis zunächst als Gewohnheitsrecht vom Reichsgericht und später vom Bundesgerichtshof übernommen, bis das Bundesverfassungsgericht 1981 im Nassauskiesungsbeschluss den bis heute gültigen Vorrang des Primärrechtsschutzes festlegte.[6] Dieser Grundsatz verpflichtet den Bürger entsprechend dem Subsidiaritätsprinzip, zur Durchsetzung seiner Ansprüche vor Gericht zunächst die ihm zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe zu nutzen, bevor er einen Aufopferungsanspruch geltend machen kann.[7] In der heutigen Zeit wird „dulde und liquidiere“ vermehrt als ein geflügeltes Wort mit abwertender Bedeutung verwendt.[8][9]

Einzelnachweise

  1. a b Otto Mayer: Deutsches Verwaltungsrecht. Erster Band , Leipzig, 1895, (Digitalisat und Volltext im Deutschen Textarchiv)
  2. a b André Niesler: „Aufopferung“ und „Enteignung“ vom ALR bis zur WRV. In: Institut für Juristische Zeitgeschichte Hagen: Jahrbuch der Juristischen Zeitgeschichte. Band 8 2006/2007, ISBN 978-3-8305-1471-8 (Volltext in der Google-Buchsuche.)
  3. Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten vom 1. Juni 1794, Einleitung (Volltext bei OpinioIuris: Die freie juristische Bibliothek).
  4. Wilhelm Merk: Deutsches Verwaltungsrecht. Erster Band, Duncker & Humblot Berlin, 1962, ISBN 978-3-428-01024-0 (Volltext in der Google-Buchsuche.)
  5. Karl-Edmund Hemmer, Achim Wüst: E-book Staatshaftungsrecht. 5. Auflage 2018, ISBN 978-3-86193-741-8 (Online als Leseprobe).
  6. Hermann Pünder: „Dulde und liquidiere“ im Vergaberecht? Zum notwendigen Primärrechtsschutz unterhalb der Schwellenwerte. In: Vergaberecht. Band 16, Ausgabe 6, S. 693–701, ISSN 2366-2247 (Online), ISSN 1617-1063 (Print), doi:10.1515/zgvr-2016-0604.
  7. Thomes Pfeiffer: Staatshaftung für Eigentumseingriffe, abgerufen am 27. April 2019.
  8. Karl-Peter Sommermann (Hrsg.), Bert Schaffarzik (Hrsg.): Handbuch der Geschichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Deutschland und Europa. Springer-Verlag Berlin Heidelberg, 2019, eBook ISBN 978-3-642-41235-6, Hardcover ISBN 978-3-642-41234-9, doi:10.1007/978-3-642-41235-6 (Volltext in der Google-Buchsuche.)
  9. So bspw. vielfach in den Gesetzesmaterialien und Stellungnahmen zum Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren.