„Heterologe Effekte“ – Versionsunterschied

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'''Heterologe Effekte''' (auch '''unspezifische Effekte''', ''off-target effects'' bzw. ''non-specific effects'') treten bei [[Impfung]]en auf. Sie kennzeichnen sich dadurch, dass sie über die für Impfungen vorgesehenen und antizipierten erregerspezifische Effekte (Schutzwirkung vor der jeweiligen Zielkrankheit) hinausgehen und einen Einfluss auf die [[Morbidität|Gesamtmorbidität]] und -[[mortalität]] entfalten können.
'''Heterologe Effekte''' (auch '''unspezifische Effekte''', ''off-target effects'' bzw. ''non-specific effects'') treten bei [[Impfung]]en auf. Sie kennzeichnen sich dadurch, dass sie über die für Impfungen vorgesehenen und antizipierten erregerspezifische Effekte (Schutzwirkung vor der jeweiligen Zielkrankheit) hinausgehen und einen Einfluss auf die [[Morbidität|Gesamtmorbidität]] (auch gegenüber nicht-geimpften Krankheiten)<ref>{{Literatur |Autor=Barbara Bröker, Christine Schütt, Bernhard Fleischer |Titel=Grundwissen Immunologie |Verlag=Springer-Verlag |Datum=2019-06-21 |ISBN=978-3-662-58330-2 |Seiten=186-187}}</ref> und -[[mortalität]] entfalten können.


== Positive Effekte bei Lebendimpfstoffen ==
== Positive Effekte bei Lebendimpfstoffen ==
Mehrere [[Epidemiologie|epidemiologische Studien]]<ref name=":0">{{Internetquelle |autor= |url=https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Impfen/ImpfungenAZ/Unspezifische_Effekte_Impfungen.html |titel=Was versteht man unter unspezifischen Effekten von Impfungen? |werk=RKI |hrsg= |datum=2018-08-21 |abruf=2020-03-08 |sprache=}}</ref> sowie Studien aus [[Entwicklungsland|Entwicklungsländern]] haben gezeigt, dass nach einer [[Masernimpfstoff|Masernimpfung]] die Kindersterblichkeit um 40 % gesenkt wurde, es wurden mehr Kinder gerettet als vor den Impfungen gestorben waren.<ref name=":1">{{Literatur |Autor=Barbara Bröker, Christine Schütt, Bernhard Fleischer |Titel=Grundwissen Immunologie |Verlag=Springer-Verlag |Datum=2019-06-21 |ISBN=978-3-662-58330-2 |Seiten=250-251}}</ref> Diese zusätzliche Senkung kann damit nicht alleine durch die Vermeidung der Krankheit selbst verursacht werden. In z. B. [[Republik Kongo|Kongo]], im [[Senegal]] und in [[Guinea-Bissau]] sank diese nach Beginn der Impfungen sogar um 50 %, weit mehr als Verhindern der masernbedingten Mortalität erwartet worden wäre.<ref name=":2">{{Internetquelle |autor=Nina Weber |url=https://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/eingeimpft-peter-aaby-was-sind-unspezifische-effekte-von-impfungen-a-1225184.html |titel="Eingeimpft" - Peter Aaby: Was sind unspezifische Effekte von Impfungen? |werk=[[Der Spiegel]] |hrsg= |datum=2018-09-11 |abruf=2020-03-08 |sprache=}}</ref><ref>{{Literatur |Autor=Peter Aaby, Hilton Whittle, Christine Stabell Benn |Titel=Vaccine programmes must consider their effect on general resistance |Hrsg= |Sammelwerk=BMJ |Band=344 |Datum=2012-06-14 |DOI=10.1136/bmj.e3769 |PMID=22700785 |Seiten=e3769}}</ref>
Mehrere [[Epidemiologie|epidemiologische Studien]]<ref name=":0">{{Internetquelle |autor= |url=https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Impfen/ImpfungenAZ/Unspezifische_Effekte_Impfungen.html |titel=Was versteht man unter unspezifischen Effekten von Impfungen? |werk=RKI |hrsg= |datum=2018-08-21 |abruf=2020-03-08 |sprache=}}</ref> sowie Studien aus [[Entwicklungsland|Entwicklungsländern]] haben gezeigt, dass nach einer [[Masernimpfstoff|Masernimpfung]] die Kindersterblichkeit um 40 % gesenkt wurde, es wurden mehr Kinder gerettet als vor den Impfungen gestorben waren.<ref name=":1">{{Literatur |Autor=Barbara Bröker, Christine Schütt, Bernhard Fleischer |Titel=Grundwissen Immunologie |Verlag=Springer-Verlag |Datum=2019-06-21 |ISBN=978-3-662-58330-2 |Seiten=250-251}}</ref> Diese zusätzliche Senkung kann damit nicht alleine durch die Vermeidung der Krankheit selbst verursacht werden. In z. B. [[Republik Kongo|Kongo]], im [[Senegal]] und in [[Guinea-Bissau]] sank diese nach Beginn der Impfungen sogar um 50 %, weit mehr als Verhindern der masernbedingten Mortalität erwartet worden wäre.<ref name=":2">{{Internetquelle |autor=Nina Weber |url=https://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/eingeimpft-peter-aaby-was-sind-unspezifische-effekte-von-impfungen-a-1225184.html |titel="Eingeimpft" - Peter Aaby: Was sind unspezifische Effekte von Impfungen? |werk=[[Der Spiegel]] |hrsg= |datum=2018-09-11 |abruf=2020-03-08 |sprache=}}</ref><ref>{{Literatur |Autor=Peter Aaby, Hilton Whittle, Christine Stabell Benn |Titel=Vaccine programmes must consider their effect on general resistance |Hrsg= |Sammelwerk=BMJ |Band=344 |Datum=2012-06-14 |DOI=10.1136/bmj.e3769 |PMID=22700785 |Seiten=e3769}}</ref>


Auch bei anderen [[Lebendimpfstoff|Lebendimpfungen]] konnte dieser Effekt gezeigt werden. So geht die Gesamtsterblichkeit bei mit [[Bacillus Calmette-Guérin|BCG]]-geimpften Kindern in den ersten 6–12 Monaten im Vergleich zu nicht mit BCG geimpften Kindern stärker zurück als erwartet.<ref name=":0" /><ref>{{Literatur |Autor=Lone Graff Stensballe et al. |Titel=BCG vaccination at birth and early childhood hospitalisation: a randomised clinical multicentre trial |Hrsg= |Sammelwerk=Archives of Disease in Childhood |Band=102 |Nummer=3 |Auflage= |Verlag= |Datum=2017-03-01 |DOI=10.1136/archdischild-2016-310760 |PMID=27443836 |Seiten=224–231}}</ref> Ähnliche Hinweise gibt es zur [[MMR-Impfstoff|MMR-Impfung]]<ref>{{Literatur |Autor=Susanne M A J Tielemans et al. |Titel=Non-specific effects of measles, mumps, and rubella (MMR) vaccination in high income setting: population based cohort study in the Netherlands |Hrsg= |Sammelwerk=The BMJ |Band=358 |Nummer= |Auflage= |Verlag= |Ort= |Datum=2017-08-30 |ISBN= |DOI=10.1136/bmj.j3862 |PMC=5576097 |PMID=28855159 |Seiten=}}</ref> sowie zur oralen [[Polioimpfstoff|Polioimpfung]] sowie damaligen [[Pocken]]impfung.<ref>{{Internetquelle |autor=Olaf Müller und Heiko Becher |url=https://www.aerzteblatt.de/archiv/172462/Internationale-Gesundheit-Unspezifische-Effekte-von-Impfungen |titel=Internationale Gesundheit: Unspezifische Effekte von Impfungen |werk=[[Deutsches Ärzteblatt]] |hrsg= |datum=2015-10-09 |abruf=2020-03-08 |sprache=de}}</ref>
Auch bei anderen [[Lebendimpfstoff|Lebendimpfungen]] konnte dieser Effekt gezeigt werden. So geht die Gesamtsterblichkeit bei mit [[Bacillus Calmette-Guérin|BCG]]-geimpften Kindern in den ersten 6–12 Monaten im Vergleich zu nicht mit BCG geimpften Kindern stärker zurück als erwartet.<ref name=":0" /><ref>{{Literatur |Autor=Lone Graff Stensballe et al. |Titel=BCG vaccination at birth and early childhood hospitalisation: a randomised clinical multicentre trial |Hrsg= |Sammelwerk=Archives of Disease in Childhood |Band=102 |Nummer=3 |Auflage= |Verlag= |Datum=2017-03-01 |DOI=10.1136/archdischild-2016-310760 |PMID=27443836 |Seiten=224–231}}</ref> Ähnliche Hinweise gibt es zur [[MMR-Impfstoff|MMR-Impfung]]<ref>{{Literatur |Autor=Susanne M A J Tielemans et al. |Titel=Non-specific effects of measles, mumps, and rubella (MMR) vaccination in high income setting: population based cohort study in the Netherlands |Hrsg= |Sammelwerk=The BMJ |Band=358 |Nummer= |Auflage= |Verlag= |Ort= |Datum=2017-08-30 |ISBN= |DOI=10.1136/bmj.j3862 |PMC=5576097 |PMID=28855159 |Seiten=}}</ref> sowie zur oralen [[Polioimpfstoff|Polioimpfung]] ([[Polioimpfstoff#Oraler Polioimpfstoff (Sabin, OPV)|OPV]]) sowie damaligen [[Pocken]]impfung.<ref>{{Internetquelle |autor=Olaf Müller und Heiko Becher |url=https://www.aerzteblatt.de/archiv/172462/Internationale-Gesundheit-Unspezifische-Effekte-von-Impfungen |titel=Internationale Gesundheit: Unspezifische Effekte von Impfungen |werk=[[Deutsches Ärzteblatt]] |hrsg= |datum=2015-10-09 |abruf=2020-03-08 |sprache=de}}</ref>


Diese positiven unspezifischen Effekte nach einer Lebendimpfung treten im Kindesalter deutlicher auf, offenbar wird das [[Immunsystem]] durch die Impfung stimuliert und es bildet sich ein innates Immungedächtnis aus (Immuntraining).<ref name=":1" /> Bei einer [[Masern]]infektion würde es wieder gelöscht werden (Immunsuppression durch Eliminierung der [[B-Lymphozyt|B]]- und [[T-Lymphozyt|T-Zellen]]). Lebendimpfstoffe stimulieren zudem die Aktivierung von T-Zellen, die ein kreuzratkives Potential entfalten (Kreuzprotektion).<ref name=":0" /> Die Kreuzprotektion konnte teilweise in Zell- und [[Tierstudien]] reproduziert werden.<ref name=":3">{{Internetquelle |autor= |url=https://www.pharmazeutische-zeitung.de/ausgabe-362018/unspezifische-impfeffekte-training-fuer-das-immunsystem/ |titel=Unspezifische Impfeffekte: Training für das Immunsystem |werk=[[Pharmazeutische Zeitung]] |hrsg= |datum=2018-09-05 |abruf=2020-03-08 |sprache=}}</ref> Positive heterologe Effekte sind damit [[Immunologie|immunologisch]] erklärbar und plausibel.<ref name=":0" /> Ist das Immunsystem später dann spezialisiert und voll arbeitsfähig, spielen unspezifische Effekte keine große Rolle mehr.<ref name=":2" />
Diese positiven unspezifischen Effekte nach einer Lebendimpfung treten im Kindesalter deutlicher auf, offenbar wird das [[Immunsystem]] durch die Impfung stimuliert und es bildet sich ein innates Immungedächtnis aus (Immuntraining).<ref name=":1" /> Bei einer [[Masern]]infektion würde es wieder gelöscht werden (Immunsuppression durch Eliminierung der [[B-Lymphozyt|B]]- und [[T-Lymphozyt|T-Zellen]]). Lebendimpfstoffe stimulieren zudem die Aktivierung von T-Zellen, die ein kreuzratkives Potential entfalten (Kreuzprotektion).<ref name=":0" /> Die Kreuzprotektion konnte teilweise in Zell- und [[Tierstudien]] reproduziert werden.<ref name=":3">{{Internetquelle |autor= |url=https://www.pharmazeutische-zeitung.de/ausgabe-362018/unspezifische-impfeffekte-training-fuer-das-immunsystem/ |titel=Unspezifische Impfeffekte: Training für das Immunsystem |werk=[[Pharmazeutische Zeitung]] |hrsg= |datum=2018-09-05 |abruf=2020-03-08 |sprache=}}</ref> Positive heterologe Effekte sind damit [[Immunologie|immunologisch]] erklärbar und plausibel.<ref name=":0" /> Ist das Immunsystem später dann spezialisiert und voll arbeitsfähig, spielen unspezifische Effekte keine große Rolle mehr.<ref name=":2" />
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Positive Effekte manifestieren sich in den Ländern besonders stark, in denen vielen Kindern an [[Infektionskrankheit]]en sterben, beispielsweise in Guinea-Bissau.<ref name=":2" /> Zudem sind in jenen Ländern Kindern häufig durch [[Parasitismus|Parasiten]] befallen, was unspezifische Effekte beeinflussen kann. In Industrienationen mag dieser Effekt geringer ausfallen, wie beispielsweise nach einer BCG- oder MMR-Impfung. Der dänischen Anthropologe und Medizinwissenschaftler [[Peter Aaby]] vermutet, dass durch Wegfall von Lebendimpfungen wie die Pockenimpfung oder BCG sich das [[Allergie]]risiko sogar erhöht habe, da ein Immuntraining ausgefallen sei.<ref name=":2" />
Positive Effekte manifestieren sich in den Ländern besonders stark, in denen vielen Kindern an [[Infektionskrankheit]]en sterben, beispielsweise in Guinea-Bissau.<ref name=":2" /> Zudem sind in jenen Ländern Kindern häufig durch [[Parasitismus|Parasiten]] befallen, was unspezifische Effekte beeinflussen kann. In Industrienationen mag dieser Effekt geringer ausfallen, wie beispielsweise nach einer BCG- oder MMR-Impfung. Der dänischen Anthropologe und Medizinwissenschaftler [[Peter Aaby]] vermutet, dass durch Wegfall von Lebendimpfungen wie die Pockenimpfung oder BCG sich das [[Allergie]]risiko sogar erhöht habe, da ein Immuntraining ausgefallen sei.<ref name=":2" />


Es gibt Hinweise darauf, dass das Geschlecht einen Einfluss auf die heterologen Effekte hat. So haben anscheinend die Masern-, BCG- und Pockenimpfung einen stärkeren positiven Effekt auf Mädchen als auf Jungen, während die orale Polioimpfung umgekehrt Jungen favorisieren.<ref>{{Literatur |Autor=L. C. J. de Bree et al. |Titel=Non-specific effects of vaccines: Current evidence and potential implications |Hrsg= |Sammelwerk=Seminars in Immunology |Band=39 |Nummer= |Auflage= |Datum=2018-10 |DOI=10.1016/j.smim.2018.06.002 |PMID=30007489 |Seiten=35–43}}</ref> Der genau Grund für den geschlechtsspezifischen Unterschied ist noch nicht bekannt.
== Postulierte negative Effekte bei Totimpfstoffen ==

Neben den bekannten positiven heterologen Effekte nach Lebendimpfungen wurde durch Aaby in westafrikanischen Guinea-Bissau negative heterologe Effekte nach Gabe von [[Totimpfstoff]]en – speziell [[DTP-Impfstoff|DTP]] – postuliert.<ref name=":2" /> Während Aaby durchaus die positiven Effekte nach Lebendimpfungen bestätigt, soll DTP zwar effektiv vor diesen Krankheiten schützen, aber auch die Kindersterblichkeit erhöhen. Aaby empfiehlt daher, dass eine Lebendimpfung einer DTP-Impfung folgen sollte.
== Postulierte negative Effekte bei Totimpfstoffen==
Neben den bekannten positiven heterologen Effekte nach Lebendimpfungen wurden durch Aaby in westafrikanischen Guinea-Bissau negative heterologe Effekte nach Gabe von [[Totimpfstoff]]en – speziell [[DTP-Impfstoff|DTP]] – postuliert.<ref name=":2" /> Während Aaby durchaus die positiven Effekte nach Lebendimpfungen bestätigt, soll DTP zwar effektiv vor diesen Krankheiten schützen, aber auch die Kindersterblichkeit erhöhen. Aaby empfiehlt daher, dass die Grundimmunisierung mit einer Lebendimpfung abgeschlossen werden sollte, und nicht mit Totimpfstoffen.


Diese Daten werden von der [[Weltgesundheitsorganisation|WHO]] in Frage gestellt.<ref name=":0" /> So bemängeln die WHO, aber auch andere Impfexperten, dass Aabys Studien methodisch signifikante Grenzen aufweisen; diese Studien sind außerdem regional beschränkt in [[Subsahara-Afrika]], in der Infektionskrankheiten eine der wesentlichen Ursachen für Kindersterblichkeit sind. Ein Review von 2016<ref>{{Literatur |Autor=Julian P. T. Higgins et al. |Titel=Association of BCG, DTP, and measles containing vaccines with childhood mortality: systematic review |Hrsg= |Sammelwerk=BMJ |Band=355 |Nummer= |Auflage= |Verlag= |Ort= |Datum=2016-10-13 |DOI=10.1136/bmj.i5170 |PMID=27737834 |Seiten=}}</ref> hat [[Kohortenstudie]]n untersucht und kommt zu stark unterschiedlichen Ergebnissen, die Autoren haben vor einem hohen Risiko einer Verzerrung hingewiesen.<ref name=":3" /> Zudem fehlt im Gegensatz zu den positiven heterologen Effekten eine immunologisch plausible Erklärung.<ref name=":0" />
Diese Daten werden von der [[Weltgesundheitsorganisation|WHO]] in Frage gestellt.<ref name=":0" /> So bemängeln die WHO, aber auch andere Impfexperten, dass Aabys Studien methodisch signifikante Grenzen aufweisen; diese Studien sind außerdem regional beschränkt in [[Subsahara-Afrika]], in der Infektionskrankheiten eine der wesentlichen Ursachen für Kindersterblichkeit sind. Ein Review von 2016<ref>{{Literatur |Autor=Julian P. T. Higgins et al. |Titel=Association of BCG, DTP, and measles containing vaccines with childhood mortality: systematic review |Hrsg= |Sammelwerk=BMJ |Band=355 |Nummer= |Auflage= |Verlag= |Ort= |Datum=2016-10-13 |DOI=10.1136/bmj.i5170 |PMID=27737834 |Seiten=}}</ref> hat [[Kohortenstudie]]n untersucht und kommt zu stark unterschiedlichen Ergebnissen, die Autoren haben vor einem hohen Risiko einer Verzerrung hingewiesen.<ref name=":3" /> Zudem fehlt im Gegensatz zu den positiven heterologen Effekten eine immunologisch plausible Erklärung.<ref name=":0" />
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* {{Internetquelle |autor=Nina Weber |url=https://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/eingeimpft-peter-aaby-was-sind-unspezifische-effekte-von-impfungen-a-1225184.html |titel="Eingeimpft" - Peter Aaby: Was sind unspezifische Effekte von Impfungen? |werk=[[Der Spiegel]] |hrsg= |datum=2018-09-11 |abruf=2020-03-08 |sprache=}}
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== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==

Version vom 9. März 2020, 11:42 Uhr

Heterologe Effekte (auch unspezifische Effekte, off-target effects bzw. non-specific effects) treten bei Impfungen auf. Sie kennzeichnen sich dadurch, dass sie über die für Impfungen vorgesehenen und antizipierten erregerspezifische Effekte (Schutzwirkung vor der jeweiligen Zielkrankheit) hinausgehen und einen Einfluss auf die Gesamtmorbidität (auch gegenüber nicht-geimpften Krankheiten)[1] und -mortalität entfalten können.

Positive Effekte bei Lebendimpfstoffen

Mehrere epidemiologische Studien[2] sowie Studien aus Entwicklungsländern haben gezeigt, dass nach einer Masernimpfung die Kindersterblichkeit um 40 % gesenkt wurde, es wurden mehr Kinder gerettet als vor den Impfungen gestorben waren.[3] Diese zusätzliche Senkung kann damit nicht alleine durch die Vermeidung der Krankheit selbst verursacht werden. In z. B. Kongo, im Senegal und in Guinea-Bissau sank diese nach Beginn der Impfungen sogar um 50 %, weit mehr als Verhindern der masernbedingten Mortalität erwartet worden wäre.[4][5]

Auch bei anderen Lebendimpfungen konnte dieser Effekt gezeigt werden. So geht die Gesamtsterblichkeit bei mit BCG-geimpften Kindern in den ersten 6–12 Monaten im Vergleich zu nicht mit BCG geimpften Kindern stärker zurück als erwartet.[2][6] Ähnliche Hinweise gibt es zur MMR-Impfung[7] sowie zur oralen Polioimpfung (OPV) sowie damaligen Pockenimpfung.[8]

Diese positiven unspezifischen Effekte nach einer Lebendimpfung treten im Kindesalter deutlicher auf, offenbar wird das Immunsystem durch die Impfung stimuliert und es bildet sich ein innates Immungedächtnis aus (Immuntraining).[3] Bei einer Maserninfektion würde es wieder gelöscht werden (Immunsuppression durch Eliminierung der B- und T-Zellen). Lebendimpfstoffe stimulieren zudem die Aktivierung von T-Zellen, die ein kreuzratkives Potential entfalten (Kreuzprotektion).[2] Die Kreuzprotektion konnte teilweise in Zell- und Tierstudien reproduziert werden.[9] Positive heterologe Effekte sind damit immunologisch erklärbar und plausibel.[2] Ist das Immunsystem später dann spezialisiert und voll arbeitsfähig, spielen unspezifische Effekte keine große Rolle mehr.[4]

Positive Effekte manifestieren sich in den Ländern besonders stark, in denen vielen Kindern an Infektionskrankheiten sterben, beispielsweise in Guinea-Bissau.[4] Zudem sind in jenen Ländern Kindern häufig durch Parasiten befallen, was unspezifische Effekte beeinflussen kann. In Industrienationen mag dieser Effekt geringer ausfallen, wie beispielsweise nach einer BCG- oder MMR-Impfung. Der dänischen Anthropologe und Medizinwissenschaftler Peter Aaby vermutet, dass durch Wegfall von Lebendimpfungen wie die Pockenimpfung oder BCG sich das Allergierisiko sogar erhöht habe, da ein Immuntraining ausgefallen sei.[4]

Es gibt Hinweise darauf, dass das Geschlecht einen Einfluss auf die heterologen Effekte hat. So haben anscheinend die Masern-, BCG- und Pockenimpfung einen stärkeren positiven Effekt auf Mädchen als auf Jungen, während die orale Polioimpfung umgekehrt Jungen favorisieren.[10] Der genau Grund für den geschlechtsspezifischen Unterschied ist noch nicht bekannt.

Postulierte negative Effekte bei Totimpfstoffen

Neben den bekannten positiven heterologen Effekte nach Lebendimpfungen wurden durch Aaby in westafrikanischen Guinea-Bissau negative heterologe Effekte nach Gabe von Totimpfstoffen – speziell DTP – postuliert.[4] Während Aaby durchaus die positiven Effekte nach Lebendimpfungen bestätigt, soll DTP zwar effektiv vor diesen Krankheiten schützen, aber auch die Kindersterblichkeit erhöhen. Aaby empfiehlt daher, dass die Grundimmunisierung mit einer Lebendimpfung abgeschlossen werden sollte, und nicht mit Totimpfstoffen.

Diese Daten werden von der WHO in Frage gestellt.[2] So bemängeln die WHO, aber auch andere Impfexperten, dass Aabys Studien methodisch signifikante Grenzen aufweisen; diese Studien sind außerdem regional beschränkt in Subsahara-Afrika, in der Infektionskrankheiten eine der wesentlichen Ursachen für Kindersterblichkeit sind. Ein Review von 2016[11] hat Kohortenstudien untersucht und kommt zu stark unterschiedlichen Ergebnissen, die Autoren haben vor einem hohen Risiko einer Verzerrung hingewiesen.[9] Zudem fehlt im Gegensatz zu den positiven heterologen Effekten eine immunologisch plausible Erklärung.[2]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Barbara Bröker, Christine Schütt, Bernhard Fleischer: Grundwissen Immunologie. Springer-Verlag, 2019, ISBN 978-3-662-58330-2, S. 186–187.
  2. a b c d e f Was versteht man unter unspezifischen Effekten von Impfungen? In: RKI. 21. August 2018, abgerufen am 8. März 2020.
  3. a b Barbara Bröker, Christine Schütt, Bernhard Fleischer: Grundwissen Immunologie. Springer-Verlag, 2019, ISBN 978-3-662-58330-2, S. 250–251.
  4. a b c d e Nina Weber: "Eingeimpft" - Peter Aaby: Was sind unspezifische Effekte von Impfungen? In: Der Spiegel. 11. September 2018, abgerufen am 8. März 2020.
  5. Peter Aaby, Hilton Whittle, Christine Stabell Benn: Vaccine programmes must consider their effect on general resistance. In: BMJ. Band 344, 14. Juni 2012, S. e3769, doi:10.1136/bmj.e3769, PMID 22700785.
  6. Lone Graff Stensballe et al.: BCG vaccination at birth and early childhood hospitalisation: a randomised clinical multicentre trial. In: Archives of Disease in Childhood. Band 102, Nr. 3, 1. März 2017, S. 224–231, doi:10.1136/archdischild-2016-310760, PMID 27443836.
  7. Susanne M A J Tielemans et al.: Non-specific effects of measles, mumps, and rubella (MMR) vaccination in high income setting: population based cohort study in the Netherlands. In: The BMJ. Band 358, 30. August 2017, doi:10.1136/bmj.j3862, PMID 28855159, PMC 5576097 (freier Volltext).
  8. Olaf Müller und Heiko Becher: Internationale Gesundheit: Unspezifische Effekte von Impfungen. In: Deutsches Ärzteblatt. 9. Oktober 2015, abgerufen am 8. März 2020.
  9. a b Unspezifische Impfeffekte: Training für das Immunsystem. In: Pharmazeutische Zeitung. 5. September 2018, abgerufen am 8. März 2020.
  10. L. C. J. de Bree et al.: Non-specific effects of vaccines: Current evidence and potential implications. In: Seminars in Immunology. Band 39, Oktober 2018, S. 35–43, doi:10.1016/j.smim.2018.06.002, PMID 30007489.
  11. Julian P. T. Higgins et al.: Association of BCG, DTP, and measles containing vaccines with childhood mortality: systematic review. In: BMJ. Band 355, 13. Oktober 2016, doi:10.1136/bmj.i5170, PMID 27737834.